Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Dez. 2016 - M 20 P 16.3140

bei uns veröffentlicht am20.12.2016

Tenor

Es wird festgestellt, dass die in der konstituierenden Sitzung des örtlichen Personalrates beim … … am … Juli 2016 erfolgte Wahl des Ergänzungsmitgliedes für den Vorstand Herr … … unwirksam ist und dass eines der neu zu wählenden Ergänzungsmitglieder im Vorstand des örtlichen Personalrates beim Bayerischen Rundfunk aus der Wahlvorschlagsliste „Freie Liste“ zu wählen ist.

Gründe

I.

Die Antragsteller verfolgen das Ziel der Ungültigerklärung der Wahl eines Vorstandsmitglieds des örtlichen Personalrats sowie die Feststellung, dass ein Mitglied ihrer Wahlvorschlagsliste als Ergänzungsmitglied in den Vorstand des Personalrates zu wählen ist.

1. Am … bis … Juni 2016 fanden an der Dienststelle, dessen Leiter der Beteiligte zu 3 ist, die Wahlen zum örtlichen Personalrat statt. Zu wählen war ein 17 Mitglieder umfassender Personalrat, der nur aus Arbeitnehmern besteht.

Insgesamt wurden nach dem festgestellten Wahlergebnis 29.551 gültige Stimmen abgegeben, die sich wie folgt auf die einzelnen Wahlvorschlagslisten (im Folgenden: VL) verteilen:

  • -VL 1 („Freie Liste“): 10.878 Stimmen

  • -(„Die Neuen“): 9.406 Stimmen

  • -(„BJV“): 1.476 Stimmen

  • -(„ver.di“): 7.791 Stimmen

Nach diesem Ergebnis ergab sich nach den Höchstzahlen die nachfolgende Sitzverteilung im Personalrat:

  • -VL 1: 6 Mitglieder

  • -VL 2: 6 Mitglieder

  • -VL 3: kein Mitglied

  • -VL 4: 5 Mitglieder

2. In der konstituierenden Sitzung des Personalrats, des Beteiligten zu 1, am 4. Juli 2016 wurde der Personalratsvorstand gebildet.

Zunächst wurde Herr P., der über die VL 4 zum Personalratsmitglied gewählt worden ist, mit elf zu sechs Stimmen zum Vorstand und gleichzeitigem Vorsitzenden gewählt.

Sodann wurde Herr E., der über die VL 2 zum Personalratsmitglied gewählt worden ist, mit zwölf Stimmen bei fünf Enthaltungen zum (ersten Ergänzungs-) Mitglied des Vorstandes und stellvertretenden Vorsitzenden nach Art. 33 Satz 1 BayPVG gewählt.

Unter dem nachfolgenden Tagesordnungspunkt der konstituierenden Sitzung erfolgte die Wahl eines weiteren (Ergänzungs-) Mitglieds des Vorstandes und des zweiten stellvertretenden Vorsitzenden nach Art. 32 Abs. 2 i.V.m. Art. 33 Satz 2 BayPVG.

Nachdem Herr B., dem Beteiligten zu 2, der für die VL 2 zum Mitglied des Personalrats gewählt worden ist, zur Wahl vorgeschlagen worden ist, machten die Vertreter der VL 1 geltend, dass ihrer Auffassung nach in Anwendung von Art. 33 Satz 3 BayPVG das weitere (Ergänzungs-) Mitglied des Vorstandes aus der VL 1 als der stärksten und bisher im Vorstand nicht vertretenen Wahlvorschlagsliste stammen müsse. Da der Vorsitzende dieser Auffassung nicht folgte, wies er für den Wahlgang darauf hin, dass eine Bindung an eine Wahlvorschlagsliste nicht bestehe.

In der Folge wurde Herr B. mit elf Stimmen gewählt. Auf Frau P., die für die VL 1 zum Personalratsmitglied gewählt worden ist und von dieser Wahlvorschlagsliste für die Vorstandswahl vorgeschlagen war, entfielen bei dieser Wahl sechs Stimmen.

3. Mit dem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 18. Juli 2016, der per Telefax am gleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, ließen die sechs gewählten Mitglieder der VL 1 Antrag im vorliegenden Beschlussverfahren erheben.

