Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 05. Juni 2012 - 11 A 25/11

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2012:0605.11A25.11.0A
bei uns veröffentlicht am05.06.2012

Gründe

I.

1

Die Antragsteller fechten die am 30. und 31. August 2011 bei dem Landkreis B. durchgeführte Personalratswahl mit der Begründung an, dass ihnen – trotz ihrer Funktion als Amts- oder Sachgebietsleiter – das passive Wahlrecht (Wählbarkeit) zugestanden hätte und immer noch zustehe.

2

Die Antragsteller sind Beschäftigte des Landkreises B.: Die Antragstellerin zu 1. (A.) ist Oberamtsrätin (LBesG A 13). Sie ist Leiterin des Finanzverwaltungsamtes (Amt 20). Ihr sind zwei Sachgebietsleiter unterstellt. Das Finanzverwaltungsamt (Amt 20) ist vom Rechnungs- und Kommunalprüfungsamt (Amt 14) getrennt. Die übrigen Antragsteller sind nicht verbeamtet; sie sind Angestellte des Landkreises B.. Der Antragsteller zu 2. (C.) ist im Ordnungsamt (Amt 32) beschäftigt. Dort gibt es einen Amtsleiter und zwei Sachgebietsleiter. Er ist einer der beiden Sachgebietsleiter. Der Antragsteller zu 3. (E.) ist im Brand- und Katastrophenschutzamt (Amt 38) tätig. Dort gibt es eine Amtsleiterstelle und vier Sachgebietsleiterstellen. Im Zeitpunkt der Wahl waren aber nur drei Sachgebietsleiterstellen besetzt. Die Antragstellerin zu 4. (G.) ist Sachgebietsleiterin im Schul- und Kulturamt (Amt 40). Der Antragsteller zu 5. (I.) ist Leiter des Schul- und Kulturamtes (Amt 40). Ihm sind zwei Sachgebietsleiter (zum Beispiel Frau G.) unterstellt. Die Antragstellerin zu 6. (K.) ist Sachgebietsleiterin im Sozialamt (Amt 50). Das Sozialamt hat eine Amtsleiterin und drei Sachgebietsleiterinnen.

3

Die Verwaltung des Landkreises B. ist hierarchisch aufgebaut: An der Spitze steht der Landrat; darunter stehen vier Dezernenten; dann kommen die Amtsleiter; ihnen nachgeordnet sind die Sachgebietsleiter. Im Zeitpunkt der Wahl gab es – von der Sonderstellung, die das Rechnungs- und Kommunalprüfungsamt gemäß § 98 Abs. 2 PersVG LSA einnimmt, einmal abgesehen – mindestens 15 Amtsleiterstellen und rund 40 Sachgebietsleiterstellen.

4

Ob diese Amts- und Sachgebietsleiter „zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind“ und aus diesem Grund von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind (§ 14 Abs. 3 PersVG LSA), ist strittig.

5

Der beteiligte Landrat behauptet, aus der „Handreichung für Führungskräfte“, die in der Amtsleiterberatung am 13. April 2011 verteilt worden sei, ergebe sich, dass alle Amts- und Sachgebietsleiter (also alle Antragsteller) „Abmahnungsberechtigte“ seien. Aus diesem Grund seien sie „zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt“ (§§ 14 Abs. 3 und 68 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA) und kraft Gesetzes (§ 14 Abs. 3 PersVG LSA) von der Wählbarkeit ausgeschlossen.

6

Im Juni 2011 löste der Personalrat durch seinen mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschlossenen Rücktritt „Wahlen außerhalb der Wahlperiode“ (§ 26 PersVG LSA) aus.

