Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Mai 2014 - 16 S7 14.50227

published on 20/05/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Mai 2014 - 16 S7 14.50227
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Gericht

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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller, der nach eigenen Angaben sierra-leonischer Staatsangehöriger ist, begehrt die Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. März 2014.

Er reiste am 23. Mai 2013 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 12. Juni 2013 Asyl. Im Rahmen der Befragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) gab der Antragsteller an, dass er von Brüssel mit dem Zug nach Deutschland gereist sei.

Auf das Übernahmeersuchen des Bundesamtes vom 23. Dezember 2013 erklärten die belgischen Behörden mit Schreiben vom 6. Januar 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages des Antragstellers.

Mit Bescheid vom ... Februar 2014 erklärte das Bundesamt den Asylantrag für unzulässig. Die Abschiebung nach Belgien wurde angeordnet.

Mit bei Gericht am 19. März 2014 eingegangenem Schreiben vom selben Tag erhob die damalige Bevollmächtigte des Antragstellers Klage (M 16 K 14.50038) und stellte zeitgleich den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der Abschiebung nach Belgien anzuordnen (M 16 S 14.50039), den das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 27. März 2014 abgelehnt hat.

Am 13. Mai 2014 beantragte der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München,

unter Abänderung des Beschlusses vom 27. März 2014 (Az. M 16 S 14.50039) die aufschiebende Wirkung der Klage vom 19. März 2014 (Az. M 16 K 14.50038) gemäß § 80 Abs. 7 VwGO anzuordnen.

Zur Begründung führte er aus, dass das Landratsamt dem Antragsteller mit Schreiben vom 8. Mai 2014 mitgeteilt habe, dass wegen der Unzulässigkeit seines Asylantrags in Deutschland am 27. Mai 2014 die Rücküberstellung nach Belgien erfolgen solle. Der Antragsteller gehe davon aus, dass in Belgien kein Asylverfahren mehr durchgeführt werde, sondern er sofort nach Sierra Leone abgeschoben werde. Bisher sei nicht berücksichtigt worden, dass er unter Schlaflosigkeit und unter psychischen Problemen leide, die dringend einer Therapie bedürften. Deshalb habe er sich um einen entsprechenden Therapieplatz bei ... in ... bemüht, dort allerdings wegen Platzmangels eine Absage erhalten. Im Falle einer Rückführung nach Belgien und der damit verbundenen Abschiebung nach Sierra Leone wäre ihm die Möglichkeit der ärztlichen Behandlung genommen. Im Übrigen nehme er Bezug auf den bisherigen Vortrag seiner damaligen Bevollmächtigten und die dem Gericht vorgelegten Schreiben des Landratsamtes ... vom ... Mai 2014 sowie von ... vom ... April 2014 sowie eines Zertifikats des Vereins ... e.V. ... von April 2014 über den Besuch eines Alphabetisierungskurses und des Nachweises des ... e.V. vom ... Januar 2014 über den Besuch des Kurses Deutsch Lernen und Erstorientierung für Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Bayern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gründe des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 27. März 2014 (Az. M 16 S 14.50039) Bezug genommen sowie auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden und in den Verfahren M 16 K 14.50038 und M 16 S 14.50039 verwiesen.

II.

Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 27. März 2014 (M 16 S 14.50039) und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid vom ... Februar 2014 hat keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Solche Umstände sind in erster Linie bei einer tatsächlichen Änderung der Sach- und Rechtslage, der Prozesslage durch neue Fakten oder einer Änderung der Beweislage nach Erlass des vorangegangenen Beschlusses gegeben (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 80 Rn. 196 f.). Erfasst werden lediglich entscheidungserhebliche Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art (Schoch in ders./Schneider/Bier, VwGO, 25. EL 2013, § 80 Rn. 585).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller, was die Umstände des Asylverfahrens in Belgien betrifft, keine neuen Umstände vorgetragen. Im Beschluss vom ... März 2014 wurde der Einwand des Antragstellers, es werde in Belgien kein Asylverfahren durchgeführt und er werde nach Sierra Leone abgeschoben, umfassend gewürdigt. Dort wurde ausgeführt, dass die Tatsache, dass der zuständige Mitgliedstaat nach bestandskräftiger Ablehnung des dort gestellten Asylantrags den Asylbewerber in sein Heimatland zurückführt, keine Ausnahme vom Verbot der Aussetzung der Abschiebung nach Belgien rechtfertigen würde. Dabei ist hier insbesondere maßgeblich, dass der Antragsteller nach der Übernahmeerklärung der belgischen Behörden vom 6. Januar 2014 bereits ein Asylverfahren in Belgien durchlaufen hat, welches negativ abgeschlossen wurde (s. den Verweis auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-Verordnung). Im Übrigen sind keine hinreichende Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Belgien aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär wären, dass anzunehmen wäre, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14; zu Belgien VG Augsburg, B.v. 8.4.2014 - Au 7 S 14.30260 - juris Rn. 39 ff. m. w. N.).

