LG Hamburg: Online-Coachings nur mit Zulassung nach FernUSG - sonst keine Zahlungspflicht des Teilnehmers

originally published: 05/11/2023 13:52, updated: 05/11/2023 13:57
LG Hamburg: Online-Coachings nur mit Zulassung nach FernUSG - sonst keine Zahlungspflicht des Teilnehmers
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Online-Coachings werden immer beliebter und auch die rechtliche Legitimität von Online-Coaching-Verträgen wird zunehmend vor Gericht geprüft. Ein Fall in Hamburg führte zur Annullierung eines solchen Vertrags, der als Fernunterricht eingestuft wurde, bei dem der Coach jedoch nicht über die erforderliche Zulassung nach dem Fernunterrichtsgesetz verfügte.

In Bereich des Online-Coachings gibt es unseriöse Anbieter mit irreführenden Versprechungen. Das Urteil des Landgerichts Hamburg wirft Fragen zur Regulierung und Qualitätssicherung im Coaching auf und zeigt, dass fehlende Zulassungen die Vertragskündigung erleichtern können.

Bei Fragen zu Coaching-Verträgen bietet Streifler&Kollegen kompetente Beratung.

Coachings werden immer populärer. Gleichzeitig wird auch die Frage zur Legalität von Coaching-Verträgen zunehmend zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Grund dafür ist es eine steigende Anzahl unseriöser Unternehmen, die Coaching-Dienstleistungen anbieten, bei denen in erster Linie ihre eigenen Interessen im Vordergrund stehen.

Das Landgericht Hamburg hat einen entsprechenden Coaching-Vertrag für nichtig erklärt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es sich bei der angebotenen Leistung um Fernunterricht handelte. Gemäß den gesetzlichen Vorschriften hätte der Coach über die Zulassung der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) verfügen müssen. Da dies offensichtlich nicht der Fall war, entschied das Gericht, dass der Vertrag nichtig sei und somit rechtlich nicht bindend.

Dirk Streifler – Streifler&Kollegen – Rechtsanwälte Berlin

Was sind Coaching-Verträge?

Bei sogenannten Coaching-Verträgen handelt es sich um rechtliche Vereinbarungen, die zwischen einem Dienstleister und einer Person, die das Coaching in Anspruch nehmen möchte, getroffen werden. Diese Verträge werden typischerweise abgeschlossen, wenn jemand professionelle Unterstützung, Anleitung oder Beratung sucht, um bestimmte persönliche oder berufliche Ziele zu erreichen, Schwierigkeiten zu bewältigen oder Fähigkeiten zu entwickeln. Coachings werden in vielen Lebensbereichen angeboten. Besonders beliebt sind solche Schulungen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung und beim Verkauf.  Auch das Berufs- und Karrierecoaching wurde in vergangener Zeit immer populärer.

Problematische Aspekte von Online-Coaching-Verträgen

Problematisch bei Coaching-Verträgen ist, dass es keine Erfolgsgarantie gibt. Es handelt sich um Dienstleistungsverträge, die darauf abzielen, den Klienten bei der Erreichung bestimmter Ziele zu unterstützen. Ob sich das Coaching letztendlich auszahlt, hängt von vielen Faktoren ab. Ein klar definiertes Ziel ist dabei genauso entscheidend für ein erfolgreiches Coaching wie die Motivation und Engagement des Klienten. Und auch die Beziehung zwischen Coauch und Klient sowie ein darauf basierendes Vertrauensverhältnis können das Coaching positiv beeinflussen. Letztendlich wird jedoch, die Qualifikation des Coaches, der entscheidende Grundbaustein für ein erfolgreiches Coaching darstellen. Nur ein qualifizierter Coach verfügt über die notwendigen Fähigkeiten, die erforderlich sind, um seinen Klienten an dessen definiertes Ziel zu bringen.

Die Zahl der Personen, die sich im Bereich Coaching selbstständig machen wächst dabei stetig. Wie in jeder Branche gibt es jedoch auch hier sogenannte „schwarze Schafe“.

Die angebotenen Schulungen werden mit Begriffen wie „professionell“, „hochwertig“, „einzigartig“ und „einmalig“ beworben und lösen oftmals den Wunsch aus „sofort“ handeln zu wollen. Die großspurigen Versprechungen der Coaches stellen sich jedoch oft als enttäuschend heraus. Was als professionelles, maßgeschneidertes und hochwertiges Coaching beworben wird, beschränkt sich in vielen Fällen auf einen minderwertigen und viel zu teuren Videokurs. Von einer professionellen Rund-um-die-Uhr-Beratung wollen die Coaches nach Vertragsabschluss oft gar nichts mehr wissen oder sie bleiben einfach unerreichbar.

