Verkehrstrafrecht: Zur Nötigung durch Blockieren eines Fahrzeugs
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt vom 29. Juni 2010 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Darmstadt verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 18. Dezember 2009 wegen Nötigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen zu je 60,- €. Auf die Berufung des Angeklagten sprach ihn das Landgericht Darmstadt, 8. kleine Strafkammer, mit Urteil vom 29. Juni 2010 vom Vorwurf der Nötigung aus tatsächlichen Gründen frei.
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und der Zeuge S.d. S. in der Vergangenheit schon häufiger in Streit geraten, weil der Zeuge mit seinem Motorrad über das Grundstück des Angeklagten fuhr. Am 27. September 2009 fuhr der Zeuge S. d. S. mit seinem Motorrad erneut über das Grundstück des Angeklagten. Als dieser wieder wegfahren wollte, stellte sich ihm der Angeklagte in den Weg und forderte ihn auf, nicht über sein Grundstück zu fahren. Weil der Zeuge hierbei einen Stock in der Hand hielt, fragte der Zeuge den Angeklagten, ob er ihn nun schlagen wolle. Hierauf erwiderte der Angeklagte etwas und entfernte sich. Der Wortwechsel dauerte etwa 30 Sekunden.
Das Landgericht hat den Tatbestand der Nötigung als nicht erfüllt angesehen, da weder Gewalt noch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel gegeben seien. Dass der Angeklagte den Stock zum Zwecke der Drohung eingesetzt habe, sei nicht erwiesen. Die Angaben des Zeugen, wonach dieser aus der Haltung und aus der Körpersprache des Angeklagten darauf geschlossen habe, dass dieser ihm drohen wolle, seien nicht nachvollziehbar.
Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt Revision eingelegt, die sie damit begründete, dass das Landgericht nicht geprüft habe, ob eine Nötigungshandlung darin zu sehen sei, dass der Zeuge die bereits begonnene Wegfahrt habe unterbrechen müssen, um den sich ihm in den Weg stellenden Angeklagten nicht anzufahren. Außerdem seien die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen unzureichend.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat sich dem Rechtsmittel angeschlossen.
Die Revision ist unbegründet.
Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts tragen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Nötigung. Insbesondere liegt der von der Staatsanwaltschaft gerügte Darstellungsmangel nicht vor. Das Landgericht war nicht gehalten, nähere Feststellungen zur Hinderung des Zeugen am Wegfahren zu treffen. Denn auch für den Fall, dass der Zeuge sein Motorrad anhalten musste, um den sich ihm in den Weg stellenden Angeklagten nicht anzufahren, ergibt sich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Nötigung nach § 240 StGB nicht. Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Gewalt scheidet aus, wenn die Handlung lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Betroffenen nur psychischer Natur ist.
So verhielt es sich hier. Eine physische Gewalteinwirkung auf den Zeugen war nicht gegeben. Der Angeklagte versperrte dem Zeugen, selbst wenn dieser wegen ihm sein Motorrad anhalten musste, ohne direkte körperliche Einwirkung lediglich für etwa 30 Sekunden den Weg und gab diesen unmittelbar wieder frei, nachdem der Zeuge ihn fragte, ob er -der Angeklagte- ihn schlagen wolle. Nähere Feststellungen zu den Örtlichkeiten des Geschehens waren vor diesem Hintergrund entbehrlich.
Im Übrigen würde es auch an einer Verwerflichkeit der Tathandlungen im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB fehlen. Diese liegt vor, wenn die Nötigungshandlung zu dem angestrebten Zweck unter Berücksichtigung aller Umstände so anstößig ist, dass es als grober Angriff auf die Entschlussfreiheit anderer der Zurechtweisung mit den Mitteln des Strafrechts bedarf. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Grundstück, über das der Zeuge in der Vergangenheit häufiger gefahren ist, um das Grundstück des Angeklagten. Da sich dieser einem weiteren Eingriff in sein Eigentumsrecht durch den Zeugen ausgesetzt wähnte und die Hinderung des Zeugen am Wegfahren lediglich etwa 30 Sekunden andauerte, wäre das Verhalten des Angeklagten nicht ethisch missbilligenswert und somit nicht verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, 2 StPO.
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Annotations
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.