Arbeitsrecht: Zum subjektiven Tatbestand i. R. d. § 266a StGB bei scheinselbstständigen Arbeitnehmern

published on 05/01/2011 15:57
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BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin 

Das AG Schwetzingen hat mit dem Urteil vom 06.04.2010 (Az: 1 Cs 610 Js 28883/08 AK 551/09, 1 Cs 610 Js 28883-08 AK 551/09) entschieden:

Liegt eine klassische Scheinselbstständigkeitskonstruktion nicht vor, weil der Angeklagte (Arbeitgeber) seinen Lohnaufwand durch die Beschäftigung des Scheinselbstständigen nicht senkt, das Unternehmerrisiko nicht auf diesen abwälzt und der Scheinselbstständige nachweislich auch auf eigenen Wunsch nach außen nicht als Arbeitnehmer behandelt wird, liegt ein Tatbestandsirrtum des Angeklagten nahe.


Gründe:

Den Angeklagten wurde folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

Der Angeklagte ... war vom 31.05.1995 bis 31.12.2004, der Angeklagte Y ist seit dem 31.05.1995 und der Angeklagte Z ist seit dem 21.01.1998 geschäftsführender Gesellschafter des Transportunternehmens Y & Z GbR, vormals Y & ... GbR, mit Sitz in Z.

Für die buchhalterischen Belange der GbR war nach der internen Geschäftsverteilung der Angeklagte Y zuständig.

In der Zeit vom 01.07.2004 bis 31.12.2007 (der Angeklagte ... nur bis zum 31.12.2004) haben es die Angeklagten aufgrund jeweils selbstständigen Willensentschlusses und gemeinschaftlich handelnd entgegen der ihnen bekannten Verpflichtung unterlassen, den bei Ihnen bereits seit 1995 abhängig beschäftigten Fahrer A zur Sozialversicherung zu melden und monatlich die auf seinen Lohn anfallenden Sozialversicherungsbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung gegenüber der zuständigen Einzugsstelle, der AOK, zu melden und bis spätestens zum drittletzten Bankarbeitstag des laufenden (ab 01.01.2007) bzw. 15. des Folgemonats (bis 31.12.2006) abzuführen, obwohl ihnen die Zahlung möglich und zumutbar gewesen sei.

Die Angeklagten haben A auf dessen Wunsch als selbstständigen Subunternehmer behandelt, obwohl er nach der tatsächlichen Gestaltung seiner Tätigkeit als abhängig Beschäftigter für die Y & Z GbR, vormals Y & ... GbR, tätig gewesen sei.

Die tatsächlichen, zur Einordnung des A als abhängig Beschäftigter führenden Umstände der Tätigkeit des A seien den Angeklagten bekannt gewesen. Insbesondere sei zumindest den Angeklagten Y und ... darüber hinaus bekannt gewesen, dass die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen als zuständiger Träger der gesetzlichen Unfallversicherung eine Mitgliedschaft des A mit Bescheid vom 24.03.1997 abgelehnt hatte. Daher habe in der Folgezeit die GbR Beiträge zur Berufsgenossenschaft für A abgeführt und sich diese von ihm erstatten lassen, obwohl die gesetzliche Unfallversicherung die Abführung von Beiträgen nur für abhängig Beschäftigte und nicht für selbstständig Subunternehmer vorsieht, da diese selbst versicherungsfähig sind.

Durch die Taten seien der zuständigen AOK zwischen Juli 2004 und Dezember 2007 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 24.589,30 € vorenthalten worden.

Die Angeklagten haben sich daher wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 36 Fällen gemäß §§ 266 a Abs. 1 und 2, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB strafbar gemacht.


Persönliche Verhältnisse der Angeklagten

Beide Angeklagte sind ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs vom 12.02.2010 strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

In der Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

A war seit dem Jahr 1995 als Fahrer für das Unternehmen der Angeklagten tätig. Auf eigenen Wunsch des A wurde dieser als selbstständiger Subunternehmer beschäftigt, nachdem er im März 1995 ein Gewerbe zum „Transport von Gütern mit Lkw für verschiedene Firmen als selbstständiger Fahrer (Subunternehmer)“ angemeldet hatte.

