Verwaltungsgericht München Beschluss, 25. Sept. 2015 - M 12 E 15.3419


Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Vormerkung für eine größere Sozialwohnung.
Am
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am ... Dezember 2014 unter Vorlage mehrerer ärztlicher Atteste Klage zum Sozialgericht München. Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss des Sozialgerichts München
Mit Schreiben vom 18. Mai 2015 teilte die Vermieterin des Antragstellers mit, dass der Antragsteller und seine Ehefrau mit Urteil des Amtsgerichts München
Hierauf wurden der Antragsteller und seine Ehefrau zuletzt mit Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juli 2015 für eine öffentlich geförderte Wohnung mit 110 Gesamtpunkten (97 Grundpunkte, 10 Vorrangpunkte, 3 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe I vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße setzte die Antragsgegnerin erneut zwei Wohnräume mit einer Fläche ab 10 qm fest. Der Bescheid ist mit einer Nebenbestimmung versehen, wonach der Antragsteller und seine Ehefrau bis zu 30. September 2015 jeweils eine Aufenthaltsgenehmigung vorzulegen haben, die für die Dauer eines Jahres ausgestellt bzw. für ein Jahr gültig ist.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... August 2015 erhob der Antragsteller Klage gegen den Änderungsbescheid vom 6. Juli 2015 mit dem Antrag, unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2015 die Antragsgegnerin zu verpflichten, unter Vorlage von Aufenthaltsgenehmigungen, die mindestens für die Dauer von drei Monaten ausgestellt bzw. für drei Monate gültig seien, die angemessene Wohnungsgröße auf drei Wohnräume festzusetzen (M 12 K 15.3353). Über die Klage wurde bislang noch nicht entschieden.
Unter Vorlage weiterer ärztlicher Atteste hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... August 2015 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die angemessene Wohnungsgröße bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf drei Wohnräume festzusetzen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei, insbesondere aufgrund seiner Krebserkrankung, pflegebedürftig. Er leide an Demenz und laufe oft weg. Deswegen benötige er eine 24 Stunden Betreuung. Die Pflegekasse habe einen erheblichen Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung im Sinne des § 45a SGB XI anerkannt. Der Ehefrau des Antragstellers sei es aufgrund ihres Alters nicht mehr möglich, ihren Ehemann 24 Stunden alleine zu betreuen. Deswegen benötige sie dringend Hilfe durch eine weitere Pflegekraft. Dies insbesondere deshalb, weil die Pflegebedürftigkeit des Antragstellers täglich intensiver werde. Die Pflegestufe III sei bereits beantragt worden. Weiter habe die Anwesenheit von Hunden auf den Antragsteller eine beruhigende Wirkung. Zwar seien die Hunde des Antragstellers - nicht zuletzt aufgrund der Platzsituation - vom Amt für Sicherheit und Ordnung vorläufig in Obhut genommen worden. Nach Bezug einer neuen Wohnung sei jedoch beabsichtigt, unter Aufsicht eines sog. Hundepaten zumindest einen Hund wieder in Obhut der Familie zurückzugeben. Schon die Pflegesituation mit zwei erforderlichen Pflegepersonen mache eine Dreizimmerwohnung dringend erforderlich. Darüber hinaus hätte die Rückgabe zumindest eines Hundes bei einer Dreizimmerwohnung mehr Aussicht auf Erfolg ab mit einer Zweizimmerwohnung. Aus diesem Grund sei der Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juli 3025 insoweit angefochten, als darin die Angemessenheit der Wohnungsgröße lediglich auf zwei Wohnräume festgesetzt werde. Dem Antragsteller und seiner Ehefrau drohe am 24. September 2015 die Zwangsräumung. Die Angelegenheit sei daher eilbedürftig.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 26. August 2015 beantragt,
den Antrag auf einstweilige Anordnung abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei unbegründet, weil aus Sicht der Antragsgegnerin weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund bestehe. Der Antragsteller beantrage im Rahmen des Antragsverfahrens nach § 123 VwGO einen zusätzlichen Wohnraum für eine Pflegekraft. Demnach solle die angemessene Wohnungsgröße bereits im Rahmen des Antragsverfahrens nach § 123 VwGO auf drei Wohnräume festgesetzt werden, obwohl die Wohnungsgröße auch Streitgegenstand der anhängigen Klage sei. Aus Sicht der Antragsgegnerin sei eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausgeschlossen, zumal im vorliegenden Fall auch keine Eilbedürftigkeit vorliege. Im Ergebnis sei ein Mehrraumbedarf nicht nachgewiesen worden. Zudem stehe es dem Antragsteller frei, mit entsprechenden Nachweisen bezüglich der Pflegebedürftigkeit und der Notwendigkeit einer zusätzlichen Pflegeperson einen Änderungsantrag hinsichtlich der angemessenen Wohnungsgröße bei der Antragsgegnerin zu stellen. Aus Sicht der Antragsgegnerin würden sich aus der Antragsbegründung der Bevollmächtigten des Antragstellers keine Erkenntnisse ergeben, die zu einer anderen Entscheidung führen könnten.
Mit Beschluss vom 7. September 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr ihrer Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Vorliegend bleibt der auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ohne Erfolg, weil er auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.
Der Antragsteller begehrt in der Hauptsache die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn zusammen mit seiner Ehefrau für eine öffentlich geförderte Wohnung mit drei Wohnräumen mit einer Fläche ab 10 qm vorzumerken. Das identische Ziel verfolgt der Antragsteller auch mit seinem Eilantrag. Hieran ändert nichts, dass die im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebte Rechtsstellung unter der auflösenden Bedingung des Ergebnisses des Klageverfahrens stünde. Denn auch die vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt dem Antragsteller die mit dem Klageverfahren erstrebte Rechtsposition und stellt ihn vorweg so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 29.7.2015 - 8 ME 33/15 - juris Rn. 11 m. w. N.).
