Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2012 - A 12 K 804/11

bei uns veröffentlicht am25.01.2012

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EMRK in Bezug auf Eritrea vorliegt.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23.02.2011 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger zu 5/6, die Beklagte zu 1/6.

Tatbestand

 
Der Kläger wurde am ...1975 in Asmara geboren und ist eritreischer Volkszugehörigkeit. Er hat eine Ausbildung als Industriemechaniker und ist berufstätig. Mit Bescheid vom 18.09.1980 wurde die Mutter des Klägers als Asylberechtigte anerkannt. Sie wurde am 11.04.1996 eingebürgert.
Der Kläger reiste nach seinen Angaben 1984 ohne Papiere aus dem damaligen Äthiopien aus und am 16.02.1986 in Deutschland ein. Ein am 05.06.1986 gestellter erster Asylantrag blieb erfolglos (Urt. des erkennenden Gerichts vom 21.09.1989 - A 17 K 7257/88 -). Am 12.11.1990 stellte der Kläger einen Folgeantrag. Daraufhin gewährte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 18.09.1991 nach § 7 a Abs. 3 AsylVfG a. F. im Anschluss an die Anerkennung der Mutter als Asylberechtigte dem Kläger die Rechtstellung eines Asylberechtigten und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Am 28.07.2009 leitete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Widerrufsverfahren ein. Im Rahmen der Anhörung berief sich der Kläger darauf, er habe in Deutschland sein soziales Umfeld und eine feste Beschäftigung. Zu Eritrea habe er keinen Bezug; er habe auch keine Familienangehörigen mehr dort. Weiter habe er keine eritreischen Sprachkenntnisse mehr.
Mit Bescheid vom 23.02.2011 widerrief das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Weiter stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, die stammberechtigte Mutter, von der das Asyl abgeleitet worden sei, sei eingebürgert worden. Deshalb habe der Widerruf erfolgen müssen. Der Kläger könne nicht aus anderen Gründen Asyl bekommen. Abschiebungsverbote lägen nicht vor.
Am 03.03.2011 hat der Kläger Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung hat er auf Frage des Gerichts angegeben, er sei nicht im Besitz äthiopischer oder eritreischer Ausweispapiere. Er habe auch nicht am Unabhängigkeitsreferendum Eritreas teilgenommen. Er habe einen Antrag auf Ausstellung eines eritreischen Passes gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23.02.2011 aufzuheben,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Bezug auf Äthiopien und Eritrea vorliegt,
weiter hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 in Bezug auf Äthiopien und Eritrea vorliegt.
10 
Die Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden können, weil sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
15 
Die Klage ist zulässig. Sie ist im Umfang des Tenors begründet; insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist die Klage unbegründet; insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
16 
Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Denn seine Vorfahren stammen aus dem Gebiet von Eritrea, wie sich aus dem Schreiben der E. vom 24.02.1986 an das Ausländeramt der Stadt L. ergibt, und er selbst wurde in Asmara geboren (vgl. Urt. des erkennenden Gerichts vom 30.01.2007 - A 17 K 888/06 - m.w.N.).
17 
Der Kläger ist auch äthiopischer Staatsangehöriger. Denn er wurde 1975 als Sohn äthiopischer Eltern im Gebiet des damaligen Äthiopien geboren (Auswärtiges Amt vom 21.07.2003 an VG München). Die äthiopische Staatsangehörigkeit bleibt auch grundsätzlich erhalten (vgl. GIGA vom 13.08.2009 an VG Sigmaringen). Die Ausreise aus Äthiopien ohne Papiere schadet insoweit nicht (Auswärtiges Amt vom 16.06.2009 an VG Sigmaringen). Der Kläger hat sich auch nicht (endgültig) für die Annahme der eritreischen Staatsangehörigkeit entschieden (vgl. amnesty international v. 27.07.2009 an VG Sigmaringen). Er hat zwar einen eritreischen Pass beantragt, er hat ihn aber (noch) nicht erhalten. Schließlich nahm der Kläger nicht am Unabhängigkeitsreferendum Eritreas teil, worin ein Bekenntnis zum eritreischen Staat gesehen werden könnte (vgl. SFH vom 11.05.2009 Äthiopien: Eritreische Herkunft).
18 
Nach § 73 Abs. 2 b Satz 2 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zu widerrufen, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet worden ist, erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird und der Ausländer nicht aus anderen Gründen als Asylberechtigter anerkannt werden könnte. Entsprechendes gilt nach § 73 Abs. 2 b Satz 3 AsylVfG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind vorliegend erfüllt. Denn durch die Einbürgerung der Mutter des Klägers als Stammberechtigte erlosch nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG deren Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Denn sie wurde auf ihren Antrag hin eingebürgert und genießt nun den Schutz der Bundesrepublik Deutschland.
19 
Sonstige Gründe für eine Anerkennung als Asylberechtigter oder für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat der Kläger nicht vorgetragen, und sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere droht bei einer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund der unerlaubten Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland nicht die Gefahr von Verfolgung (vgl. VG Wiesbaden, Urt. v. 01.06.2010 - 5 K 1381/09.WI.A -; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.05.2011).)
20 
Es sind auch keine Gründe dafür geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass in Bezug auf Äthiopien und Eritrea die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen. Insbesondere droht dem Kläger nicht unmenschliche Behandlung in Zusammenhang mit dem Wehrdienst. Zwar droht nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. zuletzt Urteil v. 28.03.2011 - A 12 K 2314/10 -) all denen bei einer Rückkehr nach Eritrea unmenschliche Behandlung, die desertiert sind oder im rekrutierungsfähigen Alter Eritrea illegal verlassen haben. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger aber nicht vor. Denn er hat nicht Eritrea, sondern Äthiopien illegal verlassen und hatte mit 9 Jahren das re-krutierungsfähige Alter (18 bis 45 Jahre) noch bei weitem nicht erreicht.
21 
Weiter liegen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien nicht vor. Insbesondere würde der Kläger nicht Gefahren ausgesetzt, die nach Art, Ausmaß und Intensität von solchem Gewicht sind, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für ihn die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011 - 10 B 1/11 -, juris). Allerdings sind die Existenzbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung äußerst hart. Für Rückkehrer bieten sich aber schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur Existenzgründung. Insbesondere diejenigen Rückkehrer, die - wie der Kläger - über (berufliche) Qualifikationen verfügen, haben die Möglichkeit, Arbeit zu finden oder sich erfolgreich selbständig zu machen; dies gilt insbesondere für städtische Gebiete (vgl. insgesamt Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.05.2011; SFH zu Äthiopien vom 11.06.2009; zu den Verhältnissen in Äthiopien allgemein VG Kassel, Urt. v. 19.04.2011 - 1 K 1341/10.KS.A -, juris). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben des Klägers nicht glaubhaft sind, er verfüge über keine eritreischen Sprachkenntnisse (mehr). Denn er wuchs beinahe 10 Jahre in Äthiopien auf und lebte auch nach der Ausreise aus Äthiopien und der Einreise nach Deutschland mit Familienangehörigen zusammen.
22 
Demgegenüber liegen aber die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EMRK vor. Denn dem Kläger drohte bei einer Abschiebung Zwangs- bzw. Pflichtarbeit, zu der nach Art. 4 Abs. 2 EMRK niemand gezwungen werden darf.
23 
Voraussetzung für die Annahme von Zwangs- oder Pflichtarbeit ist zunächst, dass die Tätigkeit nicht freiwillig ausgeübt wird. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, ob die Arbeit ungerecht oder unterdrückend ist, ob sie zwangsläufig Härten zur Folge hat und ob die Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Vorteilen stehen. Weiter mit entscheidend ist, ob staatlich veranlasster physischer oder psychischer Zwang ausgeübt wird (vgl. insgesamt Marauhn, in Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Kap. 12 RdNr. 15 ff., m.w.N.).
24 
In Bezug auf Eritrea stellt sich die Situation für zurückkehrende Wehrpflichtige wie den Kläger wie folgt dar: Zuerst erwarten ihn 6 Monate Militärdienst. Anschließend werden die Rekruten des Nationaldienstes in verschiedenen Bereichen beschäftigt. Dies reicht vom Bürohelfer bei einem Gericht über handwerkliche Tätigkeiten und Straßenbau bis zur Arbeit auf Bauernhöfen. Die Bezahlung für diese Tätigkeiten ist schlecht, insbesondere erheblich geringer als der reguläre Sold von Soldaten (100 Nakfa gegenüber 330 bis 3.000 Nakfa) oder als die Bezahlung für die entsprechende Tätigkeit außerhalb des Nationaldienstes. Sie ist außerdem so gering, dass es schwierig ist, davon zu leben, und unmöglich, eine Familie davon zu ernähren. Die Arbeit selbst wird als hart beschrieben. Wer sie verweigert, wird bestraft und muss mit Gefängnis rechnen (vgl. insgesamt Pro Asyl, Eritrea Desertion, Flucht und Asyl von September 2010 unter Verweis u.a. auf den Bericht einer Delegation des Komitees für Entwicklung des Europäischen Parlaments am Horn von Afrika von 2008). Auch im Amnesty International Report 2011 wird davon berichtet, dass es bei dem Einsatz im Dienst von Militär oder Regierung häufig zu Zwangsarbeit in staatlichen Projekten kommt, z. B. bei Bauarbeiten, aber auch in Unternehmen, die dem Militär oder den Eliten der Regierungspartei gehören und von diesen geführt werden. Auch dort wird von zu geringen Löhnen berichtet. Das Auswärtige Amt führt insoweit im Lagebericht vom 26.10.2011 aus, in der an den Militärdienst anschließenden allgemeinen Dienstpflicht würden die Dienstpflichtigen z. B. beim Straßen- und Dammbau, in der Landwirtschaft aber auch in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung und Wirtschaft eingesetzt. Dabei dauere die Dienstpflicht für Männer bis zum 50. Lebensjahr, zum Teil auch erheblich länger.
25 
Daraus erschließt sich, dass es sich bei den geschilderten Tätigkeiten um nicht freiwillig geleistete Arbeit handelt, die aufgrund der geringen Bezahlung und der Umstände ungerecht und unterdrückend ist und - auch infolge der Unabsehbarkeit - eine ungerechtfertigte Härte enthält. Für die Annahme von Zwangs- und Pflichtarbeit spricht weiter, dass für den Fall der Ablehnung der Arbeitsverpflichtung eine erhebliche Bestrafung droht.
26 
Es liegt keine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 b) EMRK vor. Danach gilt nicht als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" jede Dienstleistung militärischen Charakters. Denn die oben dargelegten Arbeiten haben mit dem Militär größtenteils nichts zu tun. Sie dienen vielmehr in großem Umfang den Interessen der Partei oder der Parteiführung und auch privaten wirtschaftlichen Interessen.
27 
Der Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Eritrea steht nicht entgegen, dass der Kläger Schutz in Äthiopien finden kann. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat das Bestehen von Abschiebungsverboten auch in Bezug auf Eritrea geprüft (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.08.2007, BVerwGE 129, 155).
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

