Sozialgericht München Urteil, 16. Mai 2019 - S 38 KA 133/18

published on 16/05/2019 00:00
Sozialgericht München Urteil, 16. Mai 2019 - S 38 KA 133/18
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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16.05.2019, letzterer abgeändert durch den Widerspruchsbescheid vom 26.09.2018. Die Beklagte setzte der Gebührenordnungspositionen (GOP) 11512, 11513, 11513y neben der GOP 01793 aufgrund der Prüfregel HU 11234 sowie die GOP 01793 und 11511 aufgrund der Prüfregel WU 10285 im Quartal 3/2017 ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Nebeneinanderabrechnung der GOP`s im Krankheitsfall sei nicht zulässig. Der Krankheitsfall erstrecke sich gemäß § 21 Abs. 1 BMV-Ä auf bis zu vier Quartale. Es sei festzustellen, dass die GOP 01793 im Quartal 1/17 und 2/17 abgerechnet wurde und die GOP´s 11512, 11513 und 11513Y im Quartal 3/17. Zur weiteren Absetzung wurde darauf hingewiesen, es handle sich um eine quartalsgleiche Abrechnung der GOP`s 01793 und 11511 neben den GOP´s 11512 und 11513. Der Bewertungsausschuss habe laut der Protokollnotiz zu seinem Beschluss in der 376. Sitzung am 22. Juni 2016 angekündigt, es werde eine Überprüfung stattfinden, ob eine Anpassung bezüglich des Ausschlusses der Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 11.4.3 und 11.4.4 neben der zytogenetischen Leistung des Abschnitts 1.7.4 EBM zu erfolgen habe. Die KVB habe daher für die Quartale 3/16 und 4/16 die Streichungen ausgesetzt und diese ab dem ersten Quartal 2017 wieder aufgenommen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin wies in der Klagebegründung zunächst darauf hin, es sei der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen. Die Beklagte habe im Schreiben vom 25.08.2016 mitgeteilt, die Streichungen würden ausgesetzt. Konkret wurde in der E-Mail der Klägerin vom 25.08.2016 folgendes ausgeführt:

„Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte vor einiger Zeit eine Änderung der Ausschlussbestimmungen zur GOP 01793 EBM angekündigt, die bislang im EBM jedoch nicht erfolgt ist. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Humangenetik mit Wirkung zum 1. Juli 2016 hat der Bewertungsausschuss in einer Protokollnotiz zu seinem Beschluss in der 376. Sitzung am 22. Juni 2016 festgehalten, dass die Trägerorganisationen die Anpassung der genetischen in-vitro-Diagnostik in der Mutterschaftsvorsorge, Empfängnisregelung und Reproduktionsmedizin an den Stand von Wissenschaft und Technik mit Wirkung zum 1. November 2016 vornehmen werden und Bestandteil dieser Anpassung auch die Überprüfung des Ausschlusses der Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 11.4.3 und 11.4.4 neben der zytogenetischen Leistung des Abschnitts 1.7.4 EBM ist.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns wird daher in der Abrechnungssoftware die Streichung der neuen Abschnitte 11.4.3 und 11.4.4 neben GOP 01793 bis zu diesem Zeitpunkt aussetzen.“

Es habe seitdem einen mehrfachen E-Mail-Verkehr gegeben. So habe die Beklagte in ihrer E-Mail vom 12.01.2017 folgendes mitgeteilt:

„Soeben haben wir die Information erhalten, dass die Streichung weiterhin von der KVB ausgesetzt ist. Bitte beachten Sie jedoch, dass der EBM mit seinen derzeitigen Abrechnungsausschlüssen dadurch nicht seine Gültigkeit verliert. Korrekturanträge von Seiten der Krankenkassen (wie zum Beispiel aktuell von der IKK BIG) können wir daher nicht ausschließen.“

Zu berücksichtigen sei ferner, dass es sich um eine sogenannte Stufendiagnostik handle. Das Analyseergebnis werde quartalsübergreifend fertig und sei somit korrekt abgerechnet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2018 wurde der ursprüngliche Widerspruchsbescheid vom 16.05.2018 teilweise abgeändert (bezüglich der Absetzung der GOP 01787).