Ein solches Rechtsschutzziel widerspricht grundsätzlich der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258; B.v. 27.5.2004 - 1 WDS-VR 2/04 - juris) und kommt deshalb nur ausnahmsweise aus Gründen des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre, dass dem Antragsteller durch das Abwarten in der Hauptsache schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, B.v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69; BayVGH, B.v. 17.2.2014 - 7 CE 13.2514 - juris Rn. 8 ff.). Derartige schwere und unzumutbare Nachteile wurden vom Antragsteller weder vorgetragen noch ergeben sich diese derzeit nach Aktenlage.

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(1) Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten, und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können. Angebote zur Unterstützung im Alltag sind
- 1.
Angebote, in denen insbesondere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen mit allgemeinem oder mit besonderem Betreuungsbedarf in Gruppen oder im häuslichen Bereich übernehmen (Betreuungsangebote), - 2.
Angebote, die der gezielten Entlastung und beratenden Unterstützung von pflegenden Angehörigen und vergleichbar nahestehenden Pflegepersonen in ihrer Eigenschaft als Pflegende dienen (Angebote zur Entlastung von Pflegenden), - 3.
Angebote, die dazu dienen, die Pflegebedürftigen bei der Bewältigung von allgemeinen oder pflegebedingten Anforderungen des Alltags oder im Haushalt, insbesondere bei der Haushaltsführung, oder bei der eigenverantwortlichen Organisation individuell benötigter Hilfeleistungen zu unterstützen (Angebote zur Entlastung im Alltag).
(2) Angebote zur Unterstützung im Alltag beinhalten die Übernahme von Betreuung und allgemeiner Beaufsichtigung, eine die vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten stärkende oder stabilisierende Alltagsbegleitung, Unterstützungsleistungen für Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zur besseren Bewältigung des Pflegealltags, die Erbringung von Dienstleistungen, organisatorische Hilfestellungen oder andere geeignete Maßnahmen. Die Angebote verfügen über ein Konzept, das Angaben zur Qualitätssicherung des Angebots sowie eine Übersicht über die Leistungen, die angeboten werden sollen, und die Höhe der den Pflegebedürftigen hierfür in Rechnung gestellten Kosten enthält. Das Konzept umfasst ferner Angaben zur zielgruppen- und tätigkeitsgerechten Qualifikation der Helfenden und zu dem Vorhandensein von Grund- und Notfallwissen im Umgang mit Pflegebedürftigen sowie dazu, wie eine angemessene Schulung und Fortbildung der Helfenden sowie eine kontinuierliche fachliche Begleitung und Unterstützung insbesondere von ehrenamtlich Helfenden in ihrer Arbeit gesichert werden. Bei wesentlichen Änderungen hinsichtlich der angebotenen Leistungen ist das Konzept entsprechend fortzuschreiben; bei Änderung der hierfür in Rechnung gestellten Kosten sind die entsprechenden Angaben zu aktualisieren.
(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Anerkennung der Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne der Absätze 1 und 2 einschließlich der Vorgaben zur regelmäßigen Qualitätssicherung der Angebote und zur regelmäßigen Übermittlung einer Übersicht über die aktuell angebotenen Leistungen und die Höhe der hierfür erhobenen Kosten zu bestimmen. Beim Erlass der Rechtsverordnung sollen sie die gemäß § 45c Absatz 7 beschlossenen Empfehlungen berücksichtigen.
(4) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege mit mindestens Pflegegrad 2 können eine Kostenerstattung zum Ersatz von Aufwendungen für Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag unter Anrechnung auf ihren Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 erhalten, soweit für den entsprechenden Leistungsbetrag nach § 36 in dem jeweiligen Kalendermonat keine ambulanten Pflegesachleistungen bezogen wurden. Der hierfür verwendete Betrag darf je Kalendermonat 40 Prozent des nach § 36 für den jeweiligen Pflegegrad vorgesehenen Höchstleistungsbetrags nicht überschreiten. Zur Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 bedarf es keiner vorherigen Antragstellung. Die Anspruchsberechtigten erhalten die Kostenerstattung nach Satz 1 bei Beantragung der dafür erforderlichen finanziellen Mittel von der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen sowie im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von der Beihilfefestsetzungsstelle gegen Vorlage entsprechender Belege über Eigenbelastungen, die ihnen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Leistungen der Angebote zur Unterstützung im Alltag entstanden sind. Die Vergütungen für ambulante Pflegesachleistungen nach § 36 sind vorrangig abzurechnen. Im Rahmen der Kombinationsleistung nach § 38 gilt die Erstattung der Aufwendungen nach Satz 1 als Inanspruchnahme der dem Anspruchsberechtigten nach § 36 Absatz 3 zustehenden Sachleistung. Ist vor der Auszahlung der Kostenerstattung nach Satz 1 für den jeweiligen Kalendermonat bereits mehr Pflegegeld oder anteiliges Pflegegeld an den Pflegebedürftigen ausgezahlt worden, als er nach Berücksichtigung des Betrags der zu erstattenden Aufwendungen beanspruchen kann, wird der Kostenerstattungsbetrag insoweit mit dem bereits ausgezahlten Pflegegeldbetrag verrechnet. Beziehen Anspruchsberechtigte die Leistung nach Satz 1, findet § 37 Absatz 3 bis 5 und 7 bis 9 Anwendung; § 37 Absatz 6 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass eine Kürzung oder Entziehung in Bezug auf die Kostenerstattung nach Satz 1 erfolgt. Die Inanspruchnahme der Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags nach Satz 1 und die Inanspruchnahme des Entlastungsbetrags nach § 45b erfolgen unabhängig voneinander.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.