 
13 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden können, weil sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
14 
Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
15 
Die Klage ist zulässig. Sie ist im Umfang des Tenors begründet; insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist die Klage unbegründet; insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
16 
Der Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Denn seine Vorfahren stammen aus dem Gebiet von Eritrea, wie sich aus dem Schreiben der E. vom 24.02.1986 an das Ausländeramt der Stadt L. ergibt, und er selbst wurde in Asmara geboren (vgl. Urt. des erkennenden Gerichts vom 30.01.2007 - A 17 K 888/06 - m.w.N.).
17 
Der Kläger ist auch äthiopischer Staatsangehöriger. Denn er wurde 1975 als Sohn äthiopischer Eltern im Gebiet des damaligen Äthiopien geboren (Auswärtiges Amt vom 21.07.2003 an VG München). Die äthiopische Staatsangehörigkeit bleibt auch grundsätzlich erhalten (vgl. GIGA vom 13.08.2009 an VG Sigmaringen). Die Ausreise aus Äthiopien ohne Papiere schadet insoweit nicht (Auswärtiges Amt vom 16.06.2009 an VG Sigmaringen). Der Kläger hat sich auch nicht (endgültig) für die Annahme der eritreischen Staatsangehörigkeit entschieden (vgl. amnesty international v. 27.07.2009 an VG Sigmaringen). Er hat zwar einen eritreischen Pass beantragt, er hat ihn aber (noch) nicht erhalten. Schließlich nahm der Kläger nicht am Unabhängigkeitsreferendum Eritreas teil, worin ein Bekenntnis zum eritreischen Staat gesehen werden könnte (vgl. SFH vom 11.05.2009 Äthiopien: Eritreische Herkunft).
18 
Nach § 73 Abs. 2 b Satz 2 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zu widerrufen, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet worden ist, erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird und der Ausländer nicht aus anderen Gründen als Asylberechtigter anerkannt werden könnte. Entsprechendes gilt nach § 73 Abs. 2 b Satz 3 AsylVfG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind vorliegend erfüllt. Denn durch die Einbürgerung der Mutter des Klägers als Stammberechtigte erlosch nach § 72 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG deren Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Denn sie wurde auf ihren Antrag hin eingebürgert und genießt nun den Schutz der Bundesrepublik Deutschland.
19 
Sonstige Gründe für eine Anerkennung als Asylberechtigter oder für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat der Kläger nicht vorgetragen, und sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere droht bei einer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund der unerlaubten Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland nicht die Gefahr von Verfolgung (vgl. VG Wiesbaden, Urt. v. 01.06.2010 - 5 K 1381/09.WI.A -; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.05.2011).)
20 
Es sind auch keine Gründe dafür geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass in Bezug auf Äthiopien und Eritrea die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen. Insbesondere droht dem Kläger nicht unmenschliche Behandlung in Zusammenhang mit dem Wehrdienst. Zwar droht nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. zuletzt Urteil v. 28.03.2011 - A 12 K 2314/10 -) all denen bei einer Rückkehr nach Eritrea unmenschliche Behandlung, die desertiert sind oder im rekrutierungsfähigen Alter Eritrea illegal verlassen haben. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger aber nicht vor. Denn er hat nicht Eritrea, sondern Äthiopien illegal verlassen und hatte mit 9 Jahren das re-krutierungsfähige Alter (18 bis 45 Jahre) noch bei weitem nicht erreicht.
21 
Weiter liegen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien nicht vor. Insbesondere würde der Kläger nicht Gefahren ausgesetzt, die nach Art, Ausmaß und Intensität von solchem Gewicht sind, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für ihn die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2011 - 10 B 1/11 -, juris). Allerdings sind die Existenzbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung äußerst hart. Für Rückkehrer bieten sich aber schon mit geringem Startkapital Möglichkeiten zur Existenzgründung. Insbesondere diejenigen Rückkehrer, die - wie der Kläger - über (berufliche) Qualifikationen verfügen, haben die Möglichkeit, Arbeit zu finden oder sich erfolgreich selbständig zu machen; dies gilt insbesondere für städtische Gebiete (vgl. insgesamt Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 16.05.2011; SFH zu Äthiopien vom 11.06.2009; zu den Verhältnissen in Äthiopien allgemein VG Kassel, Urt. v. 19.04.2011 - 1 K 1341/10.KS.A -, juris). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben des Klägers nicht glaubhaft sind, er verfüge über keine eritreischen Sprachkenntnisse (mehr). Denn er wuchs beinahe 10 Jahre in Äthiopien auf und lebte auch nach der Ausreise aus Äthiopien und der Einreise nach Deutschland mit Familienangehörigen zusammen.
22 
Demgegenüber liegen aber die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 2 EMRK vor. Denn dem Kläger drohte bei einer Abschiebung Zwangs- bzw. Pflichtarbeit, zu der nach Art. 4 Abs. 2 EMRK niemand gezwungen werden darf.
23 
Voraussetzung für die Annahme von Zwangs- oder Pflichtarbeit ist zunächst, dass die Tätigkeit nicht freiwillig ausgeübt wird. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, ob die Arbeit ungerecht oder unterdrückend ist, ob sie zwangsläufig Härten zur Folge hat und ob die Belastungen in einem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Vorteilen stehen. Weiter mit entscheidend ist, ob staatlich veranlasster physischer oder psychischer Zwang ausgeübt wird (vgl. insgesamt Marauhn, in Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Kap. 12 RdNr. 15 ff., m.w.N.).
24 
In Bezug auf Eritrea stellt sich die Situation für zurückkehrende Wehrpflichtige wie den Kläger wie folgt dar: Zuerst erwarten ihn 6 Monate Militärdienst. Anschließend werden die Rekruten des Nationaldienstes in verschiedenen Bereichen beschäftigt. Dies reicht vom Bürohelfer bei einem Gericht über handwerkliche Tätigkeiten und Straßenbau bis zur Arbeit auf Bauernhöfen. Die Bezahlung für diese Tätigkeiten ist schlecht, insbesondere erheblich geringer als der reguläre Sold von Soldaten (100 Nakfa gegenüber 330 bis 3.000 Nakfa) oder als die Bezahlung für die entsprechende Tätigkeit außerhalb des Nationaldienstes. Sie ist außerdem so gering, dass es schwierig ist, davon zu leben, und unmöglich, eine Familie davon zu ernähren. Die Arbeit selbst wird als hart beschrieben. Wer sie verweigert, wird bestraft und muss mit Gefängnis rechnen (vgl. insgesamt Pro Asyl, Eritrea Desertion, Flucht und Asyl von September 2010 unter Verweis u.a. auf den Bericht einer Delegation des Komitees für Entwicklung des Europäischen Parlaments am Horn von Afrika von 2008). Auch im Amnesty International Report 2011 wird davon berichtet, dass es bei dem Einsatz im Dienst von Militär oder Regierung häufig zu Zwangsarbeit in staatlichen Projekten kommt, z. B. bei Bauarbeiten, aber auch in Unternehmen, die dem Militär oder den Eliten der Regierungspartei gehören und von diesen geführt werden. Auch dort wird von zu geringen Löhnen berichtet. Das Auswärtige Amt führt insoweit im Lagebericht vom 26.10.2011 aus, in der an den Militärdienst anschließenden allgemeinen Dienstpflicht würden die Dienstpflichtigen z. B. beim Straßen- und Dammbau, in der Landwirtschaft aber auch in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung und Wirtschaft eingesetzt. Dabei dauere die Dienstpflicht für Männer bis zum 50. Lebensjahr, zum Teil auch erheblich länger.
25 
Daraus erschließt sich, dass es sich bei den geschilderten Tätigkeiten um nicht freiwillig geleistete Arbeit handelt, die aufgrund der geringen Bezahlung und der Umstände ungerecht und unterdrückend ist und - auch infolge der Unabsehbarkeit - eine ungerechtfertigte Härte enthält. Für die Annahme von Zwangs- und Pflichtarbeit spricht weiter, dass für den Fall der Ablehnung der Arbeitsverpflichtung eine erhebliche Bestrafung droht.
26 
Es liegt keine Ausnahme nach Art. 4 Abs. 3 b) EMRK vor. Danach gilt nicht als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" jede Dienstleistung militärischen Charakters. Denn die oben dargelegten Arbeiten haben mit dem Militär größtenteils nichts zu tun. Sie dienen vielmehr in großem Umfang den Interessen der Partei oder der Parteiführung und auch privaten wirtschaftlichen Interessen.
27 
Der Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf Eritrea steht nicht entgegen, dass der Kläger Schutz in Äthiopien finden kann. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat das Bestehen von Abschiebungsverboten auch in Bezug auf Eritrea geprüft (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.08.2007, BVerwGE 129, 155).
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2012 - A 12 K 804/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2012 - A 12 K 804/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2012 - A 12 K 804/11 zitiert 5 §§.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2012 - A 12 K 804/11 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2012 - A 12 K 804/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 30. Jan. 2007 - A 17 K 888/06

bei uns veröffentlicht am 30.01.2007

Tenor Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 5 AufenthG i.V.m. Art. 15 b) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 in Bezug auf Eritrea vorliegen. Der Bescheid des Bundesa

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 5 AufenthG i.V.m. Art. 15 b) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 in Bezug auf Eritrea vorliegen.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.04.2006 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.

