Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 03. Juni 2014 - 1 K 14.309

bei uns veröffentlicht am03.06.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Der Beklagte wird unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Würzburg, vom 24. August 2011 sowie des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Würzburg, vom 21. September 2011 verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für den Inkontinenz-Badeanzug seiner Tochter in Höhe von 205,60 EUR zu gewähren.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe in Höhe von 205,60 EUR für einen Inkontinenz-Therapiebadeanzug nach Maß für seine am ... 1999 geborene Tochter.

Unter dem 10. August 2011 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfe für Aufwendungen für einen Inkontinenz-Therapiebadeanzug unter Vorlage der Rechnung vom 18. März 2011.

Mit Bescheid vom 24. August 2011 lehnte der Beklagte den Antrag hinsichtlich der streitgegenständlichen Aufwendungen mit dem Hinweis - Nr. 1704 ab, wonach Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen, nicht beihilfefähig seien. Auf eine ärztliche Verordnung komme es hierbei nicht an (§ 21 Abs. 1 BayBhV).

Hiergegen legte der Kläger unter dem 18. September 2011 unter Vorlage einer Genehmigung des Hilfsmittels durch die private Krankenversicherung im Basistarif vom 21. Februar 2011 Widerspruch ein. Diese werde nicht ohne genaueste Prüfung der Notwendigkeit gegeben und habe bereits vorgelegen. All den Argumenten, die bei der Beantragung des Hilfsmittels bei der privaten Krankenversicherung vorgebracht worden seien, habe er nichts hinzuzufügen. Nach dem auszugsweise vorgelegten Schreiben an die private Krankenversicherung vom 22. Januar 2011 hatte der Kläger zur Beantragung im Wesentlichen vorgetragen, dass seine Tochter blasen- und darminkontinent sei und einen entsprechenden Badeanzug benötige, um an der verordneten Heilbehandlung sowie an den regelmäßig stattfindenden Wassergewöhnungs- und Schwimmübungen im Therapiebecken des Förderzentrums teilzunehmen. Die entsprechende ärztliche Verordnung sowie den Kostenvoranschlag lege er bei. Im ebenfalls beigefügten Schreiben an die private Krankenversicherung vom 9. Februar 2011 führte er im Wesentlichen aus, dass seine Tochter diesen speziellen Badeanzug benötige, um überhaupt an der Krankengymnastik im Bewegungsbad und beim Schulschwimmen, sprich den Bewegungsübungen im schuleigenen Therapiebecken, teilnehmen zu können. Ohne diesen könne sie beides nicht in Anspruch nehmen. Dieser Anzug habe mit gewöhnlicher Badebekleidung nichts zu tun und kein gesunder, schamhafter Mensch würde sich freiwillig in der Öffentlichkeit so zum Schwimmen und Baden begeben. Nach Angaben des Herstellers seien deren Inkontinenz-Badeanzüge als medizinisches Produkt anerkannt und mit der Hilfsmittelpositionsnummer 15.25.19.000 in den Hilfsmittelkatalogen aller namhaften Krankenversicherungen hinterlegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Inkontinenzbadeanzug sei im Hilfsmittelverzeichnis der Anlage 3 zur BayBhV nicht aufgeführt. Ausdrücklich seien Hilfsmittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, die nicht notwendig, nicht angemessen oder ausgeschlossen seien (§ 5 Abs. 1 BhV), und die von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis seien oder der allgemeinen Lebenshaltung (§ 21 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BayBhV) unterlägen. Der Inkontinenzbadeanzug sei geeignet, Badekleidung zu ersetzen. Die Aufwendungen seien dem Bereich der allgemeinen Lebenshaltung zuzuordnen und deshalb nicht beihilfefähig. Maßgebend für die Beurteilung eines möglichen Ausschlusses sei die objektive Eignung eines Hilfsmittels, Kosten der allgemeinen Lebenshaltung zu ersetzen. Auch „Mehrkosten“ könnten nicht als beihilfefähig anerkannt werden, da eine entsprechende Abrechnungsbestimmung fehle. Aufgrund des lediglich ergänzenden Charakters der Beihilfe verstoße diese „Lücke“ nicht gegen die Fürsorgepflicht. Ob das Hilfsmittel auf ärztliche Verordnung hin beschafft worden sei oder nicht, sei unerheblich. Das Erstattungsverhalten privater Krankenkassen sei nicht maßgebend. Die Erstattung sei auch ausdrücklich als Kulanzentscheidung bezeichnet worden. Die Erstattungsgrundlagen könnten nicht miteinander verglichen werden. Auch ein Vergleich mit der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht möglich, da es sich um zwei verschiedene Sicherungssysteme handele. Nach der bisher ergangenen Rechtsprechung verstießen die Regelungen zum Ausschluss oder eine Positiv-Liste von Hilfsmitteln weder gegen die Fürsorgepflicht noch gegen höherrangiges Recht. Die Beihilfe ergänze nach der ihr zugrunde liegenden Konzeption lediglich die Alimentation des Beamten und müsse sicherstellen, dass dieser nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibe, die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken könne. Nach der Anlage zur BayBhV könne zu den Aufwendungen einer Gummihose bei Harn- oder/und Darminkontinenz Beihilfe gewährt werden.