A verfügte jedoch über keine eigenen Fahrzeuge, sondern nutzte vielmehr die Lkw der Firma Y & ... bzw. Y & Z, um die jeweiligen Aufträge auszuführen. Auch die Versicherung der Fahrzeuge und der Fracht erfolgte über das Unternehmen der Angeklagten, so dass A im Ergebnis keinerlei unternehmerisches Risiko trug.

Sofern Aufträge anstanden, rief der Angeklagte Y - im Urlaubsfalle z. T. auch der Angeklagte Z - A an, um anzufragen, ob dieser den Auftrag übernehmen wolle. In aller Regel war dem so. In selteneren Fällen lehnte A die Aufträge ab oder kümmerte sich in Eigeninitiative um Aufträge bei den Angeklagten. Über seine Urlaubsplanung hatte er freie Entscheidungsgewalt.

Da er zeitlich bei der Y & .../Y & Z GbR stark eingebunden war, war A im Ergebnis allein für diesen Auftraggeber tätig. Zu keiner Zeit führte er Transporte für andere Unternehmen durch mit Ausnahme der den Angeklagten ursprünglich ebenfalls gehörenden jeweiligen Einzelunternehmen.

Sofern A einen Auftrag der Angeklagten übernahm, erbrachte er seine Leistungen zu einem vorgegeben Zeitpunkt und überbrachte die Güter von und zu den von den Angeklagten vorgegebenen Orten persönlich.

Allein in den Jahren ab 2003 stellte sich der Umfang der Tätigkeiten des A wie folgt dar:

Im Jahre 2003 übernahm er ausnahmslos jeden Monat zahlreiche Aufträge, wobei er jedoch im März lediglich an drei Tagen und in den Monaten Mai, Juni und September nur jeweils zwischen elf und 14 Tage arbeitete. 2004 führte er im Februar keine Aufträge aus und in vier weiteren Monaten lediglich an jeweils zwölf bis 14 Tagen. Im Übrigen wurde er deutlich häufiger tätig.

Im Jahr 2005 erbrachte er im Februar, Oktober und November keine und in den Monaten Mai bis Juli insgesamt nur an 25 Tagen Leistungen. Des Weiteren blieb er von März bis Mai 2006 untätig. Ab Juni 2006 und über das ganze Jahr 2007 arbeitete A jedoch fast täglich für die Angeklagten, ohne nennenswerte Auszeiten einzulegen.

Für sein Tätigwerden stellte er Rechnungen gegenüber den Angeklagten aus, in denen er jeweils die notwendige Umsatz-/Mehrwertsteuer auswies. Er wurde pro Auftrag mit 30 % des Gewinns entlohnt. Stundensätze waren nicht vereinbart. Die an ihn erbrachten Rechnungsbeträge überstiegen das Gehalt der übrigen - angestellten - Fahrer der Angeklagten deutlich.

Im Übrigen trat A jedoch nicht unternehmerisch am Markt auf, war nicht in ein Handelsregister eingetragen und besaß keine Frachtführerlizenz.

Die Angeklagten führten zu keiner Zeit Sozialversicherungsbeiträge für A ab.

Anfang des Jahres 1997 hatte A auf Initiative des Angeklagten Y die (eigene) Mitgliedschaft bei der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen beantragt.

Mit Bescheid vom 24.03.1997 wurde eine Mitgliedschaft des A in der BG diesem gegenüber allerdings mit der Begründung abgelehnt, dass er nicht Unternehmer im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern Arbeitnehmer seines Auftraggebers sei, da er kein unternehmerisches Risiko trage.

Die Ablehnung seines Antrages teilte A dem Angeklagten Y mit, woraufhin dieser mit der BG Kontakt aufnahm. Nach einem Telefonat, dessen Inhalt für das Gericht nicht mehr vollständig rekonstruierbar war, versicherte der Angeklagte Y den A über sein Unternehmen in der gesetzlichen Unfallsversicherung und meldete jährlich zur Beitragsberechnung eine Summe an die BG, die sich aus den Gesamtjahresbruttogehältern der Angestellten und dem Umsatz des A zusammensetzten. Den auf A entfallenden Beitrag brachte er ratenweise von dessen Rechnungen in Abzug.

