Verwaltungsgericht Augsburg Gerichtsbescheid, 25. Aug. 2015 - Au 4 K 14.50176

bei uns veröffentlicht am25.08.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

Au 4 K 14.50176

Im Namen des Volkes

Gerichtsbescheid

vom 25. August 2015

4. Kammer

Sachgebiets-Nr. 710

Hauptpunkte:

- Asyl (Herkunftsland: Sierra Leone);

- Unzulässiger Asylantrag wegen Zuständigkeit eines anderen Staates (hier: Belgien)

- Ablauf der Überstellungsfrist;

- Aufhebung nur der Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 eines „Dublin-Bescheids) durch das Bundesamt;

- Erfolgreiche Klage gegen verbleibende Unzulässigkeitserklärung (Ziffer 1 eines Dublin-Bescheids)

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagte -

beteiligt: ...

wegen Durchführung eines Asylverfahrens

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 4. Kammer,

durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter am 25. August 2015 folgenden Gerichtsbescheid:

I.

Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 17. Juni 2014 (Gesch.-Z.: 5736984-272) wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der am ... 1984 geborene Kläger, ein Staatsangehöriger aus Sierra Leone, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig.

Er reiste nach eigenen Angaben am 9. März 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19. März 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag. In einem persönlichen Gespräch mit dem Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Antragsteller u. a. an, er sei im Juli 2009 mit dem Flugzeug nach Belgien eingereist und habe sich dort vier Jahre und acht Monate aufgehalten. Anschließend habe er Belgien verlassen, da er eine schwere Krankheit habe und die medizinische Vorsorge in Deutschland besser sei als in anderen Ländern.

Eine Überprüfung durch das Bundesamt ergab hinsichtlich des Antragstellers einen EURODAC-Treffer für Belgien und Norwegen. Auf den Wiederaufnahmeantrag des Bundesamtes hin haben die belgischen Behörden mit Schreiben vom 12. Juni 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d Dublin III-VO erklärt.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Belgien an (Ziffer 2).

Am 2. Juli 2014 ließ der Kläger durch seine früheren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben und beantragen,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2014 aufzuheben.

Gleichzeitig hatte der Kläger einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der Abschiebungsanordnung gestellt (Au 4 S 14.50177). Dieser wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Juli 2014 als unbegründet abgelehnt.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2015 teilten die nunmehrigen Bevollmächtigten des Klägers mit, dass die Überstellungsfrist abgelaufen und die Zuständigkeit für den Asylantrag daher auf die Beklagte übergegangen sei. Eine Überstellung des Klägers sei nicht möglich gewesen, weil er schwerwiegend erkrankt sei.

Auf Anfrage des Berichterstatters legte der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Februar 2015 diverse ärztliche Atteste vor.

Mit Beschluss vom 28. April 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Zur Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 3. Juli 2015 holte das Gericht schriftliche Auskünfte bei dem den Kläger behandelnden Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie ein.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2015 hob die Beklagte Ziffer 2 des Bescheids vom 17. Juni 2014 auf. Zur Begründung führte sie aus: Aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist könne eine Abschiebung nach Belgien nicht mehr durchgeführt werden, Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO. Einer Erledigungserklärung der Klägerseite werde zugestimmt.

Auf zwei schriftliche Nachfragen des Gerichts, ob auch Ziffer 1 des Bescheids aufgehoben werde, reagierte die Beklagte nicht.

Mit Schriftsatz vom 20. August 2015 erklärten die Bevollmächtigten des Klägers die Hauptsache hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids vom 17. Juni 2014 für erledigt. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 24. August 2015 wurde vom vorliegenden Verfahren das Verfahren hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids abgetrennt, unter dem Aktenzeichen Au 4 K 15.50407 fortgeführt und dieses Verfahren sogleich eingestellt. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Bundesamtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die allein noch streitgegenständliche Ziffer 1 des Bescheids vom 17. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat Ziffer 1 des Bescheids auf § 27a AsylVfG gestützt. Danach ist ein Asylantrag u. a. dann unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: Europäische Union) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Vorliegend hat die Beklagte angenommen, Belgien sei nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig, weil der Kläger dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. auch Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO).

Dies mag im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zutreffend gewesen sein (vgl. auch Beschluss vom 30.7.2014 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, Rn. 13 ff.).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylVfG) ist jedoch nicht mehr von einer Unzuständigkeit der Beklagten im Sinne des § 27a AsylVfG auszugehen. In dem Teilaufhebungsbescheid hat die Beklagte eindeutig erklärt, dass die Überstellungfristen der Dublin III-VO abgelaufen seien und eine Abschiebung des Klägers nach Belgien nicht mehr ausgeführt werden könne.

Für eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Konstellation (Aufhebung nur der Ziffer 2 eines „Dublin-Bescheides“ durch das Bundesamt) hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unlängst das nachfolgende ausgeführt und damit die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt, mit der Ziffer 1 eines solchen Bescheids aufgehoben worden war:

Die Beklagte sei selbst vom Ablauf der Frist zur Überstellung ausgegangen und habe daraufhin die in Nr. 2 ihres Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung aufgehoben. Das Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukomme, habe auch nicht vorgetragen, dass der von ihm ursprünglich als zuständig angenommene Mitgliedstaat trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor bereit wäre, die Antragsteller wieder aufzunehmen. Da somit nicht feststehe, ob und wenn ja in welchen Mitgliedstaat die Antragsteller überstellt werden sollen, seien diese auch nicht in der Lage, hinsichtlich des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Mängel geltend zu machen. Sie seien auch nicht imstande, eine Entscheidung des zunächst zuständigen Mitgliedstaats herbeizuführen, ob dieser sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist berufe oder nicht. Es habe dem Bundesamt oblegen, diese Frage rechtzeitig zu klären und das Ergebnis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzuführen.

Hebe das Bundesamt die Abschiebungsanordnung selbst auf, sei es nicht Sache des Verwaltungsgerichts, im Wege der Amtsermittlung der Frage nachzugehen, ob der ursprünglich zuständige Mitgliedsstaat trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers bereit wäre. Bei einer nicht durch konkrete Fakten belegten Überstellungsmöglichkeit in einen anderen Mitgliedstaat bedürfe es keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) nicht isoliert aufrecht erhalten bleiben könne (BayVGH, B. v. 26.6.2015 - 11 ZB 15.50021 - juris Rn. 8 f.; vgl. auch BayVGH, B. v. 2.7.2015 - 11 ZB 15.50101 - juris Rn. 15).

Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht geltend gemacht, dass Belgien oder ein anderer in Betracht kommender Staat trotz des von ihr ausdrücklich erklärten Ablaufs der Überstellungsfrist zur Wiederaufnahme bzw. Übernahme des Klägers bereit wäre. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte den Teilaufhebungsbescheid vom 11. Juni 2015 damit begründet hat, dass eine Abschiebung nach Belgien wegen Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO nicht mehr durchgeführt werden könne. Dies lässt darauf schließen, dass auch die Beklagte davon ausgeht, dass sich Belgien nicht mehr für zuständig hält.

Dem Erfolg der Klage steht auch nicht entgegen, dass die Vorschriften der Dublin-Verordnungen, namentlich deren Fristenregelungen, grundsätzlich organisatorischer Art sind und keine subjektiven Rechte vermitteln (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris Rn. 17; BayVGH, U. v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - Rn. 20 [zur Klagebefugnis]; OVG SH, B. v. 24.2.2015 - 2 LA 15/15 - juris Rn. 7; VGH BW, U. v. 26.2.2014 - A 3 S 698/13 - juris Rn. 31 f). Denn es liegt kein „bloßer“ Ablauf der Überstellungsfrist vor; vielmehr hat die Beklagte den Fristablauf selbst eingeräumt und auf diese veränderte Sachlage mit einem Teilaufhebungsbescheid reagiert. Zudem beruht die Verneinung subjektiver Rechte allein wegen des Ablaufs der Überstellungsfristen nach den Dublin-Verordnungen maßgeblich auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein Asylbewerber in dem Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, der Überstellungsentscheidung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - juris Rn. 60 ff.; vgl. auch BayVGH, B. v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris Rn. 17: „jedenfalls nach dessen Zustimmung“). Im vorliegenden Fall vertritt aber die Beklagte selbst die Auffassung, dass eine Abschiebung in den Staat, von dessen Zuständigkeit sie ausging, nicht mehr möglich sei. Auf die gerichtlichen Nachfragen zur Fortgeltung von Ziffer 1 des Bescheids hat sie nicht reagiert. Mangels anderweitigen Vortrags der Beklagten sowie sonstiger Anhaltspunkte ist also gerade nicht mehr davon auszugehen, dass die Zustimmungserklärung eines anderen Mitgliedstaats vorliegt. In einem solchen Fall besteht ein Anspruch darauf, dass das Bundesamt erneut in das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats eintritt bzw. ggfs. eine Prüfung nach § 71a AsylVfG vornimmt (vgl. BayVGH, B. v. 26.6.2015 - 11 ZB 15.50021 - juris Rn.10).

Daher war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

zu beantragen.

Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.

Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 67


(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 138


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn1.das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2.bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes aus

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 29. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 13. Januar 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Nachdem die polnischen Behörden dem Übernahmeersuchen des Bundesamts am 12. März 2014 zugestimmt hatten, erklärte das Bundesamt die Asylanträge mit Bescheid vom 19. März 2014 für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Klägerinnen nach Polen an (Nr. 2). Polen sei aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge für deren Behandlung zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gründe gegen eine Überstellung nach Polen und die dortige Prüfung ihrer Asylanträge hätten die Klägerinnen nicht vorgebracht.

Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 8. April 2014 ab. Auf Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das Bundesamt mit Schriftsatz vom 25. November 2014 mit, zwar sei die Überstellungsfrist am 12. September 2014 abgelaufen, auch sei eine Abschiebung bisher nicht erfolgt, eine Aufhebung der Nr. 1 des Bescheids vom 19. März 2014 komme jedoch nicht in Betracht; aufgehoben werde hingegen die Nr. 2 des Bescheids.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2014 hat das Verwaltungsgericht Nr. 1 des Bescheids vom 13. März 2014 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit sich die Klage nach wie vor auch gegen die bereits aufgehobene Abschiebungsanordnung richte, sei sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen sei die Klage zulässig und begründet. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens sei rechtswidrig geworden, weil die Überstellungsfrist abgelaufen sei und die Beklagte weder vorgetragen habe noch sonst ersichtlich sei, dass die Klägerinnen dennoch in absehbarer Zeit in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden könnten. Hierdurch seien die Klägerinnen in ihren Rechten verletzt, weil sie Gefahr liefen, ihr Schutzbegehren in keinem der Mitgliedstaaten zulässig anbringen zu können. Der Bescheid könne auch nicht in eine ablehnende Entscheidung über einen Zweitantrag umgedeutet werden.

Gegen die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens wendet sich die Beklagte mit ihrem auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts weicht nicht von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) ab. Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem das erstinstanzliche Verwaltungsgericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Aussetzung der Überstellung des Klägers in den zuständigen Mitgliedsstaat verpflichtet hatte. Aufgrund dieses Umstands kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens sei nicht auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellungsfrist erst zu laufen beginne, wenn die Überstellung sichergestellt sei und lediglich deren Modalitäten noch geregelt werden müssten (BayVGH, U. v. 28.2.2014 a. a. O. Rn. 35). In einem solchen Fall könne der Asylbewerber seiner Überstellung in den für ihn zuständigen und aufnahmebereiten Mitgliedstaat nur mit systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat entgegentreten (ebenso BayVGH, U. v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris Rn. 23 und 30). Auch im Fall, der dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677) zugrunde lag, war der Entscheidung des Berufungsgerichts zufolge die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen (OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790, Rn. 52 und 63).

Hiervon weicht die vorliegende Fallgestaltung ab und unterliegt damit auch einer anderen rechtlichen Beurteilung. Die Beklagte ist selbst vom Ablauf der Frist zur Überstellung der Klägerinnen nach Polen ausgegangen und hat daraufhin die in Nr. 2 ihres Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung aufgehoben. Das Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4), hat auch nicht vorgetragen, dass Polen trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor bereit wäre, die Klägerinnen wieder aufzunehmen. Da somit nicht feststeht, ob und wenn ja in welchen Mitgliedstaat die Klägerinnen überstellt werden sollen, sind diese auch nicht in der Lage, hinsichtlich des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Mängel geltend zu machen. Sie sind auch nicht imstande, eine Entscheidung des zunächst zuständigen Mitgliedstaats herbeizuführen, ob dieser sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist beruft oder nicht. Es hätte dem Bundesamt oblegen, diese Frage rechtzeitig zu klären und das Ergebnis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzuführen.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG). Die Beklagte hält (hilfsweise) für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist, und ob dies insbesondere bereits dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedsstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt.“ Vorliegend hat jedoch das Bundesamt die Abschiebungsanordnung nach Ablauf der Überstellungsfrist selbst aufgehoben. Für eine noch mögliche Überstellung der Klägerinnen nach Polen oder in einen anderen Mitgliedstaat sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich. Hebt das Bundesamt die Abschiebungsanordnung selbst auf, ist es auch nicht Sache des Verwaltungsgerichts, im Wege der Amtsermittlung der Frage nachzugehen, ob der ursprünglich zuständige Mitgliedsstaat trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers bereit wäre. Bei einer nicht durch konkrete Fakten belegten Überstellungsmöglichkeit in einen anderen Mitgliedstaat bedarf es keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) nicht isoliert aufrecht erhalten bleiben kann.

