Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 15. Juni 2015 - B 3 E 15.50108


Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragsteller - Eltern und drei gemeinsame Kinder - sind albanische Staatsangehörige. Die Asylanträge der Antragsteller zu 1. bis zu 4. (Eltern und zwei Kinder unter 16 Jahren) wurden mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 01.12.2014 als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Dänemark angeordnet. Ein entsprechender Bescheid erging gegenüber dem Antragsteller zu 5. (geboren ... 1998) am 20.01.2015.
Der Bescheid vom
Gegen den Bescheid vom
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom ...2015, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, wandten sich die Antragsteller mit folgendem Antrag an das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth:
Die Abschiebung der Antragsteller wird ausgesetzt, bis über den Antrag auf Feststellung eines inländischen Vollstreckungshindernisses entschieden wurde bzw. die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise gegeben wurde.
Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, die Antragstellerin zu 2. sei schwer traumatisiert und habe sich in ambulanter stationärer nervenärztlicher und psychiatrischer Behandlung befunden. Deshalb habe ihre Prozessbevollmächtigte für sie am 13.02.2015 die Feststellung eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses beantragt. Hierauf gebe es bis heute von keinem der Antragsgegner eine Antwort und entgegen der Zusicherung der Ausländerbehörde sei den Antragstellern auch keine Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise gegeben worden. Vielmehr seien sie heute früh um 5.00 Uhr verhaftet worden und befänden sich auf dem Weg zum Flughafen ..., von wo aus um ca. ... Uhr die Abschiebung nach Kopenhagen stattfinden solle. Bezüglich der Antragsteller sei gegen das Gebot des gesetzlichen Gehörs verstoßen worden und sei ihnen die Möglichkeit genommen worden, freiwillig auszureisen. Dieses Vorgehen grenze an Behördenwillkür. Beigefügt ist ein Schreiben vom 13.02.2015 an die Ausländerbehörde, wo unter Berufung auf Atteste vom ...2014 und ...2015 die mangelnde Reisefähigkeit der Antragsteller zu 1. und zu 2. und insoweit ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis geltend gemacht wird. Durch eine Abschiebung in ihr Herkunftsland oder nach Dänemark würden die Antragsteller zu 1. und zu 2. unmittelbaren gesundheitlichen Schaden nehmen. Auf die weiteren Anlagen der Antragsschrift vom ...2015 wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wird angeführt, es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem der Antragsteller zusammen mit den Familienangehörigen am ...2015 nach Dänemark überstellt worden sei, zum anderen sei diese Rückführung in Übereinstimmung mit dem Bundesamt nach Prüfung von Vollstreckungshindernissen und Treffen entsprechender Vorkehrungen (Schreiben des Bundesamtes vom 24.04.2015 und weitere Anlagen) erfolgt. Auf die beigefügten Anlagen wird verwiesen.
Auf gerichtliche Schreiben vom
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte in diesem Verfahren verwiesen, sowie die Akten der beigezogenen Verfahren B 3 K 15.50017, B 3 S 15.50016 und B 3 E 15.313.
II.
Der Eilantrag bleibt ohne Erfolg.
1. Soweit er für den Antragsteller zu 5. gestellt wurde, ist er im Hinblick auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 80 Abs. 7 VwGO unzulässig bzw. nicht statthaft (so BayVGH B. v. 12.03.2014 Az. 10 CE 14.427 juris Rdnr. 5 unter Hinweis auf § 123 Abs. 5 VwGO).
2. Soweit der Eilantrag auf Aussetzung der Abschiebung für die Antragsteller zu 1. bis 4. gestellt wurde, bleibt er ebenfalls ohne Erfolg. Es handelt sich systematisch um den Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens wegen eines inländischen Abschiebungsverbots, mit dem eine vorläufige Verhinderung der angeordneten Abschiebung erreicht werden soll, indem der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin des Bundesamtes aufgegeben wird, der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass vorläufig nicht aufgrund der früheren Mitteilung und der bestandskräftigen Abschiebungsanordnung abgeschoben werden darf (so BayVGH B. v. 21.04.2015, Az. 10 CE 15.810 und 10 C10 C 15.813 juris Rdnr. 5).
