Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 9. Apr. 2025 - 1 StR 371/24 von ra.de Redaktion


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Bundesgerichtshof Urteil, 9. Apr. 2025 - 1 StR 371/24
Tenor
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 19. März 2024 mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu Freiheitsstrafen von einem Jahr (E. ) und sieben Monaten (Er. ) sowie - unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus Urteilen des Landgerichts und Amtsgerichts München - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten (H. ) verurteilt und deren Vollstreckung sämtlich zur Bewährung ausgesetzt. Es hat zudem jeweils die Feststellung getroffen, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen und auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt sind, haben mit der Verfahrensrüge Erfolg. Auf die sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts entschlossen sich die Angeklagten gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter am 3. Oktober 2019 dazu, den ihnen wegen seiner Zugehörigkeit zum Lager der "Hells Angels" verhassten Geschädigten A. in einer "McDonalds"-Filiale in M. erheblich zu verletzen. Als sie dem Tatplan entsprechend gegen 23.58 Uhr das Restaurant stürmten, schnitt der Angeklagte H. dem flüchtenden Geschädigten den Weg ab und schlug ihn mit der rechten Faust Richtung Kopf zu Boden. Der Angeklagte Er. bedeutete dem Begleiter des Geschädigten Al. durch Vorzeigen einer nicht näher bekannten Waffe währenddessen mit Erfolg, sich fernzuhalten. Ein wuchtvoll geführter Fußtritt des unbekannten Mittäters in Richtung des Kopfes des Geschädigten verfehlte nur knapp sein Ziel. Der Angeklagte E. trat hinzu und schlug - wie zuvor abgesprochen - mit zwei Trainingsringen aus Hartplastik auf den Oberkörper und den Kopf des Geschädigten ein. Zeitgleich versetzten die Angeklagten H. , Er. und der unbekannte Mittäter dem Geschädigten wuchtige Fußtritte, wobei der Angeklagte H. zielgerichtet gegen dessen Kopf trat. Wie von den Angeklagten erkannt und in Kauf genommen, waren die insgesamt acht Sekunden andauernden Gewalteinwirkungen, infolge derer der Geschädigte ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma mit starken Kopfschmerzen erlitt, abstrakt lebensgefährdend.
Dieses Geschehen hat das Landgericht als gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung gewertet und die vorbenannten Freiheitsstrafen verhängt.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.
Die Staatsanwaltschaft macht jeweils mit Erfolg den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO geltend. Bei dem angegriffenen Urteil haben vier Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen sie gerichtetes Ablehnungsgesuch unter Verletzung von § 26a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO in unvertretbarer Weise verworfen worden war.
1. Die Beschränkung der jeweiligen Revision auf den Rechtsfolgenausspruch, die sich aus der Rechtsmittelschrift ausdrücklich ergibt, ist wirksam. Die Bestimmung des Anfechtungsumfangs unterliegt der sich aus § 344 Abs. 1 StPO ("inwieweit") ergebenden Dispositionsfreiheit des Rechtsmittelführers über den Umfang der Anfechtung. Denn der Rechtsfolgenausspruch kann vorliegend losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbständig vom Revisionsgericht überprüft werden, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2022 - 6 StR 573/21 Rn. 6; vom 22. Januar 2020 - 2 StR 562/19, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Beschränkung 3 und vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.). Dem steht nicht entgegen, dass mit der Verfahrensrüge die Mitwirkung eines abgelehnten Richters (§ 338 Nr. 3 StPO) beanstandet wird und die abgelehnten Richter auch an dem nicht angefochtenen Teil der Entscheidung beteiligt waren. Die jeweilige Revision wird auch durch das Geltendmachen eines absoluten Revisionsgrundes nicht widersprüchlich, weshalb es bei der Dispositionsfreiheit der Staatsanwaltschaft über den Umfang ihrer Rechtsmittel und der Bindung des Revisionsgerichts hieran bleibt (vgl. dazu BGH, Urteile vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 36 und vom 12. März 2020 - 4 StR 537/19 Rn. 8; Beschlüsse vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 364; vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 38; vom 9. Februar 1995 - 4 StR 37/95 Rn. 3, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 9 und vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155 Rn. 17; vgl. auch Knauer/Kudlich in MüKo-StPO, 2. Aufl. 2024, StPO § 344 Rn. 23).
2. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Am ersten Tag der Hauptverhandlung regten die Verteidiger der Angeklagten Verständigungsgespräche mit dem Ziel der Verhängung bewährungsfähiger Strafen im Falle geständiger Einlassungen an. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft trat dieser Strafmaßvorstellung betreffend die Angeklagten H. und E. entgegen und lehnte hierauf zielende Gespräche ab. Die anschließende Bitte eines Verteidigers nach einem Verständigungsvorschlag durch das Gericht lehnte die Vorsitzende unter Verweis auf die nicht ausreichend hohe "Verurteilungswahrscheinlichkeit" und die zugleich weit auseinanderliegenden Straferwartungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ab.
Trotz unveränderter Beweislage kündigte die Strafkammer am zweiten Tag der Hauptverhandlung (6. März 2024) jedoch einen Verständigungsvorschlag an. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte dazu, er hielte die Ankündigung bewährungsfähiger Strafen in Anbetracht der Vorgespräche für eine "Unterwanderung seiner Rechte". Die Hauptverhandlung wurde daraufhin für eine Viertelstunde bis 14.15 Uhr unterbrochen.
Während dieser Unterbrechung versuchte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Anbringung eines Befangenheitsantrags zu besprechen. Dies geschah nach den internen Vorgaben der Staatsanwaltschaft München I, wonach der jeweilige Sitzungsvertreter Befangenheitsanträge gegen das Gericht zunächst mit dem Abteilungsleiter und anschließend dem Behördenleiter abzustimmen hat. Der Abteilungsleiter war innerhalb der viertelstündigen Sitzungspause jedoch nicht erreichbar.
Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung unterbreitete die Strafkammer einen Verständigungsvorschlag, der für jeden der Angeklagten einen Strafkorridor im bewährungsfähigen Bereich vorsah. Die Verteidiger der Angeklagten erklärten daraufhin in deren Namen ihre Zustimmung; der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft lehnte - nachdem die Vorsitzende seinen Wortbeitrag zuvor unterbrochen hatte - den Verständigungsvorschlag ab. Nach Feststellung der Vorsitzenden, dass eine Verständigung nicht zustande gekommen sei, gaben alle Verteidiger eine Erklärung für ihre Mandanten ab und räumten den jeweiligen Anklagevorwurf im Wesentlichen ein.
Nach Abschluss des Hauptverhandlungstags gegen 16.30 Uhr besprach sich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft mit seinem Abteilungsleiter, der das Anbringen eines Befangenheitsantrags befürwortete. Die Einholung der erforderlichen Zustimmung des Behördenleiters scheiterte an dessen Abwesenheit.