7

Anfang Juli 2011 bestellte der amtierende Personalrat die Mitglieder des Wahlvorstandes. In der ersten Sitzung des Wahlvorstandes wurde der Wahltag auf den 30. und 31. August 2011 festgelegt. Mitte Juli 2011 wurde vom Wahlvorstand die Frage erörtert, ob Amts- und Sachgebietsleiter, die personelle Verantwortung trügen, wählbar seien oder nicht. Nach Einholung von Stellungnahmen und Auswertung von Gerichtsentscheidungen gelangte der Wahlvorstand zu der Überzeugung, dass Amts- und Sachgebietsleiter Abmahnungsberechtigte seien und Verantwortung in den Bereichen Personalauswahl und Aus- und Fortbildung trügen.

8

Am 29. Juli 2011 fasste der Wahlvorstand folgenden Beschluss:

9

„1. Der Wahlvorstand für die PR-Wahl 2011 wird die Wahlvorschläge für ungültig erklären, auf denen Amtsleiter und Sachgebietsleiter kandidieren. Die Wahlvorschläge werden mit Empfangsbestätigung zurückgegeben. Bis zum Ende der achtzehnkalendertägigen Einreichungsfrist am 05. August 2011 können gültige Wahlvorschläge eingereicht werden.

10

2. Diese Entscheidung des Wahlvorstandes wird am Montag, 01.08.2011 den Ersatzmitgliedern des WV per E-Mail, im Intranet und an den Bekanntmachungsstandorten allen Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben. Damit können Wahlvorschläge noch entsprechend korrigiert werden.

11

3. Der erste am 28.07.2011 von ver.di vorgelegte Wahlvorschlag wird für ungültig erklärt und mit Empfangsbestätigung zurückgegeben.

12

4. Begründung: Bewerber Herr I. ist Sachgebietsleiter.

13

5. Der zweite, am 29.07.2011 von Frau A. vorgelegte Wahlvorschlag wird für ungültig erklärt und mit Empfangsbestätigung zurückgegeben.

14

6. Begründung: Frau A. ist Amtsleiterin.“

15

Am 02. August 2011 wurde von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ein geänderter Wahlvorschlag für die Gruppe der Arbeitnehmer eingereicht, auf dem kein Amts- oder Sachgebetsleiter kandidierte. Dieser (geänderte) Wahlvorschlag wurde als gültig gewertet.

16

Am 03. August 2011 wurde für die Gruppe der Beamten ein abgeänderter Wahlvorschlag unter dem Kennwort „E.“ eingereicht, auf dem kein Amts- oder Sachgebietsleiter kandidierte. Dieser (geänderte) Wahlvorschlag wurde als gültig gewertet. .

17

Auch drei weitere, für die Gruppe der Arbeitnehmer abgegebene Wahlvorschläge mit den Kennwörtern „Am Start“, „Neue Optionen“ und „M./H./B./E.“ wurden als gültig angesehen, obwohl auf dem Wahlvorschlag mit dem Kennwort „Neue Option“ Frau D., Fachbereichsleiterin KVHS, kandidierte.

18

Der Wahlvorschlag mit dem Kennwort „Gemeinsam Stark! – E., K. und C.“ wurde als ungültig eingestuft, weil alle drei Bewerber (die Antragsteller zu 2., 3. und 6.) aufgrund ihrer Funktion als Sachgebietsleiter oder Sachgebietsleiterin nicht wählbar seien.

19

Der Wahlvorschlag mit dem Kennwort „M./G./H./B./E.“ wurde als ungültig behandelt, weil Frau G. (Antragstellerin zu 4.) als Sachgebietsleiterin nicht wählbar sei.

20

Am 30. und 31. August 2011 fand die Personalratswahl statt. Es waren 847 Beschäftigte wahlberechtigt, davon 75 Beamte. Es waren 11 Personalratsmitglieder zu wählen, davon ein Mitglied für die Gruppe der Beamten. Es wurden 537 Stimmen abgegeben, davon 29 Stimmzettel für die Gruppe der Beamten. Für die Gruppe der Arbeitnehmer lagen vier (als gültig gewertete) Wahlvorschlagslisten vor. Auf die Wahlvorschlagsliste „Am Start“ entfielen vier Sitze; auf die drei übrigen Wahlvorschlagslisten entfielen jeweils zwei Sitze.