Tatbestand

 
Der 1953/1954 in ... geborene Kläger kam im Juni 1977 nach Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. Er begründete ihn damit, es habe einen Haftbefehl gegen ihn gegeben. Er sei für eine Befreiungsorganisation tätig gewesen; dabei habe er Nachrichten überbracht und Flugblätter verteilt. Mit Bescheid vom 02.09.1980 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Kläger als Asylberechtigten an. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei als Eritreer - insbesondere wegen seiner oppositionellen Einstellung - erheblich gefährdet. Außerdem sei er illegal ausgereist.
Mit Bescheid vom 28.03.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger aus.
Anlässlich der Anhörung zum Widerruf der Asylanerkennung berief sich der Kläger darauf, bei einer Rückkehr nach Äthiopien bestehe weiterhin Verfolgungsgefahr. Die Rückkehr sei auch aus humanitären Gründen unzumutbar.
Mit Bescheid vom 13.04.2006 - abgeschickt mit Übergabe-Einschreiben am 21.04.2006 - widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennung als Asylberechtigter. Gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, in Eritrea und Äthiopien sei der Kläger hinreichend sicher.
Am 02.05.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht zusätzlich geltend, er sei nicht eritreischer Staatsangehöriger. Er erfülle nicht die finanziellen Voraussetzungen für einen Antrag auf Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit. Denn er habe den von Eritrea als Steuer geforderten Betrag von 2 % der Einnahmen nicht bezahlt. Die politische Situation in der Region habe sich nicht grundsätzlich stabilisiert. Eine Existenzgrundlage sei nicht gewährleistet.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts angegeben, seine Vorfahren - die Eltern und die Großeltern - stammten aus dem Gebiet von Eritrea. Die Widerstandsbewegung, für die er vor seiner Flucht aus Äthiopien tätig gewesen sei, sei die EPLF gewesen.
Er könne nicht nach Äthiopien zurückkehren, da er damals von dort geflohen sei. Für Äthiopien sei zu berücksichtigen, dass der Konflikt mit Somalia bestehe. In Eritrea drohe ihm die Einziehung zum Militär.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.04.2006 aufzuheben,
10 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Die bei Gericht vorhandenen Erkenntnismittel und gerichtlichen Entscheidungen sind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
16 
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Für die Beurteilung ist maßgebend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).
17 
Vorab ist festzustellen, dass der Kläger Staatsangehöriger sowohl von Äthiopien als auch von Eritrea ist.
18 
Der Kläger erwarb die äthiopische Staatsangehörigkeit. Denn er wurde 1953/1954 als Sohn äthiopischer Eltern im Gebiet des damaligen Äthiopien geboren (Auswärtiges Amt vom 21.07.2003 an VG München). Anhaltspunkte dafür, dass er die äthiopische Staatsangehörigkeit wieder verloren hätte, sind nicht ersichtlich (vgl. Auswärtiges Amt vom 15.09.2003 an VG Aachen).
19 
Der Kläger ist auch eritreischer Staatsangehöriger. Denn seine Vorfahren stammen aus dem Gebiet von Eritrea, wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 - und - A 9 S 397/00 -, bestätigt durch Beschl. des BVerwG v. 28.11.2003 - 1 B 139.03 -).
20 
Widerruf
21 
Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter vom 02.09.1980 nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen nicht mehr vor. Die Sach- und Rechtslage hat sich nachträglich so geändert, dass die Voraussetzungen politischer Verfolgung nicht mehr gegeben sind.
22 
Ein Asylanspruch besteht nicht.
23 
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nachteile aufgrund der allgemeinen Zustände im Heimatstaat, z.B. Hunger, Naturkatastrophen oder allgemeine Auswirkungen von Unruhen u. Ä. genügen nicht (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, BVerfGE 80, 315). Die politische Verfolgung muss dem Asylsuchenden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, sodass es ihm nicht zumutbar ist, im Heimatstaat - oder einem sicheren Teil davon (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, aaO) - zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urt. v. 29.11.1977, BVerwGE 55, 82, und v. 16.4.1985, DVBl. 1985, 956; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143). Bei Vorverfolgung gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Schließlich darf der Asylbewerber nicht bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sein (§ 27 Abs. 1 AsylVfG).
24 
Nach Verlassen des Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffene Nachfluchttatbestände führen grundsätzlich nur zu einer Anerkennung als Asylberechtigte(r), wenn dieser Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht (§ 28 Abs. 1 AsylVfG).
25 
Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgängen in der Bundesrepublik Deutschland beruht, muss hierfür der volle Nachweis erbracht werden, im Übrigen genügt die Glaubhaftmachung, die zur vollen richterlichen Überzeugung i.S.d. § 108 VwGO vom Vorliegen der behaupteten Umstände und von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Gefahr politischer Verfolgung führen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.11.1983, BVerwGE 68, 171, und v. 16.4.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 16). Der Vortrag muss schlüssig und unter Angabe genauer Einzelheiten erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44).
26 
Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Äthiopien nicht (mehr) vor.
27 
Dabei gilt in Bezug auf die Gründe, aufgrund derer die Anerkennung als Asylberechtigter erfolgte, der erleichterte Prognosemaßstab für Vorverfolgte, wonach eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss; denn dieser Maßstab greift grundsätzlich auch für den Widerruf der Asylanerkennung ein (BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1, und Beschl. v. 21.01.2000 - 9 B 533/99 -, Juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15.05 -).
28 
Die Sachlage hat sich infolge des Sturzes des DERG-Regimes im Jahr 1991 wesentlich und grundlegend verändert. Der - früher als illegal angesehene - lange Auslandsaufenthalt und die illegale Ausreise des Klägers bilden keine Anknüpfungspunkte (mehr) für Verfolgungsmaßnahmen (OVG Weimar, Urt. v. 13.04.2000 - 3 KO 1987/97 -, Juris). Davon geht auch das Institut für Afrika-Kunde in der Stellungnahme vom 18.09.2003 an VG Darmstadt aus. Es besteht vielmehr jetzt ein Recht auf Ausreise (Außenministerium der USA, Länderbericht 1999 zur Menschenrechtslage vom 25.02.2000), und ein Visum ist leicht zu bekommen (Auswärtiges Amt, Äthiopien/Juli 2000 Die Situation im Zusammenhang mit Asylverfahren). Auch werden Straftaten aus der Zeit der DERG-Regierung heute nur noch verfolgt, wenn es sich um schwere Straftaten oder Kapitalverbrechen handelte (Auswärtiges Amt vom 18.09.2000 an VG Ansbach). Eine Änderung dieser Umstände ist nach den inzwischen vorliegenden weiteren Erkenntnisquellen nicht eingetreten.
29 
Für die im Übrigen zu prüfenden Gesichtspunkte gilt der einfache Prognosemaßstab.
30 
Dem Kläger droht keine politische Verfolgung in Äthiopien wegen seiner eritreischen Volkszugehörigkeit. Eritreer werden in Äthiopien nicht mehr verfolgt (Auswärtiges Amt, Lageberichte zu Äthiopien vom 25.07.2005 und 18.07.2006). Seit 2002/2003 finden keine Deportationen mehr statt (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH). Eritreische Staats- und Volkszugehörige können grundsätzlich in Äthiopien leben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006); es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie äthiopische Pässe erhalten (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH).
31 
Im Rahmen der Prüfung, ob der Kläger einen Asylanspruch hat, kann offen bleiben, ob ihm in Eritrea politische Verfolgung droht. Er muss sich darauf verweisen lassen, dass ihm in Äthiopien, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, keine politische Verfolgung droht. Denn das Recht auf Asyl will die Schutzlosigkeit des von politischer Verfolgung Betroffenen beseitigen und dem schutzlos Gewordenen wieder zu staatlichem Schutz (in Form politischen Asyls) verhelfen. Wer den Schutz des Heimatstaates in Anspruch nehmen kann, befindet sich in keiner die Asylgewährung rechtfertigenden Notlage (BVerwG, Urt. v. 06.10.1987, DVBl. 1988, 287). Die Schutzlosigkeit des Asylbewerbers ist aber Voraussetzung für die Gewährung von Asyl (BVerwG, Urt. v. 28.05.1991, NVwZ 1992, 380). Diese Schutzlosigkeit besteht im vorliegenden Fall nicht, da die Möglichkeit besteht, dass sich der Kläger unter den (staatlichen) Schutz Äthiopiens stellt (so auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 -).
32 