Am Folgetag suchte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit seinem Abteilungsleiter den Behördenleiter vor Beginn der Dienstgeschäfte um 8.00 Uhr auf, der einen Befangenheitsantrag ebenfalls befürwortete. Im Anschluss hieran nahm der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ab 9.30 Uhr als Sitzungsvertreter an der Hauptverhandlung derselben (personenidentisch besetzten) Strafkammer in einer anderen Sache teil. Diese Sitzungsvertretung beurteilte die Staatsanwaltschaft als unerlässlich, weil es sich um den neunten Hauptverhandlungstag eines komplexen Strafverfahrens handele, dessen umfangreiche Anklageschrift von demselben Staatsanwalt verfasst worden sei, und dieser die Hauptverhandlung im Wesentlichen bereits zuvor betreut habe. Hinzugetreten sei, dass die Fortsetzung einer unter seiner Mitwirkung bereits begonnenen Zeugeneinvernahme angestanden und die Zeit bis zum Verhandlungsbeginn für die Instruktion eines Vertreters nicht ausgereicht habe.
Nach Sitzungsende dieser Hauptverhandlung um 14.30 Uhr verfasste der Sitzungsvertreter das rügegegenständliche Befangenheitsgesuch, das um 20.45 Uhr per Fax am Landgericht einging. Mit dem elfseitigen Gesuch lehnte die Staatsanwaltschaft alle vier Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dem Ablehnungsgesuch lagen Inhalt und Ablauf der Gespräche zu einer möglichen Verständigung am ersten und zweiten Hauptverhandlungstag sowie die Nichtbescheidung eines auf die Protokollierung der Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft gerichteten Antrags zugrunde. Begründet wurde die Besorgnis der Befangenheit insbesondere mit dem Unterbreiten des Verständigungsvorschlags zum entsprechenden Zeitpunkt, obwohl
- der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die von den Verteidigern am ersten Hauptverhandlungstag geäußerten Strafvorstellungen als nicht zustimmungsfähig abgelehnt habe,
- die Vorsitzende hierauf geäußert habe, dass sich das Gericht angesichts der als zu niedrig eingeschätzten Verurteilungswahrscheinlichkeit zur Unterbreitung eines eigenen Vorschlags nicht in der Lage sehe,
- es keine nachvollziehbaren Gründe für eine abweichende Einschätzung der Verurteilungswahrscheinlichkeit infolge der stattgefundenen Beweisaufnahme gegeben habe,
- ein beisitzender Richter der Strafkammer auf die Bitte eines Verteidigers um einen Verständigungsvorschlag durch das Gericht spontan geäußert habe, dies mache angesichts der ablehnenden Haltung der Staatsanwaltschaft keinen Sinn,
- der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auf die Ankündigung des Gerichts, nach einer kurzen Unterbrechung einen Verständigungsvorschlag unterbreiten zu wollen, darauf hingewiesen habe, dass er dies als Unterwanderung seiner Rechte als Vertreter der Staatsanwaltschaft aus § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO ansehen würde
- sowie das Ins-Wort-Fallen der Vorsitzenden, als der Unterzeichner nach der Unterbrechung seine Nicht-Zustimmung habe mitteilen wollen.
Dementsprechend habe der Vorschlag auch nicht "ernsthafterweise" zum Ziel haben können, eine Verständigung herbeizuführen. Vielmehr sei - auch aufgrund einer Äußerung eines beisitzenden Richters zu einem ähnlich gelagerten Verfahren - zu befürchten gewesen, dass das Gericht die streitige Durchführung der Hauptverhandlung als sehr schwierig wahrgenommen und eine solche durch das Inaussichtstellen von Strafen, die den Wünschen der Angeklagten entsprachen, unbedingt habe vermeiden wollen. Das Verhalten der Strafkammer habe allein darauf gezielt, Geständnisse zu provozieren, "was dann ja auch exakt so eingetreten sei" (RB S. 29). Es stehe nunmehr zu befürchten, dass alle vier Richter nicht mehr in dem erforderlichen Maße dafür offen seien, strafzumessungsrelevante Umstände zu Lasten der Angeklagten in ihrer noch zu treffenden Entscheidung auch insoweit zu berücksichtigen, als dies zur Folge hätte, dass höhere Strafen als im Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellt tat- und schuldangemessen wären. Vielmehr dränge sich die Befürchtung auf, dass sich alle vier Richter angesichts der ganz offensichtlich direkt auf ihren Vorschlag hin abgelegten Geständnisse auch ohne die Bindungswirkung des § 257c StPO faktisch an die in Aussicht gestellten Strafrahmen gebunden fühlten (RB S. 30). Bei dem Vorgehen des Gerichts und der Verteidigung handele es sich ganz offensichtlich um eine faktische Verständigung, die das Zustimmungserfordernis der Staatsanwaltschaft in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO unterlaufe (RB S. 31). Der Eindruck eines "planmäßigen Vorgehens" habe sich durch die Ereignisse im Anschluss an den Verständigungsvorschlag - namentlich die Weigerung der Vorsitzenden, die ausgeführten genaueren Umstände der gescheiterten Verständigung zu protokollieren - erhärtet.
Die Ablehnung sei im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO unverzüglich geltend gemacht worden (RB S. 32 f.). Das gelte auch, obgleich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft diese nicht sofort nach der letzten die Ablehnung begründenden Tatsachen, der Nichtprotokollierung seines Antrags, geltend gemacht, sondern zunächst der noch etwa ein dreiviertel Stunden fortdauernden Hauptverhandlung bis zur nächsten Unterbrechung durch das Gericht beigewohnt habe, im Anschluss daran gemeinsam mit seinem Abteilungsleiter in einen Überlegungsprozess eingetreten sei, diesen am nächsten Morgen zusammen mit dem Behördenleiter, der am Vortag nicht mehr erreichbar gewesen sei, abgeschlossen und sodann am 7. März 2024, nachdem er bis etwa 14.30 Uhr einer Hauptverhandlung in anderer Sache als Vertreter der Staatsanwaltschaft beigewohnt habe, das Ablehnungsgesuch formuliert und versendet habe.
Zur Glaubhaftmachung der Vorgänge an den ersten beiden Hauptverhandlungstagen berief sich die Staatsanwaltschaft auf den ("bisherigen") Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls, das Zeugnis der Verteidiger und der vier abgelehnten Richter. Hinsichtlich der Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens wurde kein besonderes Mittel zur Glaubhaftmachung (§ 26 Abs. 2 Satz 1 StPO) angegeben.
Mit Telefax vom 8. März 2024 nahm die Verteidigerin des Angeklagten Er. zum Befangenheitsantrag Stellung.