Der Beteiligte zu 1 habe bei der Wahl der Ergänzungsmitglieder des Vorstandes gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen. Dieser Verstoß würde mit der Wahlanfechtung gerügt. Nach Art. 33 BayPVG könnten neben dem Vorsitzenden des Personalrats weitere Vorstandsmitglieder gewählt werden. Die Wahl des Herrn E. als Mitglied der VL 2 werde zwar nicht angegriffen. Aber die Wahl des weiteren Vorstandsmitglieds Herrn B., der ebenfalls für die VL 2 Mitglied des Personalrates geworden sei, verletzte die Antragsteller als Mitglieder der VL 1 in ihrem Recht aus Art. 33 Satz 3 BayPVG. Der in dieser Vorschrift in wörtlicher Anwendung normierte Minderheitenschutz für die zweitstärkste Liste gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in analoger Anwendung auch für die stärkste Liste. Dies sei die VL 1 gewesen, auf die die meisten Stimmen entfallen seien. Diese sei aber nach dem Ergebnis der konstituierenden Sitzung im Vorstand des Personalrats nicht vertreten, was zur fehlenden Repräsentanz einer Wählermehrheit im Vorstand führe. Die Wahl des zweiten ergänzenden Vorstandsmitglieds, Herrn B., sei deshalb für ungültig zu erklären und die Wahl eines Mitgliedes der VL 1 für die Wahl des zweiten Vorstandsmitglieds durch die gerichtliche Entscheidung vorzugeben.

Die Antragsteller lassen beantragen,

festzustellen, dass die in der Sitzung des Beteiligten zu 1 am … Juli 2016 erfolgte Wahl des Ergänzungsmitgliedes für den Vorstand Herr B. unwirksam ist und dass eines der neu zu wählenden Ergänzungsmitglieder im Vorstand des Beteiligten zu 1 aus der Wahlvorschlagsliste „Freie Liste“ zu wählen ist.

Der Beteiligte zu 1 lässt beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Die Wahl des zweiten Ergänzungsmitgliedes des Vorstandes sei nicht zu beanstanden. Nach der Kommentierung zu Art. 33 BayPVG sei der Minderheitenschutz für die stärkste Liste in analoger Anwendung von Art. 33 Satz 3 BayPVG nur dann gerechtfertigt, wenn sich zwei stimmenschwächere Listen in einer Koalition verbunden hätten, um so die stimmenstärkste Liste durch ein abgestimmtes Stimmverhalten vom Vorstand fernzuhalten. Die VL 2 und VL 4 hätten eine derartige förmliche Koalition nicht gebildet, vielmehr seien die Wahlen zum Vorstand als geheime Wahlen durchgeführt worden.

Der Beteiligte zu 2 lässt beantragen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es zwischen der VL 2 und der VL 4 keine Koalitionsbildung gegeben habe. Die Wahlwerbung der VL 2 habe zwar auf die ähnlichen Positionen der VL 2 und der VL 4 hingewiesen. Dies habe sich aber im Kern auf den gewünschten Wechsel in Bezug auf die Person der Vorsitzenden des Personalrats, die wie in der Vergangenheit für die VL 1 kandidiert habe, bezogen. Dieser Wechsel war nach der Wahl von Herrn P. als Vorsitzenden des Personalrates vollzogen. Eine weitere Koalitionsbildung für die Wahl der Ergänzungsmitglieder des Vorstandes sei dagegen nicht erfolgt. Hinzu komme, dass Art. 33 Satz 3 BayPVG dem Wortlaut nach nur eine Einschränkung hinsichtlich der Berücksichtigung der zweitstärksten Wahlvorschlagsliste enthalte. Im Gegensatz zur Art. 46 Abs. 3 Satz 3 BayPVG für die Beschränkungen bei der Berücksichtigung von Wahlvorschlagslisten bei den Freistellungen enthalte Art. 33 Satz 3 BayPVG darüber hinaus keine weiteren gesetzlichen Vorgaben. Diese Vorschrift wolle vielmehr nur einen Machtmissbrauch der stärksten Wahlvorschlagsliste verhindern und der zweitstärksten Wahlvorschlagsliste eine Repräsentanz im Vorstand sichern. Eine erweiternde Auslegung zugunsten der stärksten Wahlvorschlagsliste sei demnach nicht geboten.

