Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 01. Aug. 2017 - M 10 K 16.4718

bei uns veröffentlicht am01.08.2017

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens gesamtverbindlich.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Anordnung eines Dichtheitsnachweises bzw. deren Duldung.

Die Kläger sind alleinige Miteigentümer eines Grundstücks im Gemeindegebiet der Beklagten, das mit einem Wohngebäude bebaut ist. Die Beklagte betreibt eine Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung, an die das Grundstück der Kläger angeschlossen ist. Hierfür führt eine Außengrundleitung vom klägerischen Gebäude zu einer Sammelgrundleitung. Letztere wies bei Überprüfungen durch die Beklagte Undichtigkeiten auf ebenso wie andere Außengrundleitungen in der Nachbarschaft der Kläger. Die Außengrundleitung der Kläger ist noch nie auf ihre Dichtheit überprüft worden.

Mit Bescheid vom 15. September 2016, den Klägern zugestellt am 24. September 2016, hat die Beklagte angeordnet:

1. Die Dichtheit der bestehenden Außengrundleitung von der Putzöffnung im Gebäudekeller Punkt 30j1 bis inklusive Anbindung an die Sammelgrundleitung Punkt 30j ist durch ein fachkundiges Unternehmen in Anwesenheit des städtischen Kontrolldienstes nachweisen. Zur Ausführung dieser Anordnung wird eine Frist von 4 Monaten ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheids festgesetzt.

2. Zur Erfüllung der Anordnung unter Nr. 1 sind sämtliche Eigentümer des oben genannten Anwesens als Gesamtschuldner verpflichtet. Zur Erfüllung der Verpflichtung wird der Kläger zu 1 herangezogen. Die Klägerin zu 2 hat die erforderlichen Handlungen des Klägers zu 1 oder eines beauftragten Unternehmens zu dulden.

Dem Bescheid war ein Plan beigefügt, auf dem die genannten Punkte eingezeichnet sind.

In Ziffer 3 und 4 wurden den Klägern für den Fall der Zuwiderhandlung Zwangsgelder in Höhe von jeweils 400 EUR angedroht. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Am 18. Oktober 2016 hat der Kläger zu 1) als Bevollmächtigter der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15. September 2016 aufzuheben.