Die Strafkammer hat den Ablehnungsantrag in der Besetzung "für Beschlüsse außerhalb der Hauptverhandlung" unter Mitwirkung der beiden abgelehnten Berufsrichter als unzulässig verworfen. Das Ablehnungsgesuch sei nicht unverzüglich eingereicht worden und somit verspätet. Die Verspätung eines Ablehnungsgesuchs könne nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Sitzungsvertreter durch Dienstgeschäfte an einer früheren Anbringung gehindert gewesen sei. Aus Sicht der Kammer hätte das Gesuch auch unter Berücksichtigung des Umfangs und der Komplexität der gerügten Ereignisse daher spätestens am Vormittag des folgenden Tages bei Gericht eingehen müssen, um "unverzüglich" gestellt zu sein. Im Übrigen fehle für die tatsächlichen Umstände, welche zur Begründung der Rechtzeitigkeit des Ablehnungsgesuchs angeführt worden seien, entgegen § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO "jegliches Mittel der Glaubhaftmachung".
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet die auf § 26a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO gestützte Verwerfung ihres Ablehnungsantrags als unzulässig zu Recht.
a) Die Verfahrensrüge ist den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend erhoben, wonach die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau anzugeben sind, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 40).
Dem genügend teilt die Revision das Ablehnungsgesuch vom 7. März 2024 und den Verwerfungsbeschluss vom 12. März 2024 jeweils im Wortlaut (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2020 - 1 StR 90/20 Rn. 6 mwN) sowie die Umstände, aus denen sich die Einhaltung der unverzüglichen Antragstellung (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2015 − 4 StR 276/15 Rn. 7 und vom 7. Juni 2022 - 5 StR 460/21 unter 1.), nachvollziehbar mit. Der Zulässigkeit der Rüge steht unter den hier vorliegenden Umständen nicht entgegen, dass der Revisionsvortrag nicht auch die Stellungnahme der Verteidigerin W. zu dem Befangenheitsantrag umfasst. Anders als die dienstliche Äußerung eines abgelehnten Richters, deren Inhalt regelmäßig zum notwendigen Rügevortrag gehört, da durch sie ursprünglich verständliches Misstrauen gegen die Unparteilichkeit beseitigt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 7. Dezember 1977 - 2 StR 486/77; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 167/07 Rn. 9 und vom 11. März 2015 - 5 StR 578/14), ist die Stellungnahme der Verteidigerin für die Nachprüfung des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht erforderlich. Denn gerügt ist vorliegend nicht die sachliche Begründetheit der Verwerfung des Ablehnungsantrags, sondern dessen Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig wegen Verspätung und fehlender Glaubhaftmachung. Dafür kommt es auf die Ausführungen der Verteidigerin zu den von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Ablehnungsgründen, auf die im Ablehnungsbeschluss der Strafkammer auch nicht Bezug genommen wird, nicht an. Im Übrigen enthält die Stellungnahme keine wesentlichen bisher unbekannten Verfahrenstatsachen.
b) Der Rügebefugnis der Staatsanwaltschaft steht § 339 StPO nicht entgegen. Rechtsnormen, die - wie auch § 26a StPO - das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) sichern, gelten ersichtlich nicht allein zugunsten des Angeklagten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2023 - 2 StR 195/23, BGHSt 68, 74 Rn. 16 ff.). Entsprechend ihrer Rolle als "Wächter des Gesetzes" ist der Staatsanwaltschaft die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe und gewährleistet als Vertreterin der Anklage eine effektive Strafrechtspflege. Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO) fort (vgl. BVerfGE 133, 168Rn. 92 f.). Hieraus folgt, dass (auch) sie die Verletzung der grundrechtsgleichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Dezember 2021 - 2 BvR 2076/21 u.a. Rn. 29 mwN) im Rechtsmittelverfahren beanstanden kann.
c) Die Rüge des § 338 Nr. 3 StPO ist auch begründet. Mit der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26aAbs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO hat die Strafkammer dem Beschwerdeführer im Ablehnungsverfahren seinen gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
aa) Ein Ablehnungsgesuch ist im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO "mit Unrecht verworfen", wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216 [im Anschluss an BVerfG NJW 2005, 3410] und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 12). Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, prüft das Revisionsgericht die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nicht allein nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO), sondern muss zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Hat das Tatgericht den durch § 26a StPO abgesteckten Verfahrensgang willkürlich oder in einer die Verfassungsgarantie des Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG missachtenden Weise verletzt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410 Rn. 72).
Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkennt. Dies gilt für die Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 1 (Verspätung) und Nr. 2 (Fehlen eines Ablehnungsgrunds oder der Glaubhaftmachung) StPO gleichermaßen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 14 mwN).
bb) Daran gemessen war die Verwerfung des Befangenheitsantrags als verspätet im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO willkürlich. Die Begründung, auf welche die Strafkammer unter Mitwirkung der abgelehnten Berufsrichter die Verwerfung gestützt hat, trägt eine Verspätung offensichtlich nicht.
(1) Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO sind während laufender Hauptverhandlung eintretende Befangenheitsgründe unverzüglich geltend zu machen. Dies bedeutet nicht "sofort", sondern "ohne schuldhaftes Zögern" (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2018 - 3 StR 559/17 Rn. 9 und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 16; jew. mwN). Obgleich hierfür ein strenger Maßstab gilt, besteht Einigkeit darüber, dass dem ablehnungsbefugten Angeklagten ausreichend Zeit zur Überlegung, zur Besprechung mit seinem Verteidiger und zur Abfassung des Gesuchs einzuräumen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2015 - 5 StR 303/15 Rn. 3; Beschlüsse vom 25. April 2006 - 3 StR 429/05, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 5 Rn. 10; vom 6. Mai 2014 - 5 StR 99/14, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 6; vom 6. März 2018 - 3 StR 559/17 Rn. 9 und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20Rn. 16). Welche Zeitspanne dafür zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. August 2008 - 2 StR 261/08 Rn. 11; vom 8. Juni 2016 - 5 StR 48/16 Rn. 8; vom 6. März 2018 - 3 StR 559/17 Rn. 9 und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 16). Für die Frage, ob das Ablehnungsgesuch eines Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft unverzüglich im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO angebracht ist, gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie bei einem Befangenheitsgesuch des Angeklagten. Auch dem Staatsanwalt ist eine angemessene Zeitspanne zur Überlegung, Einhaltung behördeninterner Verfahrensabläufe und Abfassung der Ablehnungsgründe zuzubilligen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Mai 1995 - 2 StR 19/95 Rn. 13 f., BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 3 [Überlegungsfrist der Staatsanwaltschaft bis zum Folgetag bei einfach gelagertem Sachverhalt] und vom 29. März 2012 - 3 StR 455/11 Rn. 11); denn das Gesetz unterscheidet zwischen den denkbaren Antragstellern nicht.