Auch sonstige außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ausnahmsweise eine eigene Prüfungspflicht der Bundesrepublik Deutschland begründen könnten, sind weiterhin nicht ersichtlich. Solche Gründe liegen insbesondere auch nicht deswegen vor, weil dem Antragsteller in Belgien aufgrund des negativen Ausgangs seines dortigen Asylverfahrens die Abschiebung in sein Heimatland droht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 2. April 2013 (Az. 27725/10 - ZAR 2013, 336, 337) insofern ausdrücklich festgehalten, dass die Konvention Ausländern, die von einer Ausweisung betroffen sind, grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel gewährt, im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren, die vom ausweisenden Staat zur Verfügung gestellt wird. Nach einer negativen Entscheidung kann der Asylbewerber in Belgien gerichtlich gegen diese vorgehen. Ist der Asylantrag des Antragstellers rechtskräftig abgelehnt worden, folgt daraus für den Antragsteller auch die Ausreisepflicht (vgl. Generalkommissariat für Flüchtlinge und Staatenlose, Asyl in Belgien, 2010, S. 11).

Auch durch die vom Antragsteller vorgetragene Schlaflosigkeit und die behaupteten psychischen Probleme sind keine neuen Umstände geltend gemacht, aufgrund derer die Sach- und Rechtslage im Vergleich zum früheren Aussetzungsverfahren abweichend zu beurteilen wäre. Hinsichtlich der vorgetragenen Schlaflosigkeit fehlt es schon an einem Krankheitswert. Zudem ist nicht konkret dargelegt, welche psychischen Probleme der Antragsteller hat, zumal jeglicher Nachweis einer etwaigen Erkrankung fehlt. Aus dem Schreiben von ... vom ... April 2014 geht lediglich hervor, dass der Antragsteller aufgrund der hohen Nachfrage bisher keinen Therapieplatz erhalten hat. Im Übrigen lassen sich aus dem Vortrag des Antragstellers keine Anhaltspunkte entnehmen, die gegen seine Reisefähigkeit, die vorliegend vom Bundesamt zu prüfen ist (vgl. BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris), sprechen würden.

Der Vortrag, er habe sich um einen Therapieplatz bei ... beworben, habe bisher aber keinen Platz erhalten, greift nicht durch. Eine etwaige Erkrankung des Antragstellers, die er wie eben ausgeführt nicht hinreichend dargelegt hat, könnte auch in Belgien ausreichend medizinisch behandelt werden (vgl. VG Augsburg, B. v. 13.2.2014 - Au 7 S 14.30057 - juris). Es ist nicht näher nachvollziehbar dargelegt, dass eine etwaige Behandlung gerade nur in der Bundesrepublik und nicht auch in Belgien möglich ist.

Die unter Vorlage zweier Bestätigungen des Vereins ... e.V. ... von April 2014 und des ... e.V. vom ... Januar 2014 vorgetragenen Besuche eines Alphabetisierungs- und Deutschkurses stellen keine im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Umstände dar.

Nach alldem ist der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG abzulehnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
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published on 22/06/2015 00:00

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht München Aktenzeichen: M 16 K 14.50038 Im Namen des Volkes Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2015 16. Kammer Sachgebiets-Nr. 710 Hauptpunkte: Dublin-II-Verfahren;
published on 12/03/2014 00:00

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,-- Euro festgesetzt. Gründe
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Annotations

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.