Verwaltungsgericht München Urteil, 10. Apr. 2014 - 12 K 13.5556

bei uns veröffentlicht am10.04.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Er ist marokkanischer Staatsangehöriger. Am 21. August 2005 reiste er mit einem Visum zum Zweck des Studiums in das Bundesgebiet ein. Die Ausländerbehörde Saarbrücken erteilte ihm am 12. Oktober 2005 eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG, gültig bis 11. Oktober 2006.

Am 1. Juni 2006 verzog der Kläger in das Stadtgebiet München. Dort studierte er an der FH M. in der Fachrichtung Bauingenieurwesen (Bachelor).

Am 29. September 2006 beantragte er die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums (Bl. 50 ff. der Behördenakte). Die Aufenthaltserlaubnis wurde am selben Tag bis 20. Juli 2008 verlängert.

Zum Wintersemester 2007/2008 wechselte der Kläger in die Fachrichtung Mechatronik/Feinwerktechnik (Bachelor). Bei Vorsprache des Klägers in der Ausländerbehörde am 8. Oktober 2007 (Bl. 57 der Behördenakte) wurde der Fachrichtungswechsel genehmigt und der Kläger darauf hingewiesen, dass ein weiterer Wechsel der Hochschule/Fachrichtung bzw. Ausbildungsrichtung von der zuständigen Ausländerbehörde vorher zu genehmigen sei, und dass er mit der Beendigung des Aufenthalts rechnen müsse, wenn sich Verzögerungen in der Ausbildung ergäben oder ein Abschluss nicht mehr möglich sei bzw. nicht mehr in einem angemessenen Zeitraum prognostizierbar erscheine.

Am 17. Juli 2008 beantragte der Kläger unter Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung der Hochschule M. für das Sommersemester 2008 bei der Ausländerbehörde des Landratsamtes München die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (Bl. 76 ff. der Behördenakte). Am selben Tag erhielt der Kläger eine bis 30. April 2009 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG (Bl. 118 der Behördenakte).

Am 16. April 2009 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde München die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Er legte u. a. eine Immatrikulationsbescheinigung der Hochschule M. für das Sommersemester 2009 für das 4. Semester im Bachelorstudiengang Mechatronik/Feinwerktechnik vor. Die Verlängerung erfolgte am 22. Mai 2009 bis zum 31. Dezember 2010 (Bl. 140 der Behördenakte).

Am 23. Dezember 2010 beantragte der Kläger erneut die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Die Ausländerbehörde benötigte zur Bearbeitung des Antrags noch Leistungsnachweise und einen Krankenversicherungsnachweis. Der Kläger legte eine Notenbestätigung und eine Notenblattinformation der Hochschule M. für den Studiengang Produktion und Automatisierung für das 4. Fachsemester (Bl. 265 ff. der Behördenakte) vor. Trotz des Studiengangwechsels wurde dem Kläger am 20. Juni 2011 die Aufenthaltserlaubnis bis 20. Dezember 2011 zum Studium in der Fachrichtung Mechatronik/Feinwerktechnik verlängert (Bl. 274 der Behördenakte).

Am 13. Dezember 2011 beantragte der Kläger erneut die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums. Er legte eine Immatrikulationsbescheinigung für das Wintersemester 2011/2012 für den Studiengang Produktion und Automatisierung für das 5. Fachsemester vor. In einem Schreiben vom 13. Dezember 2011 erläuterte der Kläger, dass der Wechsel vom Studiengang Mechatronik/Feinwerktechnik zu Produktion/Automatisierung darauf basiere, dass die Automatisierung gerade seine Perspektive im Bereich Produktion und Fertigung treffe und andererseits das Studium den aktuellen Änderungen in den Weltmärkten und vor allem in Marokko entspreche. Aus einem Aktenvermerk vom selben Tag (Bl. 293 der Behördenakte) geht hervor, dass der Kläger im bisherigen Studiengang (Mechatronik) das. 4. Semester zweimal wiederholt habe und dann wegen endgültigen Nichtbestehens exmatrikuliert worden sei. Nun habe er sich zum Wintersemester 2011/2012 ohne vorherige Genehmigung in den neuen Studiengang Produktion eingeschrieben, Zuordnung wiederum dem 4. Semester. Er habe bereits wieder in fünf Fächern die Note mangelhaft. Der Fachrichtungswechsel werde nicht genehmigt. Die Aufenthaltserlaubnis wäre eigentlich durch Eintritt der auflösenden Bedingung bereits zum Oktober 2011 erloschen. Der Kläger erhalte eine Fiktion bis April 2012, um Prüfungsergebnisse und Leistungsnachweise abzuwarten.