Es liegen schließlich keine zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe vor, um die Rückkehr nach Äthiopien abzulehnen (§ 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG). Insbesondere ist die allgemeine humanitäre Situation, auf die sich der Kläger insoweit beruft, nicht in diesem Zusammenhang zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 01.11.2005, DVBl 2006, 511).
33 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
34 
Auch die Entscheidung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesamt musste über diese Frage entscheiden, obwohl eine positive Entscheidung hierüber bisher nicht vorgelegen hatte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994 - A 13 S 2772/94 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.10.1995 - 23 A 5976/94. A -). Es besteht kein Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
35 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für Äthiopien nicht gegeben. Es besteht nicht die Gefahr politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.
36 
Die oben dargelegten Gründe für die Versagung der Asylgewährung gelten auch hier, soweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 - und vom 18.01.1994, NWZ 1994, 497; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.04.1992 - A 13 S 965/92 -).
37 
Darüber hinausgehende Gründe für eine Verfolgungsgefahr i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG nicht vor, soweit sie über die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl hinausgehen. Dies gilt auch für die Voraussetzungen, die die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 für die Gewährung von Schutz aufstellt.
38 
Auch insoweit kann offen bleiben, ob dem Kläger in Eritrea politische Verfolgung droht. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2005 (DVBl 2005, 982) ergibt sich nämlich, dass ein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann nicht in Betracht kommt, wenn Schutz vor politischer Verfolgung schon in einem anderen Staat gefunden wurde. Dies muss erst recht gelten, wenn der Schutz vor politischer Verfolgung in einem der Staaten besteht, deren Staatsangehörigkeit ein Asylbewerber hat.
39 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
40 
Auch über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG durfte das Bundesamt eine Entscheidung treffen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994, a.a.O.).
41 
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist für Äthiopien nicht gegeben. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Für § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG gelten die bisherigen Ausführungen hier entsprechend. Aber auch Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG drohen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
42 
Für die in Äthiopien bestehende allgemein schlechte Lage ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gesperrt, weil die damit zusammenhängenden Gefahren zugleich beinahe der gesamten Bevölkerung Äthiopiens drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1998, NVwZ 1998, 973, und vom 12.07.2001, NVwZ 2002, 101). Diese Gefahren können nur im Rahmen des § 60 a AufenthG berücksichtigt werden. In diesen Fällen wird Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG gewährt (BVerwG, Urt. v. 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289). Eine solche Anordnung existiert aber nicht.
43 
Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine extreme Gefahrenlage dergestalt besteht, dass im Falle der Rückkehr oder Abschiebung dorthin ein Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, sind nicht ersichtlich. Aber nur dann geböten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urt. v. 12.07.2001, a.a.O., m.w.N.). Die drohenden Gefahren müssten dann nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -). Von einer solchen extremen allgemeinen Gefahrenlage ist nach Auskunftslage nicht auszugehen.
44 
Zwar sind die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig und die Versorgung mit Lebensmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert (so sämtliche einschlägigen Erkenntnisquellen der letzten Jahre, insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006 und Updates der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2006 und 09.11.2005). Aber gerade zurückkehrende Äthiopier haben am ehesten die Chance für eine eigene Existenzgründung; für diese Personengruppe besteht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Arbeit zu finden (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 15.01.2003, 15.10.2003, 28.05.2004, 18.07.2006). Eine staatliche Sozialfürsorge existiert zwar nicht; es gibt aber Unterstützung durch Lebensmittellieferungen internationaler Hilfsorganisationen.
45 
Auch die Sicherheitslage in Äthiopien hat sich - mit Ausnahme von Überfällen in der Region Gambella und einzelnen Zwischenfällen in Randgebieten, z. B. im Ogaden - normalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 28.05.2004 und 18.07.2006).
46 
Es liegen auch keine individuellen Merkmale des Klägers vor, die zu einer hier zu berücksichtigenden Gefahr führen.
47 
Dagegen hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen.
48 
Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse an einer solchen Feststellung. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Bescheid vom 13.04.2006 in Bezug auf Eritrea eine negative Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG getroffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.2005, a.a.O.).
49 
Das erkennende Gericht hat zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea im Urteil vom 21.09.2005 (A 17 K 11357/05) ausgeführt:
50 
"Für den Kläger liegen in Bezug auf Eritrea die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vor. Die Abschiebung ist in seinem Fall unzulässig. Denn es besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger im Falle der Abschiebung nach Eritrea unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird.
51 
Im September und Oktober 2002 wurden ca. 220 Flüchtlinge aus Malta nach Eritrea abgeschoben. Sie wurden am Flughafen verhaftet und anschließend verhört. Frauen, Kinder und nicht Wehrpflichtige wurden später freigelassen, während diejenigen im wehrpflichtigen Alter in Haft blieben. Sie wurden auf verschiedene Gefängnisse verteilt, u. a. auf die Insel Dahlak Kebir. Über ihre Freilassung wurde bisher nichts bekannt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die meisten von ihnen weiter in Haft sind. Später erneut aus Eritrea geflohene Malta-Flüchtlinge gaben gegenüber dem UNHCR und amnesty international an, dass sie nach ihrer Rückkehr gefoltert wurden (Institut für Afrika-Kunde vom 17.09.2004 an VG Darmstadt). Dies entspricht den Erkenntnissen, die vom UNHCR berichtet werden (Stellungnahme vom 17.08.2004 an VG Darmstadt). Dabei sind die Haftbedingungen in den eritreischen Zivil- und Militärgefängnissen äußerst hart (Auswärtiges Amt vom 13.08.2003 und vom 20.08.2003, jeweils an VG Köln und Lagebericht vom 11.04.2005).
52 
Dem Kläger droht bei einer Abschiebung eine solche Behandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Zwar ist nicht bekannt, warum die aus Malta Abgeschobenen verhaftet wurden und in Haft blieben. Es waren aber jedenfalls unter ihnen auch Zivilisten."
53 
Da keine konkreten Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich die Umstände in der Zwischenzeit geändert haben, wird an dieser Rechtsprechung festgehalten. Insbesondere besagen die Ausführungen in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.06.2006 an VG Sigmaringen nur, es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach Rückkehrer, die das Land ohne Ausreiseerlaubnis verlassen hätten, bei ihrer Wiedereinreise mit Repressalien zu rechnen hätten. "Keine Erkenntnisse" sind nicht gleichbedeutend mit "neuen" Erkenntnissen über eine mögliche Gefährdung bei Abschiebung. Auch an den äußerst harten Haftbedingungen hat sich nichts geändert (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.05.2006). Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund seines Alters von über 50 Jahren nicht mehr als Wehrpflichtiger angesehen wird. Zwar besteht eine Verpflichtung zur militärischen Reserve grundsätzlich nur bis zum 50. Lebensjahr. In der Praxis wurde jedoch der nationale Dienst seit dem Krieg mit Äthiopien auf unbestimmte Zeit verlängert (amnesty international vom 04.05.2005 an VG Freiburg).
54 
Aus den genannten Gründen besteht auch Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 der - insoweit unmittelbar anwendbaren - Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004. Denn es droht ein ernsthafter Schaden i.S.v. Art. 15 b) der Richtlinie, der zum Kapitel V gehört. Danach gilt als ernsthafter Schaden u.a. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Herkunftsland.
55 
Einer Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Eritrea bedarf es danach nicht, da Schutz nach § 60 Abs. 2, 5 AufenthG gewährt wird.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

