Strafrecht: Zum Tatbestandsirrtum hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Zueignung des weggenommenen Geldes

bei uns veröffentlicht am05.12.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Kann - gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes - nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte an einen bestehenden Geldanspruch gegen das Tatopfer glaubte, steht
Der BGH hat mit dem Beschluss vom 18.07.2003 (Az: 2 StR 239/03) folgendes entschieden:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des LG Wiesbaden vom 20. 3. 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des LG zurückverwiesen.


Gründe:

Das LG hat den Angeklagten wegen schweren Raubs zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

Die Verurteilung wegen schweren Raubs hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Feststellungen der Strafkammer belegen nicht ausreichend, dass der Angeklagte in der Absicht rechtswidriger Zueignung handelte, als er dem mit einem Fleischermesser und verbalen Bedrohungen verängstigten Tatopfer aus dessen Portemonnaie 220 € wegnahm. Der Angeklagte hatte von dem Tatopfer vergeblich die Rückzahlung der Kaution aus einem gekündigten Gaststätten-Pachtvertrag verlangt, obwohl die ihm übersandte Abrechnung des Vertragsverhältnisses mit einem Saldo von 1.350 DM zu Lasten des Angeklagten endete (UA S. 9). Die Strafkammer stellt nicht fest, dass der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hat, keinen eigenen Geldanspruch aus dem Pachtvertrag zu haben. Sie teilt vielmehr die Einlassung des Angeklagten mit, er habe 15.000 DM in die Gaststätte investiert (UA S. 14). Sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung berücksichtigt die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten, dass er bei der Tat möglicherweise noch immer davon ausgegangen sei, ihm stehe ein Anspruch auf die Rückzahlung der Kaution zu (UA S. 23).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH befindet sich ein Täter, der irrtümlich annimmt, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen, in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum. Das LG hätte daher nicht erst bei der Strafzumessung, sondern bereits bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite und der Beweiswürdigung hierzu erörtern und entscheiden müssen, ob der Angeklagte an einen Zahlungsanspruch gegen das Tatopfer glaubte oder ob er zumindest billigend in Kauf nahm, einen solchen Anspruch nicht zu haben. Kann - gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes - nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte an einen bestehenden Geldanspruch gegen das Tatopfer glaubte, steht dem Schuldspruch wegen schweren Raubs ein Tatbestandsirrtum hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Zueignung des weggenommenen Gelds entgegen.

Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, damit dem neuen Tatrichter nicht durch die teilweise Bindung an das angefochtene Urteil umfassende und widerspruchsfreie eigene Feststellungen zum Tatgeschehen erschwert werden.


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