Zur Begründung wird ausgeführt: Die Beklagte habe nicht mitgeteilt, aus welchen konkreten Erkenntnissen sich ergebe, dass der zu prüfende Kanalabschnitt undicht sein könnte. Lediglich aus der bestrittenen und nicht belegten Behauptung, dass die Leitungen in der Umgebung undicht seien, werde dies vermutet. Dies rechtfertige nicht den Dichtheitsnachweis, da andernfalls nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz alle Eigentümer von Gebäuden mit Baujahr 1972 und später einen gleichlautenden Bescheid erhalten müssten. Das klägerische Anwesen liege direkt am Beginn der kürzlich sanierten Abflussleitung mit dem Punkt 30j1 im Plan des Bescheids. Der im Plan gekennzeichnete Schacht sei das Ende der Gemeinschaftsleitung, welcher im Gehweg verlegt sei. Das klägerische Anwesen werde seit längerer Zeit nur von zwei Personen mit einem Jahresfrischwasserverbrauch von 70 m³ bewohnt. Es handele sich mithin nur um eine Abwassermenge von durchschnittlich 120l pro Tag. Die Abflussrohre mit 10cm Durchmesser seien bei dieser geringen Abflussmenge höchstens bis 5 cm benetzt und dies ohne Druck. Sollte tatsächlich an einem der wohl nur zwei Verbindungsstücke im nahezu waagrechten Bereich eine Undichtigkeit auftreten, würde das Schlämmmaterial diese verschließen. Die angeordnete Druckprobe würde nur die Druckfestigkeit, nicht die Dichtigkeit kontrollieren. Die angebotenen Unternehmen würden aus wirtschaftlichen Gründen eine reine Dichtigkeitsprüfung nicht anbieten. Es habe am klägerischen Anwesen bisher keine Verstopfung durch Wurzeleinwuchs gegeben. Auf Grund der Erfahrungen der Nachbarn rechne man mit einem Preis von 6.200 EUR für eine Sanierung, was in keinem Verhältnis zu dem Nutzen von ein paar Tropfen Grundwasserverschmutzung stehe angesichts der recht lächerlichen 120l Abwasser pro Tag.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt: Hintergrund der Anordnung sei gewesen, dass im …dorf, in dem sich das klägerische Anwesen befinde, bei Überprüfungen benachbarter gleichalter und gleichartiger Grundstücksentwässerungsanlagen sowie bei der gemeinsam genutzten Sammelgrundleitung zahlreiche Leitungsschäden festgestellt worden seien. Zudem sei die Dichtheit der über vierzig Jahre alten Leitungen noch nie überprüft worden, obwohl dies nach der die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergebenden DIN 1986-30 alle zwanzig Jahre durchzuführen sei. Nach § 29 Abs. 4 EWS sei nicht eine feststehende Undichtigkeit erforderlich, sondern allein Anhaltspunkte, die nach technischer Erfahrung mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass Undichtigkeiten bestehen. Die genannte DIN-Vorschrift gehe von Undichtigkeiten auf Grund von Verschleiß nach etwa zwanzig Jahren aus. Dieser allgemeine Grundsatz sei durch die Undichtigkeit ähnlich gelagerter Fälle auf Nachbargrundstücken und der gemeinsamen Sammelleitung bestätigt. Die Beklagte ordne Dichtheitsprüfungen stets anlassbezogen an, ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 EWS müssten Grundstücksentwässerungsanlagen stets in baulich gutem Zustand und betriebsfähig, insbesondere wasserdicht und wurzelfest sein. Dies schütze das Grundwasser und setze den Anschluss- und Benutzungszwang und die Überlassungspflicht durch. Es sei weder technisch nachvollziehbar noch rechtlich vertretbar, von diesen Schutzzielen abzuweichen, weil angeblich nur geringe Schmutzwassermengen anfielen. Die Dichtheit könne mittels Wasserstands- oder Luftdruckprüfung durchgeführt werden. Soweit der Kläger sich Sorgen um die Druckfestigkeit der Leitung mache, könne die Prüfung durch Auffüllen mit Wasser bis 0,5m über den Rohrscheitel durchgeführt werden. Hierbei werde mittels einer einfachen Dichtheitsprüfung die Dichtheit und nicht die Druckfestigkeit der bestehenden Leitung geprüft. Eine Beschädigung sei dabei nicht zu besorgen. Eine Kamera-Befahrung sei dagegen nicht ausreichend, da z.B. Ablagerungen dazu führen können, dass vorhandene Schäden nicht erkannt werden. Eine reine Dichtheitsprüfung verursache Kosten von nur ca. 500 EUR. Auch wenn eine Sanierung notwendig werden solle, seien die von den Klägern geschätzten Kosten von ca. 6.000 EUR angesichts der Schutzgüter und des Werts des Grundstücks nicht unzumutbar.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden- und Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 15. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

1. Der Bescheid verpflichtet den Kläger zu 1) zu Recht, einen Dichtheitsnachweis zu erbringen.

Der angefochtene Bescheid kann sich auf eine wirksame Rechtsgrundlage in Gestalt der Satzung über die Benützung der Entwässerungseinrichtung der ... (Entwässerungssatzung - EWS -) vom 14. Februar 1980, zuletzt geändert mit Satzung vom 19. Januar 2015, stützen. Diese Satzung wurde von der Rechtsprechung bisher nicht beanstandet (VG München, U.v. 20.11.2014 - M 10 K 14.1105- juris; B.v. 21.1.2014 – M 10 K 13.3799; U.v. 26.5.2011 – M 10 K 10.2438 – juris; BayVGH, B.v. 27.9.2012 – 4 ZB 11.1826 – juris). Auch in der aktuellen Änderungsfassung sind Rechtswidrigkeitsgründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Die Satzung wurde mit dem Bescheid vom 15. September 2016 auch rechtsfehlerfrei vollzogen.

Die Kläger sind als Eigentümer der Hausanschlussleitung Verpflichtete (§ 2 Abs. 11 EWS).

Die Anordnungen sind, insbesondere durch Beifügung eines Lageplans, bestimmt im Sinne des Art. 39 BayVwVfG. Sie stützen sich auf die §§ 29 und 30 EWS.