(2) Diese Maßgaben hat die Strafkammer in unvertretbarer Weise missachtet. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft war nicht gehalten, das Befangenheitsgesuch noch am 6. März 2024 anzubringen. Er durfte vielmehr das Ende des Sitzungstags abwarten, um den behördeninternen Vorgaben entsprechend Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zu halten. Die Rückbindung des Sitzungsvertreters an seine Dienstvorgesetzten entsprach nicht nur den zu erwartenden Zuständigkeiten einer hierarchisch organisierten Behörde; sie stellt zugleich einen Filter- und Schutzmechanismus für die Strafkammer vor übereilten Befangenheitsanträgen dar. Auch die am Folgetag zunächst von demselben Staatsanwalt wahrgenommene Sitzungsvertretung in einem anderen laufenden Strafverfahren derselben Strafkammer, dessen Komplexität eine Vertretung - für die Strafkammer sowohl bereits aus den Verfahrensabläufen als auch aus der Begründung des Ablehnungsantrags ersichtlich - nicht ohne weiteres zuließ, führte nicht zur Verspätung des Antrags. Das umfangreiche Befangenheitsgesuch wurde für die Strafkammer erkennbar unmittelbar nach Ende des Sitzungstags in der anderen Strafsache formuliert und versendet, mithin offensichtlich unverzüglich angebracht.
Soweit die Strafkammer vorliegend davon ausgeht, eine angemessene Zeit für Überlegung und Beratung stehe der Staatsanwaltschaft schon deshalb nicht zu, weil sie - anders als der Angeklagte - rechtskundig sei, geht sie von einem fehlerhaften Verständnis des gesetzlichen Begriffs "unverzüglich" aus. Damit gemeint ist, vergleichbar der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, "ohne schuldhaftes Zögern", aber nicht "sofort". Auf Rechtskenntnisse des Antragstellers allein kommt es daher für die Frage schuldhaften Zögerns nicht an. Abgesehen davon, dass auch dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine zumindest kurze Zeit für Überlegung und Abfassung des Gesuchs zuzubilligen ist, kann aufgrund seiner Stellung im Verfahrensgefüge auch die Besprechung mit Dienstvorgesetzten in angemessener Zeit keine vorwerfbare Verzögerung begründen. Eine Grenze wäre erst dann überschritten, wenn der Sitzungsvertreter sich nicht unmittelbar nach Kenntnis der Ablehnungsgründe hierum bemüht oder sonst der Fortgang des Verfahrens aus der Staatsanwaltschaft zuzurechnenden Gründen nicht unmittelbar gefördert worden wäre. So lag es hier jedoch - wie die Strafkammer wusste - nicht, so dass die Behandlung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig unvertretbar und als willkürliche Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO erscheint.
cc) Auch die von der Strafkammer zusätzlich herangezogene Begründung, es habe "jegliches Mittel der Glaubhaftmachung" gefehlt, erweist sich als willkürlich. Denn der Glaubhaftmachung der zugrundeliegenden Tatsachen bedurfte es nicht, weil diese sich entweder aus den Akten ergaben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06 Rn. 11 und vom 6. Mai 2014 - 5 StR 99/14, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Glaubhaftmachung 1 Rn. 6 mwN) oder gerichtsbekannt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06 Rn. 17 mwN). Insbesondere die Umstände, aufgrund derer der Antrag erst am Abend des Folgetags angebracht werden konnte, kannte die Strafkammer in vollem Umfang. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Glaubhaftmachung (§ 26 Abs. 2 StPO), soweit der Staatsanwalt seine eigenen Wahrnehmungen mitteilte, nicht erforderlich gewesen wäre; insbesondere der Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben bedurfte es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06 Rn. 11 mwN [zur "anwaltlichen" Versicherung]).
III.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neu durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rechtsfehlerhaft wäre es - hier mit Blick auf den Angeklagten H. - die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen. Das Tatgericht hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, dass die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind. Dabei darf die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen unter dem Blick der Wirkungen, die von einer Strafe ausgehen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), mitberücksichtigt werden. Rechtsfehlerhaft sind solche Erwägungen bei der Strafzumessung aber dann, wenn eine zur Bewährung aussetzungsfähige Strafe nicht mehr innerhalb des Spielraums für eine schuldangemessene Strafe liegt. Denn von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten lösen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 − 1 StR 525/11 Rn. 41 ff. mwN).
Urteilskommentar zum BGH, Urteil vom 9. April 2025 – 1 StR 371/24
I. Einordnung und Bedeutung des Urteils
Mit seiner Entscheidung klärt der Bundesgerichtshof eine lange umstrittene, in der Praxis aber hochrelevante Frage: Welche zeitlichen Anforderungen gelten an einen Befangenheitsantrag der Staatsanwaltschaft in laufender Hauptverhandlung? Der BGH stellt fest: Es gelten „im Wesentlichen dieselben Grundsätze“ wie beim Angeklagten. „Unverzüglich“ bedeute nicht „sofort“, sondern – in Anlehnung an § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB – „ohne schuldhaftes Zögern“. Die strafprozessuale Gleichstellung wird damit ausdrücklich betont.
Bemerkenswert ist, dass der BGH die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs durch die Strafkammer nicht nur als falsch, sondern als willkürlich einstuft – und damit den absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO bejaht. Das Urteil markiert einen deutlichen Maßstab für richterliches Verhalten im Kontext gescheiterter Verständigungen (§ 257c StPO) und Ablehnungsverfahren (§§ 24 ff. StPO).
II. War die Entscheidung richtig? – Bewertung des Senats
Dogmatisch überzeugt die Entscheidung. Der BGH differenziert sauber zwischen formeller Zulässigkeit eines Befangenheitsantrags (§ 26a StPO) und seiner inhaltlichen Begründetheit. Entscheidend ist, dass die Strafkammer den Antrag unter Mitwirkung der abgelehnten Richter selbst als verspätet verworfen hatte – dies war nach Ansicht des BGH verfassungsrechtlich nicht haltbar.
Gerade im Lichte des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist die Entscheidung konsequent: Die Einhaltung interner Abstimmungsprozesse innerhalb der Staatsanwaltschaft ist nicht bloß ein verwaltungsinterner Luxus, sondern ein funktionaler Bestandteil rechtsstaatlicher Verfahrenssicherung – zum Schutz aller Verfahrensbeteiligten.
III. Was lernen wir daraus? – Praxisfolgen und offene Fragen
Die Entscheidung mahnt zur vorsichtigen Prüfung der Verwerfungsvoraussetzungen nach § 26a StPO. Die Schwelle zur Annahme der „Unverzüglichkeit“ ist höher als oft angenommen – auch bei staatlichen Verfahrensbeteiligten. Dies stärkt das objektive Element der Strafrechtspflege.
Zugleich bleiben Fragen offen:
-
Wie konkret müssen behördeninterne Abläufe dokumentiert werden, um eine Verzögerung zu rechtfertigen?
-
Gilt der Maßstab auch für andere Antragsteller mit institutioneller Einbindung (z. B. Nebenklagevertreter oder Behördenvertreter)?
-
Kann die Verwerfung durch abgelehnte Richter als Standardpraxis überhaupt bestehen bleiben?
IV. Abweichende Meinungen und kritische Stimmen
Vereinzelt wird vertreten, dass die Staatsanwaltschaft als „Herrin des Verfahrens“ besonderen Eileanforderungen unterliegt und durch ihre Rechtskenntnis schneller reagieren müsse als etwa ein Angeklagter. Der BGH erteilt dieser Auffassung eine klare Absage – und dies zu Recht. Die Unverzüglichkeit darf nicht in die Überforderung führen, auch nicht im Namen der Effizienz.