 
15 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
16 
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Für die Beurteilung ist maßgebend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).
17 
Vorab ist festzustellen, dass der Kläger Staatsangehöriger sowohl von Äthiopien als auch von Eritrea ist.
18 
Der Kläger erwarb die äthiopische Staatsangehörigkeit. Denn er wurde 1953/1954 als Sohn äthiopischer Eltern im Gebiet des damaligen Äthiopien geboren (Auswärtiges Amt vom 21.07.2003 an VG München). Anhaltspunkte dafür, dass er die äthiopische Staatsangehörigkeit wieder verloren hätte, sind nicht ersichtlich (vgl. Auswärtiges Amt vom 15.09.2003 an VG Aachen).
19 
Der Kläger ist auch eritreischer Staatsangehöriger. Denn seine Vorfahren stammen aus dem Gebiet von Eritrea, wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 - und - A 9 S 397/00 -, bestätigt durch Beschl. des BVerwG v. 28.11.2003 - 1 B 139.03 -).
20 
Widerruf
21 
Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter vom 02.09.1980 nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen nicht mehr vor. Die Sach- und Rechtslage hat sich nachträglich so geändert, dass die Voraussetzungen politischer Verfolgung nicht mehr gegeben sind.
22 
Ein Asylanspruch besteht nicht.
23 
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nachteile aufgrund der allgemeinen Zustände im Heimatstaat, z.B. Hunger, Naturkatastrophen oder allgemeine Auswirkungen von Unruhen u. Ä. genügen nicht (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, BVerfGE 80, 315). Die politische Verfolgung muss dem Asylsuchenden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, sodass es ihm nicht zumutbar ist, im Heimatstaat - oder einem sicheren Teil davon (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, aaO) - zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urt. v. 29.11.1977, BVerwGE 55, 82, und v. 16.4.1985, DVBl. 1985, 956; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143). Bei Vorverfolgung gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Schließlich darf der Asylbewerber nicht bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sein (§ 27 Abs. 1 AsylVfG).
24 
Nach Verlassen des Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffene Nachfluchttatbestände führen grundsätzlich nur zu einer Anerkennung als Asylberechtigte(r), wenn dieser Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht (§ 28 Abs. 1 AsylVfG).
25 
Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgängen in der Bundesrepublik Deutschland beruht, muss hierfür der volle Nachweis erbracht werden, im Übrigen genügt die Glaubhaftmachung, die zur vollen richterlichen Überzeugung i.S.d. § 108 VwGO vom Vorliegen der behaupteten Umstände und von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Gefahr politischer Verfolgung führen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.11.1983, BVerwGE 68, 171, und v. 16.4.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 16). Der Vortrag muss schlüssig und unter Angabe genauer Einzelheiten erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44).
26 
Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Äthiopien nicht (mehr) vor.
27 
Dabei gilt in Bezug auf die Gründe, aufgrund derer die Anerkennung als Asylberechtigter erfolgte, der erleichterte Prognosemaßstab für Vorverfolgte, wonach eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss; denn dieser Maßstab greift grundsätzlich auch für den Widerruf der Asylanerkennung ein (BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1, und Beschl. v. 21.01.2000 - 9 B 533/99 -, Juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15.05 -).
28 
Die Sachlage hat sich infolge des Sturzes des DERG-Regimes im Jahr 1991 wesentlich und grundlegend verändert. Der - früher als illegal angesehene - lange Auslandsaufenthalt und die illegale Ausreise des Klägers bilden keine Anknüpfungspunkte (mehr) für Verfolgungsmaßnahmen (OVG Weimar, Urt. v. 13.04.2000 - 3 KO 1987/97 -, Juris). Davon geht auch das Institut für Afrika-Kunde in der Stellungnahme vom 18.09.2003 an VG Darmstadt aus. Es besteht vielmehr jetzt ein Recht auf Ausreise (Außenministerium der USA, Länderbericht 1999 zur Menschenrechtslage vom 25.02.2000), und ein Visum ist leicht zu bekommen (Auswärtiges Amt, Äthiopien/Juli 2000 Die Situation im Zusammenhang mit Asylverfahren). Auch werden Straftaten aus der Zeit der DERG-Regierung heute nur noch verfolgt, wenn es sich um schwere Straftaten oder Kapitalverbrechen handelte (Auswärtiges Amt vom 18.09.2000 an VG Ansbach). Eine Änderung dieser Umstände ist nach den inzwischen vorliegenden weiteren Erkenntnisquellen nicht eingetreten.
29 
Für die im Übrigen zu prüfenden Gesichtspunkte gilt der einfache Prognosemaßstab.
30 
Dem Kläger droht keine politische Verfolgung in Äthiopien wegen seiner eritreischen Volkszugehörigkeit. Eritreer werden in Äthiopien nicht mehr verfolgt (Auswärtiges Amt, Lageberichte zu Äthiopien vom 25.07.2005 und 18.07.2006). Seit 2002/2003 finden keine Deportationen mehr statt (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH). Eritreische Staats- und Volkszugehörige können grundsätzlich in Äthiopien leben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006); es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie äthiopische Pässe erhalten (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH).
31 
Im Rahmen der Prüfung, ob der Kläger einen Asylanspruch hat, kann offen bleiben, ob ihm in Eritrea politische Verfolgung droht. Er muss sich darauf verweisen lassen, dass ihm in Äthiopien, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, keine politische Verfolgung droht. Denn das Recht auf Asyl will die Schutzlosigkeit des von politischer Verfolgung Betroffenen beseitigen und dem schutzlos Gewordenen wieder zu staatlichem Schutz (in Form politischen Asyls) verhelfen. Wer den Schutz des Heimatstaates in Anspruch nehmen kann, befindet sich in keiner die Asylgewährung rechtfertigenden Notlage (BVerwG, Urt. v. 06.10.1987, DVBl. 1988, 287). Die Schutzlosigkeit des Asylbewerbers ist aber Voraussetzung für die Gewährung von Asyl (BVerwG, Urt. v. 28.05.1991, NVwZ 1992, 380). Diese Schutzlosigkeit besteht im vorliegenden Fall nicht, da die Möglichkeit besteht, dass sich der Kläger unter den (staatlichen) Schutz Äthiopiens stellt (so auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 -).
32 
Es liegen schließlich keine zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe vor, um die Rückkehr nach Äthiopien abzulehnen (§ 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG). Insbesondere ist die allgemeine humanitäre Situation, auf die sich der Kläger insoweit beruft, nicht in diesem Zusammenhang zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 01.11.2005, DVBl 2006, 511).
33 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
34 
Auch die Entscheidung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesamt musste über diese Frage entscheiden, obwohl eine positive Entscheidung hierüber bisher nicht vorgelegen hatte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994 - A 13 S 2772/94 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.10.1995 - 23 A 5976/94. A -). Es besteht kein Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
35 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für Äthiopien nicht gegeben. Es besteht nicht die Gefahr politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.
36 
Die oben dargelegten Gründe für die Versagung der Asylgewährung gelten auch hier, soweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 - und vom 18.01.1994, NWZ 1994, 497; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.04.1992 - A 13 S 965/92 -).
37 
Darüber hinausgehende Gründe für eine Verfolgungsgefahr i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG nicht vor, soweit sie über die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl hinausgehen. Dies gilt auch für die Voraussetzungen, die die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 für die Gewährung von Schutz aufstellt.
38 
Auch insoweit kann offen bleiben, ob dem Kläger in Eritrea politische Verfolgung droht. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2005 (DVBl 2005, 982) ergibt sich nämlich, dass ein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann nicht in Betracht kommt, wenn Schutz vor politischer Verfolgung schon in einem anderen Staat gefunden wurde. Dies muss erst recht gelten, wenn der Schutz vor politischer Verfolgung in einem der Staaten besteht, deren Staatsangehörigkeit ein Asylbewerber hat.
39 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
40 
Auch über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG durfte das Bundesamt eine Entscheidung treffen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994, a.a.O.).
41 
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist für Äthiopien nicht gegeben. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Für § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG gelten die bisherigen Ausführungen hier entsprechend. Aber auch Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG drohen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
42 
Für die in Äthiopien bestehende allgemein schlechte Lage ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gesperrt, weil die damit zusammenhängenden Gefahren zugleich beinahe der gesamten Bevölkerung Äthiopiens drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1998, NVwZ 1998, 973, und vom 12.07.2001, NVwZ 2002, 101). Diese Gefahren können nur im Rahmen des § 60 a AufenthG berücksichtigt werden. In diesen Fällen wird Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG gewährt (BVerwG, Urt. v. 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289). Eine solche Anordnung existiert aber nicht.
43 
Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine extreme Gefahrenlage dergestalt besteht, dass im Falle der Rückkehr oder Abschiebung dorthin ein Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, sind nicht ersichtlich. Aber nur dann geböten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urt. v. 12.07.2001, a.a.O., m.w.N.). Die drohenden Gefahren müssten dann nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -). Von einer solchen extremen allgemeinen Gefahrenlage ist nach Auskunftslage nicht auszugehen.
44 
Zwar sind die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig und die Versorgung mit Lebensmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert (so sämtliche einschlägigen Erkenntnisquellen der letzten Jahre, insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006 und Updates der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2006 und 09.11.2005). Aber gerade zurückkehrende Äthiopier haben am ehesten die Chance für eine eigene Existenzgründung; für diese Personengruppe besteht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Arbeit zu finden (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 15.01.2003, 15.10.2003, 28.05.2004, 18.07.2006). Eine staatliche Sozialfürsorge existiert zwar nicht; es gibt aber Unterstützung durch Lebensmittellieferungen internationaler Hilfsorganisationen.
45 
Auch die Sicherheitslage in Äthiopien hat sich - mit Ausnahme von Überfällen in der Region Gambella und einzelnen Zwischenfällen in Randgebieten, z. B. im Ogaden - normalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 28.05.2004 und 18.07.2006).
46 
Es liegen auch keine individuellen Merkmale des Klägers vor, die zu einer hier zu berücksichtigenden Gefahr führen.
47 
Dagegen hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen.
48 
Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse an einer solchen Feststellung. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Bescheid vom 13.04.2006 in Bezug auf Eritrea eine negative Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG getroffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.2005, a.a.O.).
49 
Das erkennende Gericht hat zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea im Urteil vom 21.09.2005 (A 17 K 11357/05) ausgeführt:
50 
"Für den Kläger liegen in Bezug auf Eritrea die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vor. Die Abschiebung ist in seinem Fall unzulässig. Denn es besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger im Falle der Abschiebung nach Eritrea unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird.
51 
Im September und Oktober 2002 wurden ca. 220 Flüchtlinge aus Malta nach Eritrea abgeschoben. Sie wurden am Flughafen verhaftet und anschließend verhört. Frauen, Kinder und nicht Wehrpflichtige wurden später freigelassen, während diejenigen im wehrpflichtigen Alter in Haft blieben. Sie wurden auf verschiedene Gefängnisse verteilt, u. a. auf die Insel Dahlak Kebir. Über ihre Freilassung wurde bisher nichts bekannt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die meisten von ihnen weiter in Haft sind. Später erneut aus Eritrea geflohene Malta-Flüchtlinge gaben gegenüber dem UNHCR und amnesty international an, dass sie nach ihrer Rückkehr gefoltert wurden (Institut für Afrika-Kunde vom 17.09.2004 an VG Darmstadt). Dies entspricht den Erkenntnissen, die vom UNHCR berichtet werden (Stellungnahme vom 17.08.2004 an VG Darmstadt). Dabei sind die Haftbedingungen in den eritreischen Zivil- und Militärgefängnissen äußerst hart (Auswärtiges Amt vom 13.08.2003 und vom 20.08.2003, jeweils an VG Köln und Lagebericht vom 11.04.2005).
52 
Dem Kläger droht bei einer Abschiebung eine solche Behandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Zwar ist nicht bekannt, warum die aus Malta Abgeschobenen verhaftet wurden und in Haft blieben. Es waren aber jedenfalls unter ihnen auch Zivilisten."
53 
Da keine konkreten Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich die Umstände in der Zwischenzeit geändert haben, wird an dieser Rechtsprechung festgehalten. Insbesondere besagen die Ausführungen in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.06.2006 an VG Sigmaringen nur, es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach Rückkehrer, die das Land ohne Ausreiseerlaubnis verlassen hätten, bei ihrer Wiedereinreise mit Repressalien zu rechnen hätten. "Keine Erkenntnisse" sind nicht gleichbedeutend mit "neuen" Erkenntnissen über eine mögliche Gefährdung bei Abschiebung. Auch an den äußerst harten Haftbedingungen hat sich nichts geändert (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.05.2006). Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund seines Alters von über 50 Jahren nicht mehr als Wehrpflichtiger angesehen wird. Zwar besteht eine Verpflichtung zur militärischen Reserve grundsätzlich nur bis zum 50. Lebensjahr. In der Praxis wurde jedoch der nationale Dienst seit dem Krieg mit Äthiopien auf unbestimmte Zeit verlängert (amnesty international vom 04.05.2005 an VG Freiburg).
54 
Aus den genannten Gründen besteht auch Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 der - insoweit unmittelbar anwendbaren - Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004. Denn es droht ein ernsthafter Schaden i.S.v. Art. 15 b) der Richtlinie, der zum Kapitel V gehört. Danach gilt als ernsthafter Schaden u.a. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Herkunftsland.
55 
Einer Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Eritrea bedarf es danach nicht, da Schutz nach § 60 Abs. 2, 5 AufenthG gewährt wird.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 5 AufenthG i.V.m. Art. 15 b) der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 in Bezug auf Eritrea vorliegen.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.04.2006 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6.