Nach § 29 Abs. 4 Satz 2 EWS kann die Beklagte bei bestehenden Privatkanälen, unabhängig von ihrem baulichen Zustand, einen Dichtheitsnachweis verlangen, wenn sie bisher noch nicht auf Dichtheit geprüft worden sind. Die betreffende Leitung ist ein Privatkanal im Sinne des § 2 Abs. 6 EWS, da sie unstreitig nicht von der Beklagten verlegt oder übernommen wurde. Sie wurde noch nie auf Dichtheit geprüft. Ob die Undichtigkeit anderer Leitungen als Anhaltspunkt für Undichtigkeit der klägerischen Leitung ausreicht, so dass die Beklagte die Anordnung bereits auf § 29 Abs. 4 Satz 1 EWS stützen kann, ist mithin ohne Belang.

Auch die Modalitäten des Dichtheitsnachweises entsprechen den Anforderungen der Satzung. Nach § 29 Abs. 5 Satz 1 EWS sind die Dichtheitsprüfungen durch Wasser- oder Luftdruckprüfungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, insbesondere den einschlägigen DIN-Normen oder Euro-Normen durchzuführen. Die Bedenken des Klägers zu 1), bei diesen durch Sachverständige entwickelten und jahrelang praktizierten Verfahren werde letztlich nicht die Dichtheit, sondern allein die Druckbeständigkeit geprüft, teilt das Gericht nicht.

Zudem hält das Gericht die Anordnungen auch für ermessensfehlerfrei, insbesondere verhältnismäßig. Die Dichtheitsprüfung ist entgegen des klägerischen Vortrags erforderlich, da nicht nachgewiesen ist oder sonst naheliegt, dass etwaige Risse durch das Abwasser zugesetzt und somit verschlossen werden. Die Anordnung ist auch angemessen. Das hohe Schutzgut des Grundwasserschutzes kann nicht hinter finanziellen Interessen der Grundstückseigentümer zurücktreten und die Beklagte darf auch kleinere Mengen austretenden Schmutzwassers nicht hinnehmen. Die Kläger haben vorgetragen, bei Nachbarn habe die Sanierung über 6.000 EUR gekostet. Dies gilt jedoch unstreitig nicht für den Dichtheitsnachweis. Außerdem überschreitet selbst dieser Betrag nicht die Grenzen der Verhältnismäßigkeit, die der Grundstückswert zieht. Die Sozialbindung des Eigentums verlangt von Grundeigentümern, Belange der Allgemeinheit zu beachten und durch ihr Eigentum verursachte Gefahren für Umweltgüter zu beseitigen, auch soweit das einen weitaus erheblicheren finanziellen Aufwand bedeuten würde.

Auch die Ermessensgrenze des Gleichbehandlungsgrundsatzes wurde nicht übertreten. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Beklagte andere Grundstückseigentümer, deren Privatkanäle nie überprüft wurden, von Dichtheitsprüfungen verschont hat. Im Übrigen könnten sich die Kläger auch auf eine Gleichheit im Unrecht nicht berufen.

Entsprechend § 30 Abs. 1, § 2 Abs. 11 Satz 2 EWS waren die Kläger als Miteigentümer gesamtschuldnerisch verantwortlich. Die Heranziehung des Klägers zu 1) als einer der beiden Miteigentümer zur Durchführung und der Klägerin zu 2) zur Duldung der Anordnungen des streitgegenständlichen Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Dem folgend erging auch die Duldungsanordnung gegenüber der Klägerin rechtmäßig als gegenüber der Anordnung mildere Maßnahme. Durch die öffentlich-rechtliche Duldungsverpflichtung werden zivilrechtliche Hindernisse für die Verwirklichung einer hoheitlichen Anordnung - hier zur Dichtheitsprüfung - überwunden.

Die Klägerin hat keine Rechtsfehler dargelegt; solche sind auch nicht ersichtlich.

2. Auch die Zwangsgeldandrohungen sind rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 36 VwZVG sind eingehalten.

Die Zwangsmittel stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck; insbesondere ist die Höhe der Zwangsgelder nicht zu beanstanden (Art. 29 Abs. 3, Art. 31 Abs. 2 VwZVG), sie bewegen sich im untersten Rahmen des rechtlich Zulässigen (zwischen 15,- EUR und höchstens 50.000,- EUR) und stehen nicht außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der zu erzwingenden Handlung.

3. Die Festsetzung der Bescheidsgebühren begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.

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Referenzen - Gesetze

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Referenzen

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.