|
|
| Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung der weiter begehrten Beihilfeleistungen für die Behandlungen in der Zeit von 4. bis 25.10.2010 in Zürich. |
|
| Die Gewährung von Beihilfe zu Aufwendungen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen sowie zur Gesundheitsvorsorge richtet sich nach der Beihilfeverordnung des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 28.07.1995 (GBl. S. 561; vor den Züricher Behandlungen zuletzt geändert durch Verordnung des Finanzministeriums vom 30.10.2008, GBl. 407 - BVO -). Gemäß § 5 Abs. 1 BVO sind Aufwendungen nach den nachfolgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Über die Notwendigkeit und die Angemessenheit entscheidet die Beihilfestelle. Sie kann hierzu begründete medizinische Gutachten einholen, in Ausnahmefällen auch ohne Einverständnis des Betroffenen. Bezüglich der Höhe der Aufwendungen sind die Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder über Preise und Gebühren sowie die Anlage anzuwenden. Zu den Aufwendungen gemäß §§ 6 bis 13 BVO kann Beihilfe nur gewährt werden, wenn diese in medizinischer, vertraglicher und beamtenfürsorglicher Hinsicht jeweils notwendig und angemessen sind. |
|
| Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BVO sind außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandene Aufwendungen nur insoweit und bis zu der Höhe beihilfefähig, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland am Sitz der Beihilfestelle oder in deren nächster Umgebung entstanden und beihilfefähig entstanden gewesen wären. Außerhalb der Bundesrepublik Deutschland entstandenen Aufwendungen sind nur dann ohne Beschränkung auf inländische Kosten nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BVO beihilfefähig, wenn und soweit die Beihilfefähigkeit vor Antritt der Reise anerkannt worden ist. Nach Satz 2 der Norm kommt die Anerkennung der Beihilfefähigkeit ausnahmsweise in Betracht, wenn durch ein begründetes medizinisches Gutachten nachgewiesen ist, dass die Behandlung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zwingend notwendig ist, weil hierdurch eine wesentlich größere Erfolgsaussicht zu erwarten ist. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BVO sind Aufwendungen ohne Beschränkung auf die Kosten in der Bundesrepublik Deutschland beihilfefähig, jedoch unter Beachtung der beihilferechtlichen Ausschlüsse und Höchstbeträge, wenn bei Aufenthalt in der Nähe der Grenze aus akutem Anlass das nächstgelegene Krankenhaus aufgesucht werden muss. |
|
| Im Falle des Klägers sind keine der besonderen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 BVO erfüllt. Er hat deshalb hinsichtlich der streitigen Behandlungen in Zürich nur Anspruch auf die bereits gewährte Beihilfe. |
|
| 1. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BVO liegen nicht vor. Die Behandlung des Klägers in Zürich war nicht zwingend notwendig, weil hierdurch eine wesentlich größere Erfolgsaussicht als bei einer Behandlung in Deutschland zu erwarten war. Das Gericht ist hiervon aufgrund der Gesamtumstände sowie insbesondere der nachvollziehbaren und gut begründeten Aussagen des gerichtlichen Sachverständigengutachtens vom 16.10.2013 überzeugt, wie in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläutert wurde. Prof. R. und Dr. K. haben schlüssig und überzeugend dargelegt, dass sich der Kläger auch in einer entsprechend spezialisierten Klinik in Deutschland hätte behandelt lassen können. Seine Einwendungen gegen diese medizinische Bewertung haben die gerichtlichen Sachverständigen in der ergänzenden Stellungnahme vom 07.02.2014 überzeugend entkräftet. Entgegen der persönlichen Einschätzung des Klägers lag nach den medizinischen Befundberichten der Züricher Klinik am 04.10.2010, die bis auf die Eitersekretion im Wesentlichen Fieber- und Beschwerdefreiheit attestieren, gerade kein akuter Notfall mehr vor, weswegen an diesem Tag zunächst auch „nur“ eine sog. Wundtoilette vorgenommen wurde. Die (besonders kostspieligen, vor allem streitbegründenden) Operationen wurden dann sogar erst ab 13.10.2010, d.h. rund neun Tage später durchgeführt. Es gibt für das Gericht vor diesem Hintergrund deshalb keine hinreichenden Anhaltspunkte, warum diese Behandlungen im Sinne des Gesetzes „zwingend notwendig außerhalb der Bundesrepublik Deutschland“ durchgeführt werden mussten. Der gesetzlich geforderte diesbezügliche Nachweis durch „ein begründetes medizinisches Gutachten“ jedenfalls wurde eindeutig nicht erbracht. |
|