3. Die Klägerinnen haben damit Anspruch darauf, dass das Bundesamt erneut in das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und - sollte Polen nicht mehr zur Übernahme der Klägerinnen bereit und auch kein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein - selbst in die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 a AsylVfG eintritt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

5. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylVfG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich gegen die Aufhebung der Nr. 1 ihrer Bescheide vom 6. August 2014, mit denen sie die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt hat.

Die Kläger sind nach eigenen Angaben kasachische Staatsangehörige und reisten von P. kommend am 11. März 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 13. März 2014 stellten sie Asylanträge, die zuerst als Folgeanträge behandelt wurden. Die Kläger wurden deshalb am 13. März 2014 sowohl über ihre Mitwirkungspflichten als Folgeantragsteller als auch nach Art. 4 i. V. m. Art. 18 Eurodac-VO belehrt und zu den Gründen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens angehört. Sie gaben in der Anhörung und ihrer schriftlichen Folgeantragsbegründung an, sie seien von den Niederlanden, wo sie ebenfalls einen Asylantrag gestellt hätten, freiwillig wieder nach Polen zurückgekehrt. Dort sei die Klägerin zu 2 ins Krankenhaus eingeliefert worden. Die Klägerin zu 8 habe sie mitgenommen, da sie diese noch gestillt habe. Daraufhin habe die Klägerin zu 8 wegen einem Verdacht auf TBC geröntgt werden sollen. Nachdem die Klägerin zu 2 dies verweigert habe, sei ihnen gedroht worden, sie müssten die Asylunterkunft verlassen, es würden die Sozialleistungen als auch die Nahrungsmittel gestrichen und sie kämen in Abschiebehaft. Daraufhin seien sie nach Deutschland ausgereist. Den Asylantrag in den Niederlanden hätten sie zurückgenommen. Das Asylverfahren in Polen sei noch nicht abgeschlossen gewesen.

Am 22. April 2014 stellte die Beklagte ein Wiederaufnahmeersuchen an die Republik Polen. Mit Schreiben vom 28. April 2014 stimmten die polnischen Behörden der Wiederaufnahme der Kläger nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Dublin III-VO zu. Mit zwei Bescheiden vom 6. August 2014 lehnte die Beklagte die Asylanträge als unzulässig ab (Nr. 1 der Bescheide) und ordnete die Abschiebung nach Polen an (Nr. 2 der Bescheide).

Im Lauf des Klageverfahrens hob die Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Februar 2015 die Nr. 2 der Bescheide auf und erklärte, dass sie nach Ablauf der Überstellungsfrist für die Durchführung der Asylverfahren zuständig geworden sei. Die Nr. 1 der Bescheide sei aber aufrechtzuhalten, da es sich um Zweitanträge nach § 71a Abs. 1 AsylVfG handele. Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien von den Klägern nicht vorgetragen worden. Andere als vorgetragene Gründe könnten nicht berücksichtigt werden. Die Kläger seien daher durch die Bescheide nicht in ihren Rechten verletzt. Es würde ihnen Gelegenheit gegeben werden, sich in angemessener Frist abschließend schriftlich zu etwaigen Hinderungsgründen bezüglich einer Abschiebung in ihr Herkunftsland zu äußern. Sodann werde über eine Neufassung der Nr. 2 der Bescheide zu entscheiden sein. Eine Äußerung der Kläger im Klageverfahren zu diesem Schreiben erfolgte nicht. Eine Abschiebungsandrohung wurde nach Aktenlage bisher nicht erlassen.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Nr. 1 der Bescheide mit Urteil vom 11. März 2015 aufgehoben. Für eine Rechtsverletzung komme es nicht darauf an, ob der Ablauf der Überstellungsfrist ein subjektives Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland begründe. Das Verfahren werde durch den Fristablauf in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung befunden habe und die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags sowie das damit einhergehende Recht der Kläger auf Durchführung eines Asylverfahrens aus Art. 16a GG bzw. Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO lebe wieder auf. Ein der Prüfung des Asylantrags entgegenstehender Bescheid müsse daher aufgehoben werden. Eine Umdeutung der Bescheide in eine Ablehnung der Überprüfung des Zweitantrags nach § 71 a AsylVfG komme nicht in Betracht, da eine solche Entscheidung die ursprünglich im Dublin-Verfahren ergangene Entscheidung in ihrer rechtlichen Tragweite deutlich übersteige und gänzlich andere Rechtswirkungen habe. Die Dublin-Entscheidung erschöpfe sich in Zuständigkeitsfragen. Demgegenüber werde mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt. Auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen würden eine Umdeutung verhindern. Die Kläger seien nicht zu den maßgeblichen Tatsachen des Zweitantrags angehört worden. Es habe nie die Gelegenheit bestanden, Wiederaufnahmegründe oder materielle Fluchtgründe vorzutragen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem die Kläger entgegentreten. Sie macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, denn aus der Antragsbegründung ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.

1. Die Beklagte macht geltend, es stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage, ob sich eine auf die anderweitig bestehende Verfahrenszuständigkeit berufende asylrechtliche Entscheidung ihrem Regelungsgehalt nach in der bloßen Feststellung der internationalen Verfahrenszuständigkeit und einer darauf gründenden Antragsablehnung erschöpfe oder darüber hinausgehend eine solche Antragsablehnung vielmehr, weil auf die Verneinung eines inhaltlichen Prüfanspruchs gerichtet, einen insgesamt diesen ablehnenden Verwaltungsakt darstelle. Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig, bei der in der behördlichen Begründung tragend allein auf eine international andere Verfahrenszuständigkeit verwiesen ist, insbesondere wenn dies die Konstellation eines zugleich i. S. d. § 71a AsylVfG gegebenen Zweitantrags betrifft, auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden könne.

Mit diesen beiden Fragen soll offensichtlich geklärt werden, ob eine Entscheidung nach § 27a AsylVfG gemäß § 47 VwVfG in eine Entscheidung nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden kann.

Diese Fragen sind im vorliegenden Verfahren aber nicht klärungsfähig, da eine Umdeutung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG hier schon deshalb ausscheidet, weil die Rechtsfolgen des Verwaltungsakts, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, hier für die Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts.

Es kann dabei dahinstehen, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen eines im Wege der Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG erlassenen Verwaltungsakts der Zeitpunkt des Bescheidserlasses, der Zeitpunkt der Umdeutung oder der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist (vgl. Revisionszulassung zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts, BVerwG, B. v. 6.5.2015 - 5 B 47/14 u. a. - juris), denn in jedem Fall ist eine Umdeutung hier nicht möglich.

Die Rechtsfolgen eines Verwaltungsakts nach § 71a AsylVfG wären für die Betroffenen im vorliegenden Fall ungünstiger als die einer Antragsablehnung als unzulässig nach § 27a AsylVfG. Rechtsfolge der Anwendung des § 71a AsylVfG wäre, dass den Klägern das Vorbringen von Asylgründen nur bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nach Abschluss des Asylverfahrens in Polen möglich wäre. Sämtliche in Polen schon vorgebrachten oder jedenfalls vor Rücknahme des Antrags schon gegebenen Gründe wären unbeachtlich. Demgegenüber ist Rechtsfolge eines Verwaltungsakts nach § 27a AsylVfG die Anordnung der Abschiebung in den zuständigen EU-Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG und die nachfolgende Überstellung. Das Asylverfahren wird dann in dem zuständigen Mitgliedstaat durchgeführt. Nachdem die Kläger selbst angegeben haben, das Asylverfahren in Polen sei noch nicht abgeschlossen gewesen und Polen der Überstellung nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31, Dublin III-VO), zugestimmt hat, wäre für die Fortführung des Verfahrens in Polen Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 Dublin III-VO anwendbar. Danach stellt ein Mitgliedstaat, der als zuständiger Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Abs. 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt hat, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. Auch nach der Auskunft des aida - Asylum Information Database „National Country Report Poland“, Stand Juni 2014, wird das Asylverfahren eines Dublin-Rückkehrers in Polen wiedereröffnet, wenn es zuvor wegen dessen Ausreise unterbrochen wurde (S. 21 des Reports). Den Klägern wäre es daher im Falle einer Überstellung nach Polen gerade nicht verwehrt, ihre Asylgründe ohne die Einschränkungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorzubringen. Die Antragsablehnung nach § 71a AsylVfG schränkt die Rechte der Kläger gegenüber einer Antragsablehnung nach § 27a AsylVfG in der vorliegenden Fallkonstellation daher ein (vgl. VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris).

2. Die Beklagte trägt weiter vor, darüber hinaus stelle sich die grundsätzlich klärungsbedürftige Frage, ob ein Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung als unzulässig wegen anderer Verfahrenszuständigkeit deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist, und ob dies insbesondere selbst dann (schon) gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt.

Auch diese Frage würde sich in einem Berufungsverfahren so nicht stellen, denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 13. Februar 2015 selbst ausgeführt, die Bundesrepublik Deutschland sei nach Ablauf der Überstellungsfrist nunmehr zuständig geworden. Dass der zuvor zuständige Mitgliedstaat in einer solchen Situation überhaupt noch bereit sein könnte, die Kläger zu übernehmen, hat die Beklagte weder in erster Instanz noch im Zulassungsverfahren vorgetragen und es erscheint auch sonst nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) dargelegt bzw. liegt nicht vor.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris Rn. 2 m. w. N.; vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 ff. m. w. N.).

Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb die Rechts- oder Tatsachenfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72 m. w. N.).

Gemessen hieran hat der Kläger keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung formuliert. Die von ihm aufgeworfenen Fragen bedürfen keiner Klärung in einem Berufungsverfahren.

I.

Der Kläger hält es zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob

1. Asylsuchende in Deutschland, die aus „Ungarn nach Deutschland reisen, im Rahmen der Dublin II-Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrens wieder nach Ungarn rücküberstellt werden“ dürfen,

2. davon ausgegangen werden kann, „dass die ungarische Regierung die rücküberstellten Asylsuchenden entsprechend den europäischen Standards und unter Einhaltung der EMRK behandelt“,

3. davon ausgegangen werden kann, „dass die Asylsuchenden ihr Verfahren in Ungarn nach europäischem Maßstab durchführen können“.

Es kann offen bleiben, ob der Kläger mit derart weitgefassten Fragestellungen konkrete Rechts- oder Tatsachenfragen i. S. d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG dargelegt hat, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren zugänglich sind. Die Fragen Nrn. 1 bis 3, die sich im Übrigen thematisch überschneiden, beinhalten rechtlich und/oder tatsächlich derart viele unterschiedliche Fallgestaltungen, dass die Fragen - so wie sie gestellt sind - weder klärungs- noch auslegungsfähig sein dürften. Jedenfalls aber rechtfertigen die aufgeworfenen Fragen mangels Klärungsbedürftigkeit bzw. mangels Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.

Der Kläger könnte in einem Berufungsverfahren dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Februar 2011, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (Nr. 1 des Bescheids), und seine Abschiebung nach Ungarn angeordnet hat (Nr. 2 des Bescheids), damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 62; BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 Rn. 6 m. w. N.). Dabei wäre nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung abzustellen (vgl. Schenk in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Nov. 2014, § 77 AsylVfG Rn. 6). Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen wären im Berufungsverfahren diejenigen Umstände heranzuziehen, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (auch) auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen wäre demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielen würde. Sie könnte allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken könnten (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352 Rn. 5; OVG NW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 Rn. 130).

Ausweislich der von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten und vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Mitteilung des Liasonmitarbeiters beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung (BAH) vom 4. Februar 2013 wurde der Asylantrag des Klägers in Ungarn am 29. Juli 2011 abgelehnt. Die von ihm fristgerecht gegen die Verwaltungsentscheidung eingelegte Klage sei von einem ungarischen Gericht am 8. Dezember 2011 abgewiesen worden. Ein am 5. Januar 2012 in Ungarn gestellter weiterer Asylantrag des Klägers sei nach dessen Anhörung am 1. Februar 2012 abgelehnt worden. Eine auch hiergegen erhobene Klage sei mit Entscheidung vom 13. März 2012 abgewiesen worden. Nachdem der Kläger am 26. Januar 2012 aus der Abschiebehaft entlassen worden sei, sei er zunächst in einer Aufnahmeeinrichtung verblieben und anschließend am 27. Februar 2012 in eine Privatunterkunft verzogen.

Der Kläger hat dem Inhalt dieser Mitteilung lediglich insoweit widersprochen, als er im Zulassungsantrag rügt, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Gericht in seinem Urteil plötzlich zu der Feststellung gelange, dass die „ungarischen Behörden über das Datum der Entlassung des Klägers die Wahrheit sagen und nicht der Kläger“. Die weiteren Angaben des Liasonmitarbeiters hat er weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Zulassungsverfahren in Abrede gestellt. Damit hat der Senat davon auszugehen, dass über die vom Kläger in Ungarn gestellten Asylanträge während seines dortigen Aufenthalts, d. h. zwischen dem 12. Mai 2011 (Datum der Luftabschiebung des Klägers) und seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland, (endgültig) entschieden worden ist.

Aus diesem Grund befindet sich der Kläger derzeit nicht mehr in einem Asylverfahren. Demgemäß dürfte die Frage Nr. 2, die sich auf die Behandlung rücküberstellter „Asylsuchender“ bezieht, im erstrebten Berufungsverfahren schon aus diesem Grund nicht entscheidungserheblich sein. Da auch Frage Nr. 3 ihrem Wortlaut nach auf Asylsuchende abstellt und der Kläger nicht darlegt, dass er in Ungarn über die bereits abgeschlossenen Asylverfahren hinaus ein weiteres Asylverfahren durchführen könnte, ist auch sie nicht entscheidungserheblich. Somit wäre in einem Berufungsverfahren nicht in erster Linie die Situation von Asylsuchenden zu beleuchten, vor allem nicht - wie es der Kläger in der aufgeworfenen Frage Nr. 1 für grundsätzlich klärungsbedürftig hält - von solchen Asylsuchenden, die zur „Durchführung des Asylverfahrens wieder nach Ungarn rücküberstellt werden“. Im Berufungsverfahren des Klägers wäre vielmehr die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die sich aktuell in Ungarn nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, weil über (mindestens) einen Asylantrag bereits entschieden worden ist, und die, auch wenn der ursprüngliche Antrag abgelehnt worden ist, ein weiteres Asylverfahren regelmäßig nicht mehr (unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einem Erstantrag) neu einleiten könnten.

Selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers im Gesamtzusammenhang seiner Antragsbegründung die aufgeworfenen Fragen Nrn. 1 bis 3 dahingehend auslegt, dass sie sich auf die gebotene Behandlung von Rückkehrern beziehen, die sich in einer vergleichbaren Situation wie er selbst befinden, hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht dargelegt. Aufgrund systemischer Mängel die Vermutung zu widerlegen, dass der als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411.10 u. a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 80), setzt voraus, dass die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Nur dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352 Rn. 5). Dies berücksichtigend müsste der Kläger in allen Fragen Anhaltspunkte dafür aufzeigen, dass Flüchtlingen, die sich in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie er selbst befinden, bei ihrer Rücküberstellung nach Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens drohen. Dem kommt der Kläger jedoch nicht nach. Zwar zitiert er umfangreich aus dem Bericht des UNHCR vom April 2012 und trägt vor, die von ihm im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschilderten Zustände und Misshandlungen deckten sich vollständig unter anderem mit den Berichten von internationalen Organisationen. Da die wiedergegebenen Verhältnisse im Wesentlichen Rückkehrer betreffen, die zur Durchführung eines Asylverfahrens nach Ungarn rücküberstellt wurden, hätte der Kläger zunächst darlegen müssen, warum die vom UNHCR geschilderten Umstände auch für Rückkehrer gelten, die, wie er selbst (mindestens) ein Asylverfahren in Ungarn durchgeführt haben. Durch die auszugsweise Wiedergabe des Berichts des UNHCR vom April 2012 wird zudem deutlich, dass sich der Kläger auf Umstände bezieht, die sich vor Juli 2012 ereignet haben. Nach entscheidungserheblicher Einschätzung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil, die auf die Mitteilung des Liasonmitarbeiters vom 4. Februar 2013 gestützt ist, ist es jedoch in Ungarn ab Mitte Juli 2012 zu einer veränderten Verfahrenspraxis gekommen, so dass dort nicht (mehr) von systemischen Mängeln des Asylverfahrens auszugehen sei. Mit dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts setzt sich der Kläger weder substantiiert auseinander noch zeigt er auf, warum die Aussagen des UNHCR nicht veraltet, sondern über Juli 2012 hinaus Gültigkeit haben. Auch legt der Kläger in diesem Zusammenhang nicht dar, warum seine persönlichen Erlebnisse, die bereits einige Jahre zurückliegen und die er im Wesentlichen während des laufenden Asylverfahrens in Ungarn hatte, nicht durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677 Rn. 6).

Die Zuständigkeit Ungarns zur Aufnahme des Klägers, die sich wegen seiner Einreise mit einem von der ungarischen Botschaft in Teheran ausgestellten ungarischen Visum aus Art. 9 Abs. 4 der im vorliegenden Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-Verordnung - (im Folgenden: Dublin II-VO) ergibt, bleibt durch die tatsächlichen Veränderungen unberührt. Denn Ziel der Dublin II-Verordnung ist, dass der Staat, der zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, auch für die Vornahme aufenthaltsbeendender Maßnahmen zuständig sein soll (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K25). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Ungarn das insoweit Erforderliche getan hat.

II.

Ungeachtet dessen, dass der Kläger bereits die Entscheidungserheblichkeit der Frage Nr. 4 nicht in der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG gebotenen Weise dargelegt hat, ist es vorliegend nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „das Versäumnis der Frist zum Ersuchen des anderen Mitgliedsstaates, vorliegend Ungarn, gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 EG-AsylZustVO, durch den ersuchenden Mitgliedstaat, vorliegend Deutschland, dem Asylsuchenden ein individuelles Recht auf Zuständigkeit des ersuchenden Staates, als Sanktion für das Fristversäumnis“ verleiht.

Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Fristbestimmungen des § 17 Abs. 1 und 2 der - vom Kläger als EG-AsylZustVO bezeichneten - Dublin II-Verordnung für Übernahmeersuchen allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat dienen (vgl. auch HessVGH, B.v. 25.8.2014 - 2 A 976/14.A - Rn. 15 m. w. N.). Denn wie zuvor dargelegt, ist insoweit sowohl der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 62) als auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 Rn. 6 m. w. N.; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16.14 - Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 1 Rn. 12) zu entnehmen, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat - jedenfalls nach dessen Zustimmung - nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten kann. Damit ist zugleich geklärt, dass wichtige Verfahrensregelungen und -fristen des „Dublin“-Systems kein subjektives Recht des Asylantragstellers begründen (Berlit, Anmerkung zu BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - jurisPR-BVerwG 12/2014 Anm. D).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der im Jahr 1991 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und Tadschike. Er reiste seinen Angaben zufolge im Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Bei der Anhörung vor der Regierung von Oberbayern am 26. Februar 2014 führte der Kläger aus, er sei in der Stadt Herat geboren und nunmehr 23 Jahre alt. Neben Dari spreche er noch Farsi. Seine Mutter lebe im Iran; sein Vater sei letztes Jahr verstorben, als er, der Kläger, in der Türkei gewesen sei. Die letzten sechs oder sieben Jahre habe er ebenfalls im Iran, in der Stadt Karaj, gelebt. Vor ungefähr drei Monaten habe er den Iran verlassen.

Am 3. März 2014 stellte er Asylantrag. Beim Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger an, Afghanistan vor ca. sieben Jahren verlassen zu haben. Über Iran, die Türkei, Griechenland, Bulgarien, Serbien und Ungarn sei er nach Deutschland gekommen. Einen Asylantrag habe er nicht gestellt, aber in Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden.

Aufgrund Übernahmeersuchens der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 2014 erklärte sich die Republik Bulgarien hiermit am 3. Juni 2014 einverstanden.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (1.) und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet (2.). Zur Begründung ist ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien zur Prüfung des Asylantrags zuständig sei aufgrund der Einreise über dieses Land nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die zu einem Selbsteintrittsrecht führen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Asylantrag werde daher nicht materiell geprüft.

Hiergegen erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht München am 17. Juni 2014 Klage mit der Begründung, er laufe Gefahr, in Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Er würde dort nur unzureichend mit Basisleistungen versorgt. Außerdem herrschten extrem schlechte hygienische Bedingungen. Eine Abschiebung nach Bulgarien sei daher nicht durchzuführen und der Bescheid deshalb aufzuheben.

Auf seinen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2014 (Verfahren M 24 S 14.50336) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung mit Zielstaat Bulgarien angeordnet. Mit Urteil vom 30. Juli 2014, das im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung erging, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 aufgehoben. Eine Abschiebung in den primär zuständigen Staat, Griechenland, komme aufgrund der dort bestehenden systemischen Mängel nicht in Betracht. Nachdem der somit zuständige Mitgliedstaat, Bulgarien, zugestimmt habe, könne der Kläger zwar nur geltend machen, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen dort bestünden, jedoch sei dies in Bulgarien der Fall. Es seien systemische Schwachstellen vorhanden, welche die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich brächten. Grundlegend hierfür sei der Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) vom April 2014. Die dortigen Feststellungen würden durch weitere Berichte belegt. Allein die Tatsache, dass Bulgarien demnach nicht zuständig sei, führe zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids, unabhängig davon, ob eine Abschiebungsanordnung in einen weiteren Mitgliedstaat möglich wäre.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und führt ergänzend aus, dass jedenfalls zwischenzeitlich systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen nicht mehr zu erkennen seien, insbesondere seien Unterbringungskapazitäten und entsprechende Versorgung gegeben. Hierzu wird eine Ausarbeitung des „State Agency for Refugees with the Council of Ministers“ des bulgarischen Staats vorgelegt, die belegten, dass systemische Schwachstellen nicht vorhanden seien. Ergänzend trägt die Beklagte vor, ein Klagebegehren, das nicht auf die Zuerkennung des in der Sache erstrebten Status gerichtet sei, sei nicht statthaft. Besonders deutlich werde dies bei einem in einem anderen Mitgliedstaat erfolglos durchgeführten Asylverfahren. Ein dann im Bundesgebiet gestellter Asylantrag sei zugleich ein Zweitantrag im Sinn des § 71a Abs. 1 AsylVfG, gegen den in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Folgeantrag nach § 71 AsylVfG(U.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) allein die auf Statuszuerkennung gerichtete Verpflichtungsklage statthaft sei.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils vom 30. Juli 2014 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014 rechtmäßig und die Klage deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2014 abzuweisen.

Die Klage ist zulässig.

Gegen den Bescheid des Bundesamts vom 4. Juni 2014, mit dem der Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet wird, ist eine Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) die statthafte Klageart (BayVGH, U.v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628; ebenso OVG Hamburg, B.v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris; VGH BW, U.v. 18.11.2014 - A 3 S 265/14 - n.v. und U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; NdsOVG, B.v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B.v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U.v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) bzw. der Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U.v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage wird auch nicht durch die Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts zum Folgeantrag in Frage gestellt (U.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861), die die Beklagte auf die Konstellation eines Zweitantrags gemäß § 71a AsylVfG übertragen möchte. In diesem Urteil ist ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben, weil hier lediglich als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Dublin III-VO im Streit steht. Zudem weist die Beklagte selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist, wohingegen vorliegend eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG Klagegegenstand ist. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-VO eigentlich organisatorische Vorschriften. Gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 27 Dublin III-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff. zur Dublin II-VO).

Die somit zulässige Anfechtungsklage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Dublin III-VO, auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Diese Verordnung ist gemäß Art. 49 Abs. 2 auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Letzteres ist vorliegend einschlägig, da das Übernahmeersuchen an Bulgarien am 8. April 2014 gestellt wurde.

Das Verfahren nach der Dublin III-VO dient zuerst dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin III-VO ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 2, 3, 4, 5 und 40). Im Verfahren nach der Dublin III-VO steht deshalb insbesondere die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO). Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Kläger aus einem Drittstaat kommend die Grenze eines Mitgliedstaats, Bulgarien, überschritten hat, der damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Bulgarien nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO verpflichtet ist, den Kläger aufzunehmen. Aufgrund Übernahmeersuchens der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 2014 erklärte sich die Republik Bulgarien hiermit am 3. Juni 2014 einverstanden. Entsprechend der Konzeption der Dublin III-VO hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit über die prinzipielle Zuständigkeit Bulgariens. Der Kläger befürchtet allerdings, dass ihm im Fall einer Abschiebung in Bulgarien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S.v. Art. 3 EMRK drohen würde. Davon ist jedoch nicht auszugehen.

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs zur Dublin II-VO damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; EuGH, U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417; U.v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208). Art. 3 Abs. 2 der hier maßgeblichen Dublin III-VO regelt nunmehr ausdrücklich, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der im dortigen Kapitel III vorgesehenen Kriterien fortsetzt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (siehe hierzu EuGH, U.v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 75 ff.; BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es wird vermutet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht.

Vorliegend ist es nach diesen Grundsätzen nicht geboten, eine Überstellung nach Bulgarien zu unterlassen, weil dort nach den grundlegenden Veränderungen im Jahr 2014 derzeit nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen ist. Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nach Bulgarien nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Nachdem im Juli/August 2013 bei der Anzahl der Asylanträge in Bulgarien ein großer Anstieg zu verzeichnen gewesen war, nahm die Lage in der zweiten Jahreshälfte 2013 eine äußerst kritische Entwicklung an. Die bulgarische Regierung hatte sich deshalb mit der Bitte um Hilfe an das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) gewandt, das durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen geschaffen wurde (siehe zusammenfassende Darstellung von EASO im „Operating Plan to Bulgaria, Stock taking report on the asylum situation in Bulgaria, Zwischenbilanz Mitte Februar 2014, S. 1 - EASO-Feb). In der Folge wurde am 17. Oktober 2013 der „EASO Operating Plan to Bulgaria” für den Zeitraum von November 2013 bis September 2014 beschlossen.

Noch im Januar 2014 ging UNHCR (Bulgaria, As a Country of Asylum, UNHCR Observations on the Moldova Turkey Current Situation of Asylum in Bulgaria vom 2.1.2014 - UNHCR-Jan) davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen seien Asylbewerber - auch über längere Zeiträume - der Gefahr willkürlicher Verhaftung ausgesetzt; sie hätten keinen Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren und das Refoulement-Verbot werde nicht beachtet. Unter diesen Umständen plädierte UNHCR dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen und die Situation am 1. April 2014 erneut zu überprüfen. Damit sollte UNHCR zufolge Bulgarien die Gelegenheit zur Verbesserung der Aufnahmebedingungen und zur Verstärkung der Kapazitäten des Staatlichen Flüchtlingsamts (SAR) gegeben werden. Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue vom 31.3.2014 - ai), European Council on Refugees and Exiles (ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation vom 7.4.2014 - ecre) und Pro Asyl (Presseerklärung vom 23.5.2014: Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien; News vom 23.5.2014: Flüchtlinge in Bulgarien: misshandelt, erniedrigt, im Stich gelassen; News vom 15.4.2014: Flüchtlinge in Bulgarien: Zurückgewiesen, inhaftiert oder katastrophal untergebracht) an.