Die von der anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsteller bestrittene Erledigung dieses Eilantrags durch die am ...2015 erfolgte Überstellung der Familie nach Dänemark kann dahinstehen, denn der Eilantrag ist jedenfalls unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist, dass die Antragstellerin das von ihr behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Den vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellern zu 1. bis 4., die am ...2015 nach Dänemark überstellt wurden, steht weder ein Anordnungsgrund, noch ein Anordnungsanspruch zur Seite.
Da der Aufenthalt der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland am ...2015 beendet wurde, kann aus einer drohenden Abschiebung auch kein Anordnungsgrund (mehr) resultieren.
Weiterhin wurde auch kein Anordnungsanspruch - Sicherung des Begehrens bzw. Anspruch gegen den Antragsgegner auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich des geltend gemachten Krankheitsbedingten Abschiebungsverbots oder Duldungsgrundes und Sicherung der Möglichkeit der freiwilligen Ausreise - glaubhaft gemacht.
Soweit unter Vorlage der ärztlichen Atteste vom ...2014 und vom ...2015 geltend gemacht wird, den Antragstellern (gemeint sind offenbar die Antragsteller zu 1. und 2.) sei es aus gesundheitlichen Gründen zur Zeit nicht möglich, in ihr Heimatland zurückzukehren und es bestehe insoweit ein inländisches Vollstreckungshindernis, ist dem nicht zu folgen.
Die Reisefähigkeit der Antragsteller zu 1. und 2. wurde entsprechend der Bitte des Bundesamtes im Schreiben an die Ausländerbehörde vom ...2015 am ...2015 amtsärztlich untersucht und durch amtsärztliche Stellungnahme vom ...2015 unter den dort angegebenen Maßgaben bestätigt. Abgesehen davon sah das Gericht auch schon in der Prozesskostenhilfe-Entscheidung vom 23.02.2015 betreffend die Asyl-Klage des Antragstellers zu 5. (B 3 K 15.50017) ausweislich des bisherigen tatsächlichen Reiseverhaltens der Antragsteller zu 1. und zu 2. und auch aufgrund der Atteste vom ...2014 und vom ...2015 keine Anhaltspunkte für eine rechtlich relevante Reiseunfähigkeit dieser Antragsteller (zu den Maßstäben siehe BayVGH B. v. 29.07.2014 Az. 10 CE 14.1523 juris Rdnr. 21).
Soweit ein aus Zusicherungen der Ausländerbehörde resultierender Anspruch auf Ermöglichung der freiwilligen Ausreise gegen die Antragsgegnerin geltend gemacht wird, erschließt sich ein solcher dem Gericht nicht. § 34a AsylVfG, auf den die gegenüber den Antragstellern mit Bescheid vom 01.12.2014 ausgesprochene Abschiebungsanordnung zutreffend gestützt wurde, bestimmt in Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich und zweifelsfrei: „Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht“. Wenn die Ausländerbehörde versucht, im Dialog mit den Betroffenen eine freiwillige Ausreise zu erreichen und auch zu ermöglichen, ist dies zur Vermeidung einer Abschiebung ohne Frage wünschenswert, kann aber keine Rechtsposition jenseits von § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG begründen.
Abgesehen davon hatten die Antragsteller jedoch hinreichend Zeit und auch Anlass zu einer freiwilligen Ausreise, die ihnen die Abschiebung erspart hätte. Der an sie gerichtete Ablehnungsbescheid vom
Dass die Antragsteller die monatelange Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nicht genutzt hat, mag insbesondere der Hoffnung auf den Ablauf der Sechs-Monats-Frist für eine Überstellung nach Dänemark gem. Art. 29 Dublin-III-Verordnung geschuldet sein, in der sie das unterstützende Umfeld offenbar bestärkt hat. Es mag in diesem Zusammenhang dahinstehen, inwieweit aus solcher Bestärkung menschlich eine gewisse Mitverantwortung für die notwendige Folge (zwangsweise Aufenthaltsbeendigung) erwächst. Rechtlich kann aus dieser Hoffnung allerdings kein Anspruch darauf resultieren, dass die zuständigen und entsprechend verpflichteten Behörden mit der (zwangsweisen) Dublin-Überstellung so lange warten, bis - unter vager Inaussichtstellung einer freiwilligen Ausreise - die sechsmonatige Überstellungsfrist schließlich mit dem begehrten Ziel verstrichen ist, dass die Zuständigkeit nach der Dublin-III-Verordnung auf die Bundesrepublik Deutschland übergeht.
Nach alledem konnte der Eilantrag keinen Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
Diese Entscheidung ist gem. § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.