Die Beklagte betonte in ihrer Klageerwiderung, es bestehe ihres Erachtens kein Vertrauensschutz. Der E-MailVerkehr zwischen der Klägerin und der Beklagten habe nicht am 12.01.2017 geendet, sondern am 24.01.2017.

In der E-Mail der Klägerin vom 23.01.2017 wurde folgendes ausgeführt:

„Ihrem Schreiben (Anm.: 12.01.2017) entnehmen wir, dass die „bayerische Regelung“ der Abrechnung der GOP 01793 neben dem Kapitel 11.4.3 weiterhin und unverändert Bestand hat. Wir bitten Sie herzlich, uns umgehend ein verbindliches Schreiben der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, unterzeichnet vom Vorstand Herrn Dr. W.K., welches diesen Sachverhalt bestätigt und auch bei Widerspruchsverfahren oder dem Sozialgericht verbindliche Gültigkeit besitzt, zuzusenden.“

Daraufhin antwortete die Beklagte mit ihrer E-Mail vom 24.01.2017:

„Ihrer Bitte nach dem gewünschten Schreiben werden wir in der Form nicht nachkommen können. Vermutlich missverstehen wir uns in diesem Punkt. Es gibt keine „Bayerische Regelung“, die den Ausschluss von Kapitel 11.4.3 neben der GOP 01793 im Krankheitsfall außer Kraft setzt. Wir haben lediglich die Streichung der Leistungen durch unser Regelwerk aktuell nicht aktiviert.

Für den Abrechnungsausschluss der GOP 11518 neben der GOP 01793 im Krankheitsfall wurde in der Protokollnotiz zum Beschluss des Bewertungsausschusses vom 12. Dezember 2016 klargestellt, dass diese im EBM nicht mehr besteht.“

Die Beklagte führte weiter aus, es bestehe auch deshalb kein Vertrauensschutz mehr, weil der Beschluss des Bewertungsausschusses vom 12.12.2016 am 15.12.2016 im Internet, aber auch im Deutschen Ärzteblatt am 20.01.2017 veröffentlicht worden sei. Des Weiteren sei auf den Honorarbescheid vom 23.08.2017 zum Quartal 01/2017 vom 23.08.20176 hinzuweisen. Auch in diesem Quartal seien Streichungen erfolgt. Eine Widerspruchseinlegung sei jedoch nicht erfolgt. Die Klägerin habe deshalb spätestens nach Zugang des Honorarbescheides Kenntnis um die Streichungen der Gebührenordnungsziffern gehabt.

Hierzu führte die Prozessbevollmächtige des Klägers aus, dass zum Zeitpunkt der Leistungen im hiesigen streitgegenständlichen Quartal 2/17 der Honorarbescheid für das Quartal 1/17 noch überhaupt nicht erlassen gewesen sei.

Im Übrigen machte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Verwirkung geltend. Zudem bestehe Vertrauensschutz unter Hinweis auf die Entscheidung des Sozialgerichts München vom 11.12.2017 (Az. S 28 KA 614/15). Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei eingeschränkt, weil die Beklagte die Abrechnung der strittigen Leistungen nicht nur über einen längeren Zeitraum geduldet habe, sondern vielmehr „durch ihren e-mail-Verkehr sogar noch aktiv provoziert habe“.

In der mündlichen Verhandlung am 15.05.2019 stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin folgenden Antrag:

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides und der diesem als Anlage beigefügten Richtigstellungsmitteilung vom 14.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2018, abgeändert durch den Widerspruchsbescheid vom 26.09.2018 bezüglich des Quartals 3/2017 verurteilt, das klägerische Honorar ohne Absetzung der GOP´s 11512, 11513, 11513Y, 01793 und 11511 zu vergüten.