Tatbestand

 
Der 1953/1954 in ... geborene Kläger kam im Juni 1977 nach Deutschland und stellte hier einen Asylantrag. Er begründete ihn damit, es habe einen Haftbefehl gegen ihn gegeben. Er sei für eine Befreiungsorganisation tätig gewesen; dabei habe er Nachrichten überbracht und Flugblätter verteilt. Mit Bescheid vom 02.09.1980 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Kläger als Asylberechtigten an. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei als Eritreer - insbesondere wegen seiner oppositionellen Einstellung - erheblich gefährdet. Außerdem sei er illegal ausgereist.
Mit Bescheid vom 28.03.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger aus.
Anlässlich der Anhörung zum Widerruf der Asylanerkennung berief sich der Kläger darauf, bei einer Rückkehr nach Äthiopien bestehe weiterhin Verfolgungsgefahr. Die Rückkehr sei auch aus humanitären Gründen unzumutbar.
Mit Bescheid vom 13.04.2006 - abgeschickt mit Übergabe-Einschreiben am 21.04.2006 - widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Anerkennung als Asylberechtigter. Gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, in Eritrea und Äthiopien sei der Kläger hinreichend sicher.
Am 02.05.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht zusätzlich geltend, er sei nicht eritreischer Staatsangehöriger. Er erfülle nicht die finanziellen Voraussetzungen für einen Antrag auf Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit. Denn er habe den von Eritrea als Steuer geforderten Betrag von 2 % der Einnahmen nicht bezahlt. Die politische Situation in der Region habe sich nicht grundsätzlich stabilisiert. Eine Existenzgrundlage sei nicht gewährleistet.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts angegeben, seine Vorfahren - die Eltern und die Großeltern - stammten aus dem Gebiet von Eritrea. Die Widerstandsbewegung, für die er vor seiner Flucht aus Äthiopien tätig gewesen sei, sei die EPLF gewesen.
Er könne nicht nach Äthiopien zurückkehren, da er damals von dort geflohen sei. Für Äthiopien sei zu berücksichtigen, dass der Konflikt mit Somalia bestehe. In Eritrea drohe ihm die Einziehung zum Militär.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13.04.2006 aufzuheben,
10 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Die bei Gericht vorhandenen Erkenntnismittel und gerichtlichen Entscheidungen sind zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
14 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
16 
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Für die Beurteilung ist maßgebend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).
17 
Vorab ist festzustellen, dass der Kläger Staatsangehöriger sowohl von Äthiopien als auch von Eritrea ist.
18 
Der Kläger erwarb die äthiopische Staatsangehörigkeit. Denn er wurde 1953/1954 als Sohn äthiopischer Eltern im Gebiet des damaligen Äthiopien geboren (Auswärtiges Amt vom 21.07.2003 an VG München). Anhaltspunkte dafür, dass er die äthiopische Staatsangehörigkeit wieder verloren hätte, sind nicht ersichtlich (vgl. Auswärtiges Amt vom 15.09.2003 an VG Aachen).
19 
Der Kläger ist auch eritreischer Staatsangehöriger. Denn seine Vorfahren stammen aus dem Gebiet von Eritrea, wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 - und - A 9 S 397/00 -, bestätigt durch Beschl. des BVerwG v. 28.11.2003 - 1 B 139.03 -).
20 
Widerruf
21 
Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter vom 02.09.1980 nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen nicht mehr vor. Die Sach- und Rechtslage hat sich nachträglich so geändert, dass die Voraussetzungen politischer Verfolgung nicht mehr gegeben sind.
22 
Ein Asylanspruch besteht nicht.
23 
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nachteile aufgrund der allgemeinen Zustände im Heimatstaat, z.B. Hunger, Naturkatastrophen oder allgemeine Auswirkungen von Unruhen u. Ä. genügen nicht (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, BVerfGE 80, 315). Die politische Verfolgung muss dem Asylsuchenden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, sodass es ihm nicht zumutbar ist, im Heimatstaat - oder einem sicheren Teil davon (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, aaO) - zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urt. v. 29.11.1977, BVerwGE 55, 82, und v. 16.4.1985, DVBl. 1985, 956; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143). Bei Vorverfolgung gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Schließlich darf der Asylbewerber nicht bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sein (§ 27 Abs. 1 AsylVfG).
24 
Nach Verlassen des Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffene Nachfluchttatbestände führen grundsätzlich nur zu einer Anerkennung als Asylberechtigte(r), wenn dieser Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht (§ 28 Abs. 1 AsylVfG).
25 
Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgängen in der Bundesrepublik Deutschland beruht, muss hierfür der volle Nachweis erbracht werden, im Übrigen genügt die Glaubhaftmachung, die zur vollen richterlichen Überzeugung i.S.d. § 108 VwGO vom Vorliegen der behaupteten Umstände und von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Gefahr politischer Verfolgung führen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.11.1983, BVerwGE 68, 171, und v. 16.4.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 16). Der Vortrag muss schlüssig und unter Angabe genauer Einzelheiten erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44).
26 
Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Äthiopien nicht (mehr) vor.
27 
Dabei gilt in Bezug auf die Gründe, aufgrund derer die Anerkennung als Asylberechtigter erfolgte, der erleichterte Prognosemaßstab für Vorverfolgte, wonach eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss; denn dieser Maßstab greift grundsätzlich auch für den Widerruf der Asylanerkennung ein (BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1, und Beschl. v. 21.01.2000 - 9 B 533/99 -, Juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15.05 -).
28 
Die Sachlage hat sich infolge des Sturzes des DERG-Regimes im Jahr 1991 wesentlich und grundlegend verändert. Der - früher als illegal angesehene - lange Auslandsaufenthalt und die illegale Ausreise des Klägers bilden keine Anknüpfungspunkte (mehr) für Verfolgungsmaßnahmen (OVG Weimar, Urt. v. 13.04.2000 - 3 KO 1987/97 -, Juris). Davon geht auch das Institut für Afrika-Kunde in der Stellungnahme vom 18.09.2003 an VG Darmstadt aus. Es besteht vielmehr jetzt ein Recht auf Ausreise (Außenministerium der USA, Länderbericht 1999 zur Menschenrechtslage vom 25.02.2000), und ein Visum ist leicht zu bekommen (Auswärtiges Amt, Äthiopien/Juli 2000 Die Situation im Zusammenhang mit Asylverfahren). Auch werden Straftaten aus der Zeit der DERG-Regierung heute nur noch verfolgt, wenn es sich um schwere Straftaten oder Kapitalverbrechen handelte (Auswärtiges Amt vom 18.09.2000 an VG Ansbach). Eine Änderung dieser Umstände ist nach den inzwischen vorliegenden weiteren Erkenntnisquellen nicht eingetreten.
29 
Für die im Übrigen zu prüfenden Gesichtspunkte gilt der einfache Prognosemaßstab.
30 
Dem Kläger droht keine politische Verfolgung in Äthiopien wegen seiner eritreischen Volkszugehörigkeit. Eritreer werden in Äthiopien nicht mehr verfolgt (Auswärtiges Amt, Lageberichte zu Äthiopien vom 25.07.2005 und 18.07.2006). Seit 2002/2003 finden keine Deportationen mehr statt (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH). Eritreische Staats- und Volkszugehörige können grundsätzlich in Äthiopien leben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006); es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie äthiopische Pässe erhalten (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH).
31 
Im Rahmen der Prüfung, ob der Kläger einen Asylanspruch hat, kann offen bleiben, ob ihm in Eritrea politische Verfolgung droht. Er muss sich darauf verweisen lassen, dass ihm in Äthiopien, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, keine politische Verfolgung droht. Denn das Recht auf Asyl will die Schutzlosigkeit des von politischer Verfolgung Betroffenen beseitigen und dem schutzlos Gewordenen wieder zu staatlichem Schutz (in Form politischen Asyls) verhelfen. Wer den Schutz des Heimatstaates in Anspruch nehmen kann, befindet sich in keiner die Asylgewährung rechtfertigenden Notlage (BVerwG, Urt. v. 06.10.1987, DVBl. 1988, 287). Die Schutzlosigkeit des Asylbewerbers ist aber Voraussetzung für die Gewährung von Asyl (BVerwG, Urt. v. 28.05.1991, NVwZ 1992, 380). Diese Schutzlosigkeit besteht im vorliegenden Fall nicht, da die Möglichkeit besteht, dass sich der Kläger unter den (staatlichen) Schutz Äthiopiens stellt (so auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 -).
32 