II.

Am 24. Oktober 2011 erhob der Kläger unter Vorlage des Bescheids des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Würzburg, vom 24. August 2011 sowie des Widerspruchsbescheids des Landesamtes für Finanzen Dienststelle Würzburg vom 21. September 2011, der ärztlichen Verordnung vom 5. Januar 2011 über einen Inkontinenz-Badeanzug nach Maß für Krankengymnastik im Bewegungsbad und vier Kostenübernahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (3.8.2006, 31.7.2007, 7.11.2008, 10.2.2010) Klage. Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Würzburg, vom 24. August 2011 sowie des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Würzburg, vom 21. September 2011 zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für den Inkontinenz-Therapiebadeanzug seiner Tochter in Höhe von 205,60 EUR zu gewähren, hilfsweise, hierfür Beihilfe in Höhe von 180,60 EUR unter Berücksichtigung eines Eigenanteils von 25,00 EUR zu gewähren.

Seine Tochter sei von Dezember 1999 bis Juni 2010 gesetzlich krankenversichert gewesen und seit Juli 2010 zu 20% im Basistarif versichert und erhalte zu 80% Beihilfe. Sie sei schwerbehindert und erhalte seit ihrem ersten Lebensjahr u. a. ärztlich verordnete Physiotherapie. Da sie keinen direkten Körperkontakt durch eine fremde Person zulasse, sei die Therapieform im August 2006 ins Wasser verlagert worden und finde wöchentlich im Schwimmbecken der Kurverwaltung Bad Königshofen mit einer der dort angestellten Physiotherapeutinnen statt. Die Kosten für diese Therapie seien bisher von allen beteiligten Krankenversicherungen und auch der Beihilfe übernommen worden. Seine Tochter sei schwerstgradig blasen- und darminkontinent. Der Inkontinenz-Therapiebadeanzug verhindere völlig sicher das Eindringen von Harn und Stuhl in das Wasserbecken, womit die Hygienevorschriften eines Therapiebeckens erfüllt würden. Außerdem besitze er gute Isoliereigenschaften, so dass seine Tochter im Wasser nicht auskühle. Das Tragen des Anzugs sei Voraussetzung für die Durchführung der gesamten Therapie. Zur Argumentation im Widerspruchsbescheid sei auszuführen, dass der Beklagte in der Frage der Beihilfefähigkeit nicht in jedem Einzelfall zwingend vorgehen müsse wie eine private oder eine gesetzliche Krankenversicherung. Aus seiner Sicht dürfte es jedoch nicht richtig sein, dass die medizinische Versorgung behinderter Kinder von bayerischen Beamten so sehr viel schlechter sei, als die des Großteils der Gesellschaft, die gesetzlich krankenversichert sein könnten. In jedem Fall dürfe sich der Beklagte nach dem bisherigen Vorgehen der Krankenkassen richten. Im Widerspruchsbescheid sei ausdrücklich von einem Gestaltungsspielraum des Dienstherrn die Rede. Der Inkontinenz-Therapiebadeanzug ersetze objektiv lediglich einen gewöhnlichen Badeanzug, so dass die Erstattung der „Mehrkosten“ gerecht und akzeptabel wäre, wobei die private Krankenversicherung im Basistarif aus Kulanz sogar auf eine Eigenbeteiligung verzichtet habe. Die Darstellung des Beklagten zu diesem Vorgang sei sachlich falsch. Dass eine Erstattung der „Mehrkosten“ nur deshalb nicht möglich sein solle, weil eine „Abrechnungsbestimmung“ fehle, dürfe doch nicht zur kompletten Verweigerung der Beihilfe führen. Die erwähnte „Gummihose“ werde für einen vollkommen anderen Zweck, meist den Schutz des Bettzeugs während der Nacht, eingesetzt. Für die Situation seiner Tochter im Schwimmbecken sei das Tragen eines Inkontinenz-Therapiebadeanzugs nachweislich alternativlos. Im Übrigen würden seit den 1960-er Jahren in der Inkontinenzversorgung PVC-Hosen eingesetzt. Wichtig sei doch nur die Tatsache, dass sich seine Tochter aus therapeutischen Gründen häufig in der Umgebung „Schwimmbecken“ aufhalte und dass ihre spezielle „Gummihose“ dann eben in Form ihres Inkontinenz-Therapiebadeanzugs vorliege.