21

Am 01. September 2011 wurde das Wahlergebnis durch Aushang bekanntgegeben. In der Kreisvolkshochschule in O. hing die Bekanntmachung in der Zeit vom 01. bis zum 07.09.2011 aus. An den übrigen Bekanntmachungsorten hing die Bekanntmachung des Wahlergebnisses bis zum Ende der Anfechtungsfrist aus (wenigstens bis zum 16.09.2011).

22

Am 15. September 2011 haben die Antragsteller die Wahl angefochten. Sie meinen, dass ihnen das passive Wahlrecht nicht hätte abgesprochen werden dürfen. Sie würden nicht zu den Personen gehören, die „zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt“ seien.

23

Die Antragsteller beantragen,

24

die Wahl zum Personalrat des Landkreises B. vom 30. und 31. August 2011 für unwirksam zu erklären.

25

Der beteiligte Personalrat und die beteiligte Dienststellenleitung stellen keinen Antrag.

26

Die beteiligte Dienststellenleitung macht geltend, dass die Amts- und Sachgebietsleiter (also alle Antragsteller) zu den „Abmahnungsberechtigten“ gehören würden und als solche „zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt“ seien. Darüber hinaus enthalte der – nicht vorgelegte – Aufgabengliederungsplan Grundsätzliches zur Leitungstätigkeit von Amts- und Sachgebietsleitern. Dazu gehörten insbesondere die Mitwirkung und Entscheidung bei der Personalauswahl, die Vertretung gegenüber dem Personalrat, soweit nicht eine zentrale Stelle die Dienststellenfunktion wahrnehme.

27

Am 04. Juni 2012 hat das Gericht – per Fax – mehrere Fragen an die Beteiligten gerichtet und um Vorlage der „Handreichung für Führungskräfte“ gebeten. Aufgrund eines (behördeninternen) Kommunikationsproblems haben die Vertreter der Beteiligten zu 1. und 2. vor dem Termin (05. Juni 2012) keine Kenntnis von dem Fax erlangt. Die Fragen sind im Termin erörtert worden; und das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Rechtsstreit trotz des Fehlens der „Handreichung für Führungskräfte“ entscheidungsreif sei.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Verfahrensakte 11 A 3/10 MD und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

II.

29

Die am 30. und 31. August 2011 bei dem Landkreis B. durchgeführte Wahl zum Personalrat ist für unwirksam (ungültig) zu erklären, weil der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller statthaft und zulässig (1.) und auch begründet (2.) ist.

30

1. Gemäß § 27 Abs. 1 PersVG LSA können mindestens drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft, jeder entsprechend vertretene Berufsverband oder die Leitung der Dienststelle binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

31

Unter Berücksichtigung dieser Vorschrift ist der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller statthaft und zulässig. Die Antragsteller sind Wahlberechtigte und erfüllen das so genannte Quorum (mindestens drei Wahlberechtigte). Sie haben die Wahl innerhalb der Ausschlussfrist („binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet“) bei dem zuständigen Verwaltungsgericht angefochten. Das Wahlergebnis wurde am 01. September 2011 bekanntgegeben. Bis zum Ablauf der 14-tägigen Frist haben die Antragsteller den Wahlanfechtungsantrag bei Gericht eingereicht (Eingang 15.09.2011).

32

2. Der Wahlanfechtungsantrag ist auch begründet. Die am 30. und 31. August 2011 durchgeführte Personalratswahl leidet an einem Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit, weil vier Wahlvorschläge, auf denen Amts- bzw. Sachgebietsleiter kandidierten, zu Unrecht als ungültig gewertet und zurückgegeben bzw. zurückgewiesen wurden.

33

Gemäß § 104 Abs. 1 und 2 PersVG LSA ist die Landesregierung ermächtigt, durch Verordnung eine Wahlordnung für die Wahlen zu den Personalvertretungen zu erlassen, die insbesondere Vorschriften über die Behandlung von Vorschlagslisten enthält.

