Die Parteien streiten über die Gewährung einer Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung an die Klägerin.
Die am ... 1974 geborene Klägerin erlernte 1990 bis 1992 den Beruf der Kinderpflegerin und ist seither - unterbrochen durch eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit 1993 und die Geburten ihrer beiden Kinder - durchgehend in dem Beruf tätig. Aktuell arbeitet sie 5 Tage pro Woche je 2,5 Stunden im Kindergarten im Markt A-Stadt. Aus Rücksicht auf ihre gesundheitlichen Einschränkungen wurde ihr eine Tätigkeit vor allem im organisatorischen Bereich zugewiesen.
Mit Bescheid vom 25.01.2011 erkannte das Zentrum Bayern für Familie und Soziales, C-Stadt, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 an.
Die Klägerin wurde am 29.03.2011 für die Agentur für Arbeit Aschaffenburg begutachtet. Der Gutachter stellte ein vollschichtiges Leistungsvermögen bei der Klägerin fest, wobei insbesondere anhaltende Zwangshaltungen, Beugen und längeres Sitzen zu vermeiden seien.
Am 29.03.2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Im Verwaltungsverfahren wurde sie von Dr. R. (Internist, hausärztliche Versorgung) begutachtet. Dieser kam am 02.07.2012 zu dem Ergebnis, dass der Klägerin leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zeitweise im Stehen, zeitweise im Gehen, überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Zwangshaltungen, insbesondere Bücken, Knien und sonstiges Abknicken der Hüfte, müssten dabei vermieden werden. Die Haushaltsversorgung sei eigenständig leistbar.
Daraufhin wurde der Rentenantrag mit Bescheid vom 01.08.2012 abgelehnt.
Der dagegen erhobene Widerspruch vom 20.08.2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2012 zurückgewiesen; neue Tatsachen waren im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen worden.
Hiergegen richtet sich die am 10.01.2013 beim Sozialgericht Würzburg eingegangene Klage. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Gutachter im Verwaltungsverfahren nicht um einen Gefäßchirurgen handelte. Nur ein solcher könne jedoch den Zustand der Klägerin umfassend beurteilen.
Das Gericht hat im Rahmen seiner Ermittlungen die die Klägerin betreffende Beklagtenakte sowie die Schwerbehindertenakte der Klägerin beim Zentrum Bayern Familie und Soziales, C-Stadt, beigezogen. Zudem hat das Gericht neben den von der Klägerin eingereichten ärztlichen Unterlagen Befundberichte von Dr. D. und Dr. F. eingeholt.
Nach Vorlage dieser Unterlagen wurde Herr Dr. C., Orthopäde, Rheumatologe, Chirurg, mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte der Gutachter mit Schreiben vom 10.05.2013, dass er in seiner Ausbildung und Tätigkeit als Chirurg auch mit gefäßchirurgischen Erkrankungen befasst war bzw. ist und sich deshalb zur Begutachtung der Klägerin in orthopädischer und gleichsam gefäßchirurgischer Hinsicht in der Lage sieht.
In seinem Gutachten vom 04.07.2013 stellte der gerichtsärztliche Sachverständige folgende Gesundheitsstörungen bei der Klägerin fest:
- Chronische Veneninsuffizienz, rechts mehr als links, bei Zustand nach Varicosis, Verletzung der Vena femoralis communis, mehrfachen operativen Eingriffen einschließlich Interposition der linken Saphena Magna an der Vena femoralis rechts, Zustand nach Varizen-Operation links
- Schmerzsymptomatik der Wirbelsäule bei Fehlstatik der Wirbelsäule im Sinne einer leichten skoliotischen Aufbiegung mit zusätzlich stärkerem Rundrücken und Hohlkreuz
- Bewegungseinschränkung des rechten Ellbogengelenkes ohne wesentliche Schmerzsymptomatik bei Zustand nach Luxationsfraktur im Kindesalter und operativer Versorgung.