Zur Halbzeit des erwähnten „Operating Plan“ überprüfte EASO mit einer Expertengruppe im Februar 2014 die Situation in Bulgarien und zog eine Zwischenbilanz (EASO-Feb). Hierin wird ausgeführt, dass im Parlament ein Gesetzesentwurf mit Verbesserungen unter Teilnahme internationaler Organisationen (einschließlich UNHCR und dem Bulgarischen Helsinki Komitee) erörtert worden sei, insbesondere hinsichtlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und besonders verletzlicher Personengruppen, sowie betreffend das Recht auf Information, Rechtsberatung und das Recht, im Land bleiben zu dürfen. Im Gegensatz zum Herbst 2013 sei die ordnungsgemäße Registrierung Asylsuchender einschließlich der notwenigen Information über den Zugang zum Asylverfahren gewährleistet; ein Rückstau bestehe nicht mehr. Die Durchführung der Asylverfahren sei - mit Ausnahme der Einrichtung Harmanli - verbessert worden, auch wenn noch viele Punkte offen seien. Eine sehr hohe Anerkennungsrate sei beobachtet worden, allerdings könne diese Personengruppe mangels Integrationsprogrammen die Zentren nicht verlassen. Syrische Asylbewerber würden bevorzugt behandelt, so dass die Verfahrensdauer im Übrigen länger sei. Eine gerichtliche Überprüfung sei gesetzlich vorgesehen; gegen eine negative Entscheidung könnten die Verwaltungsgerichte angerufen werden. Bei den Aufnahmebedingungen sei in einer kurzen Zeitspanne ein großer Fortschritt erzielt worden. Im Wesentlichen seien die Zentren in einem vernünftigen Zustand. Ein Hauptfortschritt sei, dass seit 1. Februar 2014 mindestens eine warme Mahlzeit in allen Aufnahmeeinrichtungen vorgesehen sei. Allerdings sei die Qualität der Aufnahmebedingungen noch uneinheitlich, insbesondere genügten sie bei unbegleiteten Minderjährigen und besonders verletzlichen Personengruppen noch nicht den Anforderungen. Zusammenfassend kommt EASO zum Ergebnis, dass in einer kurzen Zeitspanne viele Fortschritte stattgefunden hätten. Es habe sich gezeigt, dass Bulgarien konkrete Schritte zur Verbesserung des Asylsystems und der Aufnahmebedingungen unternommen habe.

Asylum Information Database (National Country Report Bulgaria vom 18.4.2014, S. 9 - aida) berichtete mit dem Stand vom 18. April 2014, dass die Praxis der Bestrafung für eine illegale Einreise mit der Folge einer Inhaftierung beendet worden sei. Die Registrierung sei stark verbessert worden, lediglich in Ausnahmefällen träten Verzögerungen auf. Nach einer Gesetzesänderung seien gegen ablehnende Entscheidungen Rechtsmittel zu den regionalen Gerichten möglich. Die sieben Aufnahmezentren wiesen zum Stand 27. März 2014 eine Kapazität von 4.150 Plätzen mit einer Belegungsquote von 82% auf, wobei insgesamt 6.000 Plätze erreicht werden sollten. Gegenüber Dezember 2013 hätten sich die Bedingungen in den Zentren erheblich verbessert, insbesondere in Harmanli. Seit Februar 2014 sei durch die Regierung die Essensversorgung mit zwei warmen Mahlzeiten am Tag in allen Zentren sichergestellt. Asylsuchende hätten Zugang zu medizinischer Versorgung und zu sanitären Einrichtungen; im Asylverfahren würden Dolmetscher zur Verfügung gestellt und es werde eine monatliche finanzielle Grundversorgung geleistet, auch wenn es hierbei noch zu logistischen Verzögerungen komme. Banya sei als Zentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgebildet worden. Noch auftretende Schwierigkeiten sollten durch ein geplantes Gesetz behoben werden. Ein Integrationsprogramm für anerkannte Flüchtlinge bestehe noch nicht. Nach den gesetzlichen Vorgaben müssten Asylbewerber, die an der Grenze einen Antrag stellen, binnen 24 Stunden in eine Aufnahmeeinrichtung gebracht werden. Tatsächlich würden sie aber erst in das neu errichtete Haftzentrum Elhovo gebracht und nach drei bis sieben Tagen in eine SAR-Einrichtung. Insgesamt seien die im Oktober 2013 initiierten Gesetzesänderungen betreffend die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen noch nicht vollständig umgesetzt.

Im April 2014 nahm UNHCR eine erneute Einschätzung vor (Bulgarien als Asylland, UNHCR Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien vom April 2014 - UNHCR-April). Danach waren zwischen dem 1. Januar und dem 31. März 2014 erhebliche Verbesserungen in Bulgarien bei der Registrierung, Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz und den allgemeinen Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in den Aufnahmezentren festzustellen. Ausschlaggebend sei, dass die Regierung ein umfassendes Integrationsprogramm für Personen, die internationalen Schutz genießen, entwickle und es umsetze. Schwächen bestünden noch im Hinblick auf den Zugang nach Bulgarien an den Grenzen, in zwei von sieben Zentren seien die Aufnahmebedingungen ungeeignet, auf Personen mit besonderen Bedürfnissen könne nicht entsprechend reagiert werden und die Asylverfahren müssten nach wie vor qualitativ verbessert werden, einschließlich der Bereitstellung von Informationen in einer Sprache, die die Asylsuchenden verstünden. Dringend notwendig sei es, den Personen mit Schutzstatus Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Integrationsmaßnahmen zu gewähren. Die Mängel seien aber nicht mehr derart, dass eine allgemeine Aussetzung der Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gerechtfertigt wäre. Allerdings könnten Gründe vorliegen, Überstellungen für bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen auszuschließen. Empfohlen wurde, eine Einzelfallbewertung durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen oder Vulnerabilitäten.

Auch die Bundesregierung (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 18/1446 vom 20.5.2014 - BReg) ging im Mai 2014 unter Bezugnahme auf den UNHCR davon aus, dass bereits deutliche Verbesserungen im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen eingetreten seien. Bulgarien unternehme u. a. mit Hilfe von EASO und in Kooperation mit dem UNHCR große Anstrengungen, insbesondere seien Maßnahmen zur Verbesserung des Aufnahmesystems, der Herkunftsländerinformationen, der Ausbildung neuer Kräfte, der Versorgung schutzbedürftiger Personen und der Registrierung von Schutzsuchenden getroffen worden. Es bestünden sieben Aufnahmeeinrichtungen mit einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82%. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingestellt, Unterkünfte renoviert und Sanitärbereiche erneuert worden. Täglich würden zwei warme Mahlzeiten bereitgestellt, in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Eine monatliche Grundsicherung werde ausbezahlt. Jeder Antragsteller werde krankenversichert und erhalte eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger. Bei unbegleiteten Minderjährigen und besonders Schutzbedürftigen leiste EASO seit Februar 2014 Unterstützung. Illegal eingereiste Personen würden bei der ersten Befragung polizeilich registriert; dabei könnten sie ihr Asylbegehren vorbringen. Jeder Asylantragsteller könne sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen zu jeder Zeit frei bewegen. Bei Rückkehrern mit noch nicht abgeschlossenem Verfahren werde der jeweilige Antrag weitergeprüft. Sei das Verfahren unterbrochen worden und spreche der Antragsteller nicht innerhalb von drei Monaten bei der staatlichen Flüchtlingsagentur vor, werde das Verfahren in seiner Abwesenheit beendet. Falls noch keine Anhörung stattgefunden habe, werde diese nachgeholt, da nach bulgarischem Recht grundsätzlich keine Entscheidung ohne Anhörung erfolgen könne. Sei der Antrag bereits rechtskräftig abgelehnt worden, bestehe bei Rückkehr die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen, ohne dass eine Abschiebehaft erfolge. Über den Asylantrag werde in drei Phasen - Zuständigkeit Bulgariens, Prüfung der offensichtlichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit und allgemeines Verfahren - innerhalb von drei Monaten entschieden, die jeweils einer gerichtlichen Kontrolle unterlägen. Bei laufenden Asylverfahren finde keine Inhaftierung statt. Das bulgarische Recht sehe Haft nur zur Abschiebung und grundsätzlich nicht für Asylbewerber vor.

Im Anschluss an den „Operating Plan” vom 17. Oktober 2013 wurde am 5. Dezember 2014 zwischen EASO und Bulgarien der „Special Support Plan“ (EASO-Dez) unterzeichnet. EASO stellte darin fest, dass die Kapazitäten zur Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern signifikant angestiegen und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten vorhanden seien. Trotz dieses bedeutenden Fortschritts sei Bulgarien aber wegen seiner EU-Außengrenzen weiterhin einem starken Druck ausgesetzt. Die Evaluation des „Operating Plan“ habe deshalb dazu geführt, dass ergänzende bzw. Folgeaktionen vorgeschlagen würden, vor allem für besonders schutzbedürftige Personen. Angesichts der Gesamtumstände bestehe noch - zunächst bis Juni 2016 - die Notwendigkeit zu weiterer, spezieller Unterstützung, deren Ausgestaltung im Einzelnen dargelegt wird. In Erwartung eines im Jahr 2015 weiter ansteigenden Migrationsdrucks sollen der laufende Aktionsplan fortgesetzt und ergänzende Aktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Bereits während der letzten zwölf Monate habe das bulgarische Asylsystem wichtige Entwicklungen vollzogen, insbesondere bei der personellen und technischen Ausstattung sowie bei den Aufnahmeeinrichtungen, die derzeit eine Kapazität von 6000 Plätzen aufwiesen. Die dortigen Lebensbedingungen seien deutlich verbessert worden. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal sichergestellt; medizinische Versorgung sei gewährleistet. Im Oktober 2015 solle auch beim „Special Support Plan“ eine Halbzeitbilanz erstellt werden.

Diese dargestellten Entwicklungen im Laufe des Jahres 2014 zeigen, dass derzeit bei der Durchführung des Asylverfahrens und bei den Aufnahmebedingungen systemische Schwachstellen nicht mehr zu erkennen sind.

Soweit es die Asylverfahren betrifft, sind die Kapazitäten signifikant gestiegen (EASO-Dez; aida) durch eine technische und personelle Aufrüstung (EASO-Feb; UNHCR-April; BReg) sowie eine gezielte Ausbildung neuer Kräfte. Damit ist zwischenzeitlich sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwenigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet (EASO-Feb; UNHCR-Apr) als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern (aida; BReg). Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen (BReg). Auch bei Rückkehrern ist eine Weiterprüfung ihres Verfahrens bzw. ein Folgeverfahren bei rechtskräftiger Ablehnung sichergestellt, ohne dass eine Abschiebehaft erfolgt. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (aida).

Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen hat EASO bereits im Februar 2014 die Zentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert (BReg). Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren (BReg), stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden (BReg). Zum Lebensunterhalt werde eine monatliche Grundsicherung ausbezahlt (aida; BReg). Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (aida; BReg; EASO-Dez).

Soweit demgegenüber von ai und ecre noch ein Überstellungsstopp gefordert wurde, beruht dies auf dem diesen Berichten zugrundeliegenden Stand der Entwicklung im Frühjahr 2014. Die oben erwähnten Anstrengungen des bulgarischen Staats zur Verbesserung der Situation werden auch von ai und ecre dargestellt; allerdings waren zu diesem Zeitpunkt die gesetzlichen Vorgaben in der Praxis erst zum Teil umgesetzt und in den Aufnahmezentren noch Baumaßnahmen im Gange. Das Gleiche gilt für die Ausarbeitung von Human Rights Watch (Containment Plan - Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian and Other Asylum Seekers and Migrants, April 2014 - HRW). Zudem befasst sich diese im Wesentlichen mit der Zuspitzung der Lage in der zweiten Jahreshälfte 2013. Schließlich trifft das auch auf die Berichte von Pro Asyl zu. Auch wenn deren Veröffentlichungen vom April, Mai und August 2014 datieren, nehmen sie auf die Lage im November 2013 Bezug und sind damit überholt.

Neueren Datums ist zwar die Darstellung von bordermonitoring (Trapped in Europe’s Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria vom 7.7.2014 - deutsche Übersetzung vom 22.12.2014: Gefangen in Europas Morast, Die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien). Sie befasst sich aber überwiegend mit den Problemen, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen. Zudem basiert die Untersuchung ihrem Vorwort zufolge auf Interviews mit Asylsuchenden und Statusinhabern einerseits und mit Beamten, NGO-Vertretern, Anwälten und Freiwilligen andererseits. Zugleich werden Teile des öffentlichen Diskurses über Asylsuchende und Flüchtlinge analysiert. Der Bericht ist damit schon nach seiner eigenen Intention nicht auf eine systematische Gesamtanalyse ausgerichtet, sondern greift lediglich Einzelschicksale heraus und weist in diesem Zusammenhang auf vielfältige Unzulänglichkeiten der Situation in Bulgarien hin. Hieraus lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen schließt die Einschätzung des Senats mit ein, dass nach wie vor in bestimmten Bereichen Schwächen vorhanden und noch nicht alle gesetzlich vorgesehenen Änderungen vollständig umgesetzt sind.