Es liegen schließlich keine zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe vor, um die Rückkehr nach Äthiopien abzulehnen (§ 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG). Insbesondere ist die allgemeine humanitäre Situation, auf die sich der Kläger insoweit beruft, nicht in diesem Zusammenhang zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 01.11.2005, DVBl 2006, 511).
33 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
34 
Auch die Entscheidung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesamt musste über diese Frage entscheiden, obwohl eine positive Entscheidung hierüber bisher nicht vorgelegen hatte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994 - A 13 S 2772/94 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.10.1995 - 23 A 5976/94. A -). Es besteht kein Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
35 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für Äthiopien nicht gegeben. Es besteht nicht die Gefahr politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.
36 
Die oben dargelegten Gründe für die Versagung der Asylgewährung gelten auch hier, soweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 - und vom 18.01.1994, NWZ 1994, 497; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.04.1992 - A 13 S 965/92 -).
37 
Darüber hinausgehende Gründe für eine Verfolgungsgefahr i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG nicht vor, soweit sie über die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl hinausgehen. Dies gilt auch für die Voraussetzungen, die die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 für die Gewährung von Schutz aufstellt.
38 
Auch insoweit kann offen bleiben, ob dem Kläger in Eritrea politische Verfolgung droht. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2005 (DVBl 2005, 982) ergibt sich nämlich, dass ein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann nicht in Betracht kommt, wenn Schutz vor politischer Verfolgung schon in einem anderen Staat gefunden wurde. Dies muss erst recht gelten, wenn der Schutz vor politischer Verfolgung in einem der Staaten besteht, deren Staatsangehörigkeit ein Asylbewerber hat.
39 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
40 
Auch über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG durfte das Bundesamt eine Entscheidung treffen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994, a.a.O.).
41 
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist für Äthiopien nicht gegeben. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Für § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG gelten die bisherigen Ausführungen hier entsprechend. Aber auch Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG drohen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
42 
Für die in Äthiopien bestehende allgemein schlechte Lage ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gesperrt, weil die damit zusammenhängenden Gefahren zugleich beinahe der gesamten Bevölkerung Äthiopiens drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1998, NVwZ 1998, 973, und vom 12.07.2001, NVwZ 2002, 101). Diese Gefahren können nur im Rahmen des § 60 a AufenthG berücksichtigt werden. In diesen Fällen wird Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG gewährt (BVerwG, Urt. v. 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289). Eine solche Anordnung existiert aber nicht.
43 
Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine extreme Gefahrenlage dergestalt besteht, dass im Falle der Rückkehr oder Abschiebung dorthin ein Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, sind nicht ersichtlich. Aber nur dann geböten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urt. v. 12.07.2001, a.a.O., m.w.N.). Die drohenden Gefahren müssten dann nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -). Von einer solchen extremen allgemeinen Gefahrenlage ist nach Auskunftslage nicht auszugehen.
44 
Zwar sind die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig und die Versorgung mit Lebensmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert (so sämtliche einschlägigen Erkenntnisquellen der letzten Jahre, insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006 und Updates der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2006 und 09.11.2005). Aber gerade zurückkehrende Äthiopier haben am ehesten die Chance für eine eigene Existenzgründung; für diese Personengruppe besteht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Arbeit zu finden (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 15.01.2003, 15.10.2003, 28.05.2004, 18.07.2006). Eine staatliche Sozialfürsorge existiert zwar nicht; es gibt aber Unterstützung durch Lebensmittellieferungen internationaler Hilfsorganisationen.
45 
Auch die Sicherheitslage in Äthiopien hat sich - mit Ausnahme von Überfällen in der Region Gambella und einzelnen Zwischenfällen in Randgebieten, z. B. im Ogaden - normalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 28.05.2004 und 18.07.2006).
46 
Es liegen auch keine individuellen Merkmale des Klägers vor, die zu einer hier zu berücksichtigenden Gefahr führen.
47 
Dagegen hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen.
48 
Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse an einer solchen Feststellung. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Bescheid vom 13.04.2006 in Bezug auf Eritrea eine negative Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG getroffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.2005, a.a.O.).
49 
Das erkennende Gericht hat zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea im Urteil vom 21.09.2005 (A 17 K 11357/05) ausgeführt:
50 
"Für den Kläger liegen in Bezug auf Eritrea die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vor. Die Abschiebung ist in seinem Fall unzulässig. Denn es besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger im Falle der Abschiebung nach Eritrea unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird.
51 
Im September und Oktober 2002 wurden ca. 220 Flüchtlinge aus Malta nach Eritrea abgeschoben. Sie wurden am Flughafen verhaftet und anschließend verhört. Frauen, Kinder und nicht Wehrpflichtige wurden später freigelassen, während diejenigen im wehrpflichtigen Alter in Haft blieben. Sie wurden auf verschiedene Gefängnisse verteilt, u. a. auf die Insel Dahlak Kebir. Über ihre Freilassung wurde bisher nichts bekannt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die meisten von ihnen weiter in Haft sind. Später erneut aus Eritrea geflohene Malta-Flüchtlinge gaben gegenüber dem UNHCR und amnesty international an, dass sie nach ihrer Rückkehr gefoltert wurden (Institut für Afrika-Kunde vom 17.09.2004 an VG Darmstadt). Dies entspricht den Erkenntnissen, die vom UNHCR berichtet werden (Stellungnahme vom 17.08.2004 an VG Darmstadt). Dabei sind die Haftbedingungen in den eritreischen Zivil- und Militärgefängnissen äußerst hart (Auswärtiges Amt vom 13.08.2003 und vom 20.08.2003, jeweils an VG Köln und Lagebericht vom 11.04.2005).
52 
Dem Kläger droht bei einer Abschiebung eine solche Behandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Zwar ist nicht bekannt, warum die aus Malta Abgeschobenen verhaftet wurden und in Haft blieben. Es waren aber jedenfalls unter ihnen auch Zivilisten."
53 
Da keine konkreten Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich die Umstände in der Zwischenzeit geändert haben, wird an dieser Rechtsprechung festgehalten. Insbesondere besagen die Ausführungen in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.06.2006 an VG Sigmaringen nur, es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach Rückkehrer, die das Land ohne Ausreiseerlaubnis verlassen hätten, bei ihrer Wiedereinreise mit Repressalien zu rechnen hätten. "Keine Erkenntnisse" sind nicht gleichbedeutend mit "neuen" Erkenntnissen über eine mögliche Gefährdung bei Abschiebung. Auch an den äußerst harten Haftbedingungen hat sich nichts geändert (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.05.2006). Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund seines Alters von über 50 Jahren nicht mehr als Wehrpflichtiger angesehen wird. Zwar besteht eine Verpflichtung zur militärischen Reserve grundsätzlich nur bis zum 50. Lebensjahr. In der Praxis wurde jedoch der nationale Dienst seit dem Krieg mit Äthiopien auf unbestimmte Zeit verlängert (amnesty international vom 04.05.2005 an VG Freiburg).
54 
Aus den genannten Gründen besteht auch Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 der - insoweit unmittelbar anwendbaren - Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004. Denn es droht ein ernsthafter Schaden i.S.v. Art. 15 b) der Richtlinie, der zum Kapitel V gehört. Danach gilt als ernsthafter Schaden u.a. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Herkunftsland.
55 
Einer Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Eritrea bedarf es danach nicht, da Schutz nach § 60 Abs. 2, 5 AufenthG gewährt wird.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