Dennoch bleibt die Grenze zwischen legitimer Überlegung und schuldhaftem Zögern fließend. Die Entscheidung verpflichtet auch Staatsanwaltschaften zu einer sauberen Dokumentation ihrer Entscheidungswege – und Gerichte zu einer sensiblen Bewertung von Ablehnungsgesuchen, die nicht vorschnell mit § 26a StPO abgetan werden dürfen.
Fazit: Der BGH stellt klar: Auch die Staatsanwaltschaft ist ein gleichwertiger Verfahrensbeteiligter mit Anspruch auf rechtsstaatliche Rücksichtnahme – nicht nur im materiellen Recht, sondern auch im Verfahrensrecht. Die Entscheidung ist dogmatisch stimmig, prozessual richtungsweisend und praktisch hochrelevant.

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Tenor
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 19. März 2024 mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu Freiheitsstrafen von einem Jahr (E. ) und sieben Monaten (Er. ) sowie - unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus Urteilen des Landgerichts und Amtsgerichts München - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten (H. ) verurteilt und deren Vollstreckung sämtlich zur Bewährung ausgesetzt. Es hat zudem jeweils die Feststellung getroffen, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen und auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt sind, haben mit der Verfahrensrüge Erfolg. Auf die sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts entschlossen sich die Angeklagten gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter am 3. Oktober 2019 dazu, den ihnen wegen seiner Zugehörigkeit zum Lager der "Hells Angels" verhassten Geschädigten A. in einer "McDonalds"-Filiale in M. erheblich zu verletzen. Als sie dem Tatplan entsprechend gegen 23.58 Uhr das Restaurant stürmten, schnitt der Angeklagte H. dem flüchtenden Geschädigten den Weg ab und schlug ihn mit der rechten Faust Richtung Kopf zu Boden. Der Angeklagte Er. bedeutete dem Begleiter des Geschädigten Al. durch Vorzeigen einer nicht näher bekannten Waffe währenddessen mit Erfolg, sich fernzuhalten. Ein wuchtvoll geführter Fußtritt des unbekannten Mittäters in Richtung des Kopfes des Geschädigten verfehlte nur knapp sein Ziel. Der Angeklagte E. trat hinzu und schlug - wie zuvor abgesprochen - mit zwei Trainingsringen aus Hartplastik auf den Oberkörper und den Kopf des Geschädigten ein. Zeitgleich versetzten die Angeklagten H. , Er. und der unbekannte Mittäter dem Geschädigten wuchtige Fußtritte, wobei der Angeklagte H. zielgerichtet gegen dessen Kopf trat. Wie von den Angeklagten erkannt und in Kauf genommen, waren die insgesamt acht Sekunden andauernden Gewalteinwirkungen, infolge derer der Geschädigte ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma mit starken Kopfschmerzen erlitt, abstrakt lebensgefährdend.
Dieses Geschehen hat das Landgericht als gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung gewertet und die vorbenannten Freiheitsstrafen verhängt.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet.
Die Staatsanwaltschaft macht jeweils mit Erfolg den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO geltend. Bei dem angegriffenen Urteil haben vier Richter mitgewirkt, nachdem ein gegen sie gerichtetes Ablehnungsgesuch unter Verletzung von § 26a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO in unvertretbarer Weise verworfen worden war.
1. Die Beschränkung der jeweiligen Revision auf den Rechtsfolgenausspruch, die sich aus der Rechtsmittelschrift ausdrücklich ergibt, ist wirksam. Die Bestimmung des Anfechtungsumfangs unterliegt der sich aus § 344 Abs. 1 StPO ("inwieweit") ergebenden Dispositionsfreiheit des Rechtsmittelführers über den Umfang der Anfechtung. Denn der Rechtsfolgenausspruch kann vorliegend losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbständig vom Revisionsgericht überprüft werden, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2022 - 6 StR 573/21 Rn. 6; vom 22. Januar 2020 - 2 StR 562/19, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Beschränkung 3 und vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 365 f.). Dem steht nicht entgegen, dass mit der Verfahrensrüge die Mitwirkung eines abgelehnten Richters (§ 338 Nr. 3 StPO) beanstandet wird und die abgelehnten Richter auch an dem nicht angefochtenen Teil der Entscheidung beteiligt waren. Die jeweilige Revision wird auch durch das Geltendmachen eines absoluten Revisionsgrundes nicht widersprüchlich, weshalb es bei der Dispositionsfreiheit der Staatsanwaltschaft über den Umfang ihrer Rechtsmittel und der Bindung des Revisionsgerichts hieran bleibt (vgl. dazu BGH, Urteile vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 36 und vom 12. März 2020 - 4 StR 537/19 Rn. 8; Beschlüsse vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 262/80, BGHSt 29, 359, 364; vom 15. Mai 2001 - 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 38; vom 9. Februar 1995 - 4 StR 37/95 Rn. 3, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 9 und vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155 Rn. 17; vgl. auch Knauer/Kudlich in MüKo-StPO, 2. Aufl. 2024, StPO § 344 Rn. 23).
2. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Am ersten Tag der Hauptverhandlung regten die Verteidiger der Angeklagten Verständigungsgespräche mit dem Ziel der Verhängung bewährungsfähiger Strafen im Falle geständiger Einlassungen an. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft trat dieser Strafmaßvorstellung betreffend die Angeklagten H. und E. entgegen und lehnte hierauf zielende Gespräche ab. Die anschließende Bitte eines Verteidigers nach einem Verständigungsvorschlag durch das Gericht lehnte die Vorsitzende unter Verweis auf die nicht ausreichend hohe "Verurteilungswahrscheinlichkeit" und die zugleich weit auseinanderliegenden Straferwartungen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ab.
Trotz unveränderter Beweislage kündigte die Strafkammer am zweiten Tag der Hauptverhandlung (6. März 2024) jedoch einen Verständigungsvorschlag an. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärte dazu, er hielte die Ankündigung bewährungsfähiger Strafen in Anbetracht der Vorgespräche für eine "Unterwanderung seiner Rechte". Die Hauptverhandlung wurde daraufhin für eine Viertelstunde bis 14.15 Uhr unterbrochen.
Während dieser Unterbrechung versuchte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, die Anbringung eines Befangenheitsantrags zu besprechen. Dies geschah nach den internen Vorgaben der Staatsanwaltschaft München I, wonach der jeweilige Sitzungsvertreter Befangenheitsanträge gegen das Gericht zunächst mit dem Abteilungsleiter und anschließend dem Behördenleiter abzustimmen hat. Der Abteilungsleiter war innerhalb der viertelstündigen Sitzungspause jedoch nicht erreichbar.
Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung unterbreitete die Strafkammer einen Verständigungsvorschlag, der für jeden der Angeklagten einen Strafkorridor im bewährungsfähigen Bereich vorsah. Die Verteidiger der Angeklagten erklärten daraufhin in deren Namen ihre Zustimmung; der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft lehnte - nachdem die Vorsitzende seinen Wortbeitrag zuvor unterbrochen hatte - den Verständigungsvorschlag ab. Nach Feststellung der Vorsitzenden, dass eine Verständigung nicht zustande gekommen sei, gaben alle Verteidiger eine Erklärung für ihre Mandanten ab und räumten den jeweiligen Anklagevorwurf im Wesentlichen ein.
Nach Abschluss des Hauptverhandlungstags gegen 16.30 Uhr besprach sich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft mit seinem Abteilungsleiter, der das Anbringen eines Befangenheitsantrags befürwortete. Die Einholung der erforderlichen Zustimmung des Behördenleiters scheiterte an dessen Abwesenheit.
Am Folgetag suchte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit seinem Abteilungsleiter den Behördenleiter vor Beginn der Dienstgeschäfte um 8.00 Uhr auf, der einen Befangenheitsantrag ebenfalls befürwortete. Im Anschluss hieran nahm der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ab 9.30 Uhr als Sitzungsvertreter an der Hauptverhandlung derselben (personenidentisch besetzten) Strafkammer in einer anderen Sache teil. Diese Sitzungsvertretung beurteilte die Staatsanwaltschaft als unerlässlich, weil es sich um den neunten Hauptverhandlungstag eines komplexen Strafverfahrens handele, dessen umfangreiche Anklageschrift von demselben Staatsanwalt verfasst worden sei, und dieser die Hauptverhandlung im Wesentlichen bereits zuvor betreut habe. Hinzugetreten sei, dass die Fortsetzung einer unter seiner Mitwirkung bereits begonnenen Zeugeneinvernahme angestanden und die Zeit bis zum Verhandlungsbeginn für die Instruktion eines Vertreters nicht ausgereicht habe.
Nach Sitzungsende dieser Hauptverhandlung um 14.30 Uhr verfasste der Sitzungsvertreter das rügegegenständliche Befangenheitsgesuch, das um 20.45 Uhr per Fax am Landgericht einging. Mit dem elfseitigen Gesuch lehnte die Staatsanwaltschaft alle vier Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Dem Ablehnungsgesuch lagen Inhalt und Ablauf der Gespräche zu einer möglichen Verständigung am ersten und zweiten Hauptverhandlungstag sowie die Nichtbescheidung eines auf die Protokollierung der Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft gerichteten Antrags zugrunde. Begründet wurde die Besorgnis der Befangenheit insbesondere mit dem Unterbreiten des Verständigungsvorschlags zum entsprechenden Zeitpunkt, obwohl
- der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die von den Verteidigern am ersten Hauptverhandlungstag geäußerten Strafvorstellungen als nicht zustimmungsfähig abgelehnt habe,
- die Vorsitzende hierauf geäußert habe, dass sich das Gericht angesichts der als zu niedrig eingeschätzten Verurteilungswahrscheinlichkeit zur Unterbreitung eines eigenen Vorschlags nicht in der Lage sehe,
- es keine nachvollziehbaren Gründe für eine abweichende Einschätzung der Verurteilungswahrscheinlichkeit infolge der stattgefundenen Beweisaufnahme gegeben habe,
- ein beisitzender Richter der Strafkammer auf die Bitte eines Verteidigers um einen Verständigungsvorschlag durch das Gericht spontan geäußert habe, dies mache angesichts der ablehnenden Haltung der Staatsanwaltschaft keinen Sinn,
- der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft auf die Ankündigung des Gerichts, nach einer kurzen Unterbrechung einen Verständigungsvorschlag unterbreiten zu wollen, darauf hingewiesen habe, dass er dies als Unterwanderung seiner Rechte als Vertreter der Staatsanwaltschaft aus § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO ansehen würde
- sowie das Ins-Wort-Fallen der Vorsitzenden, als der Unterzeichner nach der Unterbrechung seine Nicht-Zustimmung habe mitteilen wollen.
Dementsprechend habe der Vorschlag auch nicht "ernsthafterweise" zum Ziel haben können, eine Verständigung herbeizuführen. Vielmehr sei - auch aufgrund einer Äußerung eines beisitzenden Richters zu einem ähnlich gelagerten Verfahren - zu befürchten gewesen, dass das Gericht die streitige Durchführung der Hauptverhandlung als sehr schwierig wahrgenommen und eine solche durch das Inaussichtstellen von Strafen, die den Wünschen der Angeklagten entsprachen, unbedingt habe vermeiden wollen. Das Verhalten der Strafkammer habe allein darauf gezielt, Geständnisse zu provozieren, "was dann ja auch exakt so eingetreten sei" (RB S. 29). Es stehe nunmehr zu befürchten, dass alle vier Richter nicht mehr in dem erforderlichen Maße dafür offen seien, strafzumessungsrelevante Umstände zu Lasten der Angeklagten in ihrer noch zu treffenden Entscheidung auch insoweit zu berücksichtigen, als dies zur Folge hätte, dass höhere Strafen als im Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellt tat- und schuldangemessen wären. Vielmehr dränge sich die Befürchtung auf, dass sich alle vier Richter angesichts der ganz offensichtlich direkt auf ihren Vorschlag hin abgelegten Geständnisse auch ohne die Bindungswirkung des § 257c StPO faktisch an die in Aussicht gestellten Strafrahmen gebunden fühlten (RB S. 30). Bei dem Vorgehen des Gerichts und der Verteidigung handele es sich ganz offensichtlich um eine faktische Verständigung, die das Zustimmungserfordernis der Staatsanwaltschaft in § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO unterlaufe (RB S. 31). Der Eindruck eines "planmäßigen Vorgehens" habe sich durch die Ereignisse im Anschluss an den Verständigungsvorschlag - namentlich die Weigerung der Vorsitzenden, die ausgeführten genaueren Umstände der gescheiterten Verständigung zu protokollieren - erhärtet.
Die Ablehnung sei im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO unverzüglich geltend gemacht worden (RB S. 32 f.). Das gelte auch, obgleich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft diese nicht sofort nach der letzten die Ablehnung begründenden Tatsachen, der Nichtprotokollierung seines Antrags, geltend gemacht, sondern zunächst der noch etwa ein dreiviertel Stunden fortdauernden Hauptverhandlung bis zur nächsten Unterbrechung durch das Gericht beigewohnt habe, im Anschluss daran gemeinsam mit seinem Abteilungsleiter in einen Überlegungsprozess eingetreten sei, diesen am nächsten Morgen zusammen mit dem Behördenleiter, der am Vortag nicht mehr erreichbar gewesen sei, abgeschlossen und sodann am 7. März 2024, nachdem er bis etwa 14.30 Uhr einer Hauptverhandlung in anderer Sache als Vertreter der Staatsanwaltschaft beigewohnt habe, das Ablehnungsgesuch formuliert und versendet habe.