Ein Aktenvermerk vom 16. April 2012 (Bl. 294 der Behördenakte) teilt mit, dass der Kläger laut vorgelegtem Notenblatt seit Wintersemester 2011/2012 19 Prüfungen abgelegt und in sechs davon die Note 5 erreicht habe. Aktuell befinde er sich im 4. Semester, da er das Praxissemester noch nicht habe. Ein Praktikum sei begonnen worden, habe aber wegen eines Unfalls abgebrochen werden müssen und solle im Sommer wieder aufgenommen werden. Die Fiktion werde bis Beginn Wintersemester 2012/2013 verlängert und zugewartet, ob das Praxissemester dann abgelegt sei und die Immatrikulation in das 5. Semester erfolgt sei.

Laut Aktenvermerk vom 12. Oktober 2012 (Bl. 297 der Behördenakte) teilte der Kläger mit, dass er zum Wintersemester 2012/2013 an der Hochschule A. wieder in das Fach Mechatronik, 3. Semester immatrikuliert sei. Die Fiktion werde bis März 2013 verlängert, um zu sehen, ob das Wintersemester gewinnbringend genutzt werde.

Bei Vorsprache des Klägers am 18. März 2013 (Bl. 302 der Behördenakte) wurde festgestellt, dass dem Kläger 10 Prüfungen aus den bisherigen Studiengängen angerechnet worden seien und nur drei bestanden worden seien. Laut Bescheid der Uni A. seien drei weitere Prüfungen nicht bestanden worden.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 teilte die Ausländerbehörde dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 13. Dezember 2011 abzulehnen. Er erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Kläger äußerte mit Schreiben vom 10. Juli 2013 hierzu, seit seiner Studienzeit habe er kontinuierlich Prüfungen geschrieben und Leistungen erbracht sowie gearbeitet, um sich selbst und das Studium zu finanzieren. Außerdem habe sich das Studium noch verzögert aufgrund eines Sturzes beim Snowboarden. Sein rechtes Handgelenk sei schwer verletzt und er sei zweimal operiert worden. Studieren an der Hochschule ... sei für ihn ein wahres Glück. Er wolle endlich sein Studium schaffen und als Ingenieur in seinem Heimatland oder im nahen Osten arbeiten und eine Familie gründen. Er bitte darum, ihm die Chance zu gewähren, sein Studium zu beenden.

Bei einer Vorsprache am 19. August 2013 (Bl. 307 der Behördenakte) erklärte und belegte der Kläger, dass er im Sommersemester 2013 drei Prüfungen erfolgreich abgelegt habe und aktuell im 4. Semester immatrikuliert sei. Um in das 5. Semester aufrücken zu können, müsse er insbesondere die Informatikprüfung und ein Informatikpraktikum ablegen. Das Praktikum habe er bereits, die Prüfung solle im nächsten Semester geschrieben werden. Darüber hinaus würden weitere Leistungen, die an der Hochschule M. erbracht worden seien, anerkannt werden.