34

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 WO PersVG LSA sind Wahlvorschläge „insbesondere“ ungültig, wenn sie nicht fristgerecht eingereicht wurden oder Kandidaten enthalten, die gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 WO PersVG LSA i. V. m. § 14 Abs. 3 PersVG LSA nicht wählbar sind. Gemäß § 14 Abs. 3 PersVG LSA „sind die in § 7 genannten Personen sowie Beschäftigte, die zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind“, nicht wählbar.

35

Zu den in § 7 PersVG LSA genannten Personen gehören insbesondere der Leiter oder die Leiterin der Dienststelle (§ 7 Abs. 1 PersVG LSA) sowie deren ständige Vertreter (§ 7 Abs. 1 Satz 2 PersVG LSA). Darüber hinaus kann sich die Dienststellenleitung – vom Fall der Verhinderung einmal abgesehen – „durch sie ständig vertretene oder in der Sache entscheidungsbefugte Beschäftigte vertreten lassen, wenn die Personalvertretung zustimmt“.

36

Die Antragsteller, die auf den (zurückgewiesenen) Wahlvorschlägen kandidierten, gehör(t)en nicht zu den in § 7 PersVG LSA genannten Personen. Sie sind, obwohl Amts- oder Sachgebietsleiter, nicht die Leitung der Dienststelle; denn die kommunalen Gebietskörperschaften stellen – im personalvertretungsrechtlichen Sinne – eine einzige einheitliche Dienststelle dar, an deren „Spitze“ der Landrat, der Bürgermeister, der Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes der Verwaltungsgemeinschaft, die Betriebsleitung des Eigenbetriebs oder der Verbandsgeschäftsführers des Zweckverbandes stehen (§ 98 Abs. 1 PersVG LSA).

37

Ebenso wenig gehören die Antragsteller zu den Personen, die gemäß § 14 Abs. 3 PersVG LSA nicht wählbar sind. Danach sind Beschäftigte, „die zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind“, nicht wählbar. Die Vorschrift schließt Beschäftigte von der Wählbarkeit aus, um Interessen- und Pflichtenkollisionen zu vermeiden. Wer „zu selbständigen Entscheidung von Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt“ ist, soll sich mit diesen Maßnahmen, die er in Gang gesetzt hat, nicht als Personalratsmitglied befassen müssen oder befassen dürfen. Er soll sich nicht selbst kontrollieren müssen oder kontrollieren dürfen.

38

Die in § 14 Abs. 3 PersVG LSA zur Umschreibung des von der Wählbarkeit ausgeschlossenen Personenkreises benutzte Formulierung („zu selbstständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt“) ist dieselbe, die der Bundesgesetzgeber verwendet hat, um für das Bundespersonalvertretungsgesetz den vom Wählbarkeitsausschluss betroffenen Personenkreis zu umschreiben (§ 14 Abs. 3 BPersVG). Von daher ist es gerechtfertigt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 14 Abs. 3 BPersVG in den Blick zu nehmen, zumal das Personalvertretungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (anders als das Berliner Personalvertretungsgesetz) eine ähnlich einheitliche Terminologie und Systematik aufweist wie das Bundespersonalvertretungsgesetz, was sich auch in den Vorschriften (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA und § 77 Abs. BPersVG) widerspiegelt, die den Mitbestimmungsausschluss bei der Einstellung oder Ernennung von Entscheidungsträgern betreffen.

39

Für das Bundespersonalvertretungsgesetz hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 11. März 1982, 6 P 8/80, veröffentlicht in Juris, entschieden, dass der Begriff der Personalangelegenheiten in § 14 Abs. 3 BPersVG mit dem in anderen Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes wortgleich verwandten Begriff identisch ist und nur die in § 75Abs. 1 und § 76Abs. 1 BPersVG aufgezählten Angelegenheiten erfasst.