Zur Glaubhaftmachung der Vorgänge an den ersten beiden Hauptverhandlungstagen berief sich die Staatsanwaltschaft auf den ("bisherigen") Entwurf des Hauptverhandlungsprotokolls, das Zeugnis der Verteidiger und der vier abgelehnten Richter. Hinsichtlich der Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens wurde kein besonderes Mittel zur Glaubhaftmachung (§ 26 Abs. 2 Satz 1 StPO) angegeben.
Mit Telefax vom 8. März 2024 nahm die Verteidigerin des Angeklagten Er. zum Befangenheitsantrag Stellung.
Die Strafkammer hat den Ablehnungsantrag in der Besetzung "für Beschlüsse außerhalb der Hauptverhandlung" unter Mitwirkung der beiden abgelehnten Berufsrichter als unzulässig verworfen. Das Ablehnungsgesuch sei nicht unverzüglich eingereicht worden und somit verspätet. Die Verspätung eines Ablehnungsgesuchs könne nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Sitzungsvertreter durch Dienstgeschäfte an einer früheren Anbringung gehindert gewesen sei. Aus Sicht der Kammer hätte das Gesuch auch unter Berücksichtigung des Umfangs und der Komplexität der gerügten Ereignisse daher spätestens am Vormittag des folgenden Tages bei Gericht eingehen müssen, um "unverzüglich" gestellt zu sein. Im Übrigen fehle für die tatsächlichen Umstände, welche zur Begründung der Rechtzeitigkeit des Ablehnungsgesuchs angeführt worden seien, entgegen § 26 Abs. 2 Satz 1 StPO "jegliches Mittel der Glaubhaftmachung".
3. Die Staatsanwaltschaft beanstandet die auf § 26a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO gestützte Verwerfung ihres Ablehnungsantrags als unzulässig zu Recht.
a) Die Verfahrensrüge ist den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend erhoben, wonach die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig und genau anzugeben sind, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründung prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 40).
Dem genügend teilt die Revision das Ablehnungsgesuch vom 7. März 2024 und den Verwerfungsbeschluss vom 12. März 2024 jeweils im Wortlaut (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2020 - 1 StR 90/20 Rn. 6 mwN) sowie die Umstände, aus denen sich die Einhaltung der unverzüglichen Antragstellung (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2015 − 4 StR 276/15 Rn. 7 und vom 7. Juni 2022 - 5 StR 460/21 unter 1.), nachvollziehbar mit. Der Zulässigkeit der Rüge steht unter den hier vorliegenden Umständen nicht entgegen, dass der Revisionsvortrag nicht auch die Stellungnahme der Verteidigerin W. zu dem Befangenheitsantrag umfasst. Anders als die dienstliche Äußerung eines abgelehnten Richters, deren Inhalt regelmäßig zum notwendigen Rügevortrag gehört, da durch sie ursprünglich verständliches Misstrauen gegen die Unparteilichkeit beseitigt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 7. Dezember 1977 - 2 StR 486/77; vom 20. Juni 2007 - 1 StR 167/07 Rn. 9 und vom 11. März 2015 - 5 StR 578/14), ist die Stellungnahme der Verteidigerin für die Nachprüfung des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht erforderlich. Denn gerügt ist vorliegend nicht die sachliche Begründetheit der Verwerfung des Ablehnungsantrags, sondern dessen Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig wegen Verspätung und fehlender Glaubhaftmachung. Dafür kommt es auf die Ausführungen der Verteidigerin zu den von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Ablehnungsgründen, auf die im Ablehnungsbeschluss der Strafkammer auch nicht Bezug genommen wird, nicht an. Im Übrigen enthält die Stellungnahme keine wesentlichen bisher unbekannten Verfahrenstatsachen.
b) Der Rügebefugnis der Staatsanwaltschaft steht § 339 StPO nicht entgegen. Rechtsnormen, die - wie auch § 26a StPO - das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) sichern, gelten ersichtlich nicht allein zugunsten des Angeklagten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2023 - 2 StR 195/23, BGHSt 68, 74 Rn. 16 ff.). Entsprechend ihrer Rolle als "Wächter des Gesetzes" ist der Staatsanwaltschaft die Aufgabe zugewiesen, an der Sicherung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrensablaufs und -ergebnisses mitzuwirken. Mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität (§ 160 Abs. 2 StPO) ist sie Garantin für Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßige Verfahrensabläufe und gewährleistet als Vertreterin der Anklage eine effektive Strafrechtspflege. Diese Bedeutung der Staatsanwaltschaft ist nicht auf die erstinstanzliche Hauptverhandlung beschränkt, sondern setzt sich in ihrer Aufgabenstellung im Rechtsmittelverfahren (vgl. § 296 Abs. 2, § 301 StPO) fort (vgl. BVerfGE 133, 168Rn. 92 f.). Hieraus folgt, dass (auch) sie die Verletzung der grundrechtsgleichen Gewährleistung des gesetzlichen Richters (Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Dezember 2021 - 2 BvR 2076/21 u.a. Rn. 29 mwN) im Rechtsmittelverfahren beanstanden kann.
c) Die Rüge des § 338 Nr. 3 StPO ist auch begründet. Mit der Verwerfung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig gemäß § 26aAbs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO hat die Strafkammer dem Beschwerdeführer im Ablehnungsverfahren seinen gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
aa) Ein Ablehnungsgesuch ist im Sinne von § 338 Nr. 3 StPO "mit Unrecht verworfen", wenn die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters beschlossene Verwerfung gemäß § 26a StPO als unzulässig auf einer willkürlichen oder die Anforderungen des Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht; auf die sachliche Berechtigung der Ablehnungsgründe kommt es in diesem Fall nicht an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2005 - 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216 [im Anschluss an BVerfG NJW 2005, 3410] und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 12). Ist ein Ablehnungsgesuch unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 26a Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen worden, prüft das Revisionsgericht die Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nicht allein nach Beschwerdegrundsätzen (§ 28 Abs. 2 StPO), sondern muss zunächst darüber entscheiden, ob die Grenzen der Vorschrift des § 26a StPO, die den gesetzlichen Richter gewährleistet, eingehalten wurden. Hat das Tatgericht den durch § 26a StPO abgesteckten Verfahrensgang willkürlich oder in einer die Verfassungsgarantie des Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG missachtenden Weise verletzt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Tatgericht zurückzuverweisen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3410 Rn. 72).
Willkür in diesem Sinne liegt vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht und daher in der Sache offensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung Bedeutung und Tragweite des von der Verfassung garantierten Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) grundlegend verkennt. Dies gilt für die Anwendung von § 26a Abs. 1 Nr. 1 (Verspätung) und Nr. 2 (Fehlen eines Ablehnungsgrunds oder der Glaubhaftmachung) StPO gleichermaßen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 14 mwN).
bb) Daran gemessen war die Verwerfung des Befangenheitsantrags als verspätet im Sinne von § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO willkürlich. Die Begründung, auf welche die Strafkammer unter Mitwirkung der abgelehnten Berufsrichter die Verwerfung gestützt hat, trägt eine Verspätung offensichtlich nicht.