| 2. Im Falle des Klägers lag des Weiteren - entgegen seiner eigenen Einschätzung - auch kein Notfall im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BVO vor, d.h. es musste nicht „bei Aufenthalt in der Nähe der Grenze aus akutem Anlass das nächstgelegene Krankenhaus“ in Zürich „aufgesucht werden“. Zum einen ist festzuhalten, dass der Kläger am Samstag, den 02.10.2010, den Notarzt gerufen, sich aber erst am Montag darauf nach Zürich begeben hatte. Damit kann offenkundig schon insoweit nicht mehr von einem „akuten Anlass“ im Sinne der Norm ausgegangen werden. Weiter fehlt es an einem solchen „akuten Anlass“ eben auch insoweit, als am Montag, den 04.10.2010 ausweislich der Züricher Unterlagen zunächst „nur“ vorgenommen wurde: „Débridement und Spülung des Schrauben-Bohrkanals“ bezüglich der am 20.09.2010 entfernten Fersenschraube. Erst neun Tage später, d.h. ab 13.10.2010 wurden sodann insbesondere die weiteren zwei „ACE-Schrauben“ in einer größeren Operation entfernt. Hinsichtlich der (besonders kostspieligen) Operation am 13.10.2010 kann deshalb in keinem Fall mehr, bezogen auf den Notarzteinsatz am 02.10.2010, von einem „akuten Anlass“ im Sinne des Gesetzes ausgegangen werden, selbst wenn man den akuten Anlass erweiternd im Sinne des Klägervortrags „etwa auf eine Woche“ festlegen wollte. Wie das gerichtliche Sachverständigengutachten auch insoweit überzeugend ausführt, hätte sich der Kläger ab 04.10.2010 mit einem vergleichbaren medizinischen Standard auch in einer deutschen Klinik behandeln lassen können. Zudem war die Züricher Klinik vom Wohnort des Klägers aus ganz sicher nicht „das nächstgelegene Krankenhaus“. Die Züricher Klinik ist laut Google-maps auf der kürzesten Autoroute ca. 144 km oder 1 Std. 47 Min vom Wohnort des Klägers entfernt. Die Lindauer Asklepios-Klinik, die damit wirbt, die Akutversorgung der Stadt Lindau und Umgebung „mit höchster Qualität“ sicherzustellen (vgl. http://www.asklepios.com/klinik/default.aspx?name=Asklepios_Klinik_Lindau), liegt hingegen nur 3,5 km oder 7 Autominuten vom Wohnort des Klägers entfernt. Der Begriff des „nächstgelegenen Krankenhauses“ kann nach Sinn und Zweck des § 13 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2 BVO hinsichtlich eines akuten Notfalls grundsätzlich nicht auf eine Spezialfachklinik bezogen sein, sondern nur auf ein „normales“ Krankenhaus, in dem die für die Krankheit erforderliche Akutversorgung des Notfallpatienten sichergestellt ist. Das Abstellen auf eine (nächstgeeigneten) Spezialklinik könnte allenfalls bei Weiterverlegung aus einem inländischen Allgemeinkrankenhaus wegen akutem Anlass in Betracht kommen (in diesem Sinne auch Nr. 3.1 zu § 13 der VV vom 17.04.2012 - Az. 1-0320.2-20/74, GABl. v. 29.05.2012, S. 383 <399>). Diese Situation ist hier nicht gegeben. Auch der Kläger hat nicht bestritten, dass die am 04.10.2010 vorgenommene Wundtoilette nicht auch in der nahegelegenen Lindauer Asklepios-Klinik hätte vorgenommen werden können. |
|
| Schließlich folgt auch aus Europarecht kein Anspruch des Klägers auf die weiter geltend gemachte Beihilfe. Die Berufung auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19.01.2010 - 4 S 1070/08 - und die diesbezügliche Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.10.2011 - 2 C 14.10 - (beide juris) scheitert schon daran, dass es sich im dort entschiedenen Fall um einen echten Notfall (Skiunfall im Skigebiet Jakobshorn/Davos und Behandlung im nächstgelegenen Spital Davos) handelte, d.h. um eine rechtlich wesentlich andere Fallkonstellation. Zudem wurde von dem Beklagten die vom Bundesverwaltungsgericht hier geforderte Beihilfeberechnung anhand der höchsten Kosten einer vergleichbaren Inlandsbehandlung ohnehin schon befolgt, wie im Schriftsatz vom 31.01.2014 dargelegt. Im Übrigen entscheidet der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass - wenn kein Notfall gegeben ist - auch im Lichte der passiven Dienstleistungsfreiheit (vgl. Art. 56 und 62 i.V.m. 52 Abs. 1 AEUV) bei fehlender vorheriger Genehmigung eine Beschränkung der Erstattung von Kosten medizinischer Auslandsdienstleistungen auf die im Inland geltenden Tarife zur „Sicherung des finanziellen Gleichgewichts der mitgliedstaatlichen Sozialsysteme“ grundsätzlich gerechtfertigt ist (vgl. nur EuGH, Urteile vom 28.04.1998 - Rs. C-158/96 , vom 18.03.2004 - Rs. C-8/02 , vom 16.05.2006 - Rs. C-372/04 ). Diese gefestigte Rechtsprechung gilt auch im Rahmen des am 01.06.2002 in Kraft getretenen („gemischten“) Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EG (seit 01.12.2009: EU) sowie ihren Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit (APF; hierzu: Bergmann in Schaffhauser/Schürer, Rechtsschutz der Versicherten und der Versicherer gemäß APF im Bereich der sozialen Sicherheit, Univ. St. Gallen, 2002, S. 36 ff., m.w.N.). |
|
| Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. |
|
| Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor. |
|