Der Beteiligte zu 3 hat im Verfahren keinen eigenen Antrag gestellt und sich auch nicht weiter inhaltlich zum Antrag geäußert.

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (M 20 PE 16.3199) mit dem identischen Antragsziel wie im vorliegenden Antragsverfahren wurde nach richterlichem Hinweis von den Antragstellern zurückgenommen.

Die Verfahrensbeteiligten wurden am … Dezember 2016 mündlich vor Gericht angehört. Auf die dabei gefertigte Niederschrift wird im Einzelnen Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der gesamten Gerichtsakte, auch im Verfahren M 20 PE 16.3199.

II.

Der zulässig erhobene Antrag ist begründet. Die Wahl von Herrn B. als zweites Ergänzungsmitglied des Vorstandes verstößt gegen Wahlvorschriften, dies war im Beschlussverfahren festzustellen. Die Antragsteller können weiter einen Anspruch darauf geltend machen, dass das zweite Ergänzungsmitglieds des Vorstandes aus der Wahlvorschlagsliste gewählt wird, der sie angehören.

1. Der Antrag ist zulässig erhoben.

Nach Art. 81 Abs. 1 Halbsatz 1 i.V.m. Art. 82 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) i.d.F. d. Bek. vom 11. November 1986 (GVBl S. 349; BayRS 2035-1-F) entscheidet auf Antrag die Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht (vgl. insoweit Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGVwGO) über Wahlanfechtungen nach Art. 25 BayPVG. Damit unterliegen gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 3 und Satz 1 i.V.m. Art. 25 BayPVG auch die im Rahmen der konstituierenden Sitzung eines neu gewählten Personalrats nach (Art. 32 oder) Art. 33 BayPVG durchzuführenden Vorstandswahlen der gerichtlichen Wahlanfechtung durch die Anfechtungsberechtigten (vgl. zusammenfassend: Ballerstedt/Schleicher/Faber, Kommentar zum BayPVG, Stand Januar 2017, Art. 34 Rn. 25 ff.).

Vorliegend haben die zu Mitgliedern des Personalrats (vgl. Art. 34 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 BayPVG) gewählten Vertreter der VL 1 die nach Art. 33 Satz 2 BayPVG durchzuführende Wahl des zweiten Ergänzungsmitglieds des Vorstandes des Personalrats innerhalb der gesetzlichen 14-Tage-Frist zulässig angefochten.

2. Der Antrag ist hinsichtlich beider damit verfolgter Ziele begründet.

Die Wahl von Herrn B. als zweites Ergänzungsmitglied des Vorstandes verstößt gegen Art. 33 Satz 3 BayPVG. Dieser Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit war festzustellen (dazu nachfolgend zu a). Gleichzeitig war aufgrund der zwingenden Rechtsfolge des Art. 33 Satz 3 BayPVG festzustellen, dass bei der aufgrund der erfolgreichen Wahlanfechtung erneut durchzuführenden Wahl des zweiten Ergänzungsmitglieds des Vorstandes des Personalrats dieses Ergänzungsmitglied aus der VL 1 zu wählen ist (dazu nachfolgend zu b).

a) Der Personalrat an der Dienststelle besteht im vorliegenden Fall aus 17 Mitgliedern, die alle der Gruppe der Arbeitnehmer angehören. Nach Art. 33 Satz 2 BayPVG ist somit aus der Mitte des Personalrats - nach den Wahlen gemäß Art. 32 BayPVG (Wahl des Vorsitzenden) und gemäß Art. 33 Satz 1 BayPVG (Wahl des ersten Ergänzungsmitglieds des Vorstandes als stellvertretenden Vorsitzenden) - ein zweites Ergänzungsmitglied als weiteres Mitglied in den Vorstand zu wählen.