Am 22.02.2001 erlitt A beim Be- oder Entladen eines Lkw einen Unfall, als er von der Ladekante eines Anhängers abrutschte. Dieser Unfall wurde durch den Angeklagten Y bei der BG gemeldet, wobei er in der Unfallanzeige angab, der Verletzte sei „Unternehmer - als selbstständiger Kraftfahrer eingesetzt“. Auch A äußerte in einem Fragebogen gegenüber der BG, er sei „Subunternehmer bei Fa. Y & ...“.

Die Berufsgenossenschaft übernahm die Heilbehandlungskosten des A und nahm eine entsprechende Nachlassreduzierung vom Beitrag der Angeklagten vor.

Während der gesamten Zusammenarbeit der Angeklagten mit A wurde dieser als selbstständiger Subunternehmer behandelt, bis die Deutsche Rentenversicherung anlässlich einer Prüfung im Sommer 2008 feststellte, dass sie A als Scheinselbstständigen - und somit abhängig Beschäftigten - einstufe.

Zwar hätten die Angeklagten aufgrund des ihnen bekannten Umfangs und der Art der Tätigkeit des A erkennen können und müssen, dass es sich bei diesem um einen Arbeitnehmer handelte. Es sind jedoch keine Umstände dafür erkennbar, dass sie sich hierüber tatsächlich Gedanken machten oder die Arbeitnehmereigenschaft des A gar billigend in Kauf nahmen.

Der Sachverhalt ist als solcher in objektiver Hinsicht, insbesondere bezüglich der Art und des Umfangs der Tätigkeit des Zeugen A, im Wesentlichen unstreitig.

Der Umfang der Leistungen des A ergibt sich ohnehin zwanglos aus den von ihm gestellten Rechnungen, die dem Gericht ab dem Jahr 2000 vorliegen und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden.

Der Angeklagte Y gab ergänzend an, dass der Zeuge A in erster Linie Auftragsspitzen übernommen hätte oder zu Zeiten Transporte durchgeführt habe, die außerhalb der Arbeitszeiten der übrigen (abhängig beschäftigten) Fahrer gelegen hätten.

Die Angeklagten Y und Z wie auch die Zeugen A und ... (der den Strafbefehl akzeptiert hatte) machten bezüglich des Einsatzes des A durchweg übereinstimmende Angaben, an denen das Gericht keinen Anlass hatte, zu zweifeln.

Der festgestellte Sachverhalt beruht daher auf den Einlassungen der Angeklagten wie auch den Angaben der Zeugen A, ... und M sowie den in die Hauptverhandlung eingeführten Rechnungen des Zeugen A aus den Jahren 2000 bis 2007, dem Schriftverkehr mit der BG für Fahrzeughaltungen und den Gewerbean- und -ummeldungen des Zeugen A.

In subjektiver Hinsicht beruhen die festgestellten Umstände in erster Linie auf den Einlassungen der Angeklagten und den Schilderungen der Zeugen A und ...

Die Angeklagten waren aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil sich ein Vorsatz nicht zur Überzeugung des Gerichts erwiesen hat.

In objektiver Hinsicht jedenfalls war der Zeuge A aufgrund seiner Tätigkeit tatsächlich als Arbeitnehmer einzustufen. Diese Beurteilung beruht darauf, dass er weisungsgebunden war, durch die Nutzung der Fahrzeuge der Angeklagten in deren Betrieb eingegliedert wurde, selbst nicht unternehmerisch am Markt auftrat, keine weiteren Auftraggeber hatte und im Wesentlichen keine eigene Unternehmerinitiative entfaltete. Im Übrigen arbeitete er über weite Strecken praktisch Vollzeit für die Angeklagten und unterschied sich auch in dieser Hinsicht nur geringfügig von den übrigen Arbeitnehmern.