Die Beschwerdesymptomatik mit Schwellneigung und lymphatischem Ödem sei zwar nachvollziehbar, aber zum Zeitpunkt der Untersuchung am Nachmittag sei diese nicht zu erkennen gewesen. Die ultrasonographische Untersuchung mit Doppler zeige ein relativ gut durchgängiges tiefes Venensystem einschließlich der Vena femoralis communis rechts. Allerdings zeige sich auch ein gewisser Rückfluss bei der Valsalva-Probe, der auf eine Klappeninsuffizienz in diesem Bereich hindeute. Insgesamt sei die Situation zurzeit aber relativ gut. Aus den Erkrankungen der Klägerin resultierten nachvollziehbare qualitative Leistungseinschränkungen in Bezug auf überwiegend gehende oder stehende Tätigkeiten und vor allem Arbeiten in Zwangshaltungen wie in gebeugter, hockender oder kniender Position, die zu vermeiden seien. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei der Klägerin aber noch eine mindestens sechsstündige Tätigkeit zu den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.
Im Erörterungstermin am 21.11.2013 beantragte die Klägerin die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), das Frau Dr. F., Fachärztin für Chirurgie - Gefäßchirurgie, Phlebologin, am 16.10.2014 erstellte. Bei der Klägerin läge auf gefäßmedizinischem Gebiet der Zustand nach einer Massenhämorrhagie mit Schockgeschehen, Verletzung und Teilersatz der Vena femoralis communis rechts mit zwei nachfolgenden weiteren Operationen zur Herstellung des Kalibers vor. Infolge dieses Traumas sei zwar das Kaliber der tiefen Leistenvene wieder hergestellt worden, jedoch weise die Venenwand nicht mehr die normale Funktion auf und knicke bei Beugungen oder im Sitzen dermaßen, dass es zu einer erheblichen peripheren Stauung mit hoher Thrombosegefahr komme. Unter Berücksichtigung dieser Problematik und der orthopädischen Erkrankungen sei der Klägerin zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine maximal vierstündige Tätigkeit zumutbar, da bei weiteren Belastungen mit erheblichen körperlichen Schädigungen gerechnet werden müsste. In qualitativer Hinsicht müsse auf wechselnde Körperhaltung geachtet werde. Die Tätigkeit könne sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen erfolgen, schweres Heben und tiefes Sitzen - insbesondere auf niedrigen Kindergartenstühlchen - müssten vermieden werden.
In der mündlichen Verhandlung am 18.12.2014 erklärte die Klägerin, dass sie unabhängig von ihren jetzigen Beschwerden wegen ihrer Kinder nur in Teilzeit gearbeitet habe bzw. arbeiten würde. Nach der Arbeit im Kindergarten lagere sie zunächst die Beine hoch und versorge dann am Nachmittag Haushalt und Kinder. Sie sei im Kindergarten zwar mit Verwaltungsaufgaben betraut, dabei lasse sich aber der Umgang mit den Kindern in ungünstiger Körperposition nicht ganz vermeiden. Dem Vorschlag der Vorsitzenden, sich beruflich anders zu orientieren und einen leidensgerechteren Arbeitsplatz zu suchen, wollte die Klägerin nicht nähertreten, weil sie schon lange und gut beim jetzigen Arbeitgeber beschäftigt sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin regte an, die Sachverständige Dr. F. zu ihrem schriftlichen Gutachten noch mündlich anzuhören.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2012 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bzgl. des Gutachtens von Dr. F. weist sie insbesondere darauf hin, dass die Abknickgefahr der rechten Oberschenkelvene mit venösen Stauungen und der Gefahr einer Thrombose eine qualitative Leistungseinschränkung darstelle, die jedoch nicht eine Reduktion der Stundenzahl erforderlich mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Schwerbehindertenakte der Klägerin sowie insbesondere auf die medizinischen Unterlagen und Gutachten Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat die Beklagte den Rentenantrag abgelehnt, denn im Falle der Klägerin liegen weder die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) vor.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht in rentenberechtigendem Maße eingeschränkt ist.