Für diese Wahl des zweiten Ergänzungsmitglieds des Vorstandes sieht Art. 33 Satz 3 BayPVG - bei einer Wahl mit unterschiedlichen Wahlvorschlagslisten, wie es vorliegend bei den VL 1 mit 4 der Fall war - einen „Listenschutz“ (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Art. 33 Rn. 16) vor. Dieser gilt nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift (nur) für diejenige Liste, „die die zweitgrößte Anzahl aller von den Angehörigen der Dienststelle abgegebenen Stimmen erhalten hat“. Im vorliegenden Fall ist dies nach dem (oben zu I.1. dargelegten) Ergebnis der abgegebenen Stimmen die VL 2. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur im Wesentlichen wortlautgleichen Vorschrift in § 33 Satz 2 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) - „Sind Mitglieder des Personalrats aus Wahlvorschlagslisten mit verschiedenen Bezeichnungen gewählt worden und sind im Vorstand Mitglieder aus derjenigen Liste nicht vertreten, die die zweitgrößte Anzahl, mindestens jedoch ein Drittel aller von den Angehörigen der Dienststelle abgegebenen Stimmen erhalten hat, so ist eines der weiteren Vorstandsmitglieder aus dieser Liste zu wählen“ - ist der Listenschutz nach Sinn und Zweck der Vorschrift aber nicht auf die zweitstärkste Wahlvorschlagsliste beschränkt. Vielmehr greift dieser Listenschutz in unmittelbarer oder in analoger Anwendung von § 33 Satz 2 BPersVG auch für die stärkste Wahlvorschlagsliste, wenn diese im Personalratsgremium in der Minderheit ist (BVerwG, B.v. 17.3.2014 - 6 P 8/13 - BVerwGE 149, 188 Rn. 13 und 18).

Das Bundesverwaltungsgericht begründet diese (erweiternde) Auslegung der Vorschrift damit, dass der Listenschutz nach dem Sinn und Zweck der Regelung für alle Wahlvorschlagslisten greifen muss, denen als eine „starke Wahlminderheit“ eine Vertretung im Vorstand des Personalrats zusteht. Dies ist aber nicht nur bei der zweitstärksten Liste der Fall. Auch die stärkste Liste kann nämlich, wenn die Vertreter aller anderen im Personalrat vertretenen Wahlvorschlagslisten die Mehrheit im Personalratsgremium stellen, gegen deren Willen keinen ihr angehörenden Vorstandskandidaten durchsetzen (ausführlich dazu BVerwG, B.v. 17.3.2014 - 6 P 8/13 - BVerwGE 149, 188 Rn. 14 ff.).

bb) Nach dieser (erweiternden) Auslegung der Vorschrift durch das Bundesverwaltungsgericht, der die Literatur auch für die Regelung im bayerischen Landesrecht folgt (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Art. 33 Rn. 16a), ist vorliegend das zweite Ergänzungsmitglied des Vorstandes aus den gewählten Mitgliedern der VL 1 als der stärksten Wahlvorschlagsliste, die die meisten von den Angehörigen der Dienststelle abgegebenen Stimmen erhalten hat, zu wählen. Die VL 1 ansonsten bei der Wahl der Vorstandsmitglieder sowohl hinsichtlich der Wahl zum Vorsitzenden des Vorstandes des Personalrats - Herr P. ist Mitglied der VL 4 - als auch bei der Wahl des ersten Ergänzungsmitglieds - Herr E. ist Mitglied der VL 2 - unberücksichtigt geblieben.

Eine Wahl des Herrn B., der ebenfalls für die VL 2 zum Mitglied des Personalrats gewählt worden ist, als zweites Ergänzungsmitglied des Vorstands hat nach dieser Auslegung der Vorschrift somit gegen den in Art. 33 Satz 3 BayPVG normierten Listenschutz verstoßen.

cc) Die von den Beteiligten zu 1 und 2 insoweit vertretene Auffassung, dass eine erweiternde Auslegung des Art. 33 Satz 3 BayPVG vorliegend nicht in Frage kommt, weil zwischen den VL 2 und 4 keine Koalition gebildet worden ist, verkennt den Sinn und Zweck der Regelung des Listenschutzes.