Die Tatsache, dass der Zeuge A ein eigenes Gewerbe angemeldet hatte und Umsatzsteuer an das Finanzamt abführte, vermag an dieser Beurteilung (objektiv) letztlich nichts mehr zu ändern, da dies über den Status der Beschäftigung nichts aussagt.

Ein zumindest bedingter Vorsatz der Angeklagten hinsichtlich derer Arbeitgebereigenschaft hat sich jedoch nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts feststellen lassen.

Hinsichtlich der subjektiven Tatbestandskomponente kam es entscheidend auf die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit an.

Bewusste Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Täter die Möglichkeit der Arbeitnehmereigenschaft des Beschäftigten erkannt, aber pflichtwidrig darauf vertraut hat, dass dieser dennoch kein Arbeitnehmer ist. Dies ist zumindest beim Angeklagten Y zur Überzeugung des Gerichts der Fall. Denn gerade die Ablehnung des A als Mitglied der BG und die anschließende Versicherung über das Unternehmen der Angeklagten musste dazuführen, dass dieser an der nach außen getragenen Rolle des A zweifeln musste.

Ein die Strafbarkeit begründender Vorsatz in Form des dolus eventualis liegt dagegen erst vor, wenn der Täter die als möglich erkannte Arbeitnehmereigenschaft des Beschäftigten wenigstens billigend in Kauf nimmt. Die bloße Kenntnis der Tatsachen, die der Einstufung des Zeugen A als Arbeitnehmer zugrunde liegen, reicht für die Annahme eines Tatvorsatzes nicht aus. Vielmehr ist eine zutreffende rechtliche Subsumtion des Täters dahingehend erforderlich, dass er das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nach Laienart erfasst. Solange der Täter die Vorstellung hat, die von ihm beschäftigte Person sei selbstständig, ist dies ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 StGB. Wenn die Einlassung der zwar geschäftserfahrenen, jedoch rechtsunkundigen Angeklagten zum Vorsatz zumindest plausibel, d. h. begreiflich, einleuchtend und nachvollziehbar erscheint, können hinsichtlich des Vorsatzes Zweifel nicht ausgeräumt werden.

So liegt der Fall hier. Zwar wussten auch die Angeklagten um die Tatsache, dass der Zeuge A über keine eigenen Arbeitsmittel verfügte und über lange Strecken praktisch täglich für ihr Unternehmen tätig wurde. Jedoch gab es zahlreiche Gründe, die für die plausible Annahme der Angeklagten sprechen, dass A selbstständig gewesen sei.

Zum einen hatte A ein eigenes Gewerbe angemeldet und in seinen Abrechnungen Mehrwertsteuer ausgewiesen und schließlich an das Finanzamt abgeführt. Zum anderen liegt auch die „klassische“ Ausgangslage für die Wahl einer Scheinselbstständigkeitskonstruktion nicht vor: Üblicherweise steht hinter dem Auftreten eines Beschäftigten als Scheinselbstständiger die Absicht des Arbeitgebers, seinen Lohnaufwand zu senken und das Unternehmensrisiko, nämlich die Verpflichtung zur Lohnzahlung auch bei fehlenden Einnahmen, auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Der wirtschaftlich unterlegene und/oder auf Arbeit angewiesene Beschäftigte beugt sich - mangels konkreter Alternativen - diesem Wunsch.

Im vorliegenden Fall wurde A jedoch auch und gerade auf seinen eigenen Wunsch als Selbstständiger eingestuft. Darüber hinaus wurde der Lohnaufwand für die Angeklagten hierdurch nicht gesenkt, sondern im Ergebnis im Vergleich zu den anderen abhängig Beschäftigten ein deutlich höheres Entgelt gezahlt. Der Zeuge A wurde schließlich nicht nach Stundensätzen entlohnt, sondern am jeweiligen Gewinn des Auftrages entsprechend beteiligt.

Des Weiteren sprach für die Annahme der Unternehmereigenschaft des A die Tatsache, dass dieser sich selbst privat versicherte und über die Entgegennahme von Aufträgen wie auch seine Urlaubsgestaltung frei disponierte.