Auf Anforderung der Ausländerbehörde gab die Hochschule A. Auskunft über den Studienfortschritt des Klägers (Bl. 312 der Behördenakte). Er habe insgesamt fünf Semester studiert und bisher 62 ECTS nachgewiesen. Die fehlenden 148 ECTS müsse er noch erbringen. Die noch benötigte Zeit bis zum Abschluss ergebe sich aus der Anzahl der fehlenden ECTS dividiert durch 30, wobei die Zahl 30 für die in einem Semester erwerbbare Anzahl von ECTS stehe. Der Kläger würde nach dieser Berechnungsmethode bis zum Abschluss noch fünf Semester benötigen. Die Regelstudiendauer betrage sieben Semester.

Mit Bescheid vom 19. November 2013 (Bl. 356-1 - 356-9 der Behördenakte) wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 13. Dezember 2011 abgelehnt. Dem Kläger wurde eine Ausreisefrist bis zum 12. Dezember 2013 gesetzt. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Marokko oder einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels lägen nicht vor. Die Ausländerbehörde entscheide deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Aufenthaltsbegehren des Klägers stelle auf einen bestimmten Zweck - Studium - ab. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG könne einem Ausländer zum Zweck des Studiums eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dabei dürfe die Aufenthaltserlaubnis nur verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht worden sei und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden könne, § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG. Nach den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften (AVwV) gelte als angemessen zum Abschluss eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums eine Gesamtaufenthaltsdauer von grundsätzlich 10 Jahren (Nr. 16.2.7 AVwV) seit der Einreise. Ein Wechsel des Aufenthaltszwecks bzw. der Fachrichtung sei grundsätzlich nur innerhalb der ersten drei Semester und nur einmalig möglich. Ein späterer oder weiterer Wechsel könne nur zugelassen werden, wenn das Studium innerhalb der Gesamtaufenthaltsdauer von 10 Jahren abgeschlossen werden könne. Die Gesamtaufenthaltsdauer von 10 Jahren solle nicht überschritten werden und könne nur dann vollständig ausgeschöpft werden, wenn die Ausländerbehörde aus einer Gesamtschau aus bisherigem Ausbildungsverlauf, noch zur Verfügung stehendem Zeitraum und voraussichtlich weiterer Ausbildungsdauer zu dem Ergebnis komme, dass ein erfolgreicher Studienabschluss innerhalb des Zeitraums von 10 Jahren als hinreichend wahrscheinlich prognostiziert werden könne. Der Kläger habe während seines bisherigen Aufenthalts zwei Semester im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen studiert. Im Anschluss daran habe er acht Semester im Bachelorstudiengang Mechatronik/Feinwerktechnik studiert. Danach habe er vier Semester im Bachelorstudiengang Produktion und Automatisierung studiert. Seit Wintersemester 2012/2013 studiere er im Bachelorstudiengang Mechatronik im 5. Semester. Insgesamt habe er 16 Semester in drei unterschiedlichen Bachelorstudiengängen an zwei verschiedenen Hochschulen studiert, ohne hierbei einen Abschluss erworben zu haben. Ein kontinuierlicher, leistungsorientierter und ernsthafter Studienverlauf sei nicht erkennbar. Der erneut beantragte Fachrichtungswechsel könne nicht genehmigt werden, da eine Prognose, ob und ggf. wann mit einem erfolgreichen Studienabschluss im Studienfach Mechatronik gerechnet werden könne, negativ bewertet werden müsse. Die Güter- und Interessenabwägung hinsichtlich der weiteren Ausbildungsabsichten führe zum Ergebnis, dass die Ablehnung des Antrags im öffentlichen Interesse liege. Der Kläger sei ledig. Seine Eltern lebten in Marokko. Weitere besondere schützenswerte familiäre oder andere soziale Bindungen im Bundesgebiet seien nicht ersichtlich. Bezüglich einer etwaigen Verzögerung des Studiums aufgrund einer Handgelenksverletzung sei der Ausländerbehörde nichts bekannt. Ein ärztliches Attest sei diesbezüglich nicht vorgelegt worden. Selbst wenn man aufgrund dessen ein zusätzliches Semester gutschreiben würde, würde dies nichts an der grundsätzlichen mangelnden Leistungsbereitschaft ändern. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehe der Ablehnung des Antrags nicht entgegen.