Die Vertreterin der Klägerin beantragte, die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 15.05.2019 verwiesen.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Im EBM sind die strittigen Leistungen wie folgt beschrieben:

- EBM 11511:

gezielter Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden konstitutionellen genomischen Punktmutation, Deletion, Duplikation oder Inversion in kodierenden oder regulatorischen Sequenzen, je Zielsequenz; Abrechnungsausschlüsse - im Krankheitsfall - Leistungen 01793

- EBM 11512:

gezielter Nachweis oder Ausschluss von krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden großen Deletionen und/oder Duplikationen, je Gen; Abrechnungsausschlüsse - im Krankheitsfall - Leistungen 01793

- EBM 11513:

postnatale Mutationssuche zum Nachweis oder Ausschluss einer krankheitsrelevanten oder krankheitsauslösenden konstitutionellen genomischen Mutation in bis zu 25 Kilo Basen kodierender Sequenz einschließlich zugehöriger regulatorischen Sequenzen, je vollendete 250 kodierende Basen; Abrechnungsausschlüsse - im Krankheitsfall Leistungen - 01793, 11514

- EBM 01793:

pränatale zytogenetische Untersuchung (EBM) im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge, je Fötus, einmal im Krankheitsfall; Abrechnungsausschlüsseim Behandlungsfall - Leistungen 01600, 01601, 08576 im Krankheitsfall 11501, 11502, 11503, 11506, 11508, 11511, 11512, 11513, 11514, 11516, 11517 Somit ist der einheitliche Bewertungsmaßstab zutreffend von der Beklagten umgesetzt worden, was auch zwischen den Beteiligten unstrittig ist.

Allerdings stellt sich die Frage, ob aus Gründen des Vertrauensschutzes die Beklagte daran gehindert ist, im Quartal 3/2017 eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorzunehmen. Dies setzt voraus, dass die Klägerin aufgrund des Verhaltens der Beklagten davon ausgehen konnte, diese werde keine Streichungen der strittigen Gebührenordnungspositionen vornehmen.

Der Beklagte hat in der Vergangenheit trotz der eindeutigen Abrechnungsausschlüsse im EBM von Streichungen dieser Gebührenordnungspositionen Abstand genommen. Hintergrund war offensichtlich, dass diese Bestimmungen des EBM, konkret die Abrechnungsausschlüsse im Hinblick auf die medizinischen Erfordernisse nicht nur seitens der Leistungserbringer kritisch hinterfragt wurden. Dies hat dazu geführt, dass auch wenige Quartale vor dem strittigen Quartal 3/17, nämlich in den Quartalen 3/16 und 4/16 die Abrechnungsausschlüsse im EBM von der Beklagten nicht berücksichtigt wurden, was auch offiziell in der E-Mail der Beklagten vom 25. August 2016, gerichtet an die Klägerin so kommuniziert wurde. Dort wurde unter Hinweis auf die Protokollnotiz des Bewertungsausschusses zu seinem Beschluss in der 376. Sitzung am 22. Juni 2016, wonach eine Überprüfung des Ausschlusses der Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 11.4.3 und 11.4.4 neben der zytogenetischen Leistung des Abschnitts 1.7.4 EBM vorgenommen werden soll. Ausdrücklich hat die Beklagte in ihrer E-Mail betont, die Aussetzung finde bis zu diesem Zeitpunkt (Anm. bis zur Entscheidung des Bewertungsausschusses) statt. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen, der EBM mit seinem derzeitigen Wortlaut bzw. seinen derzeitigen Abrechnungsausschlüssen habe Gültigkeit, so dass Korrekturanträge von Seiten der Krankenkassen nicht auszuschließen seien.

Der Bewertungsausschuss hat sich mit der Angelegenheit erst in seiner Sitzung am 12.12.2016 befasst, dort aber nur klargestellt, es bestehe kein Abrechnungsausschluss der GOP 11518 neben der GOP 01793. Bezüglich der anderen, hier strittigen Gebührenordnungspositionen erfolgte keine Klarstellung, was auch im Internet am 15.12.2016, aber auch im Deutschen Ärzteblatt am 20.01.2017 kommuniziert wurde.

