Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Aug. 2017 - M 9 S 17.3148

bei uns veröffentlicht am18.08.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/3.

III. Der Streitwert wird auf EUR 8.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Nutzungsuntersagung eines zur Handwerkerunterkunft umgenutzten Bürogebäudes mit 75 Betten.

Mit Baugenehmigung vom 2. April 2015, zuletzt befristet bis zum 31. Dezember 2016, wurde die Nutzung des Bürogebäudes in eine Handwerkerunterkunft/Wohnheim mit 75 Betten baurechtlich genehmigt. Die Antragsteller haben die Verlängerung bis zum 31. Dezember 2017 beantragt. Der Bauausschuss der Gemeinde hat für die Verlängerung mit Beschluss vom 17. Januar 2017 sein Einvernehmen erteilt.

Das Ergebnis einer Feuerbeschau vom 1. Juni 2017 ergab erhebliche brandschutzrechtliche Mängel, insbesondere mangelhafte Handfeuerlöscher, Rauchmelder, Rettungsplan, Hinweisschilder auf den Rettungsweg, Rettungsweg im Tiefparterre, Rauch- und Brandschutztüren, bauliche Abschottung und eine weitere Nutzungsänderung eines Nebengebäudes ohne ausreichenden Brandschutz. Entsprechende Fotografien befinden sich in der Behördenakte (Bl. ...).

Ausweislich eines Aktenvermerks über eine Ortseinsicht durch die Bauaufsichtsbehörden am … Juni 2017 (Bl. …) sind u.a. der erste und der zweite Rettungsweg mangelhaft, u.a. wegen unzureichender Türen, fehlendem Rauchabschluss und manipulierter Rauchmelder. Auf den Aktenvermerk sowie die beigefügten Fotografien und Pläne wird Bezug genommen.

In den Akten befindet sich weiter ein Kündigungsschreiben des Eigentümers vom 4. April 2017, wonach u.a. wegen Nichtzahlung von Nebenkosten und Miete den Antragstellern zum 31. Mai 2017 gekündigt wurde (Bl. … der Akten).

Mit Bescheid des Landratsamts vom 13. Juni 2017 wurde den Antragstellern untersagt, das östliche Gebäude auf dem Grundstück, befristet als Handwerker- und Arbeiterunterkunft genehmigt, zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids als Wohnheim bzw. zu wohnähnlichen Zwecken zu nutzen bzw. nutzen zu lassen (Nr. 1). Der Sofortvollzug wurde angeordnet (Nr. 2). Für den Fall, dass die Antragsteller ihrer Verpflichtung zuwiderhandeln bzw. nicht fristgerecht nachkommen, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 2.000,- je Person angedroht. Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO für eine Nutzungsuntersagung lägen vor. Die Nutzung sei formell baurechtswidrig, da nach Ablauf der Geltungsdauer zum 31. Dezember 2016 keine baurechtliche Genehmigung mehr vorläge. Auch der Brandschutznachweis habe nur bis Mai 2016 gegolten. Die Nutzung sei auch materiell-rechtlich baurechtswidrig wegen der erheblichen Brandschutzmängel, die zu einer Gefahr für Leib und Leben führen würden. Insbesondere halte das Treppenhaus als erster Rettungsweg die Anforderungen des Art. 33 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BayBO, Rauchdichte und selbstschließende Öffnungen, nicht ein. Es fehlten die selbstschließenden T30 RS-Türen in funktionsfähiger Qualität. Die Rauchwarnmelder seien nicht funktionsfähig gewesen. Eine Entrauchung entsprechend Art. 33 Abs. 8 Satz 1 und 2 BayBO durch ein zu öffnendes Fenster an oberster Stelle im Treppenhaus fehle ebenfalls. Der zweite Rettungsweg, der über denselben Flur führe, sei ebenfalls mangelhaft, nicht gekennzeichnet und die erforderliche Leiter fehle. Weitere Mängel wie nicht funktionsfähige Feuerlöscher und diverse Leitungen ohne ausreichende Isolierung lägen vor. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen, dass sich im Brandfall erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit der Nutzer ergäben, insbesondere aufgrund der unzureichenden Rettungswege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt und die Nutzungsuntersagung erforderlich, da Gefahren für Leben und Gesundheit beständen. Die Maßnahme sei angemessen, da das öffentliche Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit überwiege. Im Rahmen des Ermessens sei berücksichtigt worden, dass hier kein dauerhaftes Wohnen vorliege, sondern es sich um möblierte Mehrbettzimmer handle, die kurzfristig vermietet würden. Deshalb sei die eingeräumte Frist von zwei Wochen zur Beendigung der Nutzung insoweit ausreichend bemessen. Wegen des wechselnden Personenkreises der Nutzer und der nicht dauerhaften Nutzung sei eine Verpflichtung der einzelnen Nutzer zur Duldung entbehrlich. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei wegen des besonderen öffentlichen Interesses eines ausreichenden Brandschutzes gegeben. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 31, 36 VwZVG i.V.m. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Die kurze Übergangsfrist sei eingeräumt worden, um die Suche nach einer Ersatzunterkunft zu ermöglichen. Im Hinblick auf die Übernachtungskosten von 8,50 € pro Bett je Nacht sei das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von EUR 2.000,- angemessen.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2017 (Bl. … der Akte) wurde das Zwangsgeld für fällig erklärt, da keine Nutzungsaufgabe erfolgte. Mit Bescheid vom 14. Juli 2017 wurde gegenüber den Antragstellern jeweils ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von jeweils EUR 4.000,- unter Fristsetzung bis 10. August 2017 angedroht. Die Antragsteller haben dagegen am 27. Juli 2017 Klage erhoben (M 9 K 17.3498) und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (M 9 S. 17.3500).