Das gilt für das Problem der zum Teil noch vorkommenden - kurzfristigen - Inhaftierungen und für die Aufnahmebedingungen für besonders verletzliche Personengruppen, die den übereinstimmenden Aussagen der Erkenntnismittel zufolge nach wie vor nicht zufriedenstellend sind (EASO-Feb; UNHCR-April; BReg). EASO legt deshalb hierauf in den ergänzenden Unterstützungsmaßnahmen, die noch bis zum Jahr 2016 vorgesehen sind, ein besonderes Augenmerk. Schwächen bestehen weiterhin nach übereinstimmenden Aussagen im Hinblick auf den Zugang nach Bulgarien an den Grenzen (UNHCR-April). Die Tatsache, dass Bulgarien wegen seiner EU-Außengrenzen weiterhin einem starken Druck ausgesetzt ist, hat EASO im „Special Support Plan“ vom 5. Dezember 2014 berücksichtigt. In Erwartung eines im Jahr 2015 weiter ansteigenden Migrationsdrucks wurde der „Operating Plan“ fortgesetzt. Es ist ausdrücklich festgehalten, dass angesichts der Gesamtumstände noch - zunächst bis Juni 2016 - die Notwendigkeit zu weiterer, spezieller Unterstützung besteht. Unbefriedigend ist möglicherweise auch die Situation von Personen, denen ein Schutzstatus zuerkannt wurde. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse, auch wenn ihnen wohl noch für eine gewisse Zeit Aufenthalt in einem Zentrum gewährt wird. Hierbei handelt es sich aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern - da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht - um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet.

Punktuelle Defizite vermögen nicht die Mangelhaftigkeit des Gesamtsystems zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U.v. 21.12.2011 - N.S., C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417) wäre es nämlich nicht mit den Zielen und dem System der Dublin II- bzw. III-VO vereinbar, wenn geringste Verstöße genügen würden, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Vielmehr würde damit den in Kapitel III der Dublin II- bzw. III-VO genannten Kriterien ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, wenn jeder Verstoß zur Folge hätte, dass eine Überstellung unterbleiben müsste. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Da der Kläger vorliegend nicht zu einem schützenswerten Personenkreis gehört, bedarf es auch keiner gesonderten Überprüfung, ob ausnahmsweise von einer Überstellung abgesehen werden müsste.

Soweit sich der Kläger auf die Zustände im Lager Harmanli berufen hat, decken sich seine Aussagen mit der Darstellung in den Erkenntnismitteln. Wie dort beschrieben, hat auch der Kläger vorgetragen, dass die Einrichtung überbelegt, die hygienischen Bedingungen unakzeptabel gewesen seien und er nicht die nötigen Basisleistungen erhalten habe. Harmanli wurde aida (S. 41; siehe auch ai S. 6, 7; EASO-Feb S. 9) zufolge als eine von vier neuen Einrichtungen im September/Oktober 2013 eröffnet, jedoch war sie völlig überfüllt und weder die Infrastruktur noch die materiellen Bedingungen entsprachen zu diesem Zeitpunkt den Minimalanforderungen an angemessene Lebensbedingungen, insbesondere in Bezug auf Existenzsicherung sowie physische und mentale Gesundheit. In Harmanli, einer ehemaligen Militärkaserne, seien die Asylsuchenden unter extrem einfachen Lebensbedingungen und hygienischen Verhältnissen in Zelten und Containern ohne Strom und Kanalanschluss in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht worden (siehe auch UNHCR-Jan S. 9). Die Missstände seien so gravierend gewesen, dass die Gefahr von Epidemien bestanden habe. Das berichtete auch UNHCR im Januar 2014, der das Lager als die schlechteste aller Einrichtungen bezeichnete (S. 9 f.).

Allerdings haben dort gravierende Veränderungen stattgefunden, insbesondere auch bauliche Maßnahmen. So haben aida und ai (S. 10 bzw. 6) im März 2014 festgestellt, dass sich die Situation dort gegenüber Dezember 2013 wesentlich verbessert habe, wenngleich noch Bauarbeiten im Gange seien (S. 42; auch EASO-Feb S. 10). Das Zentrum werde auch nicht mehr als geschlossene Einrichtung betrieben. Weitergehende Verbesserungen werden von EASO im Dezember 2014 bestätigt (S. 7). Bei einer Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt ist deshalb eine unmenschliche Behandlung nicht mehr zu erwarten. Ebenso sind die zum damaligen Zeitpunkt noch vorhandenen Schwachstellen im Asylverfahren mittlerweile behoben. In der Gesamtschau ist damit derzeit in Bulgarien nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen.

Die hier vertretene Einschätzung der Situation von Asylbewerbern in Bulgarien entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77) und des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BVwG, U.v. 3.10.2014 - W212 2009059-1 - RIS).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer, Einzelrichter - vom 3. November 2014 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt.

2

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

3

Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,

4

ob ein Asylbewerber sich gegen eine Überstellung in einen Drittstaat darauf berufen darf, dass Deutschland die Überstellungsfrist gemäß Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO bzw. Art. 29 Abs. 3 Dublin-III-VO versäumt hat,

5

keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage bedarf bereits deshalb nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres - verneinend - beantworten lässt.

6

Die Kläger können kein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristvorschriften der Dublin-II-Verordnung geltend machen; auf die hier nicht anwendbaren Vorschriften der Dublin-III-Verordnung kommt es nicht entscheidungserheblich an. Die Dublin-II-Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 ist trotz § 77 Abs. 1 AsylVfG und der zwischenzeitlich erlassenen Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-Verordnung - auf den vorliegenden Fall weiterhin anzuwenden, weil nach Art. 49 Dublin-III-Verordnung die Neuregelung erst auf Anträge der Mitgliedstaaten auf Wiederaufnahme anzuwenden ist, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind.

7

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 - Abdullahi -, NVwZ 2014, 208, juris; vgl. auch Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. -, Slg 2011, I-13905-14033, juris Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11, Puid - juris) ist davon auszugehen, dass sich die Kläger nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Denn die Dublin-II-VO gewährt den Klägern keinen subjektiv einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass ihre Asylanträge in einem bestimmten Mitgliedsstaat geprüft werden, den sie für zuständig halten. Die jeweiligen Fristbestimmungen der Dublin-II-VO dienen hiernach ebenfalls allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat im Verhältnis der Dublin-Staaten untereinander, ohne aber den Klägern (mittelbar) einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - Rn. 10 ff., VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - Rn. 59 und vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - Rn. 25, Hessischer VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 - jeweils juris, siehe auch Berlit, Anmerkung zu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris PR-BVerwG 12.2014). Ein Asylantragsteller kann der Überstellung in den nach der Dublin-II- Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris).

8

Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10. Dezember 2013 (- C-394/12 - „Abdullahi", a.a.O.) kann ein Asylantragsteller nach einem erfolgreichen Aufnahmeersuchen mit dem in Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten. Zwar sind diese Ausführungen des Gerichtshofes ausdrücklich nur im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedsstaats gemäß Kapitel III der Dublin II-Verordnung erfolgt. Aus ihren tragenden Erwägungen kann aber unmittelbar gefolgert werden, dass sich ein Asylantragsteller ebenfalls nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den im Kapitel V geregelten Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen kann (ebenso Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 - juris Rn. 10).

9

Genauso wie die Vorschriften über die Bestimmung der Zuständigkeit im Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine subjektiven Rechte vermitteln, sondern als Organisationsvorschriften einer klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten dienen (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16), sollen auch die Vorschriften des Kapitel V der Verordnung - ebenfalls als Organisationsvorschriften - in erster Linie eine rasche Bestimmung des für die Prüfung zuständigen Mitgliedsstaates ermöglichen (Erwägungsgrund 4). Auch sie vermitteln Asylantragstellern keine subjektiven Rechte, sondern bei ihnen steht das Interesse im Vordergrund, die Zuständigkeit zeitnah festzustellen und den Asylantrag durch einzig den zuständigen Mitgliedstaat prüfen zu lassen, nicht aber, die Prüfung einem ganz bestimmten Mitgliedstaat zuzusprechen, in dem der Antragsteller einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat.

10

Dementsprechend führt der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) aus, dass der Unionsgesetzgeber diese Vorschriften erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Rn. 53). Auch er sieht einen der Hauptzwecke der Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden (Rn. 59). Vorrangiges Ziel der Dublin-II-Verordnung insgesamt, und nicht nur der Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, ist danach eine möglichst eindeutige Bestimmung des zuständiges Mitgliedstaates und in der Folge eine zeitnahe Prüfung des Asylantrages. Der Unionsgesetzgeber wollte einem Asylantragsteller mit der Dublin II-Verordnung (ebenso mit der Dublin III-Verordnung) aber keine weitergehende Rechtsposition einräumen, seinen Asylantrag in einem ganz bestimmten Mitgliedstaat, in dem er einen (weiteren) Asylantrag gestellt hat, prüfen zu lassen.

11

Auch das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14. u.a. - Rn. 4, vom. 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, vom 21. Mai 2014 - 10 B 3110 B 31.14 - Rn. 4 und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, jeweils juris) entnimmt der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union, dass ein Asylantragsteller einer Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Auch nach seinem Verständnis dieser Rechtsprechung kann eine Berufung auf eine Verletzung von Verfahrens- und Fristenregelungen der Dublin-II-Verordnung der Klage eines Asylbewerbers demnach grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (so ausdrücklich Berlit, jurisPR- BVerwG 12/2014 Anm. 3, Buchst. B am Ende).

12

Die Kläger machen geltend, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergebe, dass Asylantragsteller zwar keine Fristversäumnisse im Rahmen des (Wieder-)Aufnahmeersuchens geltend machen könnten - dies könne nur der ersuchte Staat - (Beschluss vom 21. Mai 2014 a.a.O.), ein Ablauf der Überstellungsfrist führe aber zu einem Zuständigkeitswechsel und dies könne der Flüchtling geltend machen. Im Beschluss vom 14. Juli 2014 (a.a.O.) habe das Bundesverwaltungsgericht durch den Begriff des zuständigen (statt des ersuchten) Mitgliedsstaats deutlich gemacht, dass der Asylantrag nur dann unzulässig sei, wenn ein anderer Mitgliedsstaat zuständig sei. Auch für den Gerichtshof der Europäischen Union sei in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a.a.O.) ausschlaggebend, dass der ersuchte Staat der Übernahme zugestimmt habe. Damit sei aber nichts dazu gesagt, dass nach Fristablauf die Zuständigkeit wieder auf den ersuchenden Staat übergehe und der Antragsteller dies geltend machen könne.

13

Der Senat vermag diesen Ausführungen der Kläger nicht zu folgen, solange Frankreich weiterhin bereit ist, ihre Asylanträge zu bearbeiten, da es keinen Anspruch der Kläger auf Prüfung ihrer Anträge durch einen (von ihnen) bestimmten Staat gibt. Dafür, dass Frankreich seine mit Schreiben vom 31. März 2014 erklärte Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger nach Fristablauf zurücknehmen und sich auf den Fristablauf berufen werde, gibt es weder Feststellungen des Verwaltungsgerichts - zum Zeitpunkt seiner Entscheidung war die Frist des Art. 19 Abs. 3 UAbs. 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin-II-VO noch nicht abgelaufen - noch wird von den Klägern behauptet oder gar dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG), dass Frankreich wegen des Fristablaufs nicht mehr zur Aufnahme bereit wäre. Ob etwas anderes dann gilt, wenn feststeht, dass der ersuchte Mitgliedstaat - hier Frankreich - nicht mehr zur Aufnahme bereit ist (vgl. zu dieser Fallkonstellation VG Schleswig, Gerichtsbescheid vom 19. Februar - 5 A 374/14 -), bedarf hier schon deshalb keiner weiteren Erörterung. Diese Fallkonstellation ist auch nicht vorsorglich vom Senat in die Prüfung einzubeziehen. Sofern mit einem solchen Fall eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 41 Abs. 1 i.V.m. Art 51 Abs. 1 Satz 1 EUGrdRCh einherginge, hätten die Kläger einen Wiederaufgreifensanspruch (vgl. § 51 VwVfG; zur Notwendigkeit in einem solchen Fall ein Verfahren auf Wiederaufgreifen einzuleiten, vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14-juris Rn. 59juris).

14

Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Obergerichte, die eine bundeseinheitliche Klärung erforderte, ist nicht ersichtlich. Mit dem Hinweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2014 -11 B 789/14.A - zeigen die Kläger letztlich keine abweichende Entscheidung auf, da dieser Beschluss schon keine (nähere) Begründung enthält. Damit bleibt unklar, auf welchen Überlegungen der Beschluss beruht, ob ihm eine Auseinandersetzung mit der dargelegten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen ist, und insbesondere, ob hier im Einzelfall neben dem Ablauf der Überstellungsfrist weitere Umstände hinzugekommen sind, aufgrund derer feststand, dass Italien nicht mehr zur Aufnahme bereit war. Ähnlich verhielte es sich mit der von den Klägern herangezogenen Entscheidung eines Einzelrichters beim österreichischen Bundesverwaltungsgericht, unterstellt mit dem Verweis auf derartige erstinstanzliche Entscheidungen könnte überhaupt eine Klärungsbedürftigkeit dargelegt werden.

15

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da dem Antrag auf Zulassung der Berufung nach dem Ausgeführten die hierfür gem. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten abzusprechen sind.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30 Abs. 2 RVG) sind nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.

