Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Dez. 2015 - M 16 E 15.50862

published on 10.12.2015 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Dez. 2015 - M 16 E 15.50862
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Gericht

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Tenor

I.

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Oktober 2014 (M 16 S 14.50559) wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... September 2014 unter Nr. 2 enthaltene Abschiebungs-anordnung nach Italien angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Zunächst wird auf den Beschluss der Kammer vom 30. Oktober 2014 (M 16 S 14.50559) verwiesen.

Mit Schreiben vom 11. November 2014 teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) der zuständigen italienischen Stelle betreffend den Antragsteller mit, dass die wegen dessen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO angenommene „aufschiebende Wirkung“ zum 7. November 2014 entfallen sei. Das neue Ende der Überstellungsfrist sei der 7. Mai 2015.

Im Klageverfahren M 16 K 14.50558 teilte das Gericht der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 u. a. mit, dass sich aus der vorgelegten Behördenakte kein Vermerk über eine Verlängerung der Überstellungsfrist ergebe. Weiter wurde Gelegenheit gegeben, binnen 2 Wochen die Gründe für eine etwaige Verlängerung der Überstellungsfrist darzulegen und glaubhaft zu machen. Eine Äußerung erfolgte hierauf nicht.

Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 ließ der Antragsteller beantragen,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebungsanordnung aus dem Bescheid der Antragsgegnerin vom ... September 2014 einstweilen nicht zu vollziehen und keine Abschiebungsmaßnahmen zu treffen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Landratsamt Altötting habe dem Antragsteller mitgeteilt, dass er dort vorsprechen solle, um sich seine Grenzübertrittsbescheinigung abzuholen. Die Abschiebung stehe unmittelbar bevor. Die Überstellungsfrist nach Italien sei bereits abgelaufen. Der Bescheid vom ... September 2015 sei daher aufzuheben und der Asylantrag des Antragstellers im nationalen Verfahren zu prüfen.

Das Landratsamt Altötting legte dem Gericht mit Schreiben vom 23. November 2015 u. a. eine Mitteilung des Bundesamtes an das Landratsamt vom 16. Dezember 2014 betreffend die „Überstellung im Dublinverfahren“ vor. Darin heißt es, der Aufenthaltsort des Antragstellers sei nicht bekannt. Es werde um Einleitung der erforderlichen Maßnahmen gebeten. Es werde um unverzügliche Unterrichtung gebeten, sobald die Hinderungsgründe fortgefallen seien. Eine Überstellung nach Italien sei längstens möglich bis zum 7. Mai 2016.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in den diesem Verfahren und in den Verfahren M 16 K 14.50558 und M 16 S 14.50559 Bezug genommen.

II.

Der Eilantrag ist als Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auszulegen (§ 88 VwGO). Er ist darauf gerichtet, wegen veränderter Umstände und unter Abänderung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGOvom 30. Oktober 2014 (M 16 S 14.50559) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom ... September 2014 zu erreichen.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO). Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist dabei kein Rechtsmittelverfahren, sondern vielmehr ein gegenüber dem ersten Eilverfahren selbstständiges Verfahren. Voraussetzung für die Änderung des zunächst ergangenen Beschlusses ist, dass sich nach der ersten gerichtlichen Entscheidung die maßgebliche Sach- und Rechtslage geändert hat. Dasselbe gilt bei einer Veränderung der Prozesslage, etwa aufgrund neuer Erkenntnisse. Dazu gehören auch nachträglich zur Verfügung stehende Beweismittel. Darüber hinaus muss die geänderte Sach- oder Rechtslage geeignet sein, eine andere Entscheidung herbeizuführen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 103).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das Antragsvorbringen geeignet, die begehrte Abänderung zu rechtfertigen. Die aufschiebende Wirkung der Klage war anzuordnen, da im Hauptsacheverfahren geklärt werden muss, ob die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO abgelaufen ist. Das Schreiben des Bundesamtes vom 16. Dezember 2014 deutet zwar darauf hin, dass hier eine Fristverlängerung gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO wegen eines angenommenen Untertauchens des Antragstellers erfolgt sein könnte. Nach dessen Wortlaut ist jedoch fraglich, ob mit diesem Schreiben über die Verlängerung entschieden wurde oder lediglich die vermeintlich einzuhaltende Frist mitgeteilt werden sollte. Auch findet sich in der vorgelegten Behördenakte zum Dublinverfahren des Antragstellers kein Hinweis auf die Fristverlängerung. Wesentliche Voraussetzung einer Fristverlängerung wäre zudem eine Mitteilung an die zuständige Stelle in Italien nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 gewesen. Der Antragsgegnerin wird Gelegenheit einzuräumen sein, entsprechend darzulegen, dass tatsächlich eine ordnungsgemäße Fristverlängerung erfolgt ist. Sollte eine solche Entscheidung - mit Unterrichtung der zuständigen italienischen Stelle - erfolgt sein, so wäre angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 27.10.2015 - 1 C 32/14 - juris) fraglich, ob der Antragsteller geltend machen könnte, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Fristverlängerung hätten nicht vorgelegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
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published on 30.10.2014 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge senegalesischer Staatsangehörigkeit und reiste am
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Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.