Zum einen ist aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ableitbar, dass es eine weitere Voraussetzung für die Anwendung des Listenschutzes aus § 33 Satz 2 BPersVG bzw. Art. 33 Satz 3 BayPVG wäre, dass sich zwei oder mehr Wahlvorschlagslisten im Wege einer „Koalition“ zusammengefunden haben und somit die stimmenstärkste Wahlvorschlagsliste bei der Besetzung der Ergänzungsmitglieder des Vorstandes überstimmen. Das Bundesverwaltungsgerichts stellt alleine auf die tatsächliche Situation ab, wenn sich die Wahlvorschlagsliste, auf die die größte Anzahl aller von den Angehörigen der Dienststelle abgegebenen Stimmen entfallen ist, „gegen den Willen der auf die anderen Listen entfallenden Mehrheit (…) mit keinem ihrer Vorstandskandidaten durchsetzen“ kann (BVerwG, B.v. 17.3.2014 - 6 P 8/13 - BVerwGE 149, 188 Rn. 17). Eine förmliche Koalitionsbildung ist dabei gerade nicht vorausgesetzt.

Hinzu kommt vorliegend, dass das Ergebnis der Vorstandswahlen in der konstituierenden Sitzung des Personalrats - unabhängig davon, ob dies überhaupt erforderlich ist - gerade zeigt, dass durch „Absprachen“ zwischen Wahlvorschlagslisten, die für sich jeweils nur eine Minderheit der abgegebenen Stimmen repräsentieren, die stimmenstärkste Wahlvorschlagsliste tatsächlich von der Besetzung eines Vorstandsposten ferngehalten werden kann. Wie sich aus den Wahlergebnissen der Wahl von Herrn P. und Herrn B. ergibt, haben die beiden VL 2 und 4 durch die - auch wenn nicht im Rahmen einer förmlichen Koalition - gemeinsame Stimmabgabe für den je von der anderen Liste vorgeschlagenen Kandidaten mit einem Stimmergebnis von jeweils elf zu sechs Stimmen tatsächlich verhindert, dass die stimmenstärkste Wahlvorschlagsliste im Vorstand vertreten ist. Dieses Ergebnis ist derart eindeutig, dass entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1 und zu 2 der Verweis auf die geheime Wahl fehl geht. Dieses Wahlergebnis war nämlich aufgrund der im Vorfeld der Wahl auch allseits bekannten persönlichen Differenzen zwischen Vertretern der VL 1 und der VL 2 und der zur Wahl vorgeschlagenen Vertreterin der VL 1, Frau P., auch ohne jede weitere „Koalitionsbildung“ nicht anders zu erwarten.

dd) Unabhängig von dieser tatsächlichen Situation ist entgegen der von den Beteiligten zu 1 und 2 vertretenen Auffassung weiter zu berücksichtigen, dass der in Art. 33 Satz 3 BayPVG normierte Listenschutz zwar dem Wortlaut nach (nur) auf die „zweitstärkste“ Wahlvorschlagsliste Anwendung findet. Diese Beschränkung würde jedoch - wie vorliegend - gerade verhindern, dass die Wahlvorschlagsliste, die nach den abgegebenen Stimmen an der Dienststelle die meisten Beschäftigten repräsentiert, im Vorstand des Personalrats in keiner Weise vertreten ist.

Ohne die vom Bundesverwaltungsgericht über den Wortlaut hinaus vorgenommene erweiternde Auslegung wäre es in der vorliegenden Konstellation möglich, den Listenschutz für die stimmenstärkste Wahlvorschlagsliste zu unterlaufen. Damit würde sich das Ergebnis der Personalratswahl an der Dienststelle in der Besetzung des Vorstandes des Personalrats nicht widerspiegeln. Diese Auffassung der Beteiligten zu 1 und 2 würde die Vertretung der Beschäftigten im Personalrat bzw. in dessen Vorstand in keinster Weise zum Ausdruck bringen und ist deshalb auch für die (vorliegend alleine anzuwendende) Vorschrift des Art. 33 Satz 3 BayPVG als unzutreffend abzulehnen. Auch wenn hinsichtlich des Erfordernisses einer Mindeststimmenzahl - abweichend von der Regelung in § 33 Satz 2 BPersVG („mindestens jedoch ein Drittel aller von den Angehörigen der Dienststelle abgegebenen Stimmen“) - im bayerischen Landesrecht diese für die Anwendung des Listenschutzes nicht gefordert wird, ist die Rechtslage ohne weiteres mit der vergleichbar, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtsvom 17. März 2014 (6 P 8/13) zugrunde gelegen hat.