Der Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte halte an seiner Rechtauffassung fest und nehme auf die im Verwaltungsverfahren genannten Gründe Bezug. Der streitgegenständliche Therapiebadeanzug sei nicht in der Positivliste der Anlage 3 zu § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV enthalten und damit, da der Anschaffungswert einen Betrag von 600,00 EUR nicht übersteige (§ 21 Abs. 8 BayBhV; z. B. VG Regensburg, U. v. 17.1.2011, RN 8 K 10.01646) nicht beihilfefähig. Des ungeachtet wäre der Badeanzug im Gegensatz zu der in der Anlage 3 genannten Gummihose der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen. Er könne auch außerhalb einer rein therapeutischen Behandlung getragen werden. Ob die Bekleidung auch ohne Erkrankung in gleich teuerer Ausführung angeschafft worden wäre, sei dabei unerheblich. Auch die einen allgemein üblichen Badeanzug überschießenden Kosten könnten mangels Rechtsgrundlage nicht übernommen werden (BVerwG, U. v. 15.11.1990, 2 C 13/88).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die angefochtenen Behördenbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Denn der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung der begehrten Beihilfeleistungen (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers sind Art. 96 BayBG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sowie § 21 Abs. 1 BayBhV und Anlage 3 zur BayBhV.

Ausgehend von Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG werden Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge gewährt. § 7 Abs. 1 Satz 2 BayBhV stellt die Beihilfegewährung unter die tatbestandlichen Voraussetzungen, dass die Aufwendungen dem Grunde nach medizinisch notwendig sind, sie der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der Aufwendungen für Hilfsmittel bestimmt § 21 Abs. 1 BayBhV, dass die Aufwendungen für Anschaffung oder Miete der in der Anlage 3 genannten oder vergleichbarer Geräte zur Selbstbehandlung und zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände beihilfefähig sind, wenn sie ärztlich in Schriftform verordnet sind; dies gilt nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis oder Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.

§ 21 Abs. 1 BayBhV ist wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs der „vergleichbaren Geräte“ so auszulegen, dass andere Mittel, wenn sie vom Zweck bzw. der Funktion her mit den in der Anlage 3 aufgeführten Geräten usw. in ihrer Wirksamkeit zu vergleichen sind, auch beihilfefähig sein können. Für die Einordnung als Hilfsmittel im Sinne der Anlage 3 zu § 21 Abs. 1 BayBhV kommt es auf die objektive Eigenart und Beschaffenheit des betreffenden Gegenstandes an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der betreffende Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt oder in gleich teurer Ausstattung beschafft worden wäre (vgl. BVerwG, U. v. 14.3.1991 - 2 C 23/89, ZBR 1991, 350 zur Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV a. F.).

Der für die Tochter des Klägers in Schriftform ärztlich verordnete (vgl. Verordnung des Dr. ... v. 5. Januar 2011 - Bl. 9 der Gerichtsakten) und vom Kläger angeschaffte „Inkontinenz-Badeanzug nach Maß für KG im Bewegungsbad“ mit dem Grund „Körperwachstum“ und der Diagnose „psychomotorische Retardierung“ stellt entgegen der Auffassung des Beklagten ein im Sinne der Anlage 3 zur Bayerischen Beihilfeverordnung (zu § 21 Abs. 1 BayBhV) vergleichbares Gerät zur Selbstkontrolle dar und ist auch kein Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt.

