Verwaltungsgericht München Beschluss, 12. Nov. 2014 - M 6b S 14.50486

published on 12/11/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 12. Nov. 2014 - M 6b S 14.50486
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Gericht

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Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom ... August 2014 (...) gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ... Juli 2014 wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der nach Aktenlage am ... April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereiste Antragsteller stellte am ... Mai 2014 einen Asylantrag.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom ... Juli 2014, bei den Bevollmächtigten des Antragstellers eingegangen am ... August 2014, den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Nr. 2).

Der Asylantrag sei gem. § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien aufgrund der dortigen Antragstellung gem. Art. 18 Abs. 1 d Dublin III VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schriftsatz vom ... August 2014, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München per Telefax eingegangen am ... August 2014, erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers für diesen Klage gegen den Bescheid und auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien zurückzunehmen (...).

Mit weiterem Schriftsatz vom ... August 2014, per Telefax bei Gericht ebenfalls eingegangen am ... August 2014, stellten die Bevollmächtigten des Antragstellers den Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom ... August 2014 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... Juli 2014 wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben.

Zur Begründung führten die Bevollmächtigten des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass dem Antragsteller eine Rückkehr nach Bulgarien nicht zugemutet werden könne. Trotz anders lautender Berichte sei nach wie vor von systemischen Mängeln in Bulgarien auszugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz verwiesen.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers übersandten mit Schriftsatz vom ... August 2014 einen Bericht von „Amnesty International“ (ohne Datum) mit dem Titel „Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen“.

Mit Schriftsatz vom ... August 2014, bei Gericht eingegangen am ... August 2014, übersandte das Bundesamt seine Behördenakte.

Die Bevollmächtigten des Antragstellers machten mit weiterem Schriftsatz vom ... August 2014 ergänzend geltend, dass der Antragsteller minderjährig sei. Das fiktive Geburtsdatum sei vollkommen falsch. Wegen der weiteren Einzelheiten und der beigegebenen Unterlagen wird auf den Schriftsatz verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Klageverfahren ... sowie auf die Behördenakte des Bundesamts ergänzend Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet und hat daher Erfolg.

1. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem sich aus der Regelung des § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ablehnenden Bescheids und dem Interesse der jeweiligen Antragspartei an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragspartei regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zugunsten der Antragspartei aus, da nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts zumindest als offen anzusehen sind.

1.1 Dass die Erfolgsaussichten der von der Antragspartei erhobenen Klage hinsichtlich des Ziellandes Bulgarien als offen anzusehen ist ergibt sich - unabhängig von der Frage der Minderjährigkeit - aus Folgendem:

Mehrere Einzelrichter des Bayerischen Verwaltungsgerichts München haben nach Veröffentlichung der „UNHCR - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“ im April 2014 und unter Bezugnahme auf diese Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen Bescheide des Bundesamts wie den auch hier streitgegenständlichen abgelehnt. Es sei nicht ersichtlich, dass das Asylverfahren sowie die Aufnahmebedingungen in Bulgarien grundlegende systemische Mängel aufwiesen (z. B. B. v. 28.4.2014 - M 25 S 14.50021; B. v. 8.9.2014 - M 6b S 14.50477; B. v. 10.9.2014 - M 6b S 14.50484).

Dem steht beispielsweise eine Entscheidung einer anderen Einzelrichterin desselben Gerichts vom 9. Juli 2014 gegenüber, die auf einen entsprechenden Antrag hin die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet hat. Auch unter Einbeziehung des UNHCR-Berichts vom April 2014 ergebe die Zusammenschau der derzeit erreichbaren Erkenntnisquellen, dass sich mit hinreichender Sicherheit prognostizieren lasse, dass systemische Schwachstellen im bulgarischen Asylsystem und in den bulgarischen Aufnahmebedingungen vorlägen (M 24 S 14.50336). Mit dem zugehörigen nachfolgenden Urteil vom 30. Juli 2014 hob diese Einzelrichterin den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts auf (M 24. K 114.50335). Auf Antrag der Antragsgegnerin hin hat nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 (13a ZB 14.50030) hiergegen die Berufung zugelassen mit der Begründung, dass die Frage, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufwiesen, obergerichtlich noch nicht entschieden worden und zu klären sei.

1.2 Wegen der zumindest offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache verbleibt es wie oben dargelegt bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Vorliegend sieht das Gericht das Interesse der Antragspartei an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage als gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids überwiegend an. Es kann der Antragspartei nicht zugemutet werden, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Abschiebung tatsächlich durchgeführt wird. Voraussichtlich würde damit rein faktisch ein nicht revidierbarer Zustand eintreten. Das würde den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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published on 10/09/2014 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die dro
published on 08/09/2014 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Gründe I. Der Antragsteller ist - nach seinen Angaben - ein am
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Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.