17

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2011 - A 1 K 3583/09 - geändert. Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Die am 11.3.1973 geborene Klägerin 1 und ihre vier zwischen 1994 und 2004 geborenen Kinder, die Kläger 2 bis 5, sind nach ihren Angaben russische Staatsangehörige. Sie reisten am 24.4.2009 über Polen in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 23.6.2009 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Aufgrund eines Vergleichs der Fingerabdrücke der Kläger stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) fest, dass die Kläger bereits zuvor am 27.3.2009 in Polen einen Asylantrag gestellt hatten. Auf ein deshalb am 17.6.2009 gestelltes Übernahmeersuchen erklärten die polnischen Behörden mit Schreiben vom 18.6.2009 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger gemäß Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO.
Mit Schreiben vom 1.9.2009 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger, das Asylverfahren in Deutschland durchzuführen, da die Klägerin 1 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie unter Depressionen leide und deshalb auf die Unterstützung von Familienangehörigen angewiesen sei. In Köln lebten mehrere Verwandte, darunter der Bruder der Klägerin, der durch Bescheid vom 24.4.2003 als „politischer Flüchtling“ anerkannt worden sei. Mit Schreiben vom 14.9.2009 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger ferner eine fachärztliche Stellungnahme vor, aus der sich mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, dass die Klägerin 1 dringend der Unterstützung durch nahe Familienangehörige bedürfe. In dem Schreiben wurde ferner mitgeteilt, dass die in Köln lebende Mutter der Klägerin ebenfalls als „politischer Flüchtling“ im Bundesgebiet anerkannt worden sei.
Mit Bescheid vom 8.9.2009 erklärte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger für unzulässig und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge für deren Bearbeitung zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
Im November 2009 wurden die Kläger nach Polen überstellt, am 3.12.2009 wurde ihnen der Bescheid vom 8.9.2009 zugestellt.
Die Kläger haben am 9.12.2009 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2009 aufzuheben. Zur Begründung ließen sie vortragen, die Klägerin 1 leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung als Folge einer in ihrem Heimatland erlittenen politischen Verfolgung und sei deswegen von Mai bis Juni (in Deutschland) stationär behandelt worden. Sie sei aus diesem Grund in besonderem Maße auf die Unterstützung ihrer Mutter, die als „politischer Flüchtling“ in Deutschland lebe, sowie auf die Unterstützung anderer Familienangehörigen angewiesen. Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO sehe in einem solchen Fall die Abweichung von den Zuständigkeitskriterien aus humanitären Gründen vor. Bei den Familienangehörigen der Kläger handele es sich zwar nicht um „Familienangehörige“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO. Der Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO sei jedoch nicht auf die Kernfamilie beschränkt, sondern beziehe sich auf alle Familienangehörigen im Sinne des Art. 8 EMRK. Auf Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO sowie auf die Möglichkeit des Selbsteintritts gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO könnten die Kläger sich berufen. Die Kläger hätten zumindest Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit Urteil vom 30.6.2011 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid des Bundesamts vom 8.9.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig und verletzte daher die Kläger in ihren Rechten. Nach § 27a AsylVfG sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Eine nach Art. 16 Dublin II-VO gegebene Zuständigkeit reiche indessen allein nicht aus, um den Asylantrag unzulässig zu machen. Vielmehr sei auch zu prüfen, ob humanitäre Gründe im Sinne des Art. 15 dieser Verordnung vorlägen und daher das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung auszuüben sein könnte, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Im Fall der Kläger lägen humanitäre Gründe nach Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO vor, aufgrund deren die Beklagte das Selbsteintrittsrecht auszuüben habe. Nach dieser Bestimmung entschieden die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen die betroffene Person wegen einer schweren Krankheit auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen sei, im Regelfall, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalte, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden habe. Die Klägerin 1 leide, wie sich zuletzt aus der Bescheinigung der Medizinischen Station der polnischen Ausländerbehörde vom 16.6.2010 ergebe, an einer schweren Krankheit, nämlich an einem depressiven Syndrom mit Konversionskomponente, wegen dem sie in ständiger psychiatrischen Behandlung sei. Aus dieser Bescheinigung ergebe sich auch, dass die Klägerin 1 insbesondere der Unterstützung ihrer hier als Flüchtling anerkannten Mutter bedürfe, da dort ausgeführt werde, dass sich das „Funktionieren“ bessern würde, wenn die Klägerin 1 im Kreis ihrer Nächsten leben könnte. Auch die weitere tatbestandliche Voraussetzung, dass die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden haben müsse, sei gegeben. Denn damit sei allein gemeint, dass das entsprechende Verwandtschaftsverhältnis bereits bestanden haben müsse, was hier unzweifelhaft zu bejahen sei. Für eine Atypik sei nichts ersichtlich oder dargetan. Eine Trennung der Kläger 2 bis 5 von der Klägerin 1 verbiete sich in Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG.
10 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 25.3.2013 zugelassene Berufung der Beklagten. Zu deren Begründung macht die Beklagte geltend, aus der Dublin II-Verordnung ergäben sich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Ein Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in einem bestimmten Land bestehe daher nicht.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30.6.2011 - A 1 K 3583/09 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
13 
Die Kläger beantragen,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
16 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Der Senat konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens der Kläger sowie eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
18 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid, mit dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Polen angeordnet hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten.
19 
Die Entscheidung über die Asylanträge der Kläger stützt sich auf § 27a AsylVfG. Nach dieser - durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 in das Asylverfahrensgesetz eingefügten - Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 31 Abs. 6 AsylVfG wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt ferner gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
20 
Die angefochtene Entscheidung des Bundesamts ist danach nicht zu beanstanden. Der für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständige Staat ist nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern die Republik Polen.
21 
1. Die Frage, welcher Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständig ist, bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Die Dublin II-Verordnung ist zwar zum 19.7.2013 aufgehoben und durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden. Die Dublin III-Verordnung findet jedoch gemäß ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 nur auf Asylanträge Anwendung, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden. Für vor diesem Datum gestellte Asylanträge erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auch weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung.
22 
2. Der nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist die Republik Polen.
23 
Für den Fall, dass auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den in Art. 18 Abs. 3 Dublin II-VO genannten Verzeichnissen festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Da die Kläger unstreitig über Polen eingereist sind und dort auch vor ihrer Weiterreise nach Deutschland Anträge auf Asyl gestellt hatten, ist nach dieser Vorschrift die Republik Polen für die Prüfung der Asylanträge der Kläger zuständig.
24 
Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 in Deutschland leben und beide als Asylberechtigte anerkannt worden sind, ändert daran nichts. Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, so ist zwar gemäß Art. 7 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Nach Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind „Familienangehörige“ im Sinne dieser Vorschrift aber nur der Ehegatte (oder unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner), die minderjährigen Kinder, sofern diese ledig und unterhaltsberechtigt sind, sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern der Vater, die Mutter oder der Vormund des Antragstellers. Die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 gelten somit nicht als „Familienangehörige“ der Kläger im Sinne des Art. 7 Dublin II-VO.
25 
Der zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat ist nach Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO gehalten, einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, aufzunehmen (Buchst. a) und die Prüfung des Asylantrags abzuschließen (Buchst. b). Auf das mit Schreiben vom 17.6.2009 gestellte (Wieder-)Aufnahmegesuch haben dementsprechend die polnischen Behörden mit Schreiben vom 18.6.2009 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger erklärt.
26 
3. Das Verwaltungsgericht ist der Meinung, eine nach Art. 16 Dublin II-VO gegebene Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union reiche nicht aus, um einen Asylantrag im Sinne des § 27a AsylVfG unzulässig zu machen. Vielmehr sei auch zu prüfen, ob humanitäre Gründe im Sinne des Art. 15 Dublin II-VO vorlägen und daher das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben sein könnte, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Im Fall der Kläger lägen humanitäre Gründe nach Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO vor, aufgrund deren die Beklagte das Selbsteintrittsrecht auszuüben habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
27 
a) Nach Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. In diesem Fall prüft jener Mitgliedstaat auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats den Asylantrag der betroffenen Person. Die betroffenen Personen müssen dem zustimmen. Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO bestimmt ferner, dass in Fällen, in denen die betroffene Person wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen ist, die Mitgliedstaaten im Regelfall entscheiden, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat. Unabhängig von diesen Regelungen kann nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO jeder Mitgliedsstaat einen bei ihm eingereichten Asylantrag prüfen (sogenanntes Selbsteintrittsrecht) mit der Folge, dass er dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat wird und die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernimmt.
28 
b) Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 6.11.2012 - C-245/11 - NVwZ-RR 2013, 69) ein nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung nicht für die Prüfung eines Asylantrags zuständiger Mitgliedstaat zuständig wird, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
29 
Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO ist im Zusammenhang mit der allgemeineren Regelung in Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO zu sehen. Art. 15 Abs.1 Dublin II-VO ist eine fakultative Bestimmung, die den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Entscheidung einräumt, ob sie aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige „zusammenführen“. Durch Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO wird dieses Ermessen in der Weise eingeschränkt, dass die Mitgliedstaaten, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen „im Regelfall … nicht … trennen“. Der Anwendung dieser Vorschrift im Fall der Kläger steht nicht entgegen, dass sowohl die Mutter der Klägerin 1 als auch deren Bruder keine „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind, da beide unter den in Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO verwendeten Begriff „anderer Familienangehöriger“ fallen, der in Anbetracht der humanitären Zielsetzung der Regelung sowie im Hinblick auf die verschiedenen und zum Teil voneinander abweichenden Sprachfassungen dieser Vorschrift dahin zu verstehen ist, dass er außer den „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO auch andere Familienmitglieder umfasst (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; im Ergebnis ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - Juris; Hailbronner, Ausländerrecht, § 27a AsylVfG, Rn. 68 f; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 27a Rn. 158, 165 ff; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rn. 55). Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 bereits seit 2000 bzw. 2001 in Deutschland leben, während die Klägerin 1 und ihre Kinder ihr Heimatland erst 2009 verlassen haben, ist ebenfalls unschädlich, da Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO nur verlangt, dass die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat.
30 
Der Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die Klägerin 1 wegen ihrer psychischen Erkrankung auf die Unterstützung ihrer in Deutschland lebenden Verwandten im Sinne dieser Vorschrift „angewiesen“ ist. Dass eine solche Unterstützung nützlich oder förderlich ist, reicht dafür nicht aus. In dem bei den Akten des Bundesamts befindlichen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden vom 19.6.2009 wird der Klägerin 1 eine Posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome bescheinigt. Der Facharzt für Psychiatrie K... spricht in seinem Bericht vom 9.9.2009 von einer schweren depressiven Störung mit Angstzuständen bei posttraumatischer Belastungsstörung, wegen der die Klägerin dringend einer intensiven und regelmäßigen psychiatrischen Behandlung mit Psychopharmaka bedürfe. In dem von der Klägerin 1 während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegten Schreiben einer polnischen Psychologin vom 29.1.2010 heißt es, die Klägerin 1 leide an einem depressiven Syndrom mit Konversionskomponente. Wegen ihrer Lebenssituation (alleinerziehende Mutter mit vier Kindern) und ihres Gesundheitszustands benötige sie die Hilfe ihrer Mutter. Der Nachweis, dass die Klägerin 1 (gerade) wegen ihrer Erkrankung auf diese Hilfe im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO „angewiesen“ ist, ist damit nicht geführt.
31 
c) Das sich aus Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ergebende Recht der Bundesrepublik Deutschland, die bei ihr eingereichten Asylanträge der Kläger aus humanitären Gründen zu prüfen, bleibt von dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO unberührt. Rechte der Kläger werden jedoch von diesen Vorschriften nicht begründet. Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, die Beklagte habe das ihr im Rahmen dieser Vorschriften zustehende Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt.
32 
aa) Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO sollen die „Prärogativen“ der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208). In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob aus diesen Vorschriften ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts oder wenigstens ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung abgeleitet werden kann (dafür: VG Gießen, Urt. v. 25.4.2008 - 2 L 201/08 - InfAuslR 2008, 327; Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 123 ff./134; Marx, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 13; a. M. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 7.10.2013 - 33 L 403.13 A - Juris; Hailbronner, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 62). Durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.12.2013 - C-394/12 - (a.a.O.) ist diese Frage nunmehr in dem Sinne geklärt, dass ein Asylbewerber grundsätzlich keinen Anspruch gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, dass dieser von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Nach dem Urteil hat das jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu gelten, dass ein Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II -VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat.
33 
Zur Begründung weist der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass die für Asylanträge geltenden Regelungen in weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert worden seien, so insbesondere jüngst durch die Richtlinien 2011/95 und 2013/32. Der von einem Asylbewerber gestellte Antrag werde daher weitgehend nach den gleichen Regelungen geprüft, welcher Mitgliedstaat auch immer für seine Prüfung nach der Dublin II-Verordnung zuständig sei. Zu den Regelungen in Art. 3 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO heißt es weiter, dass diese Vorschriften den Mitgliedstaaten aus den bereits genannten Gründen ein weites Ermessen einräumten. Im dem Urteil wird ferner betont, aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-Verordnung gehe hervor, dass die Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats einer der Hauptzwecke der Verordnung sei, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Der Gerichtshof der Europäischen Union schließt hieraus, dass in einem Fall, in dem ein anderer Mitgliedstaat als der Mitgliedstaat der ersten Einreise der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zugestimmt habe, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums (d.h. das Kriterium der ersten Einreise) nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Europäischen Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden. Dem schließt sich der Senat an.
34 
bb) Die Kläger könnten danach gegen den angefochtenen Bescheid nur einwenden, dass es in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber mit der im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Folge für ihre eigene Person gebe. Ein solcher Einwand wird von den Kläger jedoch nicht erhoben. Die Frage, ob es in Polen systemische Mängel in dem genannten Sinn gibt, wird im Übrigen, soweit ersichtlich, allgemein verneint (vgl. u. a. VG Kassel, Beschl. v. 26.8.2013 - 9 L 984/13.KS.A - Juris; VG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2013 - 1 B 43/13 - Juris; VG Lüneburg, Urt. v. 10.10.2013 - 2 B 47.13 - Juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.2013 - 25 L 2154/13.A - Juris).
35 
4. Offen bleiben kann, ob ein Asylbewerber seiner Überstellung in den für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat weitere die Verhältnisse in diesem Staat betreffende Gründe entgegen halten kann.
36 
So stellt sich die Frage, ob auch das Drohen einer Verletzung von Art. 3 der Europäischen Grundrechtscharta im Einzelfall eine Ausnahme von der innereuropäischen Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, zu begründen vermag. Diese Frage braucht jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden zu werden, da den Klägern keine Verletzung ihres durch diese Vorschrift gewährleisteten Rechts auf körperliche und geistige Unversehrtheit droht. Anhaltspunkte dafür, dass die psychische Erkrankung der Klägerin 1 in Polen nicht behandelt werden kann, sind nicht zu erkennen. Dies wird auch von den Klägern nicht behauptet.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
38 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
17 
Der Senat konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz des Ausbleibens der Kläger sowie eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden. Die Beteiligten sind ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
18 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid, mit dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Polen angeordnet hat, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten.
19 
Die Entscheidung über die Asylanträge der Kläger stützt sich auf § 27a AsylVfG. Nach dieser - durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 in das Asylverfahrensgesetz eingefügten - Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 31 Abs. 6 AsylVfG wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Soll der Ausländer in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt ferner gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
20 
Die angefochtene Entscheidung des Bundesamts ist danach nicht zu beanstanden. Der für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständige Staat ist nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern die Republik Polen.
21 
1. Die Frage, welcher Mitgliedstaat der Europäischen Union für die Durchführung der Asylverfahren der Kläger zuständig ist, bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.2.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: Dublin II-VO). Die Dublin II-Verordnung ist zwar zum 19.7.2013 aufgehoben und durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden. Die Dublin III-Verordnung findet jedoch gemäß ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 nur auf Asylanträge Anwendung, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden. Für vor diesem Datum gestellte Asylanträge erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO auch weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung.
22 
2. Der nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist die Republik Polen.
23 
Für den Fall, dass auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den in Art. 18 Abs. 3 Dublin II-VO genannten Verzeichnissen festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Da die Kläger unstreitig über Polen eingereist sind und dort auch vor ihrer Weiterreise nach Deutschland Anträge auf Asyl gestellt hatten, ist nach dieser Vorschrift die Republik Polen für die Prüfung der Asylanträge der Kläger zuständig.
24 
Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 in Deutschland leben und beide als Asylberechtigte anerkannt worden sind, ändert daran nichts. Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, so ist zwar gemäß Art. 7 Dublin II-VO dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Nach Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind „Familienangehörige“ im Sinne dieser Vorschrift aber nur der Ehegatte (oder unter bestimmten Voraussetzungen der nicht verheiratete Partner), die minderjährigen Kinder, sofern diese ledig und unterhaltsberechtigt sind, sowie bei unverheirateten minderjährigen Antragstellern der Vater, die Mutter oder der Vormund des Antragstellers. Die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 gelten somit nicht als „Familienangehörige“ der Kläger im Sinne des Art. 7 Dublin II-VO.
25 
Der zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat ist nach Art. 16 Abs. 1 Dublin II-VO gehalten, einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, aufzunehmen (Buchst. a) und die Prüfung des Asylantrags abzuschließen (Buchst. b). Auf das mit Schreiben vom 17.6.2009 gestellte (Wieder-)Aufnahmegesuch haben dementsprechend die polnischen Behörden mit Schreiben vom 18.6.2009 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge der Kläger erklärt.
26 
3. Das Verwaltungsgericht ist der Meinung, eine nach Art. 16 Dublin II-VO gegebene Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union reiche nicht aus, um einen Asylantrag im Sinne des § 27a AsylVfG unzulässig zu machen. Vielmehr sei auch zu prüfen, ob humanitäre Gründe im Sinne des Art. 15 Dublin II-VO vorlägen und daher das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben sein könnte, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Im Fall der Kläger lägen humanitäre Gründe nach Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO vor, aufgrund deren die Beklagte das Selbsteintrittsrecht auszuüben habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
27 
a) Nach Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. In diesem Fall prüft jener Mitgliedstaat auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats den Asylantrag der betroffenen Person. Die betroffenen Personen müssen dem zustimmen. Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO bestimmt ferner, dass in Fällen, in denen die betroffene Person wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, einer schweren Krankheit, einer ernsthaften Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen ist, die Mitgliedstaaten im Regelfall entscheiden, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nicht zu trennen bzw. sie zusammenführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat. Unabhängig von diesen Regelungen kann nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO jeder Mitgliedsstaat einen bei ihm eingereichten Asylantrag prüfen (sogenanntes Selbsteintrittsrecht) mit der Folge, dass er dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat wird und die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernimmt.
28 
b) Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urt. v. 6.11.2012 - C-245/11 - NVwZ-RR 2013, 69) ein nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung nicht für die Prüfung eines Asylantrags zuständiger Mitgliedstaat zuständig wird, sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
29 
Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO ist im Zusammenhang mit der allgemeineren Regelung in Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO zu sehen. Art. 15 Abs.1 Dublin II-VO ist eine fakultative Bestimmung, die den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Entscheidung einräumt, ob sie aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, Familienmitglieder und andere abhängige Familienangehörige „zusammenführen“. Durch Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO wird dieses Ermessen in der Weise eingeschränkt, dass die Mitgliedstaaten, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, den Asylbewerber und den anderen Familienangehörigen „im Regelfall … nicht … trennen“. Der Anwendung dieser Vorschrift im Fall der Kläger steht nicht entgegen, dass sowohl die Mutter der Klägerin 1 als auch deren Bruder keine „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sind, da beide unter den in Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO verwendeten Begriff „anderer Familienangehöriger“ fallen, der in Anbetracht der humanitären Zielsetzung der Regelung sowie im Hinblick auf die verschiedenen und zum Teil voneinander abweichenden Sprachfassungen dieser Vorschrift dahin zu verstehen ist, dass er außer den „Familienangehörigen“ im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO auch andere Familienmitglieder umfasst (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; im Ergebnis ebenso OVG Niedersachsen, Urt. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 - Juris; Hailbronner, Ausländerrecht, § 27a AsylVfG, Rn. 68 f; Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 27a Rn. 158, 165 ff; Marx, AsylVfG, 7. Aufl., § 27a Rn. 55). Der Umstand, dass die Mutter und der Bruder der Klägerin 1 bereits seit 2000 bzw. 2001 in Deutschland leben, während die Klägerin 1 und ihre Kinder ihr Heimatland erst 2009 verlassen haben, ist ebenfalls unschädlich, da Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO nur verlangt, dass die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat.
30 
Der Senat vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die Klägerin 1 wegen ihrer psychischen Erkrankung auf die Unterstützung ihrer in Deutschland lebenden Verwandten im Sinne dieser Vorschrift „angewiesen“ ist. Dass eine solche Unterstützung nützlich oder förderlich ist, reicht dafür nicht aus. In dem bei den Akten des Bundesamts befindlichen Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden vom 19.6.2009 wird der Klägerin 1 eine Posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome bescheinigt. Der Facharzt für Psychiatrie K... spricht in seinem Bericht vom 9.9.2009 von einer schweren depressiven Störung mit Angstzuständen bei posttraumatischer Belastungsstörung, wegen der die Klägerin dringend einer intensiven und regelmäßigen psychiatrischen Behandlung mit Psychopharmaka bedürfe. In dem von der Klägerin 1 während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegten Schreiben einer polnischen Psychologin vom 29.1.2010 heißt es, die Klägerin 1 leide an einem depressiven Syndrom mit Konversionskomponente. Wegen ihrer Lebenssituation (alleinerziehende Mutter mit vier Kindern) und ihres Gesundheitszustands benötige sie die Hilfe ihrer Mutter. Der Nachweis, dass die Klägerin 1 (gerade) wegen ihrer Erkrankung auf diese Hilfe im Sinne des Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO „angewiesen“ ist, ist damit nicht geführt.
31 
c) Das sich aus Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ergebende Recht der Bundesrepublik Deutschland, die bei ihr eingereichten Asylanträge der Kläger aus humanitären Gründen zu prüfen, bleibt von dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Dublin II-VO unberührt. Rechte der Kläger werden jedoch von diesen Vorschriften nicht begründet. Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, die Beklagte habe das ihr im Rahmen dieser Vorschriften zustehende Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt.
32 
aa) Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO sollen die „Prärogativen“ der Mitgliedstaaten wahren, das Recht auf Asylgewährung unabhängig von dem Mitgliedstaat auszuüben, der nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Prüfung eines Antrags zuständig ist. Da es sich dabei um fakultative Bestimmungen handelt, räumen sie den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen ein (EuGH, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O.; Urt. v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208). In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob aus diesen Vorschriften ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts oder wenigstens ein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung abgeleitet werden kann (dafür: VG Gießen, Urt. v. 25.4.2008 - 2 L 201/08 - InfAuslR 2008, 327; Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 123 ff./134; Marx, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 13; a. M. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - Juris; VG Berlin, Beschl. v. 7.10.2013 - 33 L 403.13 A - Juris; Hailbronner, a.a.O., § 27a AsylVfG Rn. 62). Durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.12.2013 - C-394/12 - (a.a.O.) ist diese Frage nunmehr in dem Sinne geklärt, dass ein Asylbewerber grundsätzlich keinen Anspruch gegen einen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, dass dieser von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht. Nach dem Urteil hat das jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu gelten, dass ein Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II -VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat.
33 
Zur Begründung weist der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass die für Asylanträge geltenden Regelungen in weitem Umfang auf Unionsebene harmonisiert worden seien, so insbesondere jüngst durch die Richtlinien 2011/95 und 2013/32. Der von einem Asylbewerber gestellte Antrag werde daher weitgehend nach den gleichen Regelungen geprüft, welcher Mitgliedstaat auch immer für seine Prüfung nach der Dublin II-Verordnung zuständig sei. Zu den Regelungen in Art. 3 Abs. 2 und Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO heißt es weiter, dass diese Vorschriften den Mitgliedstaaten aus den bereits genannten Gründen ein weites Ermessen einräumten. Im dem Urteil wird ferner betont, aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-Verordnung gehe hervor, dass die Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats einer der Hauptzwecke der Verordnung sei, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden. Der Gerichtshof der Europäischen Union schließt hieraus, dass in einem Fall, in dem ein anderer Mitgliedstaat als der Mitgliedstaat der ersten Einreise der Aufnahme des Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO zugestimmt habe, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums (d.h. das Kriterium der ersten Einreise) nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Europäischen Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden. Dem schließt sich der Senat an.
34 
bb) Die Kläger könnten danach gegen den angefochtenen Bescheid nur einwenden, dass es in Polen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber mit der im Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union genannten Folge für ihre eigene Person gebe. Ein solcher Einwand wird von den Kläger jedoch nicht erhoben. Die Frage, ob es in Polen systemische Mängel in dem genannten Sinn gibt, wird im Übrigen, soweit ersichtlich, allgemein verneint (vgl. u. a. VG Kassel, Beschl. v. 26.8.2013 - 9 L 984/13.KS.A - Juris; VG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2013 - 1 B 43/13 - Juris; VG Lüneburg, Urt. v. 10.10.2013 - 2 B 47.13 - Juris; VG Düsseldorf, Urt. v. 19.11.2013 - 25 L 2154/13.A - Juris).
35 
4. Offen bleiben kann, ob ein Asylbewerber seiner Überstellung in den für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat weitere die Verhältnisse in diesem Staat betreffende Gründe entgegen halten kann.
36 
So stellt sich die Frage, ob auch das Drohen einer Verletzung von Art. 3 der Europäischen Grundrechtscharta im Einzelfall eine Ausnahme von der innereuropäischen Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, zu begründen vermag. Diese Frage braucht jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden zu werden, da den Klägern keine Verletzung ihres durch diese Vorschrift gewährleisteten Rechts auf körperliche und geistige Unversehrtheit droht. Anhaltspunkte dafür, dass die psychische Erkrankung der Klägerin 1 in Polen nicht behandelt werden kann, sind nicht zu erkennen. Dies wird auch von den Klägern nicht behauptet.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
38 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist nicht in der gebotenen Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) dargelegt bzw. liegt nicht vor.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 25.2.2013 - 14 ZB 13.30023 - juris Rn. 2 m. w. N.; vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 ff. m. w. N.).

Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb die Rechts- oder Tatsachenfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72 m. w. N.).

Gemessen hieran hat der Kläger keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung formuliert. Die von ihm aufgeworfenen Fragen bedürfen keiner Klärung in einem Berufungsverfahren.

I.

Der Kläger hält es zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob

1. Asylsuchende in Deutschland, die aus „Ungarn nach Deutschland reisen, im Rahmen der Dublin II-Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrens wieder nach Ungarn rücküberstellt werden“ dürfen,

2. davon ausgegangen werden kann, „dass die ungarische Regierung die rücküberstellten Asylsuchenden entsprechend den europäischen Standards und unter Einhaltung der EMRK behandelt“,

3. davon ausgegangen werden kann, „dass die Asylsuchenden ihr Verfahren in Ungarn nach europäischem Maßstab durchführen können“.

Es kann offen bleiben, ob der Kläger mit derart weitgefassten Fragestellungen konkrete Rechts- oder Tatsachenfragen i. S. d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG dargelegt hat, die einer grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren zugänglich sind. Die Fragen Nrn. 1 bis 3, die sich im Übrigen thematisch überschneiden, beinhalten rechtlich und/oder tatsächlich derart viele unterschiedliche Fallgestaltungen, dass die Fragen - so wie sie gestellt sind - weder klärungs- noch auslegungsfähig sein dürften. Jedenfalls aber rechtfertigen die aufgeworfenen Fragen mangels Klärungsbedürftigkeit bzw. mangels Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG.