Im Nachgang hat eine Mitarbeiterin der Beklagten, Frau W. E. in der E-Mail vom 12.01.2017, gerichtet an die Klägerin mitgeteilt, sie habe soeben die Information erhalten, dass die Streichung weiterhin von der KVB ausgesetzt ist. In dem Nachsatz wurde wiederum betont, es sei zu beachten, dass der EBM mit seinen derzeitigen Abrechnungsausschüssen dadurch nicht seine Gültigkeit verliere. Korrekturanträge von Seiten der Krankenkassen könnten nicht ausgeschlossen werden.

Dem schloss sich ein weiterer E-Mail-Verkehr an. Die Klägerin fragte in ihrer E-Mail vom 23.01.2017 nochmals bei der Beklagten nach und bat darum, ihr umgehend ein verbindliches Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, unterzeichnet vom Vorstand Herrn Dr. W.K., welches diesen Sachverhalt bestätigt und auch bei Widerspruchsverfahren oder dem Sozialgericht verbindliche Gültigkeit besitzt, zuzusenden.

Dem wurde mit der E-Mail der Beklagten vom 24.01.2017 nicht entsprochen und betont, es gebe keine „Bayerische Regelung“. Es sei lediglich die Streichung der Leistungen durch das Regelwerk aktuell nicht aktiviert. Zusätzlich wurde auf die Protokollnotiz zum Beschluss des Bewertungsausschusses vom 12.12.2016 hingewiesen, wonach ein Abrechnungsausschluss der GOP 11518 neben der GOP 01793 nicht bestehe.

Nach Auffassung des Gerichts erwächst aus dem Umstand, dass vor den Quartalen 3/16 und 4/16 keinerlei Streichungen von Gebührenordnungspositionen diesbezüglich stattfanden, kein Vertrauenstatbestand. Denn die Beklagte hat sich mit ihrer E-Mail vom 25. August 2016 ausdrücklich auf eine bevorstehende Überprüfung durch den Bewertungsausschuss bezogen und vor diesem Hintergrund die Streichungen für die Quartale 3/16 und 4/16 ausgesetzt. Insofern ist ein Vertrauensschutz, sollte er in den Vorquartalen entstanden sein, entfallen. Ein Vertrauensschutz durch die E-Mail der Beklagten vom 25. August 2016 ist allerdings auch nicht entstanden, weil dort ausdrücklich die Streichungen bis zu dem Zeitpunkt der Entscheidung durch den Bewertungsausschuss ausgesetzt wurden. Eine Aussage bezüglich der weiteren Handhabung fand in dieser E-Mail nicht statt; anders aber die E-Mail der Beklagten vom 12.01.2017. Dort hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, die Streichungen würden weiterhin ausgesetzt. Darin könnte ein Vertrauensschutz begründet werden. Im Hinblick auf den Hinweis der Beklagten, wonach der EBM seine Gültigkeit nicht verliere und Korrekturanträge seitens der Krankenkassen nicht auszuschließen seien, ist, sollte ein Vertrauensschutz begründet worden sein, dieser wiederum relativiert. Für diese Sichtweise spricht auch, dass die Klägerin durch ihre E-Mail vom 23.01.2017 bei der Beklagten nachfragte und eine verbindliche Bestätigung durch den Vorstand der Beklagten erbat. Darin kommt zum Ausdruck, dass sich auch die Klägerin nicht sicher war und die Richtigkeit des Inhalts der E-Mail vom 12.01.2017 anzweifelte. Hinzu kommt, dass die Beklagte zwar umgehend reagierte, der Bitte um verbindliche Bestätigung jedoch nicht nachkam und außerdem auf die Protokollnotiz bezüglich der GOP 11518 verwies.

Auch wenn der Inhalt der E-Mail vom 12.01.2017 zunächst auf einen Vertrauensschutz hindeutet, dann aber durch die nachfolgenden Ausführungen relativiert wurde und die nachfolgende E-Mail der Beklagten vom 24.01.2017 es offenlässt, ob der Abrechnungsausschluss im EBM durch die Beklagte Beachtung findet - ein Mehr an Klarheit durch die Beklagte wäre zumindest wünschenswert gewesen - kommt das Gericht aufgrund der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass ein Vertrauensschutz, der die Beklagte bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen einschränkt, nicht vorliegt.