Schließlich erteilte auch die Steuerberaterkanzlei der Angeklagten, die über lange Jahre die Abwicklung der Buchhaltung übernommen hatte, keinerlei Hinweise gegenüber den Angeklagten, dass A als Arbeitnehmer einzustufen sein könnte.

Letztlich vermochte auch die Existenz des Bescheides der BG für Fahrzeughaltungen vom 24.03.1997, mit dem die Mitgliedschaft des A mangels Unternehmereigenschaft abgelehnt wurde und von dem die Angeklagten Kenntnis hatten, das Gericht von einem etwaigen Vorsatz der Angeklagten nicht zu überzeugen.

Der Bescheid war an den Zeugen A, und nicht an die Angeklagten gerichtet. In der Hauptverhandlung ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagten den Bescheid jemals zu Gesicht bekamen. Vielmehr war davon auszugehen, dass A dem Angeklagten Y lediglich mündlich berichtete, sein Antrag sei abgelehnt worden, da er kein eigenes Fahrzeug besitze. Daraufhin kam es zu einem Telefonat zwischen dem Angeklagten Y und einem Mitarbeiter der BG, das heute nicht mehr gänzlich rekonstruierbar ist, da der betreffende Mitarbeiter der BG nicht ermittelt werden konnte und die Berufsgenossenschaft nach eigenen Angaben über Unterlagen zum Unternehmen der Angeklagten vor dem Jahr 1998 nicht mehr verfügt.

Dem Gericht fällt es zwar schwer, anzunehmen, dass dem Angeklagten Y anlässlich dieses Telefonates nicht mitgeteilt wurde, dass der Zeuge A als Mitglied abgelehnt wurde, da er als Arbeitnehmer einzustufen sei, da dies gerade den Kern der Sache ausmachte. Da der Gesprächsinhalt jedoch nicht mehr gänzlich nachvollzogen werden kann, hat das Gericht zugunsten des Angeklagten angenommen, dass ihm nicht bekannt geworden ist, dass eine Scheinselbstständigkeit vorgelegen hat, obgleich ihm - wie auch dem Angeklagten Z - als Unternehmer bekannt sein musste, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung erstens lediglich Unternehmer als Mitglieder aufgenommen werden und zweitens lediglich Arbeitnehmer (und nicht Subunternehmer) über diese Mitglieder versichert werden können.

Dass insbesondere der Angeklagte Y jedoch auch weiterhin von der Unternehmereigenschaft des Zeugen A ausging, schließt das Gericht insbesondere auch daraus, dass dieser anlässlich der Unfallanzeige im Jahr 2001 ankreuzte, der Zeuge A sei „Unternehmer“ und ergänzte, dieser sei „als selbstständiger Kraftfahrer eingesetzt“. Entsprechendes gab auch der Zeuge A selbst an. Schließlich folgte hierauf wohl zudem keine Nachfrage oder Bitte um klarstellende Erläuterung durch die BG, die vielmehr anstandslos für die Aufwendungen aus dem Unfallereignis aufkam.

Der Angeklagte Z war überdies ohnehin nicht mit der Buchhaltung im Unternehmen befasst und trat zu einem Zeitpunkt in das Unternehmen ein, als der Zeuge A bereits mehrere Jahre dort beschäftigt wurde. Der Angeklagte Z hatte daher aus seiner Sicht keinerlei Anlass, die vermeintliche Unternehmereigenschaft des Zeugen in Zweifel zu ziehen oder sich über dessen rechtliche Einordnung überhaupt Gedanken zu machen.

Der - nicht zur Überzeugung des Gerichts zu widerlegende - Irrtum der Angeklagten, der Zeuge A sei selbstständig gewesen, ist als Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 StGB zu qualifizieren, mit der Folge, dass ein Vorsatz nicht angenommen werden kann (LG Ravensburg a. a. O.).

Die Angeklagten waren daher nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

Die Rechtskraft ist am 02.06.2010 eingetreten.



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(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den
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05/01/2011 15:50

Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich - BSP Rechtsanwälte - Anwältin für Arbeitsrecht Berlin
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Annotations

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.