Gründe

 
15 
Das Gericht hat trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden können, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). Im Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a VwGO).
16 
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Für die Beurteilung ist maßgebend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).
17 
Vorab ist festzustellen, dass der Kläger Staatsangehöriger sowohl von Äthiopien als auch von Eritrea ist.
18 
Der Kläger erwarb die äthiopische Staatsangehörigkeit. Denn er wurde 1953/1954 als Sohn äthiopischer Eltern im Gebiet des damaligen Äthiopien geboren (Auswärtiges Amt vom 21.07.2003 an VG München). Anhaltspunkte dafür, dass er die äthiopische Staatsangehörigkeit wieder verloren hätte, sind nicht ersichtlich (vgl. Auswärtiges Amt vom 15.09.2003 an VG Aachen).
19 
Der Kläger ist auch eritreischer Staatsangehöriger. Denn seine Vorfahren stammen aus dem Gebiet von Eritrea, wie er in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 - und - A 9 S 397/00 -, bestätigt durch Beschl. des BVerwG v. 28.11.2003 - 1 B 139.03 -).
20 
Widerruf
21 
Der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter vom 02.09.1980 nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl liegen nicht mehr vor. Die Sach- und Rechtslage hat sich nachträglich so geändert, dass die Voraussetzungen politischer Verfolgung nicht mehr gegeben sind.
22 
Ein Asylanspruch besteht nicht.
23 
Nach Art. 16 a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann politisch, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nachteile aufgrund der allgemeinen Zustände im Heimatstaat, z.B. Hunger, Naturkatastrophen oder allgemeine Auswirkungen von Unruhen u. Ä. genügen nicht (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, BVerfGE 80, 315). Die politische Verfolgung muss dem Asylsuchenden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, sodass es ihm nicht zumutbar ist, im Heimatstaat - oder einem sicheren Teil davon (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, aaO) - zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urt. v. 29.11.1977, BVerwGE 55, 82, und v. 16.4.1985, DVBl. 1985, 956; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 1.7.1987, BVerfGE 76, 143). Bei Vorverfolgung gilt ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Schließlich darf der Asylbewerber nicht bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sein (§ 27 Abs. 1 AsylVfG).
24 
Nach Verlassen des Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffene Nachfluchttatbestände führen grundsätzlich nur zu einer Anerkennung als Asylberechtigte(r), wenn dieser Entschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht (§ 28 Abs. 1 AsylVfG).
25 
Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgängen in der Bundesrepublik Deutschland beruht, muss hierfür der volle Nachweis erbracht werden, im Übrigen genügt die Glaubhaftmachung, die zur vollen richterlichen Überzeugung i.S.d. § 108 VwGO vom Vorliegen der behaupteten Umstände und von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für die Gefahr politischer Verfolgung führen muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.11.1983, BVerwGE 68, 171, und v. 16.4.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 16). Der Vortrag muss schlüssig und unter Angabe genauer Einzelheiten erfolgen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.1983, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44).
26 
Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Äthiopien nicht (mehr) vor.
27 
Dabei gilt in Bezug auf die Gründe, aufgrund derer die Anerkennung als Asylberechtigter erfolgte, der erleichterte Prognosemaßstab für Vorverfolgte, wonach eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss; denn dieser Maßstab greift grundsätzlich auch für den Widerruf der Asylanerkennung ein (BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1, und Beschl. v. 21.01.2000 - 9 B 533/99 -, Juris; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.07.2006 - 1 C 15.05 -).
28 
Die Sachlage hat sich infolge des Sturzes des DERG-Regimes im Jahr 1991 wesentlich und grundlegend verändert. Der - früher als illegal angesehene - lange Auslandsaufenthalt und die illegale Ausreise des Klägers bilden keine Anknüpfungspunkte (mehr) für Verfolgungsmaßnahmen (OVG Weimar, Urt. v. 13.04.2000 - 3 KO 1987/97 -, Juris). Davon geht auch das Institut für Afrika-Kunde in der Stellungnahme vom 18.09.2003 an VG Darmstadt aus. Es besteht vielmehr jetzt ein Recht auf Ausreise (Außenministerium der USA, Länderbericht 1999 zur Menschenrechtslage vom 25.02.2000), und ein Visum ist leicht zu bekommen (Auswärtiges Amt, Äthiopien/Juli 2000 Die Situation im Zusammenhang mit Asylverfahren). Auch werden Straftaten aus der Zeit der DERG-Regierung heute nur noch verfolgt, wenn es sich um schwere Straftaten oder Kapitalverbrechen handelte (Auswärtiges Amt vom 18.09.2000 an VG Ansbach). Eine Änderung dieser Umstände ist nach den inzwischen vorliegenden weiteren Erkenntnisquellen nicht eingetreten.
29 
Für die im Übrigen zu prüfenden Gesichtspunkte gilt der einfache Prognosemaßstab.
30 
Dem Kläger droht keine politische Verfolgung in Äthiopien wegen seiner eritreischen Volkszugehörigkeit. Eritreer werden in Äthiopien nicht mehr verfolgt (Auswärtiges Amt, Lageberichte zu Äthiopien vom 25.07.2005 und 18.07.2006). Seit 2002/2003 finden keine Deportationen mehr statt (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH). Eritreische Staats- und Volkszugehörige können grundsätzlich in Äthiopien leben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006); es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sie äthiopische Pässe erhalten (Auswärtiges Amt vom 01.07.2004 an BayVGH).
31 
Im Rahmen der Prüfung, ob der Kläger einen Asylanspruch hat, kann offen bleiben, ob ihm in Eritrea politische Verfolgung droht. Er muss sich darauf verweisen lassen, dass ihm in Äthiopien, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, keine politische Verfolgung droht. Denn das Recht auf Asyl will die Schutzlosigkeit des von politischer Verfolgung Betroffenen beseitigen und dem schutzlos Gewordenen wieder zu staatlichem Schutz (in Form politischen Asyls) verhelfen. Wer den Schutz des Heimatstaates in Anspruch nehmen kann, befindet sich in keiner die Asylgewährung rechtfertigenden Notlage (BVerwG, Urt. v. 06.10.1987, DVBl. 1988, 287). Die Schutzlosigkeit des Asylbewerbers ist aber Voraussetzung für die Gewährung von Asyl (BVerwG, Urt. v. 28.05.1991, NVwZ 1992, 380). Diese Schutzlosigkeit besteht im vorliegenden Fall nicht, da die Möglichkeit besteht, dass sich der Kläger unter den (staatlichen) Schutz Äthiopiens stellt (so auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.01.2003 - A 9 S 273/01 -).
32 
Es liegen schließlich keine zwingenden, auf früheren Verfolgungen beruhenden Gründe vor, um die Rückkehr nach Äthiopien abzulehnen (§ 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG). Insbesondere ist die allgemeine humanitäre Situation, auf die sich der Kläger insoweit beruft, nicht in diesem Zusammenhang zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 01.11.2005, DVBl 2006, 511).
33 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
34 
Auch die Entscheidung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden. Das Bundesamt musste über diese Frage entscheiden, obwohl eine positive Entscheidung hierüber bisher nicht vorgelegen hatte (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994 - A 13 S 2772/94 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 27.10.1995 - 23 A 5976/94. A -). Es besteht kein Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
35 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend für Äthiopien nicht gegeben. Es besteht nicht die Gefahr politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG.
36 
Die oben dargelegten Gründe für die Versagung der Asylgewährung gelten auch hier, soweit die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl und die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG deckungsgleich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.02.1992 - 9 C 59.91 - und vom 18.01.1994, NWZ 1994, 497; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.04.1992 - A 13 S 965/92 -).
37 
Darüber hinausgehende Gründe für eine Verfolgungsgefahr i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG liegen nicht vor. Auch liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG nicht vor, soweit sie über die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl hinausgehen. Dies gilt auch für die Voraussetzungen, die die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 für die Gewährung von Schutz aufstellt.
38 
Auch insoweit kann offen bleiben, ob dem Kläger in Eritrea politische Verfolgung droht. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2005 (DVBl 2005, 982) ergibt sich nämlich, dass ein Anspruch auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG dann nicht in Betracht kommt, wenn Schutz vor politischer Verfolgung schon in einem anderen Staat gefunden wurde. Dies muss erst recht gelten, wenn der Schutz vor politischer Verfolgung in einem der Staaten besteht, deren Staatsangehörigkeit ein Asylbewerber hat.
39 
Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
40 
Auch über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG durfte das Bundesamt eine Entscheidung treffen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.11.1994, a.a.O.).
41 
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist für Äthiopien nicht gegeben. Denn dessen Voraussetzungen liegen nicht vor. Für § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG gelten die bisherigen Ausführungen hier entsprechend. Aber auch Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG drohen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit.
42 
Für die in Äthiopien bestehende allgemein schlechte Lage ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG gesperrt, weil die damit zusammenhängenden Gefahren zugleich beinahe der gesamten Bevölkerung Äthiopiens drohen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1998, NVwZ 1998, 973, und vom 12.07.2001, NVwZ 2002, 101). Diese Gefahren können nur im Rahmen des § 60 a AufenthG berücksichtigt werden. In diesen Fällen wird Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG gewährt (BVerwG, Urt. v. 04.06.1996, InfAuslR 1996, 289). Eine solche Anordnung existiert aber nicht.
43 
Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien eine extreme Gefahrenlage dergestalt besteht, dass im Falle der Rückkehr oder Abschiebung dorthin ein Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wäre, sind nicht ersichtlich. Aber nur dann geböten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a Abs. 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urt. v. 12.07.2001, a.a.O., m.w.N.). Die drohenden Gefahren müssten dann nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise Opfer der extremen Gefahrenlage zu werden (BVerwG, Urt. v. 19.11.1996 - 1 C 6.95 -). Von einer solchen extremen allgemeinen Gefahrenlage ist nach Auskunftslage nicht auszugehen.
44 
Zwar sind die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig und die Versorgung mit Lebensmitteln ist nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert (so sämtliche einschlägigen Erkenntnisquellen der letzten Jahre, insbesondere Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18.07.2006 und Updates der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2006 und 09.11.2005). Aber gerade zurückkehrende Äthiopier haben am ehesten die Chance für eine eigene Existenzgründung; für diese Personengruppe besteht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Arbeit zu finden (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 15.01.2003, 15.10.2003, 28.05.2004, 18.07.2006). Eine staatliche Sozialfürsorge existiert zwar nicht; es gibt aber Unterstützung durch Lebensmittellieferungen internationaler Hilfsorganisationen.
45 
Auch die Sicherheitslage in Äthiopien hat sich - mit Ausnahme von Überfällen in der Region Gambella und einzelnen Zwischenfällen in Randgebieten, z. B. im Ogaden - normalisiert (vgl. Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 28.05.2004 und 18.07.2006).
46 
Es liegen auch keine individuellen Merkmale des Klägers vor, die zu einer hier zu berücksichtigenden Gefahr führen.
47 
Dagegen hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen.
48 
Der Kläger hat ein Rechtsschutzinteresse an einer solchen Feststellung. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Bescheid vom 13.04.2006 in Bezug auf Eritrea eine negative Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG getroffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.02.2005, a.a.O.).
49 
Das erkennende Gericht hat zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Eritrea im Urteil vom 21.09.2005 (A 17 K 11357/05) ausgeführt:
50 
"Für den Kläger liegen in Bezug auf Eritrea die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vor. Die Abschiebung ist in seinem Fall unzulässig. Denn es besteht die konkrete Gefahr, dass der Kläger im Falle der Abschiebung nach Eritrea unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird.
51 
Im September und Oktober 2002 wurden ca. 220 Flüchtlinge aus Malta nach Eritrea abgeschoben. Sie wurden am Flughafen verhaftet und anschließend verhört. Frauen, Kinder und nicht Wehrpflichtige wurden später freigelassen, während diejenigen im wehrpflichtigen Alter in Haft blieben. Sie wurden auf verschiedene Gefängnisse verteilt, u. a. auf die Insel Dahlak Kebir. Über ihre Freilassung wurde bisher nichts bekannt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die meisten von ihnen weiter in Haft sind. Später erneut aus Eritrea geflohene Malta-Flüchtlinge gaben gegenüber dem UNHCR und amnesty international an, dass sie nach ihrer Rückkehr gefoltert wurden (Institut für Afrika-Kunde vom 17.09.2004 an VG Darmstadt). Dies entspricht den Erkenntnissen, die vom UNHCR berichtet werden (Stellungnahme vom 17.08.2004 an VG Darmstadt). Dabei sind die Haftbedingungen in den eritreischen Zivil- und Militärgefängnissen äußerst hart (Auswärtiges Amt vom 13.08.2003 und vom 20.08.2003, jeweils an VG Köln und Lagebericht vom 11.04.2005).
52 
Dem Kläger droht bei einer Abschiebung eine solche Behandlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Zwar ist nicht bekannt, warum die aus Malta Abgeschobenen verhaftet wurden und in Haft blieben. Es waren aber jedenfalls unter ihnen auch Zivilisten."
53 
Da keine konkreten Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich die Umstände in der Zwischenzeit geändert haben, wird an dieser Rechtsprechung festgehalten. Insbesondere besagen die Ausführungen in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.06.2006 an VG Sigmaringen nur, es lägen keine Erkenntnisse vor, wonach Rückkehrer, die das Land ohne Ausreiseerlaubnis verlassen hätten, bei ihrer Wiedereinreise mit Repressalien zu rechnen hätten. "Keine Erkenntnisse" sind nicht gleichbedeutend mit "neuen" Erkenntnissen über eine mögliche Gefährdung bei Abschiebung. Auch an den äußerst harten Haftbedingungen hat sich nichts geändert (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 24.05.2006). Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund seines Alters von über 50 Jahren nicht mehr als Wehrpflichtiger angesehen wird. Zwar besteht eine Verpflichtung zur militärischen Reserve grundsätzlich nur bis zum 50. Lebensjahr. In der Praxis wurde jedoch der nationale Dienst seit dem Krieg mit Äthiopien auf unbestimmte Zeit verlängert (amnesty international vom 04.05.2005 an VG Freiburg).
54 
Aus den genannten Gründen besteht auch Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 18 der - insoweit unmittelbar anwendbaren - Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004. Denn es droht ein ernsthafter Schaden i.S.v. Art. 15 b) der Richtlinie, der zum Kapitel V gehört. Danach gilt als ernsthafter Schaden u.a. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Herkunftsland.
55 
Einer Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Eritrea bedarf es danach nicht, da Schutz nach § 60 Abs. 2, 5 AufenthG gewährt wird.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.