40

Nach den §§ 75 Abs. 1 und 76 Abs. 1 BPersVG hat der Personalrat „in Personalangelegenheiten der Arbeitnehmer“ bzw. „in Personalangelegenheiten der Beamten“ mitzubestimmen. Nach dem Wortlaut des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) führt eine Entscheidungsbefugnis in „sozialen Angelegenheiten“ (§ 75 Abs. 2 BPersVG) oder in Angelegenheiten, die durch eine Dienstvereinbarung (§ 75 Abs. 3 und 76 Abs. 2 BPersVG) geregelt werden sollen, nicht zum Wählbarkeitsausschluss.

41

Dasselbe gilt für Beschäftigte, die zur Abgabe dienstlicher Beurteilungen und zur Erteilung von Urlaub und Dienstbefreiung befugt sind. Sie bleiben wählbar, weil sie keine Entscheidungsbefugnis haben, die die in den §§ 75 Abs. 1 und 76 Abs. 1 BPersVG aufgelisteten „Personalangelegenheiten“ der Arbeitnehmer und Beamten betreffen (BVerwG, 6. Senat, Beschlüsse vom 11 März 1980 und vom 10. Mai 1982, 6 P 8/80 und 6 P 2/81, beide veröffentlicht in Juris).

42

Für das Berliner Personalvertretungsgesetz, das keine dem Bundespersonalvertretungsgesetz vergleichbare Terminologie und Systematik enthält, hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung vom 22. Juni 2005, 6 B 2 /05, veröffentlicht in Juris, entschieden, dass die Dienstkraft von der Wählbarkeit ausgeschlossen ist,

43

die „die Kompetenz zu Maßnahmen hat, die zwischen Dienststelle und Personalrat förmlich zu verhandeln sind. Dies trifft auf die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 86 Abs. 3, §§ 87, 88 BlnPersVG zu, aber auch auf die Mitwirkungsangelegenheiten nach § 90 Nrn. 7 und 8 BlnPersVG. Auch das Mitwirkungsverfahren ist förmlich geregelt. Es garantiert dem Personalrat Erörterungs-, Einwendungs- und Initiativrechte (§ 79 Abs. 4, § 84 BlnPersVG). Es macht keinen Sinn, mit dem Dienststellenleiter über dienstliche Beurteilungen und disziplinarische Maßnahmen unter Beteiligung eines Personalratsmitglieds zu verhandeln, welchem für eben diese Maßnahmen dienststellenintern die Entscheidungskompetenz zusteht.“

44

Für das Personalvertretungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt liegt noch keine obergerichtliche Entscheidung vor. Ungeachtet dessen lässt sich – wie schon gezeigt – feststellen, dass das Personalvertretungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt eine dem Bundespersonalvertretungsgesetz vergleichbare Terminologie und Systematik aufweist. Das Personalvertretungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt nimmt dieselben Abgrenzungen vor. Es unterscheidet zwischen „Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten“ (§ 65 PersVG LSA) und „Mitbestimmung in Angelegenheiten der Beamten“ (§ 66 PersVG LSA) und Mitbestimmung in Angelegenheiten der Arbeitnehmer“ (§ 67 PersVG LSA). Und innerhalb der zuletzt genannten Vorschriften werden die „Personalangelegenheiten“ aufgelistet, die mitbestimmungspflichtig sind.

45

Eine (beabsichtigte) Abmahnung gehört nicht zu den mitbestimmungspflichtigen Personalangelegenheiten im Sinne des § 67 Abs. 1 PersVG LSA. Eine (beabsichtigte) Abmahnung ist in § 67Abs. 2 PersVG LSA berücksichtigt, der den Begriff „Personalangelegenheiten“ nicht verwendet. Die (beabsichtigte) Abmahnung ist von der Dienststellenleitung (also nicht von einem Amts- oder Sachgebietsleiter) zu begründen (§ 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA) und dem Personalrat zu übermitteln, damit der Personalrat von seinem Anhörungsrecht (§ 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA) Gebrauch machen und eventuelle Bedenken innerhalb von drei Arbeitstagen anmelden kann (§ 67 Abs. 2 Satz 3 PersVG LSA). Ein „förmliches Verhandeln“ – eine Erörterung der (beabsichtigten) Abmahnung und erhobenen Bedenken – findet nicht statt (Reich: Kommentar zum Personalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, 5. Auflage, 2007, § 67 Rdnrn. 15 und 16).