Zur Beantwortung der Frage, ob der erworbene „Inkontinenz-Badeanzug „ ein vergleichbares Gerät darstellt, ist zunächst der Begriff des Hilfsmittels in den Blick zu nehmen, welcher in der Bayerischen Beihilfeverordnung selbst nicht definiert wird. In der Rechtsprechung (vgl. HessVGH, U. v. 28.10.1987 - 1 UE 462/85, ZBR 1986, 356; BVerwG, U. v. 30.6.1983 - 2 C 36/81, NVwZ 1985, 417) und der Literatur (vgl. Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Rn. 8 zu § 25 BBhV; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Länder und Kommunen, Rn. 2 zu § 25 BBhV) ist jedoch anerkannt, dass auf den Hilfsmittelbegriff im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 33 SBG V) zurückgegriffen werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung liegt ein Hilfsmittel vor, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Hilfsmittel sollen dem Behinderten die Möglichkeit geben, seinen eingeschränkten Freiheitsraum und seine Selbstständigkeit zu erweitern (Schröder/Beckmann/Weber, a. a. O.). Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis, bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Nachdem die ärztliche Verordnung den Inkontinenz-Badeanzug als auch medizinisch notwendig für die Durchführung einer Krankengymnastik im Bewegungsbad attestiert, ist die Eigenschaft als Hilfsmittel auch im Sinne der Beihilfevorschriften zu bejahen. Wie der Kläger durchgehend und auf der Basis der ärztlichen Verordnung nachvollziehbar geltend gemacht hat, ist die besagte Therapieform seit 2006 notwendig, da seine Tochter keinen direkten Körperkontakt durch eine fremde Person zulasse. Die Einordnung als Hilfsmittel liegt insbesondere auch angesichts der Tatsache nahe, dass auch Gummihosen und Windeln als solche Hilfsmittel ausdrücklich in Anlage 3 genannt werden.

Der angeschaffte Inkontinenz-Badeanzug kann auch nicht als Gegenstand, der der „allgemeinen“ Lebenshaltung unterliegt, angesehen und deshalb als nicht beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV). Hilfsmittel dienen dann der allgemeinen Lebenshaltung, wenn sie üblicherweise herangezogen werden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern und sie aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild haben (vgl. OVG Bremen, U. v. 15.12.1999 - 2 A 112/98 - juris; VG Ansbach, U. v.1.4.2014 - AN 1 K 13.01949 - juris).

Soweit der Beklagte hierzu geltend macht, der besagte Inkontinenz-Badeanzug könne schließlich auch als allgemeine Badekleidung benutzt werden, ersetze also einen normalen Badeanzug, vermag das Gericht dem nicht zu folgen.

Denn daraus kann nicht auch auf eine übliche Benutzung eines solchen Gerätes durch Gesunde im Rahmen der allgemeinen Lebensführung geschlossen werden. Als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, ist deshalb ein Inkontinenz-Badeanzug nicht anzusehen. Bei dem diagnostizierten Krankheitsbild der Tochter des Klägers dient der Inkontinenz-Badeanzug auch nicht lediglich dazu, die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, sondern tritt an die Stelle nicht mehr oder nicht voll funktionstüchtiger Körperorgane. Erst dieser Badeanzug ermöglicht die gebotene krankengymnastische Behandlung zur Besserung der Körperfunktionen im Übrigen.

Zum gleichen Ergebnis führt eine an sozialrechtlichen Maßstäben orientierte Auslegung unter Heranziehung des § 33 SGB V. Dort wird der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln u. a. ausgeschlossen, soweit diese als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dass diese Formulierung einen abweichenden Inhalt zu dem in § 21 BayBhV normierten Wortlaut (Gegenstand der allgemeinen Lebensführung) haben sollte, ist für das Gericht nicht zu erkennen. Als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (U. v. 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R - FEVS 51, 289 ff) nur Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet werden. Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z. B. Brillen, Hörgeräte). Die Frage, ob ein Mittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen benutzt wird.

