Reform des Wohnungseigentumsrechts und aktuelle BGH-Entscheidungen zur Kostenverteilung

originally published: 18/02/2025 12:40, updated: 18/02/2025 12:43
Reform des Wohnungseigentumsrechts und aktuelle BGH-Entscheidungen zur Kostenverteilung
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Author’s summary by ra.de Redaktion

I. Einleitung

Das Wohnungseigentumsrecht wurde mit der WEG-Reform 2020 umfassend geändert. Ein zentrales Anliegen dieser Reform war die Vereinfachung von Entscheidungsprozessen innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG). Dabei erhielt die Mehrheit der Eigentümer mehr Befugnisse, insbesondere im Bereich der Kostenverteilung. Dies führte zu neuen rechtlichen Streitfragen, die nunmehr durch aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) weiter konkretisiert wurden.

In den Urteilen V ZR 128/23 und V ZR 236/23 vom 14. Februar 2025 befasste sich der BGH mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Eigentümergemeinschaft eine abweichende Kostenverteilung beschließen darf. Die Entscheidungen haben weitreichende Auswirkungen auf die Praxis, insbesondere hinsichtlich der Verteilung von Instandhaltungs- und Betriebskosten.

II. Die WEG-Reform 2020 und ihre Auswirkungen auf die Kostenverteilung

Mit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 wurde § 16 Abs. 2 WEG neu gefasst. Während nach altem Recht Änderungen der Kostenverteilung nur in Ausnahmefällen möglich waren, können Wohnungseigentümer nunmehr per Mehrheitsbeschluss eine abweichende Verteilung beschließen. § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG regelt, dass eine solche abweichende Verteilung für bestimmte Arten von Kosten möglich ist, wenn dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Der Gesetzgeber wollte damit eine flexiblere Anpassung an die Bedürfnisse der Gemeinschaft ermöglichen. Allerdings blieb unklar, welche Anforderungen an solche Beschlüsse zu stellen sind. Diese Unsicherheiten wurden nun vom BGH adressiert.

III. BGH-Urteil V ZR 128/23 – Umlage von Kosten nach Wohnfläche statt Miteigentumsanteilen

Die Klägerinnen waren Eigentümerinnen von Gewerbeeinheiten in einer Wohnanlage mit 30 Wohnungen und 25 Stellplätzen. Die ursprüngliche Teilungserklärung aus dem Jahr 1984 sah eine Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen vor. Allerdings war dieser Schlüssel für die Klägerinnen vorteilhaft, da ihre Gewerbeeinheiten im Verhältnis zur Fläche nur geringere Miteigentumsanteile aufwiesen.

Auf einer Eigentümerversammlung im Jahr 2021 wurde beschlossen, die Betriebskosten künftig nach beheizbarer Wohnfläche umzulegen. Dies führte dazu, dass die Klägerinnen deutlich höhere Kosten zu tragen hatten. Die Änderung wurde auch auf die Zuführung zur Erhaltungsrücklage erstreckt.

 

Der BGH entschied, dass die Beschlüsse rechtmäßig sind. Er stellte klar, dass § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG eine Beschlusskompetenz auch für die Änderung der Rücklagenverteilung begründet. Der BGH betonte:

  1. Beschlusskompetenz: Die Eigentümergemeinschaft kann per Mehrheitsbeschluss eine Änderung der Kostenverteilung vornehmen, wenn diese sachlich gerechtfertigt ist.

  2. Bestimmtheitserfordernis: Die Regelung „bestimmte Arten von Kosten“ in § 16 Abs. 2 WEG erfordert keine übermäßige Differenzierung, sondern lediglich eine nachvollziehbare Eingrenzung.

  3. Sachliche Rechtfertigung: Die ursprüngliche Regelung privilegierte die Gewerbeeinheiten ohne sachlichen Grund. Eine Anpassung war daher gerechtfertigt.

Dieses Urteil stärkt die Mehrheitsrechte der Eigentümergemeinschaft und zeigt, dass eine Anpassung von Kostenverteilungsregelungen grundsätzlich zulässig ist, wenn sie auf sachlichen Erwägungen beruht.

IV. BGH-Urteil V ZR 236/23 – Beteiligung an Tiefgaragenkosten trotz fehlenden Stellplatzes

1. Sachverhalt

Eine Wohnungseigentümerin hatte sich gegen einen Beschluss der WEG gewehrt, wonach sie anteilig an den Sanierungskosten einer Tiefgarage beteiligt werden sollte, obwohl sie dort keinen Stellplatz besaß. Die Teilungserklärung sah ursprünglich eine Kostentrennung zwischen Tiefgarage und Wohngebäude vor.

2. Entscheidung des BGH

Der BGH entschied, dass eine solche Kostenbeteiligung grundsätzlich nicht zulässig ist, wenn eine klare Trennung der Kostenarten in der Teilungserklärung vorgesehen ist. Allerdings verwies das Gericht die Sache an die Vorinstanz zurück, um zu prüfen, ob es für die Änderung einen sachlichen Grund gibt. Ein solcher könnte beispielsweise vorliegen, wenn Schäden am Garagendach durch das darüber liegende Gemeinschaftseigentum verursacht wurden.

V. Bedeutung der Urteile für die Praxis

Die Entscheidungen des BGH haben weitreichende Auswirkungen für Wohnungseigentümer und Verwalter:

  1. Mehr Flexibilität für Eigentümergemeinschaften: Die Mehrheitsentscheidung kann künftig nicht nur für Betriebskosten, sondern auch für Rücklagen getroffen werden.

  2. Erhöhte Anforderungen an sachliche Begründungen: Änderungen der Kostenverteilung müssen sachlich gerechtfertigt sein, um Anfechtungsklagen zu vermeiden.

  3. Prüfung individueller Klauseln in der Teilungserklärung: Bestehende Vereinbarungen über eine Kostentrennung können nicht ohne weiteres geändert werden, es sei denn, es gibt einen klaren sachlichen Grund.

VI. Fazit

Die Entscheidungen des BGH zeigen, dass die WEG-Reform 2020 den Gestaltungsspielraum von Wohnungseigentümergemeinschaften erheblich erweitert hat. Während das Urteil im Fall V ZR 128/23 die Mehrheitsrechte der Gemeinschaft stärkt, betont die Entscheidung in V ZR 236/23 die Grenzen einer kostenmäßigen Umverteilung. Eigentümer sollten sich daher frühzeitig mit den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen und bei geplanten Änderungen auf eine nachvollziehbare und sachlich begründete Beschlussfassung achten.

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(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen

Annotations

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.