Mit Schreiben vom 28. November 2013 (Bl. 344 der Behördenakte) teilte der Kläger mit, das Studium habe sich verzögert wegen unerwarteter Ereignisse und v. a. wegen eines Sturzes beim Snowboarden im April 2012. Dabei sei das rechte Handgelenk stark verletzt worden und er habe dringend ein Implantat benötigt. Zum Entfernen des Metalls sei das Handgelenk im März 2013 nochmals operiert worden. Vorgelegt wurde eine Ambulanzkarte der Universitätskliniken LKH Innsbruck sowie AU-Bescheinigungen für die Zeiträume 10. April 2012 bis 28. Mai 2012 und 11. März 2013 bis 22. März 2013 des MVZ Gräfelfing. Der Professor und Vorsitzender der Prüfungskommission für die Fakultät Elektrotechnik und Mechatronik der Hochschule A. habe ihm mitgeteilt, dass alle Prüfungen und Praktika von der Hochschule M., deren Inhalte den Fächern des Mechatronik-Studiengangs an der Hochschule A. entsprächen, automatisch anerkannt würden. Voraussetzung dafür sei das Bestehen von Informatik I. Die schriftliche Prüfung in Informatik I werde er in diesem Semester schreiben. Somit würden die Prüfungen anerkannt und verdopple sich die Summe der ECTS. Die Aussage, dass er noch fünf Semester benötige, um 210 ECTS zu erreichen, stimme nicht ganz, da die Mitarbeiterin vom Prüfungsamt noch nicht über den Antrag auf Anerkennung studiengangfremder Prüfungen und Leistungsnachweise in Kenntnis gesetzt worden sei. Außerdem legte er Anträge auf Anerkennung von insgesamt fünf studiengangfremden Prüfungsleistungen vor.

Am 5. Dezember 2012 erhob der Kläger Klage mit den Anträgen:

1. Der Bescheid der Landeshauptstadt München vom 19.11.2013 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Aufenthaltserlaubnis des Klägers antragsgemäß zu verlängern.

Zur Begründung trug er vor, er wolle unbedingt sein Studium so früh wie möglich abschließen. Er müsse bei einer Rückkehr nach Marokko bei Null anfangen. Er sei neben dem Studium immer einer Beschäftigung nachgegangen und würde dies parallel zum Studium und nach Abschluss des Studiums weiter verfolgen. Dadurch habe sich sein Studium auch etwas verzögert. Die Beklagte habe nicht beachtet, dass in den letzten beiden Jahren nach einem Unfall Operationen am rechten Handgelenk durchgeführt worden seien. Die Beeinträchtigungen hätten sich fast ein Jahr hingezogen. Deshalb habe er weniger Leistungsnachweise erbracht. Seit Beginn des Studiums sei er immer an der Hochschule gewesen und habe Prüfungen geschrieben. Die Prüfungen, die er in München geschrieben habe, würden in Augsburg auch anerkannt. Der Druck, das Studium so schnell wie möglich abschließen zu müssen, habe ihn zusätzlich belastet, ebenso wie die ständigen Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2013 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen,

und verwies zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Bescheids.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 2013 legte der Kläger eine Prüfungsanmeldung und einen aktuellen Prüfungsplan vor.

In der mündlichen Verhandlung am 10. April 2014 legte der Kläger ein Schreiben der Hochschule A. vom 4. März 2014 vor, aus dem sich ergibt, dass er im abgelaufenen Wintersemester 2013 18 ECTS erworben hat.

Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten hingewiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen. Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2013 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid zu Recht den Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums abgelehnt, da dieser Aufenthaltszweck nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums erreicht werden kann. Maßgeblich abzustellen ist wegen der hier vorliegenden Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Gemäß § 16 Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer zum Zwecke des Studiums einschließlich studienvorbereitender Maßnahmen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Geltungsdauer bei der Ersterteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ein Studium beträgt mindestens ein Jahr und soll bei Studium und studienvorbereitenden Maßnahmen zwei Jahre nicht überschreiten; sie kann verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann, § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG. Erforderlich für diese Feststellung ist eine Prognose, die sich vor allem an dem erkennbaren Bemühen des Ausländers auszurichten hat, das Ziel seines Aufenthalts in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Allgemeine Billigkeits- oder Härteerwägungen reichen dagegen nicht aus (Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2014, § 16 AufenthG Rn. 43 m. w. N.). Diese prognostische Beurteilung unterliegt in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (BayVGH, U. v. 05.05.2010 - 19 BV 09.3103, Rn. 49 m. w. N.).

Aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVV-AufentG) ergibt sich in Nr. 16.1.1.6.2., dass ein ordnungsgemäßes Studium regelmäßig vorliegt, solange der Ausländer die durchschnittliche Studiendauer an der betreffenden Hochschule in dem jeweiligen Studiengang nicht um mehr als drei Semester überschreitet, wobei bei der Berechnung der Fachsemesterzahl Zeiten der Studienvorbereitung außer Betracht bleiben (vgl. auch BayVGH, a. a. O., Rn. 50 ff.). Der Kläger studiert derzeit im Fach Mechatronik im fünften Semester. Die durchschnittliche Studiendauer beträgt laut Hochschule A. sieben Semester, so dass nach den AVV-AufenthG bei einer Studiendauer von zehn Semestern noch von einem ordnungsgemäßen Studium ausgegangen werden könnte. Aus dem Schreiben der Hochschule A. vom 19. November 2013 ergibt sich, dass der Kläger noch weitere fünf Semester bis zum Abschluss benötige, wobei sich diese Prognose darauf stützt, dass ihm noch 148 ECTS fehlen und in einem Semester maximal 30 ECTS erworben werden können. Nach dieser Berechnung könnte der Kläger die Studiendauer von zehn Semestern theoretisch noch einhalten, zumal er vorträgt, ihm würden eventuell frühere Studienleistungen angerechnet. Zu bedenken ist aber, dass er das Fach Mechatronik schon an der Hochschule M. acht Semester lang studiert hat und dort schließlich wegen endgültigen Nichtbestehens exmatrikuliert wurde, so dass das Erreichen eines Studienabschlusses innerhalb von zehn Semestern nicht mehr möglich ist, selbst wenn ihm frühere Studienleistungen anerkannt würden.

Nach Nr. 16.1.1.7. AVV-AufenthG ist bei Überschreiten der in Nr. 16.1.1.6 AVV-AufenthG genannten zulässigen Studiendauer auf einen Zehnjahreszeitraum abzustellen. Obwohl der Kläger erst 2006 das Studium aufgenommen hat und richtigerweise für den Zehnjahreszeitraum die reine Studienzeit heranzuziehen ist (vgl. BayVGH, a. a. O., Rn. 59), führt das Abstellen auf den Zehnjahreszeitraum hier nicht zum Ergebnis, dass dem Kläger die Aufenthaltserlaubnis zu verlängern wäre. Es handelt sich bei den zehn Jahren nicht um eine absolute Grenze einer Gesamtaufenthaltsdauer, sondern um eine für die Verwaltung bei ihrer Prognoseentscheidung zu beachtende Grenze. Ebenso hat sie aber die Besonderheiten des Einzelfalles, z. B. regelmäßig hohe Fachsemesterzahlen eines speziellen Studiengangs oder eine krankheitsbedingte Unterbrechung des Studiums zu würdigen (BayVGH, a. a. O., Rn. 56). Diese Prognoseentscheidung hat die Ausländerbehörde aber nach Ansicht der Kammer fehlerfrei getroffen. Gerade aus der Berücksichtigung der individuellen Umstände ergibt sich im vorliegenden Fall, dass der Kläger den Abschluss voraussichtlich nicht innerhalb des Zehnjahreszeitraums erreichen kann. Der Kläger hat während seines Aufenthalts im Bundesgebiet zwei Semester im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen, acht Semester im Bachelorstudiengang Mechatronik/Feinwerktechnik und vier Semester im Studiengang Produktion und Automatisierung an der FH München studiert. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung studierte er im 5. Semester im Bachelorstudiengang Mechatronik an der FH Augsburg. Er hat 16 Semester in drei verschiedenen Studiengängen an zwei verschiedenen Hochschulen studiert, ohne einen Abschluss erreicht zu haben. Die Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie der Bescheiderlass im November 2013 konnten den Kläger nicht dahingehend motivieren, im damals laufenden Semester (Wintersemester 2013) mehr als 18 ECTS zu erwerben. Die aus den im Laufe des Verwaltungsverfahrens und in der mündlichen Verhandlung eingereichten Notenübersichten ersichtlichen Noten des Klägers lassen ebenfalls auf einen eher mäßigen Studienerfolg schließen und erlauben nicht die Prognose eines nunmehr beschleunigten Studienfortschritts. Berücksichtigt werden kann auch, inwieweit sich der Ausländer hinreichend seinem Studium widmet oder anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten nachgeht. Der Kläger ist neben seinem Studium jedenfalls als Rikschafahrer tätig. Auch die nach § 16 Abs. 3 AufenthG zulässigen Beschäftigungsmöglichkeiten rechtfertigen keine Abweichung vom Erfordernis der Zweckerreichung in angemessener Zeit (Hailbronner, a. a. O. Rn. 41). Die Ausländerbehörde geht daher insgesamt recht in der Annahme, dass ein kontinuierlicher, leistungsorientierter und ernsthafter Studienverlauf nicht mehr erkennbar ist.