Der Kläger könnte in einem Berufungsverfahren dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Februar 2011, mit dem die Beklagte festgestellt hat, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (Nr. 1 des Bescheids), und seine Abschiebung nach Ungarn angeordnet hat (Nr. 2 des Bescheids), damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 62; BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 Rn. 6 m. w. N.). Dabei wäre nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung abzustellen (vgl. Schenk in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Nov. 2014, § 77 AsylVfG Rn. 6). Bei der Bewertung der in Ungarn anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen wären im Berufungsverfahren diejenigen Umstände heranzuziehen, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (auch) auf die Situation des Klägers zutreffen. Abzustellen wäre demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielen würde. Sie könnte allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Klägers auswirken könnten (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352 Rn. 5; OVG NW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 Rn. 130).

Ausweislich der von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten und vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Mitteilung des Liasonmitarbeiters beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung (BAH) vom 4. Februar 2013 wurde der Asylantrag des Klägers in Ungarn am 29. Juli 2011 abgelehnt. Die von ihm fristgerecht gegen die Verwaltungsentscheidung eingelegte Klage sei von einem ungarischen Gericht am 8. Dezember 2011 abgewiesen worden. Ein am 5. Januar 2012 in Ungarn gestellter weiterer Asylantrag des Klägers sei nach dessen Anhörung am 1. Februar 2012 abgelehnt worden. Eine auch hiergegen erhobene Klage sei mit Entscheidung vom 13. März 2012 abgewiesen worden. Nachdem der Kläger am 26. Januar 2012 aus der Abschiebehaft entlassen worden sei, sei er zunächst in einer Aufnahmeeinrichtung verblieben und anschließend am 27. Februar 2012 in eine Privatunterkunft verzogen.

Der Kläger hat dem Inhalt dieser Mitteilung lediglich insoweit widersprochen, als er im Zulassungsantrag rügt, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Gericht in seinem Urteil plötzlich zu der Feststellung gelange, dass die „ungarischen Behörden über das Datum der Entlassung des Klägers die Wahrheit sagen und nicht der Kläger“. Die weiteren Angaben des Liasonmitarbeiters hat er weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Zulassungsverfahren in Abrede gestellt. Damit hat der Senat davon auszugehen, dass über die vom Kläger in Ungarn gestellten Asylanträge während seines dortigen Aufenthalts, d. h. zwischen dem 12. Mai 2011 (Datum der Luftabschiebung des Klägers) und seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland, (endgültig) entschieden worden ist.

Aus diesem Grund befindet sich der Kläger derzeit nicht mehr in einem Asylverfahren. Demgemäß dürfte die Frage Nr. 2, die sich auf die Behandlung rücküberstellter „Asylsuchender“ bezieht, im erstrebten Berufungsverfahren schon aus diesem Grund nicht entscheidungserheblich sein. Da auch Frage Nr. 3 ihrem Wortlaut nach auf Asylsuchende abstellt und der Kläger nicht darlegt, dass er in Ungarn über die bereits abgeschlossenen Asylverfahren hinaus ein weiteres Asylverfahren durchführen könnte, ist auch sie nicht entscheidungserheblich. Somit wäre in einem Berufungsverfahren nicht in erster Linie die Situation von Asylsuchenden zu beleuchten, vor allem nicht - wie es der Kläger in der aufgeworfenen Frage Nr. 1 für grundsätzlich klärungsbedürftig hält - von solchen Asylsuchenden, die zur „Durchführung des Asylverfahrens wieder nach Ungarn rücküberstellt werden“. Im Berufungsverfahren des Klägers wäre vielmehr die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die sich aktuell in Ungarn nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, weil über (mindestens) einen Asylantrag bereits entschieden worden ist, und die, auch wenn der ursprüngliche Antrag abgelehnt worden ist, ein weiteres Asylverfahren regelmäßig nicht mehr (unter den gleichen Voraussetzungen wie bei einem Erstantrag) neu einleiten könnten.

Selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers im Gesamtzusammenhang seiner Antragsbegründung die aufgeworfenen Fragen Nrn. 1 bis 3 dahingehend auslegt, dass sie sich auf die gebotene Behandlung von Rückkehrern beziehen, die sich in einer vergleichbaren Situation wie er selbst befinden, hat der Kläger die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht dargelegt. Aufgrund systemischer Mängel die Vermutung zu widerlegen, dass der als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 - C-411.10 u. a. - NVwZ 2012, 417 Rn. 80), setzt voraus, dass die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Nur dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - InfAuslR 2014, 352 Rn. 5). Dies berücksichtigend müsste der Kläger in allen Fragen Anhaltspunkte dafür aufzeigen, dass Flüchtlingen, die sich in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage wie er selbst befinden, bei ihrer Rücküberstellung nach Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens drohen. Dem kommt der Kläger jedoch nicht nach. Zwar zitiert er umfangreich aus dem Bericht des UNHCR vom April 2012 und trägt vor, die von ihm im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geschilderten Zustände und Misshandlungen deckten sich vollständig unter anderem mit den Berichten von internationalen Organisationen. Da die wiedergegebenen Verhältnisse im Wesentlichen Rückkehrer betreffen, die zur Durchführung eines Asylverfahrens nach Ungarn rücküberstellt wurden, hätte der Kläger zunächst darlegen müssen, warum die vom UNHCR geschilderten Umstände auch für Rückkehrer gelten, die, wie er selbst (mindestens) ein Asylverfahren in Ungarn durchgeführt haben. Durch die auszugsweise Wiedergabe des Berichts des UNHCR vom April 2012 wird zudem deutlich, dass sich der Kläger auf Umstände bezieht, die sich vor Juli 2012 ereignet haben. Nach entscheidungserheblicher Einschätzung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil, die auf die Mitteilung des Liasonmitarbeiters vom 4. Februar 2013 gestützt ist, ist es jedoch in Ungarn ab Mitte Juli 2012 zu einer veränderten Verfahrenspraxis gekommen, so dass dort nicht (mehr) von systemischen Mängeln des Asylverfahrens auszugehen sei. Mit dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts setzt sich der Kläger weder substantiiert auseinander noch zeigt er auf, warum die Aussagen des UNHCR nicht veraltet, sondern über Juli 2012 hinaus Gültigkeit haben. Auch legt der Kläger in diesem Zusammenhang nicht dar, warum seine persönlichen Erlebnisse, die bereits einige Jahre zurückliegen und die er im Wesentlichen während des laufenden Asylverfahrens in Ungarn hatte, nicht durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677 Rn. 6).

Die Zuständigkeit Ungarns zur Aufnahme des Klägers, die sich wegen seiner Einreise mit einem von der ungarischen Botschaft in Teheran ausgestellten ungarischen Visum aus Art. 9 Abs. 4 der im vorliegenden Verfahren noch maßgeblichen Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II-Verordnung - (im Folgenden: Dublin II-VO) ergibt, bleibt durch die tatsächlichen Veränderungen unberührt. Denn Ziel der Dublin II-Verordnung ist, dass der Staat, der zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, auch für die Vornahme aufenthaltsbeendender Maßnahmen zuständig sein soll (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K25). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Ungarn das insoweit Erforderliche getan hat.

II.

Ungeachtet dessen, dass der Kläger bereits die Entscheidungserheblichkeit der Frage Nr. 4 nicht in der nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG gebotenen Weise dargelegt hat, ist es vorliegend nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „das Versäumnis der Frist zum Ersuchen des anderen Mitgliedsstaates, vorliegend Ungarn, gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 EG-AsylZustVO, durch den ersuchenden Mitgliedstaat, vorliegend Deutschland, dem Asylsuchenden ein individuelles Recht auf Zuständigkeit des ersuchenden Staates, als Sanktion für das Fristversäumnis“ verleiht.

Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Fristbestimmungen des § 17 Abs. 1 und 2 der - vom Kläger als EG-AsylZustVO bezeichneten - Dublin II-Verordnung für Übernahmeersuchen allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zeitnahen Überstellung in diesen Staat dienen (vgl. auch HessVGH, B.v. 25.8.2014 - 2 A 976/14.A - Rn. 15 m. w. N.). Denn wie zuvor dargelegt, ist insoweit sowohl der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 62) als auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1039 Rn. 6 m. w. N.; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16.14 - Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 1 Rn. 12) zu entnehmen, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat - jedenfalls nach dessen Zustimmung - nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegen treten kann. Damit ist zugleich geklärt, dass wichtige Verfahrensregelungen und -fristen des „Dublin“-Systems kein subjektives Recht des Asylantragstellers begründen (Berlit, Anmerkung zu BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - jurisPR-BVerwG 12/2014 Anm. D).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerinnen sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 29. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 13. Januar 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Nachdem die polnischen Behörden dem Übernahmeersuchen des Bundesamts am 12. März 2014 zugestimmt hatten, erklärte das Bundesamt die Asylanträge mit Bescheid vom 19. März 2014 für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Klägerinnen nach Polen an (Nr. 2). Polen sei aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge für deren Behandlung zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Gründe gegen eine Überstellung nach Polen und die dortige Prüfung ihrer Asylanträge hätten die Klägerinnen nicht vorgebracht.

Einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 8. April 2014 ab. Auf Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das Bundesamt mit Schriftsatz vom 25. November 2014 mit, zwar sei die Überstellungsfrist am 12. September 2014 abgelaufen, auch sei eine Abschiebung bisher nicht erfolgt, eine Aufhebung der Nr. 1 des Bescheids vom 19. März 2014 komme jedoch nicht in Betracht; aufgehoben werde hingegen die Nr. 2 des Bescheids.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2014 hat das Verwaltungsgericht Nr. 1 des Bescheids vom 13. März 2014 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit sich die Klage nach wie vor auch gegen die bereits aufgehobene Abschiebungsanordnung richte, sei sie mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Im Übrigen sei die Klage zulässig und begründet. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens sei rechtswidrig geworden, weil die Überstellungsfrist abgelaufen sei und die Beklagte weder vorgetragen habe noch sonst ersichtlich sei, dass die Klägerinnen dennoch in absehbarer Zeit in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat überstellt werden könnten. Hierdurch seien die Klägerinnen in ihren Rechten verletzt, weil sie Gefahr liefen, ihr Schutzbegehren in keinem der Mitgliedstaaten zulässig anbringen zu können. Der Bescheid könne auch nicht in eine ablehnende Entscheidung über einen Zweitantrag umgedeutet werden.

Gegen die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit des Asylbegehrens wendet sich die Beklagte mit ihrem auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AsylVfG nicht vorliegen.

1. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts weicht nicht von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) ab. Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem das erstinstanzliche Verwaltungsgericht die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Aussetzung der Überstellung des Klägers in den zuständigen Mitgliedsstaat verpflichtet hatte. Aufgrund dieses Umstands kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis, die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens sei nicht auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellungsfrist erst zu laufen beginne, wenn die Überstellung sichergestellt sei und lediglich deren Modalitäten noch geregelt werden müssten (BayVGH, U. v. 28.2.2014 a. a. O. Rn. 35). In einem solchen Fall könne der Asylbewerber seiner Überstellung in den für ihn zuständigen und aufnahmebereiten Mitgliedstaat nur mit systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat entgegentreten (ebenso BayVGH, U. v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris Rn. 23 und 30). Auch im Fall, der dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2014 (10 B 35.14 - NVwZ 2014, 1677) zugrunde lag, war der Entscheidung des Berufungsgerichts zufolge die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen (OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790, Rn. 52 und 63).

Hiervon weicht die vorliegende Fallgestaltung ab und unterliegt damit auch einer anderen rechtlichen Beurteilung. Die Beklagte ist selbst vom Ablauf der Frist zur Überstellung der Klägerinnen nach Polen ausgegangen und hat daraufhin die in Nr. 2 ihres Bescheids ausgesprochene Abschiebungsanordnung aufgehoben. Das Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4), hat auch nicht vorgetragen, dass Polen trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor bereit wäre, die Klägerinnen wieder aufzunehmen. Da somit nicht feststeht, ob und wenn ja in welchen Mitgliedstaat die Klägerinnen überstellt werden sollen, sind diese auch nicht in der Lage, hinsichtlich des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Mängel geltend zu machen. Sie sind auch nicht imstande, eine Entscheidung des zunächst zuständigen Mitgliedstaats herbeizuführen, ob dieser sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist beruft oder nicht. Es hätte dem Bundesamt oblegen, diese Frage rechtzeitig zu klären und das Ergebnis in das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzuführen.

2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG). Die Beklagte hält (hilfsweise) für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob der Asylantragsteller gerichtlich die Aufhebung einer Ablehnung gemäß § 27a AsylVfG deshalb begehren kann, weil die Überstellungsfrist in den als zuständig bestimmten Staat im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen ist, und ob dies insbesondere bereits dann gilt, wenn (noch) nicht feststeht, dass der bislang zuständige Mitgliedsstaat wegen Ablaufs der Überstellungsfrist dauerhaft die Übernahme ablehnt.“ Vorliegend hat jedoch das Bundesamt die Abschiebungsanordnung nach Ablauf der Überstellungsfrist selbst aufgehoben. Für eine noch mögliche Überstellung der Klägerinnen nach Polen oder in einen anderen Mitgliedstaat sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich. Hebt das Bundesamt die Abschiebungsanordnung selbst auf, ist es auch nicht Sache des Verwaltungsgerichts, im Wege der Amtsermittlung der Frage nachzugehen, ob der ursprünglich zuständige Mitgliedsstaat trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers bereit wäre. Bei einer nicht durch konkrete Fakten belegten Überstellungsmöglichkeit in einen anderen Mitgliedstaat bedarf es keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) nicht isoliert aufrecht erhalten bleiben kann.

3. Die Klägerinnen haben damit Anspruch darauf, dass das Bundesamt erneut in das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und - sollte Polen nicht mehr zur Übernahme der Klägerinnen bereit und auch kein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sein - selbst in die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 a AsylVfG eintritt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

5. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylVfG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.