Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 28. Okt. 2015 - B 4 K 13.286
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem eine Vorauszahlung auf die (gesplittete) Abwassergebühr für das Jahr 2011 festgesetzt wurde.
Der Kläger ist Eigentümer des bebauten Grundstücks Flnr.... der Gemarkung .... Die Beklagte bildet zusammen mit vier weiteren Gemeinden den Abwasser- und Gewässerunterhaltungsverband (AGV) ... .... Für ihr Ortsnetz sind die Mitgliedsgemeinden jeweils selbst zuständig.
Mit Bescheid vom
Am
Mit Widerspruchsbescheid vom
Am 25.04.2013 hat der Kläger Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt nunmehr, den Bescheid der Beklagten vom 16.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes F. vom 25.03.2013 aufzuheben.
Zur Begründung führt er aus, der Gebührenbescheid sei rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Gebührenhöhe den Fremdwassereintrag nicht berücksichtigt habe. Die Gebührenzahler hätten die sich aus dem Fremdwassereintrag ergebende höhere Gebührenbelastung auch nicht hinzunehmen, weil die Beklagte, obwohl ihr seit dem Jahr 2008 ein Protokoll über Fremdwassermessungen und ein Kanalschadensbericht vorliege, jahrelang nichts gegen den Fremdwassereintrag unternommen habe. Vielmehr liege erst seit Januar 2015 ein neues Gutachten zu der Frage vor, welche Maßnahmen dringlich seien und welche Kosten dafür anfielen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unbegründet. Selbst ein Fremdwasseranteil von 36,9%, wie vom Kläger errechnet, wirke sich auf die Gebührenhöhe weit geringer aus als angenommen. Denn der Umlageschlüssel des AGV richte sich nicht nur nach der anfallenden Abwassermenge, sondern auch nach an der jeweiligen Einwohnerzahl der Mitgliedsgemeinden und dem Frischwasserverbrauch. Deshalb wirke sich eine Reduzierung der Abwassermenge um den Fremdwasseranteil, wenn überhaupt, nur geringfügig auf die Gebührenhöhe aus. Außerdem habe die Beklagte bereits seit Jahren beträchtliche Anstrengungen unternommen, um ihr Kanalsystem zu sanieren.
In der mündlichen Verhandlung am
Gründe
1. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom
Das Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen einen Vorauszahlungsbescheid entfällt, wenn er sich erledigt hat, weil er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder weil seine ursprüngliche Steuerungsfunktion nachträglich entfallen ist (BVerwG, B. v. 17.11.1998 - 4 B 100/98, juris Rn. 9).
Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B. v. 22.05.2003 - 6 B 98.2743 - juris Rn. 12) gilt für das Verhältnis von Vorauszahlungsbescheid und endgültigem Heranziehungsbescheid grundsätzlich Folgendes: Beide enthalten zumeist zwei rechtlich selbstständige Regelungen. Zum einen wird der jeweils geschuldete Betrag festgesetzt, zum anderen ein Leistungsgebot an den Adressaten gerichtet. Zahlungen auf den Vorauszahlungsbescheid lassen in ihrem Umfang dessen Leistungsgebot erlöschen. Endgültige Beitragsbescheide lösen mit ihrer Wirksamkeit, also ohne dass es auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit ankommt, die Vorauszahlungsbescheide in ihrem festsetzenden Teil, d. h. als Rechtsgrundlage des Leistungsgebots, und, sofern sie ein erneutes Leistungsgebot aussprechen, auch in diesem Punkt ab.
Die vom Regelungsgehalt des Vorauszahlungsbescheids ursprünglich ausgehende Beschwer besteht somit nicht mehr. Nicht aus dem verfügenden Teil des Bescheids selbst sich ergebende, sondern nur an den Bescheid und sein rechtliches Schicksal anknüpfende Nebenfolgen (z. B. Verzinsungsansprüche) können eine Fortdauer der mit der Anfechtungsklage bekämpften beschwerenden Regelung und somit ein Interesse an deren Aufhebung nicht begründen (BayVGH B.v. 10.08.2000 - 6 B 96.2367- ).
