Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 02. Sept. 2014 - 4 K 14.1073

bei uns veröffentlicht am02.09.2014

Tenor

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen eine teilweise Rückbauverpflichtung betreffend ihren Balkon und die Verpflichtung zur Einreichung eines Bauantrags.

Anlässlich einer Baukontrolle wurde im Jahr 2013 festgestellt, dass sich an dem Gebäude der Klägerin auf Flur-Nr. ... der Gemarkung ... auf der Nord-West-Seite über 10 m Länge ein Balkon befindet. Mit Schreiben vom 24. September 2013 wurde die Klägerin um Mitteilung gebeten, ob der Balkon baurechtlich genehmigt worden sei. Die Klägerin teilte hierzu unter dem 14. Oktober 2013 mit, dass sie den bestehenden Balkon aus dem 19. Jahrhundert erneuert habe. Eine Baugenehmigung liege ihr nicht vor, da sie beim Hauskauf keine diesbezüglichen Unterlagen erhalten habe.

Mit Schreiben vom 2. April 2014 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass der Balkon genehmigungspflichtig sei und die erforderliche Abstandsfläche nicht einhalte. Ihr wurde Gelegenheit gegeben, zu einer beabsichtigten Beseitigungsanordnung Stellung zu nehmen.

Die Klägerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 15. April 2014 und teilte mit, dass keine Neuerrichtung vorliege, sondern lediglich vorhandene Bausubstanz erneuert worden sei. Anlässlich einer Baukontrolle am 11. Juni 2014 wurde festgestellt, dass keine Änderung der Situation erfolgt ist.

Mit Bescheid vom 4. Juli 2014 verpflichtete der Beklagte die Klägerin, innerhalb von zwei Monaten nach Bestandskraft des Bescheids den Balkon soweit zurückzubauen, dass die gesetzlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück Flur-Nr. ... der Gemarkung ... eingehalten werden, oder den Balkon auf das abstandsflächenfreie Maß zurückzubauen (Ziffer I.). In Ziffer II. wurde die Klägerin verpflichtet, für den nach Ziffer I. verkürzten Balkon einen Bauantrag zu stellen. Unter Ziffer III. und IV. wurde jeweils ein Zwangsgeld für die Verpflichtungen aus Ziffer I. und II. angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Balkon baugenehmigungspflichtig, aber wegen Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften nicht genehmigungsfähig sei. Es entspreche daher pflichtgemäßem Ermessen, die teilweise Beseitigung anzuordnen und die Klägerin hierfür in Anspruch zu nehmen.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Juli 2014 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin Klage erhoben und beantragt,

den Bescheid des Landratsamtes ... vom 4. Juli 2014 aufzuheben.

Der Balkon sei lediglich erneuert worden. Er sei schon früher, bevor das Nachbargrundstück bebaut worden sei, vorhanden gewesen. Außerdem habe die Baukontrolle am 14. März 2014 ohne ihr Beisein stattgefunden und sei ihr Grundstück ohne Genehmigung betreten worden.

Für den beklagten ... hat das Landratsamt ... beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.

Mit Unterlagen vom 4. August 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist zulässig, aber unbegründet. Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 ist nach der im Verfahren der Prozesskostenhilfe ausreichenden summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

Rechtsgrundlage für die Rückbauverpflichtung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann der Beklagte die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Bei dem streitgegenständlichen Balkon handelt es sich um eine bauliche Anlage i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO, die zudem nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig ist. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. d oder Nr. 16 Buchst. e BayBO kommt vorliegend nicht in Betracht (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO-Kommentar, Stand 12/2013, Art. 57 Rn. 377).

Zwar macht die Klägerin geltend, der Balkon bestehe schon seit Längerem und sei lediglich erneuert worden, so dass sie sich letztlich auf einen Bestandsschutz beruft. Sie kann für den streitgegenständlichen Balkon jedoch keine (Bau-) Genehmigung vorweisen, wobei sie insoweit die Beweislast trifft (BVerwG, B.v. 19.2.1988 - 4 B 33/88 - juris Rn. 3; BVerwG, U.v. 23.2.1979 - NJW 1980, 252 - juris Rn. 14). Dementsprechend ist der streitgegenständliche Balkon formell illegal.

Der Balkon ist darüber hinaus auch materiell illegal, da er den Abstandsflächenvorschriften widerspricht. Balkone können als untergeordnete Vorbauten bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand des jeweiligen Gebäudes, höchstens jedoch insgesamt 5 m, in Anspruch nehmen (Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a), nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand treten (Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. b) und mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben (Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. c BayBO). Diese Voraussetzungen liegen hier weitgehend nicht vor, da der Balkon bei einer Gebäudebreite von 21 m - gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der Garage von weiteren 5,30 m - mit einer Breite von 10,03 m deutlich mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand einnimmt und zudem an der Westseite mehr als 1,50 m tief ist. Der Balkon ist daher selbstständig abstandsflächenpflichtig und hält aufgrund der Brüstungshöhe mit 3,50 m bei einer Entfernung zur Grundstücksgrenze von nur 2,16 m an der Nordwestecke die Abstandsfläche nicht ein.

Für diese Abstandsflächenüberschreitung kommt zudem die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften wohl nicht in Betracht, da keine atypischen Grundstücksverhältnisse ersichtlich sind, die unter Würdigung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn die Erteilung einer Abweichung ermessensgerecht erscheinen lassen (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass das Grundstück und der Balkon unter Beachtung der Abstandsflächen nicht zumutbar genutzt werden könnten (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris Rn. 16).

Fehler bei der Ermessenentscheidung, der Verhältnismäßigkeit oder der Störerauswahl sind nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die Rückbauverpflichtung die konkrete Wahl des Rückbaus (Einhaltung der Abstandsfläche oder Rückbau auf ein abstandsflächenfreies Maß) in das Ermessen der Klägerin.

Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Stellung eines Bauantrags ist Art. 76 Satz 3 BayBO. Danach kann der Beklagte verlangen, dass ein Bauantrag gestellt wird. Da der Balkon auch nach erfolgtem Rückbau genehmigungspflichtig und ohne Baugenehmigung formell illegal ist, sind Fehler bei der Anordnung dieser Verpflichtung nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Zwangsgeldandrohungen.

Nach alledem ist die Klage voraussichtlich nicht erfolgreich, so dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen war.

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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 02. Sept. 2014 - 4 K 14.1073 zitiert 3 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.