Ungenehmigte Untervermietung an airbnb-Touristen: Ohne Abmahnung darf der Vermieter nicht kündigen
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Die Mieter einer Wohnung in Berlin erhielten im August 2015 eine fristlose sowie ordentliche Kündigung, da sie in drei Fällen für höchstens eine Woche ihre Wohnung an airbnb-Touristen vermietet hatten. Die Vermieterin hat vor den Kündigungen keine Abmahnung ausgesprochen. Da sich die Mieter weigerten die Kündigungen zu akzeptieren, erhob die Vermieterin Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab.
Das LG bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Berufung der Vermieterin zurück. Zwar stellt die unerlaubte Gebrauchsüberlassung der Wohnung an Dritte grundsätzlich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Die Vermieterin habe es aber versäumt eine Abmahnung auszusprechen. Der Vertragsverstoß war nicht so schwerwiegend, als dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre.
Die fehlende Abmahnung hat nach Auffassung des LG auch zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung geführt. Zwar ist die ungenehmigte Untervermietung an Touristen als Pflichtverletzung zu werten. Jedoch führt erst die Missachtung einer ausgesprochenen Abmahnung zur notwendigen Erheblichkeit der Pflichtverletzung. Es ist insofern zu beachten, dass jedenfalls in Metropolen den Mietern die Vertragswidrigkeit der Überlassung der Wohnung an Touristen häufig nicht bewusst ist.
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 27.07.2016 (Az.: 67 S 154/16)
Die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen unbefugter entgeltlicher Gebrauchsüberlassung einer vom Mieter über ein Internetportal angebotenen Mietwohnung an Touristen ist - ebenso wie die darauf gestützte ordentliche Kündigung - grundsätzlich nur dann wirksam, wenn der Vermieter den Mieter vor Ausspruch der Kündigung erfolglos abgemahnt hat.
Gründe:
Die nach § 511 Abs. 2 S. Nr. 1 ZPO zulässige Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich unbegründet ist und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen.
Das Amtsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die Beklagten sind nicht nach §§ 985, 546 Abs. 1 BGB verpflichtet, die streitgegenständliche Wohnung an die Klägerin herauszugeben. Denn weder die fristlose noch die ordentliche Kündigung, welche die Klägerin in dem Schreiben vom 21.08.2015 ausgesprochen hat, vermochten das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis wirksam zu beenden.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass die - unstreitig in drei Fällen erfolgte - unerlaubte Gebrauchsüberlassung an Dritte nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB einen „wichtigen Grund” begründet. Allerdings hat die Klägerin die Beklagten nicht nach § 543 Abs. 3 Abs. 3 Satz 1 BGB vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt, obwohl dies erforderlich war; eine Ausnahme nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB kann der Vermieter vor Ausspruch einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung nur dann von einer Abmahnung abgesehen, wenn diese entweder offensichtlich keinen Erfolg verspricht oder aber besondere Gründe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen hierfür streiten. So liegt der Fall indes hier nicht.
Zunächst kann keine Entbehrlichkeit nach § 543 Abs. 3 Satz Nr. 1 BGB angenommen werden. Denn die Beklagten haben spätestens am 27.08.2015 - unmittelbar nach Erhalt der Kündigung am 25.08.2015 - ihr Nutzerprofil auf „…” gelöscht. Dass ein derartiges Verhalten nicht auch schon infolge einer Abmahnung erfolgt wäre, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin eine Buchungsabfrage für den Zeitraum 11.09.2015 bis 14.09.2015 gestellt hat. Denn nach deren eigenem Vorbringen erfolgte diese Anfrage bereits im Juni/Juli 2015 und somit vor der erklärten Kündigung. Dies hat das Amtsgericht zutreffend erkannt.
Im Übrigen liegt auch eine Entbehrlichkeit nach § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht vor. Wie die Kammer bereits in anderer Sache entschieden hat, ist eine solche Ausnahme insbesondere dann anzunehmen, wenn über die unberechtigte Gebrauchsüberlassung hinaus weitere Umstände hinzutreten, die den Vertragsverstoß als besonders schwerwiegend erscheinen lassen. Ein solcher Umstand kann vor allem die fortgesetzte unberechtigte Untervermietung trotz eines bereits laufenden Räumungsverfahrens sein. Vorliegend sind derartige Umstände allerdings nicht ersichtlich.
Selbst wenn sich die Drittüberlassungen auf den gesamten Wohnraum erstreckt haben sollten, wird hierdurch allein das Merkmal der unberechtigten Gebrauchsüberlassung erfüllt. Dass hierdurch zugleich gegen das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum verstoßen wurde, unterstreicht zwar die fehlende Berechtigung dieser Überlassung, stellt aber keinen darüber hinausgehenden Umstand dar, zumal das ZwVbG nach dessen § 1 Abs. 1 allein dem Interesse der Öffentlichkeit an der angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu dienen bestimmt ist, nicht jedoch zu einer Verletzung individueller Vermieterinteressen führt.
Was § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB anbelangt, so stellt die ungenehmigte Untervermietung der Beklagten zu 1) an Touristen über „…” zwar eine Pflichtverletzung dar. Diese Pflichtverletzung war auch schuldhaft. Jedoch mangelt es vorliegend aufgrund der unterlassenen Abmahnung an einer hinreichenden Erheblichkeit der Pflichtverletzung:
Zwar ist die vorherige Abmahnung keine Formalvoraussetzung für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung ; der Abmahnung kann jedoch für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht. So liegt der Fall hier. Denn die vollständige oder teilweise Überlassung gemieteten Wohnraums an Touristen ohne Erlaubnis des Vermieters stellt zwar eine - vornehmlich in Metropolen - nicht seltene Erscheinung dar; ihre Vertragswidrigkeit und grundsätzliche Steuerpflichtigkeit ist den Mietern - bereits ausweislich der Häufigkeit und des Umfangs der erfolgenden Gebrauchsüberlassungen - aber häufig nicht hinreichend bewusst. Davon ausgehend kommt einer ungenehmigten Drittüberlassung des Wohnraums im streitgegenständlichen Kontext zumindest derzeit erst durch die Missachtung einer vorherigen Abmahnung das erforderliche Gewicht zu.
In dem von der Kammer zu beurteilenden Einzelfall tritt hinzu, dass für die Bewertung der streitgegenständlichen Kündigungen lediglich drei Gebrauchsüberlassungen zugrunde zu legen waren, die ausweislich der eingereichten Nutzerbewertungen im längsten Fall eine Woche betrugen. Es ist weder ersichtlich, dass die Vermietung besondere Abnutzungserscheinungen in der streitgegenständlichen Wohnung verursacht haben, noch dass sich die Beklagte zu 1) der ausdrücklichen - mietvertraglichen - Äußerung eines entgegenstehen Willens der Klägerin widersetzt hätte. Nur diese Ausnahmefälle wären geeignet gewesen, der Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) aufgrund ihrer Schwere und Dauer auch ohne den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung das für die Beendigung des Mietverhältnisses - auch nach den §§ 543 Abs. 1 und573 Abs. 1 BGB - erforderliche hinreichend erhebliche Gewicht beizumessen.
Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.08.2016, auch zur Frage, ob die Berufung vor dem Hintergrund des erteilten Hinweises zurückgenommen wird. Auf die damit verbundene Kostenreduzierung gemäß Nr. 1222 KV weist die Kammer vorsorglich hin.
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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, - 2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder - 3.
der Mieter - a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder - b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn
- 1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, - 2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder - 3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.
(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
- 1.
der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat, - 2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder - 3.
der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.