Daran ändern auch die vom Kläger vorgetragenen Verletzungen durch einen Snowboardunfall nichts. Zwar wurde der Kläger in diesem Zusammenhang zweimal operiert, war aber nachweislich lediglich von 10. April 2012 bis 28. Mai 2012 sowie von 11. März 2013 bis 22. März 2013 arbeitsunfähig krank. Es ist davon auszugehen, dass die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit den Zeiten der Unfähigkeit des Klägers zur ordnungsgemäßen Fortführung des Studiums entsprechen. Auch bei Vorliegen atypischer Umstände sollte die Aufenthaltserlaubnis aber nur dann verlängert werden, wenn Aussicht besteht, dass der Ausländer sein Studium in absehbarer Zeit erfolgreich abschließen kann (OVG Lüneburg Beschl. v. 7.4.2006 - Az 9 ME 257/05). Die angegebenen Zeiträume vermögen aufgrund ihrer relativ kurzen Dauer nicht den oben dargestellten unkontinuierlichen und wenig erfolgreichen Studienverlauf des Klägers zu rechtfertigen.

Da die Rechtsvoraussetzung des § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, dass der Kläger seinen Aufenthaltszweck noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen kann, nicht erfüllt ist, ist die Möglichkeit für die Beklagte, im Ermessenswege über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden, nicht gegeben. Auf die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null kommt es deshalb nicht an.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis


Abfallverzeichnis-Verordnung - AVV

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 16 Grundsatz des Aufenthalts zum Zweck der Ausbildung


Der Zugang von Ausländern zur Ausbildung dient der allgemeinen Bildung und der internationalen Verständigung ebenso wie der Sicherung des Bedarfs des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen Deuts

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Der Zugang von Ausländern zur Ausbildung dient der allgemeinen Bildung und der internationalen Verständigung ebenso wie der Sicherung des Bedarfs des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen Deutschlands in der Welt trägt er auch zu internationaler Entwicklung bei. Die Ausgestaltung erfolgt so, dass die Interessen der öffentlichen Sicherheit beachtet werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Der Zugang von Ausländern zur Ausbildung dient der allgemeinen Bildung und der internationalen Verständigung ebenso wie der Sicherung des Bedarfs des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen Deutschlands in der Welt trägt er auch zu internationaler Entwicklung bei. Die Ausgestaltung erfolgt so, dass die Interessen der öffentlichen Sicherheit beachtet werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.