46

Da die (bloße) Abmahnungsberechtigung im Gegensatz zur Kündigungsbefugnis (§ 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA) keine Befugnis zu selbständigen Entscheidungen in „Personalangelegenheiten der Dienststelle“ begründet und – zudem – zwischen Dienststelle und Personalratnicht „förmlich zu verhandeln“ ist, durfte den Antragstellern die Wählbarkeit nicht abgesprochen werden, zumal sie ja auch keine Position bekleiden, bei der das Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen ist (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA). Die Annahme einer „Spiegelbildlichkeit“ der in den §§ 14 Abs. 3 und 68 Abs. 1 Nr. PersVG LSA normierten Tatbestände ist gerechtfertigt (BVerwG, 6. Senat, Beschluss vom 11. März 1980, 6 P 8/80, veröffentlicht in Juris).

47

Selbständig tragend kommt hinzu, dass die Antragsteller und die übrigen Amts- und Sachgebietsleiter keine Abmahnungsberechtigte im Rechtssinne sind. Eine Abmahnungsberechtigung setzt vor, dass die Befugnis, eine arbeits- und personalvertretungsrechtlich relevante Abmahnung aussprechen zu dürfen, von der Leitung der Dienststelle „nach unten“ delegiert worden ist. Es ist zwar denkbar, dass der Landrat seine Abmahnungsberechtigung in der Weise delegiert, dass er – wenn nötig – die Dezernenten abmahnt und dass die Dezernenten die Amtsleiter, die Amtsleiter die Sachgebietsleiter und die Sachgebietsleiter die Sachbearbeiter abmahnen; aber zweckmäßig wäre es nicht, weil die Begründungspflicht dem Landrat als Dienststellenleiter obliegt (§ 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA). Schon das spricht gegen eine Abmahnungsberechtigung der Antragsteller.

48

In jedem Fall erfordert die Anerkennung einer arbeits- und personalvertretungsrechtlich relevanten Abmahnungsberechtigung einen Übertragungsakt. Ein solcher Übertragungsakt ist zwar – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – an keine bestimmte Form gebunden; er muss aber stattgefunden und sich in irgendeiner Form manifestiert haben und sei es auch nur in einer geduldeten Verwaltungspraxis.

49

Ein solcher Übertragungsakt ist nicht feststellbar. Ein förmlicher (schriftlicher) Übertragungsakt existiert nicht. Im (internen) Recht des Landkreises gibt es keine (verbindliche) Regelung zur Abmahnung. Die „Handreichung für Führungskräfte“ ist nur unter Amtsleitern verteilt worden (Schreiben des Beteiligten zu 2. vom 02. November 2011). Die in diesem Schreiben vom 02. November 2011 zitierte Definition („abmahnungsberechtigt ist, wer verbindliche Anweisungen über Ort, Zeit, Art und Weise der Arbeitsleistung geben kann“) deckt die arbeits- und personalvertretungsrechtlich relevante Abmahnung als „Vorstufe zur Kündigung“ nicht. Es existiert auch keine (geduldete) Verwaltungspraxis, die den Amts- oder Sachgebietsleitern die Befugnis einräumt, arbeits- und personalvertretungsrechtlich relevante Abmahnung als „Vorstufe zur Kündigung“ auszusprechen. Es gibt noch keine, von einem Amts- oder Sachgebietsleiter ausgesprochene Androhung einer Kündigung, die die Voraussetzungen einer Abmahnung (Hinweis-, Androhungs- und Dokumentationsfunktion) erfüllt (zum Vorstehenden: Bieler/Vogelgesang/Plaßmann/Kleffner: Kommentar zum Landespersonalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt, Rdnr. 167 zu § 67).