LG Hamburg: Vorzeitige Kündigung des Coaching-Vertrages ist wirksam!

Das Landgericht Hamburg musste erst kürzlich über einen Fall entschieden, in dem eine Kundin ihren Coaching-Vertrag vorzeitig beenden wollte und es Streitigkeiten über die Kosten gab.

Die Klägerin bietet Coaching-Schulungen an, verspricht hohe Gewinne im "Print on Demand" und hat keine offizielle Zulassung. Der Beklagte meldete sich für ein Beratungsgespräch an und schloss nach einem Telefonat mit dem Vorstand der Klägerin einen Vertrag für ein sechsmonatiges Coaching ab, um ein erfolgreiches E-Commerce-Unternehmen aufzubauen. Der Preis betrug 6.366 €. Bevor der Kurs begann, widerruf der Beklagte den Vertrag, was von der Klägerin abgelehnt wurde. Diese verlangt nun die Zahlung der Kursgebühren.

LG Hamburg: Vertragsinhalt ist Fernunterricht 

Das Landgericht Hamburg entschied zugunsten der Beklagten und erklärte ihre vorzeitige Kündigung des Coaching-Vertrags für rechtmäßig.

Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) und Zulassungspflicht

Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass Online-Coaching-Verträge in der Regel unter das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) fallen und daher eine Zulassung des Anbieters gem. § 7 Abs. 1 FernUSG erforderlich wird.

Auch in diesem Fall handelte es sich bei dem Angebot der Klägerin um einen Fernunterrichtsvertrag, für den sie nicht die erforderliche Zulassung vorweisen konnte.

Definition von Fernunterricht nach § 1 FernUSG

Nach § 1 Abs. 1 des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) wird Fernunterricht im Sinne des Gesetzes definiert als die entgeltliche Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten auf vertraglicher Grundlage, bei der Lehrer und Schüler räumlich voneinander getrennt sind, und der Lehrer oder sein Vertreter den Lernerfolg überwacht.

So auch im vorliegenden Fall:

Die gesamte Kursstruktur der Klägerin wurde so konzipiert, dass Lehrer und Schüler räumlich voneinander getrennt waren. Diese räumliche Trennung war ein integraler Bestandteil des Kurskonzepts, da sämtliche Coaching-Aktivitäten ausschließlich online durchgeführt wurden. Dies umfasste sowohl Video-Coaching-Sitzungen als auch den Zugang zu Lernmaterialien in Form von Videos. Aufgrund dieser Online-Ausrichtung des Coachings war es von vornherein geplant und vorgesehen, dass Lehrer und Schüler physisch an unterschiedlichen Orten sein würden, während sie am Kurs teilnehmen.

Obwohl einige Literaturquellen und Urteile zum Fernunterrichtsgesetz die Teilnahme über Videokonferenzen nicht als räumliche Trennung im Sinne von § 1 FernUSG ansehen, da der direkte Kontakt zwischen Lehrer und Schüler bei der Wissensvermittlung als entscheidend betrachtet wird. So spricht bereits der Wortlaut von § 1 FernUSG dafür, dass es ausschließlich auf die räumliche Trennung zwischen Lehrer und Schüler ankommt. So betrachtet auch das Oberlandesgericht Köln die räumliche Trennung auch dann als gegeben, wenn weniger als die Hälfte des Lehrstoffes im herkömmlichen Präsenzunterricht vermittelt wird (OLG Köln, Beschl. v. 24.11.2006 - 81 Ss-OWi 71/06).

Darüber hinaus argumentierte das Landgericht, dass der Schutzzweck des Gesetzes, nämlich die Verhinderung unseriöser Lehrangebote, gegen eine Auslegung spricht, die den Videounterricht von der Anwendung des Gesetzes ausklammern würde.

