Strafbarkeit von Satire-Posts nach Attentaten? Das Urteil im Fall El Hotzo und seine Bedeutung für Äußerungsdelikte

Was steht drin?
Das AG Berlin-Tiergarten sprach Hotz am 23. Juli 2025 vom Vorwurf der Billigung von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB frei. Hintergrund war ein Tweet kurz nach dem Attentat auf Donald Trump am 14. Juli 2024, in dem Hotz sinngemäß bedauerte, dass "der letzte Bus" und Trump "leider knapp verpasst" worden seien. In einem Folgepost schrieb er, es sei "fantastisch, wenn Faschisten sterben". Die Berliner Staatsanwaltschaft wertete dies als Billigung eines versuchten Mordes. Das Gericht sah das anders: Es handele sich um straflose Satire.
Ist das Urteil richtig?
Dogmatisch ist das Urteil überzeugend. Zwar liegt mit dem versuchten Mord an Trump eine taugliche Anlasstat i.S.d. § 140 StGB vor, da dieser auf die Verbrechenskataloge der §§ 126, 138 StGB verweist. Auch die Auslandstat steht der Anwendbarkeit nicht entgegen. Streitentscheidend war daher: Lag eine "Billigung" der Tat im Sinne der Norm vor, und war diese geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören?
Die Strafrichterin verneinte dies. Zwar sei der Tweet "geschmacklos", aber im Gesamtzusammenhang als Satire erkennbar. Hotz’ Account sei seit Jahren als Plattform für ironisch-überspitzte Kommentare bekannt, die Verwendung von Emojis, der Bus-Vergleich und der Kontext der übrigen Posts wiesen für einen verständigen Empfänger auf eine satirische Äußerung hin. Die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und die besondere Schutzwürdigkeit von Satire gäben hier den Ausschlag. Auch die Löschung des Posts ändere daran nichts. Das Gericht stellte außerdem fest, dass trotz öffentlicher Aufregung keine tatsächliche Friedensstörung dokumentiert sei.
Was lernen wir daraus?
Das Urteil stärkt die Grenzen des § 140 StGB im Lichte der Meinungsfreiheit. Nicht jede geschmacklose oder polarisierende Äußerung ist strafbar. Entscheidend ist, ob ein durchschnittlicher Beobachter ernstlich annehmen muss, der Äußernde billige eine schwere Straftat. Dies setzt eine Bewertung nach Form, Kontext, Medium und intendierter Wirkung voraus. Gerade bei Satire ist eine überspitzte, polemische Ausdrucksweise kennzeichnend – das darf nicht mit Zustimmung zur Gewalt gleichgesetzt werden.
Abweichende Meinungen und offene Fragen
Es gibt Stimmen, die eine strengere Auslegung fordern. So verweist die Staatsanwaltschaft auf das gesteigerte Bedrohungsklima für Politiker und fordert, äußerungsstrafrechtlich konsequenter durchzugreifen. Auch das LG Berlin hatte das Verfahren zuvor gegen eine andere Abteilung durchgesetzt. Kritisch bleibt, ob Tweets ohne satirisch eindeutig "gerahmten" Kontext stets als geschützt gelten dürfen. Zudem bleibt zu klären, wie stark die Anzahl eingegangener Anzeigen als Indiz für eine Friedensstörung zu werten ist. Die schriftlichen Urteilsgründe bleiben abzuwarten.
Fazit
Die Entscheidung des AG Berlin-Tiergarten ist ein wichtiger Beitrag zur Dogmatik des Äußerungsstrafrechts. Sie zeigt, dass das Strafrecht kein Instrument für politische Symbolik sein darf, sondern differenzierende Kontextanalyse verlangt. Geschmacklosigkeit allein macht noch keine Strafbarkeit. Wer sich online äußert, muss mit Kritik rechnen – aber nicht automatisch mit Strafverfolgung.

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Annotations
Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d
- 1.
belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder - 2.
in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
- 1.
einen der in § 125a Satz 2 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Fälle des Landfriedensbruchs, - 2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 177 Absatz 4 bis 8 oder des § 178, - 3.
einen Mord (§ 211), Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder ein Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches), - 4.
eine gefährliche Körperverletzung (§ 224) oder eine schwere Körperverletzung (§ 226), - 5.
eine Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b, - 6.
einen Raub oder eine räuberische Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255), - 7.
ein gemeingefährliches Verbrechen in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 3, des § 309 Abs. 1 bis 4, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3, des § 316a Abs. 1 oder 3, des § 316c Abs. 1 oder 3 oder des § 318 Abs. 3 oder 4 oder - 8.
ein gemeingefährliches Vergehen in den Fällen des § 309 Abs. 6, des § 311 Abs. 1, des § 316b Abs. 1, des § 317 Abs. 1 oder des § 318 Abs. 1
(2) Ebenso wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe bevor.
(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung
- 1.
(weggefallen) - 2.
eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1, - 3.
eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100, - 4.
einer Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, 152 oder einer Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in den Fällen des § 152b Abs. 1 bis 3, - 5.
eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Kriegsverbrechens (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches), - 6.
einer Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b, - 7.
eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255) oder - 8.
einer gemeingefährlichen Straftat in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 310, 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 oder der §§ 316a oder 316c
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
von der Ausführung einer Straftat nach § 89a oder - 2.
von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2,
(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative oder in § 126 Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Absatz 1 oder nach den §§ 176c und 176d
- 1.
belohnt, nachdem sie begangen oder in strafbarer Weise versucht worden ist, oder - 2.
in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,