50

Nach alledem bleibt festzustellen, dass die Antragsteller und die übrigen Amts- und Sachgebietsleiter des Landkreises B. keine Abmahnungsberechtigte sind, weil nicht jedes Kritik-, Beanstandungs- oder Rügerecht mit der Befugnis gleichzusetzen ist, arbeits- und personalvertretungsrechtlich relevante Abmahnungen als „Vorstufe zur Kündigung“ auszusprechen.

51

Mithin musste dem Wahlanfechtungsantrag stattgegeben werden, weil den Antragstellern das passive Wahlrecht zu Unrecht abgesprochen worden ist.

52

Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 2 GKG).

53

Eine weitergehende Kostenentscheidung ergeht in landespersonalvertretungsrechtlichen Streitigkeiten nicht, weil die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten keine Frage des Obsiegens oder Unterliegens, keine Frage des Prozessrechts, sondern des materiellen Rechts ist.

54

Der Wert des Gegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.


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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 05. Juni 2012 - 11 A 25/11 zitiert 6 §§.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 2 Kostenfreiheit


(1) In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlich

Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG 2021 | § 75 Bindung an die Beschlüsse der Einigungsstelle


(1) Der Beschluss der Einigungsstelle bindet die Beteiligten mit Ausnahme der in den Absätzen 2 und 3 geregelten Fälle. (2) Die oberste Dienstbehörde kann einen Beschluss der Einigungsstelle in Angelegenheiten, die im Einzelfall wegen ihrer Auswi

Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG 2021 | § 77 Initiativrecht des Personalrats


(1) Beantragt der Personalrat eine Maßnahme, die nach den §§ 78 bis 80 seiner Mitbestimmung unterliegt, so hat er sie schriftlich oder elektronisch der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle vorzuschlagen und zu begründen. (2) Die Leiterin ode

Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG 2021 | § 14 Wahlberechtigung


(1) Wahlberechtigt sind Beschäftigte, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, dass sie 1. infolge Richterspruchs das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, nicht besitzen,2. am Wahltag seit mehr als

Referenzen

(1) Wahlberechtigt sind Beschäftigte, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, dass sie

1.
infolge Richterspruchs das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, nicht besitzen,
2.
am Wahltag seit mehr als zwölf Monaten beurlaubt sind oder
3.
Altersteilzeit im Blockmodell ausüben und sich am Wahltag in der Freistellung befinden.

(2) Wer zu einer Dienststelle abgeordnet ist, wird dort wahlberechtigt, sobald die Abordnung länger als drei Monate gedauert hat; im gleichen Zeitpunkt verliert er das Wahlrecht in der bisherigen Dienststelle. Das gilt nicht für Beschäftigte, die als Mitglieder einer Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrats freigestellt sind. Satz 1 gilt ferner nicht, wenn feststeht, dass die oder der Beschäftigte binnen weiterer neun Monate zur bisherigen Dienststelle zurückkehren wird. Hinsichtlich des Verlustes des Wahlrechts in der bisherigen Dienststelle gelten die Sätze 1 und 3 entsprechend in Fällen einer Zuweisung nach § 29 des Bundesbeamtengesetzes, nach den tarifvertraglichen Bestimmungen oder auf Grund entsprechender arbeitsvertraglicher Vereinbarung.

(3) Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in entsprechender Berufsausbildung sind nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt.

(1) Beantragt der Personalrat eine Maßnahme, die nach den §§ 78 bis 80 seiner Mitbestimmung unterliegt, so hat er sie schriftlich oder elektronisch der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle vorzuschlagen und zu begründen.

