Die Kehrseite des Erinnerns – Das LG verneint den Auslistungsanspruch des Klägers aufgrund eines öffentlichen Interesses an der Berichterstattung

erstmalig veröffentlicht: 07.09.2020, letzte Fassung: 19.10.2022
Zusammenfassung des Autors

Der Kläger begehrte die Löschung eines auf Google veröffentlichten Artikels, welcher unter Nennung seines vollen Namens einen unliebsamen Bericht über seine Handlungen aus der Vergangenheit (insb. persönlicher Gesundheitsdaten) erstattete. Das LG verneinte einen solchen Auslistungsanspruch mit der Begründung, dass an der Berichterstattung noch ein öffentliches Interesse bestehe. – Streifler & Kollegen, Benedikt Mick – Anwalt für Strafrecht

 

Nicht jedwede Berichterstattung muss unter Hinweis auf das Recht auf Vergessen in den Tiefen des Internets unauffindbar gemacht werden. Das hat auch das LG Frankfurt a.M. (AZ 2-03 O 190/16) mit bekannt gewordener Entscheidung vom 26. Oktober 2017 deutlich gemacht. Mit welchen Gründen es seine Entscheidung begründet, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Auslistungsbegehren des Klägers gegen Google, Art. 17 I DSGVO 

Der Kläger, als Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation, wollte einen Auslistungsanspruch, d.h. einen Löschungsanspruch, gegen Google geltend machen. Grund hierfür war folgendes Prozedere:
 
Im Jahr 2011 wies der Regionalverband ein finanzielles Defizit in Höhe von knapp einer Million Euro auf. Kurz zuvor meldete sich der Kläger krank – Über beides, insbesondere von Gesundheitsdaten des Klägers, erstattete die regionale Tagespresse Bericht und nannte insbesondere den vollen Namen des handelnden Geschäftsführers.  Der Kläger begehrte nunmehr von der Beklagten, namentlich der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste anzuzeigen.

Wie entschied das LG? – Auslistungsanspruch wird aufgrund einem öffentlichen Interesse an der Berichterstattung durch das LG abgelehnt

Ob dem Bürger in der digitalen Welt infolge eines gewissen Zeitablaufs ein Vorrang des Vergessens vor dem Erinnern eingeräumt wird und ob dem Einzelnen ein solches Recht auf Vergessen ein Auslistungsanspruch gegenüber unliebsamen Berichten aus der Vergangenheit gewährt, befand das LG:
 
Das LG Frankfurt (AZ 2-03 O 190/16) wies die Klage ab mit der Begründung, dass bei einem öffentlichen Interesse an einer Berichterstattung kein „Recht auf Vergessenwerden“ bestehe. Ein ehemaliger Geschäftsführer eines Unternehmens habe keinen Auslistungsanspruch von Suchergebnissen von über 6 Jahre alten Berichten, falls an dieser Berichterstattung noch ein öffentliches Interesse bestehe. 
 
Im strittigen Falle sei der Kläger der Öffentlichkeit bekannt und für vielfache soziale Tätigkeiten von Bedeutung. Finanzielle Schwierigkeiten des Regionalverbandes des Klägers würde eine Vielzahl von Personen in unmittelbarer Weise betreffen, die von diesen Dienstleistungen abhängig seien.
Bezüglich sensibler Daten, wie zB. die Gesundheitsdaten des Klägers, sei eine weitere Abwägung erforderlich. Seien die Abgaben über den Gesundheitszustand wie im strittigen Fall jedoch eher allgemein und nicht näher konkretisiert, bestehe diesbezüglich kein Löschungsanspruch. Aus der Erwähnung der damaligen Erkrankung des Klägers sei vorliegend kein absolutes Berichterstattungsverbot abzuleiten. Vielmehr ließe sich der Auslistungsanspruch der Klägerin nicht aus der Tatsache begründen, dass die Darstellung bereits mehrere Jahre zurückliege. 

Fazit

Das Recht auf Vergessen ist kein absolutes Recht des Bürgers, unliebsame Berichterstattungen aus der Vergangenheit im Internet entfernen zu lassen (Absolute Rechte verleihen dem Berechtigten ein ausschließliches, rechtlich geschütztes Herrschaftsrecht über eine bestimmte Rechtsposition, die von jedermann zu akzeptieren ist) - Die Umstände des Einzelfalles müssen berücksichtigt werden. Eine sorgfältige Interessenabwägung ist stets erforderlich. Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung führt nur nach sorgfältiger Betrachtung des Einzelfalls zum Sperren von Suchergebnissen. Besteht für die erfolgte Berichterstattung noch ein öffentliches Interesse, so muss ein solches mit der Privatsphäre des Bürgers abgewogen werden.