Gegen den hier verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 13. Juni 2017 hat der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage erhoben (M 9 K 17.3147) und gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids angeordneten sofortigen Vollziehung.

Die Mängel seien beseitigt. Die Warnmeldeanlage, die Rettungswegkennzeichnung, die Metalltreppe statt der Holzleiter, neue Feuerlöscher und fachlich geprüfte Alarmmelder seien vorhanden. Die Frist von zwei Wochen sei unangemessen. Eine Kündigung des Mietverhältnisses läge nicht vor. Einvernehmlich sei die Kündigung nach deren Ausspruch aufgehoben worden, so dass das gewerbliche Mietverhältnis mit einer halbmonatigen Kündigungsfrist fortbestehe. Mit Schreiben vom 7. August 2017 legte der Bevollmächtigte die vom Gericht angeforderten Nachweise der Fachbetriebe über die Funktionsfähigkeit des Feuerlöschers, der Fluchtleuchten und des Rauchmelders vor. Der Nachweis über den Einbau von T30-Türen vom 10. August 2017 wurde am 18. August 2017 nachgereicht.

Das Landratsamt legte mit Schreiben vom 14. August 2017 E-Mails eines der Antragsteller vom 11. August 2017 und 12. August 2017 vor und beantragte wegen Eilbedürftigkeit fernmündlich:

Antragsablehnung.

Ausweislich dieser E-Mails funktionieren die Brandschutzanlagen, insbesondere die Alarmanlage und die Rettungswegkennzeichnungen nicht mehr, da es einen Wassereinbruch gegeben habe und das Wasser aus den Kabelschächten und Steckdosen laufe. Er selber habe von den beiden Mitantragstellern ein Hausverbot erhalten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ausreichenden und nur möglichen summarischen Prüfung ist der Bescheid vom 13. Juni 2017 rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Die Nutzungsuntersagung wurde nach Art. 76 Satz 2 BayBO wegen erheblicher Brandschutzmängel zu Recht angeordnet. Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs bestehen wegen der mit erheblichen Brandschutzmängeln in einem Wohnheim verbundenen Gefahr für Leib und Leben keine rechtlichen Bedenken.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO liegen vor. Da keine Baugenehmigung vorliegt, ist die Nutzung als Wohnheim formell baurechtswidrig. Die Nutzung des Bürogebäudes als Wohnheim war zuletzt bis zum 31. Dezember 2016 befristet. Eine Verlängerung ist nicht erfolgt. Dies gilt auch für den im Zusammenhang mit der baurechtlichen Genehmigung der Nutzungsänderung vorgelegten Brandschutznachweis.