(2) Die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle soll über den Antrag nach Absatz 1 innerhalb von sechs Wochen unter Angabe der Gründe entscheiden oder, wenn die Einhaltung der Frist nicht möglich ist, einen Sachstandshinweis erteilen. Entspricht die Leiterin oder der Leiter der Dienststelle dem Antrag nicht oder nicht in vollem Umfang, so bestimmt sich das weitere Verfahren

1.
in den Fällen des § 78 Absatz 1 Nummer 12, des § 79 Absatz 1 Nummer 4 und 5 sowie des § 80 Absatz 1 Nummer 1, 3, 4, 6 bis 9, 14, 16, 18 und 21 nach den §§ 71 bis 75,
2.
in den übrigen Angelegenheiten nach § 71 mit der Maßgabe, dass die oberste Dienstbehörde endgültig entscheidet.

(1) Wahlberechtigt sind Beschäftigte, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, dass sie

1.
infolge Richterspruchs das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, nicht besitzen,
2.
am Wahltag seit mehr als zwölf Monaten beurlaubt sind oder
3.
Altersteilzeit im Blockmodell ausüben und sich am Wahltag in der Freistellung befinden.

(2) Wer zu einer Dienststelle abgeordnet ist, wird dort wahlberechtigt, sobald die Abordnung länger als drei Monate gedauert hat; im gleichen Zeitpunkt verliert er das Wahlrecht in der bisherigen Dienststelle. Das gilt nicht für Beschäftigte, die als Mitglieder einer Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrats freigestellt sind. Satz 1 gilt ferner nicht, wenn feststeht, dass die oder der Beschäftigte binnen weiterer neun Monate zur bisherigen Dienststelle zurückkehren wird. Hinsichtlich des Verlustes des Wahlrechts in der bisherigen Dienststelle gelten die Sätze 1 und 3 entsprechend in Fällen einer Zuweisung nach § 29 des Bundesbeamtengesetzes, nach den tarifvertraglichen Bestimmungen oder auf Grund entsprechender arbeitsvertraglicher Vereinbarung.

(3) Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in entsprechender Berufsausbildung sind nur bei ihrer Stammbehörde wahlberechtigt.

(1) Der Beschluss der Einigungsstelle bindet die Beteiligten mit Ausnahme der in den Absätzen 2 und 3 geregelten Fälle.

(2) Die oberste Dienstbehörde kann einen Beschluss der Einigungsstelle in Angelegenheiten, die im Einzelfall wegen ihrer Auswirkungen auf das Gemeinwesen wesentlicher Bestandteil der Regierungsgewalt sind, innerhalb von vier Wochen nach dessen Zustellung ganz oder teilweise aufheben und in der Angelegenheit endgültig entscheiden. Die Aufhebung und deren Gründe sind der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden der Einigungsstelle sowie den beteiligten Dienststellen und Personalvertretungen unverzüglich schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.

(3) In den Fällen des § 78 Absatz 1 und des § 80 Absatz 1 Nummer 10 bis 13 und 19 bis 21 beschließt die Einigungsstelle, wenn sie sich nicht der Auffassung der obersten Dienstbehörde anschließt, eine Empfehlung an diese. Die oberste Dienstbehörde entscheidet sodann endgültig.

(1) In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen. In Verfahren der Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen ist maßgebend, wer ohne Berücksichtigung des § 252 der Abgabenordnung oder entsprechender Vorschriften Gläubiger der Forderung ist.

(2) Für Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2a Absatz 1, § 103 Absatz 3, § 108 Absatz 3 und § 109 des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie nach den §§ 122 und 126 der Insolvenzordnung werden Kosten nicht erhoben.

(3) Sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, bleiben unberührt. Landesrechtliche Vorschriften, die für diese Verfahren in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren, bleiben unberührt.

(4) Vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den Gerichten für Arbeitssachen finden bundesrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften über persönliche Kostenfreiheit keine Anwendung. Vorschriften über sachliche Kostenfreiheit bleiben unberührt.

(5) Soweit jemandem, der von Kosten befreit ist, Kosten des Verfahrens auferlegt werden, sind Kosten nicht zu erheben; bereits erhobene Kosten sind zurückzuzahlen. Das Gleiche gilt, soweit eine von der Zahlung der Kosten befreite Partei Kosten des Verfahrens übernimmt.