Verwaltungsgericht München Beschluss, 05. Okt. 2016 - M 18 E 16.3851
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben am ... ... 1998 geboren und somalischer Staatsangehöriger. Er ist möglicherweise nach somalischem Recht verheiratet; wohl seit August ist er Vater eines im Bundesgebiet geborenen Kindes.
Am
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Nach einem Aktenvermerk vom
Am
Mit Schreiben des ... e.V.
Am
Mit Bescheid vom
Nach einem Hilfeprozessbericht des Trägers ... e.V. über den Antragsteller vom
In einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom
Mit undatiertem Schreiben, das am
In einem dem Widerspruch beigefügten Schreiben vom
Mit Bescheid vom
Am
Zur Begründung wurde auf die Stellungnahme von ... e.V.
Mit Schriftsatz vom
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB VIII lägen nicht vor. Voraussetzung für die Gewährung der Unterkunft nach dieser Vorschrift sei, dass jene mit schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder im Zusammenhang mit der beruflichen Eingliederung stehe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da der Antragsteller die Schule lediglich sporadisch besuche, was er selbst im Rahmen des am 20. Juni 2016 stattgefundenen Hilfeplangesprächs zugegeben habe. Das Ziel des betreuten Wohnens könne unter diesen Umständen nicht erreicht werden. Voraussetzung sei insofern eine zumindest hinreichende Bereitschaft des Hilfeempfängers, an der Erreichung der im Hilfeplan festgelegten Ziele mitzuwirken. Es liege auch kein Anordnungsgrund vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann jungen Menschen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der berufliche Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden.
Das Angebot einer Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen steht im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, da es sich um eine „Kann-Leistung“ handelt (Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 13, Rn. 34a; Kunkel, LPK-SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 13, Rn. 36). Dementsprechend haben junge Menschen beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf die Ausübung fehlerfreien Ermessens (vgl. Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 13, Rn. 8).
Der Antragsteller hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm nicht glaubhaft machen können.
Zwar fällt der Antragsteller unter den personellen Schutzbereich der Norm. Berechtigt werden danach junge Menschen, nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII also Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind. Dies trifft auf den am ... ... 1998 geborenen Antragsteller zu.
Aus der Konstruktion der Vorschrift ergibt sich aber, dass die Unterkunft in einer sozialpädagogisch begleiteten Wohnform in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder der beruflichen Eingliederung erfolgen muss und in diesem Sinne geeignet und notwendig ist (vgl. Wiesner, a. a. O., Rn. 34). Die Wohnform und der Schulbesuch sind also zwingend miteinander verknüpft. Um dem Ziel der konkreten Jugendhilfemaßnahme gerecht zu werden, ist dabei ein regelmäßiger Schulbesuch zu fordern, schon weil es sich bei Plätzen im sozialpädagogisch betreuten Wohnen um ein rares Gut handelt.
Die Antragsgegnerin stützt ihre Versagung der Verlängerung der Hilfemaßnahmen nach § 13 Abs. 3 SGB VIII maßgeblich auch darauf, dass der Antragsteller die Schule nur unregelmäßig besucht. Eine Dokumentation der konkreten Fehlzeiten des Antragstellers ist in den vorgelegten Behördenakten jedoch nicht vorhanden, sondern lediglich ein Aktenvermerk vom 1. Juli 2016 über ein Gespräch mit dem Antragsteller und seinem Betreuer, wonach er nur unregelmäßig zur Schule gehe. Andererseits hat aber der Antragsteller einen regelmäßigen Schulbesuch im Rahmen seines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung noch nicht einmal behauptet. Da der von ihm vorgelegte Bescheid vom 29. Juli 2016 ausdrücklich auch auf den fehlenden regelmäßigen Schulbesuch abstellt, wäre es aber angezeigt gewesen, diesem Vorbringen entgegenzutreten, falls tatsächlich ein regelmäßiger Schulbesuch stattgefunden hätte. Im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung hat das Gericht damit keinen Anhaltspunkt, an dem von der Antragsgegnerin vorgebrachten unregelmäßigen Schulbesuch des Antragstellers zu zweifeln.
Der Antragsteller hat damit das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Hilfe nach § 13 Abs. 3 SGB VIII nicht glaubhaft gemacht.
Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass dies nicht bedeutet, dass bei dem Antragsteller ein Bedarf an Hilfe für junge Volljährige auszuschließen ist. Folgerichtig weist auch die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Juli 2016 auf die Möglichkeit der Beantragung ambulanter Hilfsmaßnahmen hin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
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Referenzen - Gesetze
(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.
(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.
(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.
(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.
(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.
(1) Im Sinne dieses Buches ist
- 1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen, - 2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, - 3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, - 4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist, - 5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht, - 6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.
(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.
(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.
(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(1) Jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration fördern.
(2) Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen.
(3) Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden. In diesen Fällen sollen auch der notwendige Unterhalt des jungen Menschen sichergestellt und Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 geleistet werden.
(4) Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesagentur für Arbeit, der Jobcenter, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.