Das Gericht befindet sich damit auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses hat in mehreren Entscheidungen (vgl. insb. BSG, Urteil vom 14.12.2005, Az. B 6 KA 17/05 R) bestimmte Fallkonstellationen herausgearbeitet, bei denen nach seiner Ansicht die Befugnis zu einer sachlich-rechnerische Richtigstellung unter Vertrauensschutzgesichtspunkten bereits „verbraucht“ ist.

Dies gilt insbesondere, wenn die Frist von vier Jahren seit Erlass des Quartalshonorarbescheides bereits überschritten ist (1. Fallkonstellation). Dann ist eine Rücknahme des Honorarbescheides nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X möglich. Eine weitere Fallkonstellation, wo ein Vertrauensschutz angenommen wird, betrifft den Fall, in dem die Honoraranforderungen des Vertrags-(zahn) arztes in einem der ursprünglichen Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt wurden, indem die Kassenärztliche Vereinigung zum Beispiel auf den Rechtsbehelf des Vertrags-(zahn) arztes hin die ursprüngliche Richtigstellung eines bestimmten Gebührenansatzes ohne jede Einschränkung wieder rückgängig machte (2. Fallkonstellation). Ferner geht die höchstrichterliche Rechtsprechung von einem Vertrauensschutz dann aus, wenn die Kassenärztliche Vereinigung die Vertrags-(zahn)ärzte auf ihr bekannte Ungewissheiten hätte hinweisen müssen, dies aber unterlassen und dadurch bei den Mitgliedern ein schützenswertes Vertrauen entstanden ist (3. Fallkonstellation). Schließlich ist Vertrauensschutz dann zu berücksichtigen, wenn die Kassen- (zahn)ärztliche Vereinigung eine bestimmte Leistungserbringung in Kenntnis aller Umstände geduldet hat, sie aber später als fachfremd beurteilt hat (4. Fallkonstellation).

Auf den vorliegenden Fall ist keine der vom Bundessozialgericht entwickelten Fallkonstellationen anwendbar. Zu erwägen wäre allerdings, ob der hier vorliegende Sachverhalt den Fallkonstellationen 2, 3 oder 4 gleichzusetzen ist. Die Bildung von Fallkonstellationen durch die Rechtsprechung zeigt aber zum einen, dass eine Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten stattfinden muss, zum anderen aber, dass eine solche Berücksichtigung nur in engen Grenzen und nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen ist. Auch wenn der Sachverhalt insbesondere den Vertrauenstatbeständen unter der 3. und 4. Fallkonstellation nahekommt, erreicht er nicht den Grad an Vertrauen, der notwendig ist, um einen Verbrauch der Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung anzunehmen. Vielmehr waren der Klägerin der Wortlaut des EBM und damit die Abrechnungsausschlüsse bekannt, auch, dass sich die Beklagte mit dem Aussetzen der Streichungen nicht EBMkonform verhielt. Sie konnte deshalb und vor allem auch im Hinblick auf die letzte E-Mail der Beklagten vom 24.01.2017 nicht davon ausgehen, es werde in den Quartalen ab 4/2016 ein Nebeneinanderansatz von ausgeschlossenen Leistungen weiterhin geduldet.

Erst recht kann sich die Klägerin nicht auf eine Verwirkung berufen. Die Anforderungen an eine Verwirkung sind noch wesentlich höher als an die Annahme eines Vertrauensschutzes. Eine Verwirkung ist nur dann anzunehmen, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, „der eine spätere Weiterverfolgung eines längere Zeit nicht betriebenen Verfahrens als treuwidrig erscheinen lässt“ (vgl. BSG, SozR 5548 § 3 Nr. 2). Eine Verwirkung erscheint jedoch vor Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ausgeschlossen (vgl. BayLSG, Urteil vom 27.10.1999, Az. L 12 KA 78/98).

Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Annotations

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.