Dies ist bei einem Inkontinenzbadeanzug ausdrücklich nicht der Fall, denn ein Inkontinenzbadeanzug kommt für Gesunde nicht in Betracht (ebenso VG Düsseldorf, U. v.31.08.2004 - 22 K 1997/03 - juris Rn.29 - die im Orientierungssatz zu findende Aussage widerspricht den Urteilsgründen). Er ist damit auch kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens.

Der Klage ist deshalb unter Aufhebung der entgegenstehenden Behördenbescheide und Verpflichtung des Beklagten zur Beihilfeleistung in beantragter Höhe stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Bundesbeihilfeverordnung - BBhV | § 25 Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, Körperersatzstücke


(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohend

Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz - SBG 2016 | § 33 Versammlungen der Vertrauenspersonen des Verbands, des Kasernenbereichs und des Standorts


(1) Die Vertrauenspersonen eines Verbands oder einer vergleichbaren militärischen Dienststelle bilden die Versammlung der Vertrauenspersonen des Verbands. Bei den fliegenden Verbänden werden die Versammlungen bei den Geschwadern oder bei einer den Ge

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Die Vertrauenspersonen eines Verbands oder einer vergleichbaren militärischen Dienststelle bilden die Versammlung der Vertrauenspersonen des Verbands. Bei den fliegenden Verbänden werden die Versammlungen bei den Geschwadern oder bei einer den Geschwadern vergleichbaren Ebene gebildet.

(2) Die Sprecherinnen und Sprecher der Versammlungen der Vertrauenspersonen des Verbands und ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter bilden mit Ausnahme der Schulen für jeweils einen Kasernenbereich die Versammlung der Vertrauenspersonen des Kasernenbereichs. Zu diesen Versammlungen tritt jeweils eine Vertrauensperson von selbständigen Einheiten oder vergleichbaren militärischen Dienststellen hinzu, sofern diese in demselben Kasernenbereich untergebracht sind. Sind ausschließlich selbständige Einheiten oder vergleichbare militärische Dienststellen in einem Kasernenbereich untergebracht, bilden deren Vertrauenspersonen die Versammlung der Vertrauenspersonen des Kasernenbereichs.

(3) In Standorten mit mindestens zwei Kasernen wird eine Versammlung der Vertrauenspersonen des Standorts gebildet. Hierfür wählen die Versammlungen der Vertrauenspersonen des Kasernenbereichs je eine Vertreterin oder einen Vertreter der Laufbahngruppen als Mitglied.

(4) Sofern Personalvertretungen nach Kapitel 5 gebildet worden sind, treten die Mitglieder der Gruppe der Soldatinnen und Soldaten dieser Personalvertretungen, die die Rechte in den Angelegenheiten nach der Wehrdisziplinarordnung und der Wehrbeschwerdeordnung ausüben, zu den Versammlungen der Vertrauenspersonen hinzu. Sie sind in der Versammlung der Vertrauenspersonen aktiv und passiv wahlberechtigt.

(5) Die Führerin oder der Führer des Verbands lädt die Mitglieder der Versammlung der Vertrauenspersonen des Verbands ein, solange noch keine Wahlen stattgefunden haben. Entsprechendes gilt für die von der Kasernenkommandantin oder dem Kasernenkommandanten einzuberufende Versammlung der Vertrauenspersonen des Kasernenbereichs und für die von der Standortältesten oder dem Standortältesten einzuberufende Versammlung der Vertrauenspersonen des Standorts.

(6) Die Versammlungen nach den Absätzen 1 bis 3 vertreten die gemeinsamen Interessen der Soldatinnen und Soldaten gegenüber der Führerin oder dem Führer des Verbands, gegenüber der Kasernenkommandantin oder dem Kasernenkommandanten oder gegenüber der Standortältesten oder dem Standortältesten (Beteiligungspartnerinnen oder Beteiligungspartner).

(7) Die Bestimmungen der §§ 9 und 15 gelten entsprechend für die Sprecherinnen und Sprecher der Versammlungen der Vertrauenspersonen der Verbände. Die Bestimmungen der §§ 8, 9 und 14, des § 15 Absatz 1 sowie der §§ 16 bis 18 gelten entsprechend für alle Mitglieder der Versammlungen der Vertrauenspersonen. Die Versammlungen werden beteiligt nach den §§ 19, 21 bis 23, 25 und 26.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.