Die einzige Möglichkeit, trotz Wegfalls des Rechtsschutzinteresses an einer Aufhebung des Vorauszahlungsbescheids noch eine Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen herbeizuführen, besteht, wenn sich im Hinblick auf einen Rechtsbehelf gegen den endgültigen Bescheid dieselben Rechtsfragen stellen, die der Kläger im Streit um den Vorauszahlungsbescheid aufgeworfen hat. In einem solchen Fall kann ein Interesse auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorauszahlungsbescheids im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage bestehen (BayVGH
Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu der anderslautenden Rechtsprechung des 20. Senats des Bayerischen. Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B. v. 01.03.2012 - 20 B 11.1723 - juris Rn.15). Diesem zufolge geht von der Festsetzung der Vorauszahlung für den Zeitraum bis zum Erlass des endgültigen Beitragsbescheids gegenwärtig noch insoweit Steuerungswirkung aus, als er den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Vorauszahlung bis zum Erlass des endgültigen Beitragsbescheids bildet. Im Falle einer Aufhebung des Vorauszahlungsbescheids hätte der Kläger bis zum Erlass des endgültigen Beitragsbescheids einen Verzinsungsanspruch (Nebenfolge) nach Art. 13 Nr. 5 Buchst. b) bb) KAG i. V. m. § 236 AO. Der Verzinsungsanspruch nach § 236 AO setzt die Kassation des Vorauszahlungsbescheids voraus.
Wenn der endgültige Bescheid jedoch, wie hier, bestandskräftig geworden ist, darf der Abgabegläubiger die geleistete Gebühr, selbst wenn das Gericht den Vorauszahlungsbescheid kassieren würde, behalten und muss sie dem Abgabeschuldner nicht erstatten. Da ein Verzinsungsanspruch nach § 236 Abs. 1 AO seinem Wortlaut nach voraussetzt, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zur Erstattung eines zuvor gezahlten Betrages führt, hier der bestandskräftige endgültige Bescheid aber den Rechtsgrund für das Behaltendürfen darstellt, kommt ein Verzinsungsanspruch nach Art. 13 Nr. 5 Buchst. b) bb) KAG i. V. m. § 236 Abs. 1 AO von vornherein nicht in Betracht. Folglich hat der Kläger auch unter dem Gesichtspunkt möglicher Nebenfolgen kein Rechtsschutzinteresse mehr für eine Klage gegen den Vorauszahlungsbescheid.
Die Klage war demgemäß als unzulässig abzuweisen.
2. Ohne dass es noch darauf ankäme, weist das Gericht darauf hin, dass die Klage auch unbegründet wäre.
Der Bescheid vom
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 06.07.2010 - 20 B 10.121 - juris Rn. 32) können die Kosten für Fremdwasser grundsätzlich als allgemeine Betriebskosten in die Gebührenkalkulation eingestellt werden. Die Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen ein Einrichtungsträger im Hinblick auf seine Entwässerungsanlage ergreift, hier insbesondere zur Reduzierung des Fremdwasserzuflusses, liegt in der Regel in seinem weiten Planungs- und Ermessensspielraum. In diesem Gestaltungsrahmen wird der Verfassungsrang besitzende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch eine höhere Gebührenbelastung der Anschlussnehmer dann nicht verletzt, wenn sich eine Gemeinde in der Größenordnung der Beklagten mit nur ca. 2.600 Einwohnern seit Jahren bemüht, die Sanierung ihres Kanalnetzes voranzutreiben (TV-Inspektion des Kanalnetzes 2007/2008, Fremdwassermessung 29.05.2008, Kanaldatenbank 2007 bis 2009, vorläufiges Kanalsanierungskonzept 2009). In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Fremdwasseranteil bei der Gebührenkalkulation jedenfalls nicht deutlich spürbar zu Buche schlägt, weil sich die von der Beklagten aufzubringende Umlage nicht nur nach der Abwassermenge, die sich aufgrund des Fremdwasseranteils erhöht, richtet, sondern auch nach den Einwohnerzahlen und dem Trinkwasserverbrauch in den Mitgliedsgemeinden des AGV (§ 11 Abs. 2 Satz 4 Buchst a) AGV-Satzung v. 16.12.2003 i. d. F. v. 01.01.2009). Die Beklagte handelte daher im Rahmen ihres Planungs- und Gestaltungsspielraums, wenn sie unter dem Eindruck der im ersten Kanalsanierungskonzept aus dem Jahr 2009 genannten Kosten von 4,3 Mio. EUR vor Ende 2010 noch keine umfassende Kanalsanierung in Angriff genommen, sondern die beim AGV entstehenden, sich im Rahmen haltenden Mehraufwendungen aufgrund des Fremdwassers in die Gebührenkalkulation eingestellt und erst im Jahr 2015 nach einer Neukonzeption unter Reduzierung der voraussichtlichen Kosten auf 1,6 Mio. EUR die Sanierung Schritt für Schritt in Angriff genommen hat, wobei sie sich nach den Angaben der 1. Bürgermeisterin in der mündlichen Verhandlung auch um den vom Kläger besonders gerügten Noteinlauf in der „...“ kümmern wird.
3. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
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(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.
(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn
- 1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder - 2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat, - a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer, - b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.
(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.