(1) Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO sind während laufender Hauptverhandlung eintretende Befangenheitsgründe unverzüglich geltend zu machen. Dies bedeutet nicht "sofort", sondern "ohne schuldhaftes Zögern" (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2018 - 3 StR 559/17 Rn. 9 und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 16; jew. mwN). Obgleich hierfür ein strenger Maßstab gilt, besteht Einigkeit darüber, dass dem ablehnungsbefugten Angeklagten ausreichend Zeit zur Überlegung, zur Besprechung mit seinem Verteidiger und zur Abfassung des Gesuchs einzuräumen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2015 - 5 StR 303/15 Rn. 3; Beschlüsse vom 25. April 2006 - 3 StR 429/05, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 5 Rn. 10; vom 6. Mai 2014 - 5 StR 99/14, BGHR StPO § 25 Abs. 2 unverzüglich 6; vom 6. März 2018 - 3 StR 559/17 Rn. 9 und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20Rn. 16). Welche Zeitspanne dafür zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. August 2008 - 2 StR 261/08 Rn. 11; vom 8. Juni 2016 - 5 StR 48/16 Rn. 8; vom 6. März 2018 - 3 StR 559/17 Rn. 9 und vom 21. Juli 2020 - 5 StR 236/20 Rn. 16). Für die Frage, ob das Ablehnungsgesuch eines Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft unverzüglich im Sinne des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO angebracht ist, gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie bei einem Befangenheitsgesuch des Angeklagten. Auch dem Staatsanwalt ist eine angemessene Zeitspanne zur Überlegung, Einhaltung behördeninterner Verfahrensabläufe und Abfassung der Ablehnungsgründe zuzubilligen (vgl. BGH, Urteile vom 3. Mai 1995 - 2 StR 19/95 Rn. 13 f., BGHR StPO § 25 Abs. 2 Unverzüglich 3 [Überlegungsfrist der Staatsanwaltschaft bis zum Folgetag bei einfach gelagertem Sachverhalt] und vom 29. März 2012 - 3 StR 455/11 Rn. 11); denn das Gesetz unterscheidet zwischen den denkbaren Antragstellern nicht.
(2) Diese Maßgaben hat die Strafkammer in unvertretbarer Weise missachtet. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft war nicht gehalten, das Befangenheitsgesuch noch am 6. März 2024 anzubringen. Er durfte vielmehr das Ende des Sitzungstags abwarten, um den behördeninternen Vorgaben entsprechend Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zu halten. Die Rückbindung des Sitzungsvertreters an seine Dienstvorgesetzten entsprach nicht nur den zu erwartenden Zuständigkeiten einer hierarchisch organisierten Behörde; sie stellt zugleich einen Filter- und Schutzmechanismus für die Strafkammer vor übereilten Befangenheitsanträgen dar. Auch die am Folgetag zunächst von demselben Staatsanwalt wahrgenommene Sitzungsvertretung in einem anderen laufenden Strafverfahren derselben Strafkammer, dessen Komplexität eine Vertretung - für die Strafkammer sowohl bereits aus den Verfahrensabläufen als auch aus der Begründung des Ablehnungsantrags ersichtlich - nicht ohne weiteres zuließ, führte nicht zur Verspätung des Antrags. Das umfangreiche Befangenheitsgesuch wurde für die Strafkammer erkennbar unmittelbar nach Ende des Sitzungstags in der anderen Strafsache formuliert und versendet, mithin offensichtlich unverzüglich angebracht.
Soweit die Strafkammer vorliegend davon ausgeht, eine angemessene Zeit für Überlegung und Beratung stehe der Staatsanwaltschaft schon deshalb nicht zu, weil sie - anders als der Angeklagte - rechtskundig sei, geht sie von einem fehlerhaften Verständnis des gesetzlichen Begriffs "unverzüglich" aus. Damit gemeint ist, vergleichbar der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, "ohne schuldhaftes Zögern", aber nicht "sofort". Auf Rechtskenntnisse des Antragstellers allein kommt es daher für die Frage schuldhaften Zögerns nicht an. Abgesehen davon, dass auch dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft eine zumindest kurze Zeit für Überlegung und Abfassung des Gesuchs zuzubilligen ist, kann aufgrund seiner Stellung im Verfahrensgefüge auch die Besprechung mit Dienstvorgesetzten in angemessener Zeit keine vorwerfbare Verzögerung begründen. Eine Grenze wäre erst dann überschritten, wenn der Sitzungsvertreter sich nicht unmittelbar nach Kenntnis der Ablehnungsgründe hierum bemüht oder sonst der Fortgang des Verfahrens aus der Staatsanwaltschaft zuzurechnenden Gründen nicht unmittelbar gefördert worden wäre. So lag es hier jedoch - wie die Strafkammer wusste - nicht, so dass die Behandlung des Befangenheitsgesuchs als unzulässig unvertretbar und als willkürliche Anwendung des § 26a Abs. 1 Nr. 1 StPO erscheint.
cc) Auch die von der Strafkammer zusätzlich herangezogene Begründung, es habe "jegliches Mittel der Glaubhaftmachung" gefehlt, erweist sich als willkürlich. Denn der Glaubhaftmachung der zugrundeliegenden Tatsachen bedurfte es nicht, weil diese sich entweder aus den Akten ergaben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06 Rn. 11 und vom 6. Mai 2014 - 5 StR 99/14, BGHR StPO § 25 Abs. 2 Glaubhaftmachung 1 Rn. 6 mwN) oder gerichtsbekannt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06 Rn. 17 mwN). Insbesondere die Umstände, aufgrund derer der Antrag erst am Abend des Folgetags angebracht werden konnte, kannte die Strafkammer in vollem Umfang. Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Glaubhaftmachung (§ 26 Abs. 2 StPO), soweit der Staatsanwalt seine eigenen Wahrnehmungen mitteilte, nicht erforderlich gewesen wäre; insbesondere der Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben bedurfte es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2006 - 1 StR 371/06 Rn. 11 mwN [zur "anwaltlichen" Versicherung]).
III.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neu durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rechtsfehlerhaft wäre es - hier mit Blick auf den Angeklagten H. - die Zumessung der Strafhöhe unzulässig mit Erwägungen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen. Das Tatgericht hat zunächst die schuldangemessene Strafe zu finden; erst wenn sich ergibt, dass die der Schuld entsprechende Strafe innerhalb der Grenzen des § 56 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB liegt, ist Raum für die Prüfung, ob auch die sonstigen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung gegeben sind. Dabei darf die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen unter dem Blick der Wirkungen, die von einer Strafe ausgehen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB), mitberücksichtigt werden. Rechtsfehlerhaft sind solche Erwägungen bei der Strafzumessung aber dann, wenn eine zur Bewährung aussetzungsfähige Strafe nicht mehr innerhalb des Spielraums für eine schuldangemessene Strafe liegt. Denn von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich darf sich die Strafe weder nach oben noch nach unten lösen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 − 1 StR 525/11 Rn. 41 ff. mwN).