Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2016 - M 18 E 16.4415
Gericht
Tenor
I.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für das erste Schulhalbjahr 2016/17 Jugendhilfe durch Unterbringung in der Wohngruppe ..., zu leisten.
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach seinen eigenen Angaben am ...1997 geboren und somalischer Staatsangehöriger.
Nachdem der Antragsteller im Bundesgebiet aufgegriffen wurde, stellte das Amtsgericht Rosenheim mit Beschluss vom 3.2.2014 fest, dass die elterliche Sorge für den Antragsteller ruht und ordnete mit weiterem Beschluss vom 5.2.2014 Vormundschaft an.
Der Antragsteller stellte im Bundesgebiet Asylantrag. Mit Bescheid vom
Mit Bescheid vom
Nach einem Entwicklungsbericht vom
Nach einem Ersthilfeplan des Antragsgegners vom
Nach einer Hilfeplanfortschreibung vom
Am
Mit Schreiben vom
Am
Mit Mail vom
Im Asylverfahren des Antragstellers stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom
Mit Schreiben vom
Mit Mail vom
Am
den Antragsgegner im Weg der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Hilfe zu Erziehung weiterhin zu leisten, so dass es dem Antragsteller weiterhin möglich ist, in der Wohngruppe St. ... in ... wohnen zu bleiben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Jugendamt beabsichtige, den Antragsteller aus der vorgenannten Unterkunft zu entlassen, wenn dieser nicht die angebotene Ausbildung zum Bäcker antrete. Der Antragsteller möchte aber an dem im Hilfeplan festgelegten Ausbildungsziel des mittleren Schulabschlusses mit anschließender Ausbildung im IT-Bereich festhalten.
Mit Schriftsatz vom
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die im Hilfeplan vom
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat auch in der Sache Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen können.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann jungen Menschen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden.
Das Angebot einer Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen steht im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, da es sich um eine „Kann-Leistung“ handelt (Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 13, RdNr. 34a; Kunkel, LPK-SGB VIII 4. Auflage 2011, § 13, Rn. 36). Dementsprechend haben junge Menschen beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf die Ausübung fehlerfreien Ermessens (vgl. Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 13, Rn. 8).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm liegen vor.
Der Antragsteller fällt unter den persönlichen Schutzbereich der Norm des § 13 Abs. 3 SGB VIII. Berechtigt werden danach junge Menschen, nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII also Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind. Dies trifft auf den am ...1997 geborenen Antragsteller zu. Auch die weitere Voraussetzung, dass die Unterkunft in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform in einem zeitlich Zusammenhang mit der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder der beruflichen Eingliederung erfolgen muss, liegt vor. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Antragsteller aktuell die ...-Schule besucht.
Der damit bestehende Anspruch des Antragstellers im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB VIII auf fehlerfreie Ermessensausübung wurde durch den Antragsgegner nicht erfüllt.
Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass der Antragsteller offensichtlich von falschen Anspruchsvoraussetzungen ausgeht. In der Antragserwiderung vom
Einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung steht auch entgegen, dass der Antragsgegner auf die geänderten Verhältnisse seit dem Hilfeplan vom
Der Hilfeplan stellt letztlich nur ein Zwischenergebnis des gemeinsamen kontinuierlichen Beratungs-, Planungs- und Gestaltungsprozesses dar und ist jederzeit einer einvernehmlich getroffenen Revision zugänglich (vgl. Wiesner, a. a. O., § 36, Rn. 77). Dies bedeutet gleichzeitig auch, dass bei einer relevanten Änderung der Umstände gegenüber dem letzten Stand des Hilfeplans dessen Fortschreibung erfolgen muss, um den Hilfebedarf sachgerecht festzustellen.
Der Hilfeplan vom
Über den Anspruch des Antragstellers aus § 13 Abs. 3 SGB VIII ist nach alledem bislang nicht ermessensgerecht entschieden.
Der Antragsteller konnte auch einen Anordnungsgrund geltend machen. Ohne die einstweilige Anordnung erhält er die Hilfe, auf die möglicherweise ein Anspruch besteht, jedenfalls für einen gewissen Zeitraum nicht.
Dem Charakter einer einstweiligen Anordnung entsprechend wird die Verpflichtung des Antragsgegners auf das erste Schulhalbjahr 2016/2017 beschränkt. Dies lässt auch genügend zeitlichen Spielraum, eine ermessensgerechte Entscheidung im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB VIII zu treffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
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(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.
(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.
(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.
(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.
(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.
(1) Im Sinne dieses Buches ist
- 1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen, - 2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, - 3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, - 4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist, - 5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht, - 6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.
(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.
(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.
(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.
(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.
(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.