In seinem Gutachten vom 04.07.2013 stellt der gerichtsärztliche Sachverständige Dr. C. fest, dass der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Gesundheitsstörungen zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine mindestens sechsstündige Tätigkeit täglich zumutbar ist. Das Gutachten ist schlüssig und hinreichend begründet. Es lässt Widersprüche zwischen Befunderhebung und Beurteilung des Leistungsvermögens nicht erkennen und wurde unter Berücksichtigung der vorgetragenen Beschwerden und der beigezogenen ärztlichen Unterlagen sowie aufgrund eigener Untersuchung der Klägerin erstattet. Bei der Begutachtung durch Dr. C. - am Nachmittag - waren keine Beschwerden im Hinblick auf Schwellneigung und lymphatisches Ödem erkennbar. Er legt nachvollziehbar dar, dass insbesondere die chronische Veneninsuffizienz und der Zustand nach Verletzung der Vena femoralis communis rechts, ebenso wie im Übrigen die orthopädischen Beschwerden der Klägerin, zu Leistungseinschränkungen nicht quantitativer, sondern lediglich qualitativer Art führen. Wenn eine Tätigkeit wechselnde Körperhaltungen, ggf. mit Pausen, zulässt und Zwangshaltungen vermieden werden können, ist nicht ersichtlich, warum die Thrombosegefahr nach sechs Stunden eine wesentlich größere als nach vier Stunden sein soll.
Demgegenüber geht Dr. F. nach ausführlicher und nachvollziehbarer Beschreibung der Gesundheitsstörungen der Klägerin auf gefäßchirurgischem Gebiet davon aus, dass der Klägerin noch eine maximal vierstündige Tätigkeit zumutbar ist, da bei einer weiteren Belastung mit erheblichen körperlichen Schädigungen gerechnet werden müsste, ohne dass diese näher beschrieben werden.
Das gesundheitliche Hauptproblem der Klägerin liegt nach übereinstimmender Auffassung beider Sachverständiger darin, dass es bei ihr zu erheblichen peripheren Stauungen mit hoher Thrombosegefahr kommt. Dieser Gefahr kann nur durch entsprechend angepasste Körperhaltungen ohne Zwangshaltungen wie Beugen oder Hocke begegnet werden. Ist eine Arbeit in qualitativer Hinsicht an diese Erfordernisse angepasst und ermöglicht sie der Klägerin ggf. sogar, sich etwa in der Mittagspause im Liegen ausruhen zu können (z.B. im Ruheraum des Unternehmens), so sind tatsächlich keine Gründe ersichtlich, das Leistungsbild in zeitlicher Hinsicht zu beschränken. Auch nachmittags zuhause bleibt die Klägerin nicht die ganze Zeit liegen, sondern widmet sich Haushalt und Kindern, was durchaus (mindestens) einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes entspricht.
Das Gericht sah sich nicht veranlasst, der nicht näher spezifizierten Beweisanregung des Klägerbevollmächtigen, Dr. F. noch mündlich zu hören, zu folgen. Die Ausführungen von Dr. F. sind für sich genommen schlüssig und widersprechen grundsätzlich auch nicht denjenigen von Dr. C. - abgesehen von der Schlussfolgerung, ob das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin noch mindestens vier oder sechs Stunden täglich beträgt. Nach den Ausführungen der Klägerin (und des Gutachtens von Dr. R.) ist das Gericht der Überzeugung, dass die Klägerin, statt sich nachmittags Haushalt und Kindern zu widmen, sich nach einer Pause auch nochmals wenige weitere Stunden dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könnte. Die Tatsache, dass ihr diese Lebensgestaltung mit Teilzeitberufstätigkeit als Mutter - durchaus nachvollziehbar - sinnvoller erscheint, kann für die Frage der Erwerbsminderung ebenso wenig Bedeutung haben wie der Aspekt, dass die Klägerin ihren bisherigen Arbeitgeber nicht verlassen und keine leidensgerechtere Tätigkeit suchen will, die sie dann auch in größerem zeitlichen Umfang ausführen könnte.
Nach alledem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung nicht vorliegen. Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben und war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.