Rechtliche Unabhängigkeit von Verbraucher- oder Unternehmerrolle

Für die Anwendbarkeit des FernUSG war es auch irrelevant, ob der Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Rolle eines Verbrauchers oder eines Unternehmers agierte, oder ob seine Äußerungen auf unternehmerische Aktivitäten hinwiesen. Schließlich setzt der Wortlaut des FernUSG an keiner Stelle voraus, dass die Person, die an einem Fernunterrichtsvertrag teilnimmt, die spezifische Eigenschaft eines Verbrauchers haben muss, um unter den Schutz des Gesetzes zu fallen. Das Gesetz betrachtet vielmehr die allgemeinen Bedingungen und Anforderungen an Fernunterrichtsverträge und stellt nicht primär auf die rechtliche Einordnung der beteiligten Parteien ab.

Fazit

Die rechtliche Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) auf Online-Coachings führt zu Diskussionen. Die Definition von Fernunterricht gemäß § 1 FernUSG legt Wert auf räumliche Trennung, während einige Rechtsquellen dies in Frage stellen. Das Landgericht Hamburg stellte jedoch fest, dass die Zulassung nach § 7 Abs. 1 FernUSG in der Regel erforderlich ist, wenn es sich um ein Online-Coaching handelt.

Eine interessante Erkenntnis aus dem Fall ist, dass die Anwendbarkeit des FernUSG nicht von der rechtlichen Einordnung der beteiligten Parteien abhängt. Das Gesetz fokussiert sich stattdessen auf allgemeine Bedingungen und Anforderungen an Fernunterrichtsverträge.

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg und die Debatten um Coaching-Verträge werfen wichtige Fragen zur Regulierung und Qualitätssicherung in dieser aufstrebenden Branche auf.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg zeigt aber auch, dass die Kündigung von Online-Coaching-Verträgen sich sehr einfach gestalten kann, wenn der Coach nicht über die erforderliche Zulassung nach dem Fernunterrichtsgesetz verfügt. Das dürfte in vielen Fällen zutreffen.

Haben Sie noch Fragen zum Thema Coaching-Verträge, Widerruf oder Kündigung? Nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.

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Fernunterrichtsschutzgesetz - FernUSG

(1) Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der 1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und2

(1) Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist nichtig. (2) Ist nach Vertragsschluss die Zulassung erloschen, widerrufen oder zurückgenommen wor

Annotations

(1) Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist nichtig.

(2) Ist nach Vertragsschluss die Zulassung erloschen, widerrufen oder zurückgenommen worden, so kann der Teilnehmer den Fernunterrichtsvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn der Veranstalter dem Teilnehmer eine Belehrung in Textform über das Recht des Teilnehmers zur fristlosen Kündigung des Vertrags und über das Erlöschen, den Widerruf oder die Rücknahme der Zulassung ausgehändigt hat. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Kündigungserklärung. Ist streitig, ob oder zu welchem Zeitpunkt die Belehrung dem Teilnehmer ausgehändigt worden ist, so trifft die Beweislast den Veranstalter. Der Veranstalter hat die Belehrung nach dem Erlöschen, dem Widerruf oder der Rücknahme der Zulassung unverzüglich dem Teilnehmer auszuhändigen.

(3) Im Falle der Kündigung nach Absatz 2 finden § 5 Abs. 2 und 3 und § 6 entsprechende Anwendung.

(1) Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der

1.
der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
2.
der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

(2) Dieses Gesetz findet auch auf unentgeltlichen Fernunterricht Anwendung, soweit dies ausdrücklich vorgesehen ist.

(1) Ein Fernunterrichtsvertrag, der von einem Veranstalter ohne die nach § 12 Abs. 1 erforderliche Zulassung des Fernlehrgangs geschlossen wird, ist nichtig.

(2) Ist nach Vertragsschluss die Zulassung erloschen, widerrufen oder zurückgenommen worden, so kann der Teilnehmer den Fernunterrichtsvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn der Veranstalter dem Teilnehmer eine Belehrung in Textform über das Recht des Teilnehmers zur fristlosen Kündigung des Vertrags und über das Erlöschen, den Widerruf oder die Rücknahme der Zulassung ausgehändigt hat. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Kündigungserklärung. Ist streitig, ob oder zu welchem Zeitpunkt die Belehrung dem Teilnehmer ausgehändigt worden ist, so trifft die Beweislast den Veranstalter. Der Veranstalter hat die Belehrung nach dem Erlöschen, dem Widerruf oder der Rücknahme der Zulassung unverzüglich dem Teilnehmer auszuhändigen.

(3) Im Falle der Kündigung nach Absatz 2 finden § 5 Abs. 2 und 3 und § 6 entsprechende Anwendung.