ee) Damit verstößt die Wahl von Herrn B., der als Mitglied der VL 2 in den Personalrat gewählt worden ist, als zweites Ergänzungsmitglied des Vorstandes des Personalrats gegen den in Art. 33 Satz 3 BayPVG normierten Listenschutz (auch) für die stimmenstärkste Wahlvorschlagsliste. Die zweitstärkste Liste (VL 2) war bereits durch Herrn E. im Vorstand vertreten. Eine weitere Wahl des zweiten Ergänzungsmitglieds des Vorstands aus der VL 2 ist somit ausgeschlossen.

Dieser Verstoß gegen die Vorschriften zur Wählbarkeit durch die Wahl von Herrn B. war festzustellen und die Wahl insoweit für unwirksam zu erklären.

b) Für die unwirksame Wahl des Herrn B. als zweites Ergänzungsmitglied des Vorstandes des Personalrats ist nunmehr für diese Funktion eine erneute Wahl durchzuführen.

Für diese Wahl steht aufgrund des vorstehend Ausgeführten fest, dass das zweite Ergänzungsmitglied des Vorstandes aus der VL 1 zu wählen ist. Denn nur bei der Wahl eines Mitglieds des Personalrats, das für diese Wahlvorschlagsliste in den Personalrat gewählt worden ist, ist der durch Art. 33 Satz 3 BayPVG normierte Listenschutz (auch) für die stimmenstärkste Liste gewährleistet. Die Verpflichtung des Personalrats zur entsprechenden Wahl war deshalb auf Antrag ebenfalls festzustellen (zur Tenorierung vgl. BVerwG, B.v. 17.3.2014 - 6 P 8/13 - BVerwGE 149, 188 Rn. 3).

Nur vorsorglich weist das Gericht über diese Feststellung hinaus darauf hin, dass es den Mitgliedern des Personalrats bei der durchzuführenden Wahl nicht frei steht, das von der VL 1 vorgeschlagene Personalratsmitglied nicht zu wählen, wenn sämtliche anderen Personalräte, die für die VL 1 in den Personalrat gelangt sind, es ablehnen, Mitglied des Vorstandes zu werden. Wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O., Rn. 21) im Einzelnen dargelegt hat, besteht in diesem Fall „die Pflicht der Aufnahme dieses einen Mitglieds in den erweiterten Vorstand, ohne dass es dazu einer Mehrheitsentscheidung des Personalrats bedarf.“ Eine (weitere) Ablehnung des einzig vorgeschlagenen Mitglieds der VL 1 würde einen (weiteren) Verstoß gegen die Wählbarkeit darstellen, wodurch Zweifel an der Erfüllung der gesetzlichen Pflichten durch die Mitglieder des Personalrats i.S.d. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 a.E. BayPVG begründet sein könnten.

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Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG 2021 | § 33 Eintritt von Ersatzmitgliedern


(1) Scheidet ein Mitglied aus dem Personalrat aus, so tritt ein Ersatzmitglied ein. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied des Personalrats zeitweilig verhindert ist. (2) Die Ersatzmitglieder werden der Reihe nach aus den nicht gewählten Beschäftigt

Referenzen

(1) Scheidet ein Mitglied aus dem Personalrat aus, so tritt ein Ersatzmitglied ein. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied des Personalrats zeitweilig verhindert ist.

(2) Die Ersatzmitglieder werden der Reihe nach aus den nicht gewählten Beschäftigten derjenigen Vorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Ist das ausgeschiedene oder verhinderte Mitglied mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt, so tritt der nicht gewählte Beschäftigte mit der nächsthöheren Stimmenzahl als Ersatzmitglied ein.

(3) § 31 Absatz 2 gilt entsprechend bei einem Wechsel der Gruppenzugehörigkeit vor dem Eintritt des Ersatzmitglieds in den Personalrat.

(4) Ist die Personalratswahl mit Erfolg angefochten worden oder der Personalrat durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst, treten Ersatzmitglieder nicht ein.