Die Nutzung zu Wohnzwecken ist auch materiell-rechtlich baurechtswidrig, da ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorliegt. Die Nutzung zu Wohnzwecken ohne ausreichenden Brandschutz, insbesondere einen ersten und zweiten Rettungsweg, verstößt gegen Art. 33 BayBO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den Bescheid vom 13. Juni 2017 Bezug genommen. Ergänzend dazu wird darauf hingewiesen, dass die Brandschutzmängel umfassend bereits bei der Feuerbeschau am 1. Juni 2017 und bei einem Augenschein durch die Bauaufsichtsbehörden am 13. Juni 2017 dokumentiert und erläutert wurden. Dabei wurde insbesondere festgestellt, dass der erste und der zweite Rettungsweg wegen fehlender Abschlüsse zu den Fluren, Art. 33 Abs. 3 Nr. 3 BayBO und einer fehlenden Belüftung und Möglichkeit zur Entrauchung an oberster Stelle, Art. 33 Abs. 8 BayBO unzureichend sind. Ohne einen ausreichenden ersten und zweiten Rettungsweg besteht bei einem Wohnheim mit 75 Betten eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Bewohner, die eine sofortige Nutzungsuntersagung rechtfertigt.

Die von den Bevollmächtigten der Antragsteller vorgelegten Nachweise über die Beseitigung der Mängel an der Warnmeldeanlage, der Rettungswegkennzeichnung, der Alarmmelder sowie die Anschaffung neuer Feuerlöscher und im Bereich des zweiten Rettungswegs einer Metalltreppe statt der Holzleiter sowie die Bestätigung über die Montage von Obertürschließern reichen nicht aus. Auch bei einer ausreichenden Kennzeichnung und Warnmeldung ist nicht gewährleistet, dass die Rettungswege rauchfrei sind. Zum Zeitpunkt 10. August 2017 waren offenbar nach der Bestätigung der Schlosserei die Brandschutztüren nicht alle montiert. Dies ist hier besonders wichtig, da es sich um einen wechselnden Personenkreis handelt, der nach Angaben der Antragsteller in den Akten angeblich die Rauchmelder ausstellt. Nach Aktenlage bestehen auch erhebliche Zweifel daran, ob die elektrischen Anlagen funktionsfähig sind. Mit E-Mail vom 12. August 2017 wurde mitgeteilt, dass diese Anlagen nicht mehr funktionieren würden, da wegen eines Wassereinbruchs Kabel und Steckdosen voller Wasser seien. Fotografien wurden beigelegt. Unter Berücksichtigung dessen ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Brandschutzanforderungen nicht vollständig erfüllt sind und deshalb eine baurechtliche Genehmigung oder die Duldung der weiteren Nutzung für einen längeren Zeitraum ausscheidet.

Die Nutzungsuntersagung mit einer Frist von zwei Wochen ist geeignet, erforderlich und verhältnismäßig. Bei einer Gefahr für Leib und Leben ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern zwingend notwendig, die weitere Nutzung so rasch wie möglich zu beenden. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Bewohner sich immer nur vorübergehend dort aufhalten, ist eine Frist von 14 Tagen zur Beendigung der Nutzung angemessen. Das Landratsamt ist zutreffend davon ausgegangen, dass es den Antragstellern ebenso wie den Bewohnern des Wohnheims in dieser Zeit möglich ist, die Nutzung zu beenden, nicht neu zu vermieten oder eine andere Unterkunft zu finden. Die Antragsteller durften auch nicht auf eine Fortdauer der Nutzung vertrauen, da sie keine baurechtliche Genehmigung für die weitere Nutzung hatten und nach Aktenlage der Hauseigentümer ihnen bereits gekündigt hatte. Soweit mittlerweile vorgetragen wird, dass die Kündigung einvernehmlich wieder aufgehoben wurde, liegen dafür keine Nachweise vor.

Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Anordnung erfolgte schriftlich und wurde ausführlich begründet und zutreffend auf die Notwendigkeit einer sofortigen Beendigung der Nutzung als Wohnheim wegen Gefahr für Leib und Leben für die Bewohner gestützt. Unter Berücksichtigung der zuletzt vorgelegten E-Mail über die Wasserschäden hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass derzeit eine sofortige Beendigung der Nutzung notwendig ist, um eine umfassende Prüfung und ggf. weitere Nachrüstung des Brandschutzes zu ermöglichen, ohne die Bewohner zu gefährden.

Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 GKG i.V.m. Streitwertkatalog.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Aug. 2017 - M 9 S 17.3148

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Aug. 2017 - M 9 S 17.3148

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Beschluss, 18. Aug. 2017 - M 9 S 17.3148 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 159


Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.