Sozialgericht München Urteil, 04. Mai 2016 - S 14 R 1118/13

bei uns veröffentlicht am04.05.2016

Gründe

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene in seiner Tätigkeit als Rundgangsleiter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand oder selbstständig tätig war.

Die Klägerin - eine öffentliche Stiftung des Bürgerlichen Rechts - ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die die gesamte deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart in ihren europäischen Bezügen erforscht. Ihr obliegt auch die Leitung des Lern- und Erinnerungsortes O. - Dokumentation O ... Hier organisierte sie etwa bis Ende 2013 Rundgänge für Besuchergruppen. Der Beigeladene war in der Zeit von Frühjahr 2011 bis Frühjahr 2013 als Rundgangsleiter am O. für die Klägerin tätig. Während dieser Zeit befand er sich im Bachelor-Studium Soziologie.

Am 17.4.2012 beantragten Klägerin und Beigeladener bei der Beklagten, den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen festzustellen - Statusanfrage nach § 7 a Sozialgesetzbuch IV (SGB IV). Der Tätigkeit des Beigeladenen lag der freie Mitarbeitervertrag - Rahmenvereinbarung vom 1.3.2012 zugrunde. Nach § 1 dieses Vertrags wird der freie Mitarbeiter - der Beigeladene - als Rundgangsleiter für die Klägerin tätig. Seine Dienstleistung umfasst vereinbarte Führungen und Workshops für Besucher in der Dokumentation O ... Der freie Mitarbeiter erbringt seine Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als selbstständiger Unternehmer (§ 1 Abs. 1 des Vertrags). Bei der Durchführung der Tätigkeit ist der Beigeladene Weisungen des Instituts für Zeitgeschichte nicht unterworfen. Weisungen im vorstehenden Sinne sind nicht fachliche Vorgaben, die dem freien Mitarbeiter für die Durchführung der Tätigkeit in allgemeiner Form gegeben werden (§ 1 Abs. 2 des Vertrags). Konkrete Termine und Zeiten stimmen die Vertragsparteien nach Bedarf ab, dann wird jeweils ein Einzelauftrag erteilt. Der freie Mitarbeiter erklärt unverzüglich, ob er den Auftrag annimmt (§ 1 Abs. 3 des Vertrags). Nach § 2 Abs. 1 ist der Vertrag unter der Voraussetzung vereinbart worden, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis rechtlich und tatsächlich um ein freies Mitarbeiterverhältnis handelt, auf das Arbeits-, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht keine Anwendung findet. Dies wurde bei der Kalkulation der Vergütung berücksichtigt. Nach § 2 Abs. 2 des Vertrags werden für die einzelnen Tätigkeiten unterschiedliche Honorare festgesetzt. Für eine Standard-, Überblicks- und Themenführung wurden 55 Euro festgelegt, für eine solche Führung an Feiertagen 60 Euro. Auch für fremdsprachige Führungen betrug das Honorar 60 Euro, für Workshops 80 bis 90 Euro. Nach § 2 Abs. 3 hat der freie Mitarbeiter willentlich und wissentlich den Status eines selbstständigen Unternehmens. Er ist nicht lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig, der Auftraggeber ist deshalb nicht verpflichtet, Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Nach dieser Regelung ist die Abführung von Steuern und Abgaben ausschließlich Sache des freien Mitarbeiters. Nach § 3 steht dem freien Mitarbeiter ein Honoraranspruch nicht zu, wenn er infolge von Krankheit oder sonstiger Arbeitsverhinderung an der Leistung der Dienste verhindert ist. Der freie Mitarbeiter hat auch keinen Anspruch auf Urlaub. Nach § 6 ist der Auftragnehmer verpflichtet, sich im Rahmen der Durchführung des Vertrags auf dem Gebiet seiner Tätigkeit über den aktuellen Entwicklungsstand weiterzubilden und sich über Veränderungen jederzeit auf dem Laufenden zu halten.

In den Erläuterungen zum Statusfeststellungsantrag hielt sich der Beigeladene als Rundgangsleiter an inhaltliche Rahmenvorgaben der Klägerin gebunden. Die Ausführung dieser Vorgaben werde etwa zweimal im Jahr von der Klägerin durch eine Evaluation geprüft. Der Beigeladene erklärte ferner, dass es seine Entscheidung sei, ob er eine Führung übernehme. Sobald er zugesagt habe, sei er aber verpflichtet, den Rundgang zum anberaumten Zeitpunkt durchzuführen und sich dabei an zeitliche Vorgaben zu halten. Auf die Preisgestaltung habe er keinen Einfluss, Führungen und Workshops würden nach den von der Klägerin festgesetzten Bedingungen bezahlt. Ergänzend erklärte der Beigeladene in einem nichtdatierten Schreiben (Bl. 19, 20 Rentenakte), dass er bei Ausübung seiner Tätigkeit keinen Weisungen der Klägerin unterworfen sei. Lediglich etwa zweimal jährlich werde die Anwesenheit bei einer Dienstbesprechung gewünscht. Die Auftragsausführung werde etwa einmal pro Jahr durch Evaluierung überprüft, wobei ein festangestellter Mitarbeiter der Klägerin bei seiner Führung mitgehe. Weisungsbefugt seien lediglich zwei Mitarbeiter der Klägerin - zwei Museumspädagoginnen -, denen der Beigeladene aber nur auf Nachfrage hin Bericht zu erstatten habe.

Im Schreiben vom 26.9.2012 bezog sich die Klägerin auf ein Urteil des LSG Berlin- Brandenburg vom 15.7.2011, L 1 KR 206/09. Nach diesem Urteil kann der Bundesrat seinen Besucherdienst durch Honorarkräfte auf selbstständiger Basis durchführen lassen kann. Allein aus dem vorgegebenen Ort und aus dem Zeitpunkt einer Führung kann nach dieser Entscheidung nicht auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses geschlossen werden.

Nach Anhörung von Klägerin und Beigeladenem erließ die Beklagte die Bescheide vom 5.10.2012. Darin wurde festgestellt, dass die Tätigkeit als Rundgangsleiter seit dem 1.3.2012 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird. In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe wegen Geringfügigkeit in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung Versicherungsfreiheit. In der Begründung führte die Beklagte aus, dass der Beigeladene für die von ihm angenommenen Aufträge durch die terminlichen und örtlichen Vorgaben der Klägerin an deren Bestimmungen gebunden sei. Damit habe der Beigeladene kaum Gestaltungsspielraum bei der freien Auswahl des Arbeitsortes und der Arbeitszeit. Zwar sei der Beigeladene vertraglich nicht verpflichtet, die Leistung persönlich zu erbringen. Allerdings sei die persönliche Leistungserbringung die Regel - dies spreche für eine abhängige Beschäftigung. Auch trage der Beigeladene kein erkennbares Unternehmerrisiko. Die Vergütung erfolge nach Rechnungstellung auf Basis der geleisteten Stunden. Einen höheren Gewinn könne der Beigeladene nur durch Mehrarbeit verwirklichen, ein Verlustrisiko sei nicht zu erkennen.

Gegen den Bescheid vom 5.10.2012 legte die Klägerin am 6.11.2012 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.4.2013 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage vom 3.6.2013.

Die Klagebegründung vom 18.11.2013 wies darauf hin, dass bereits das Stundenhonorar von 55 Euro bei einer Führungsdauer von etwa eineinhalb Stunden für eine selbstständige Tätigkeit spreche. Denn als studentische Hilfskraft wäre der Beigeladene nach dem anzuwenden Tarif bei einem Stundenlohn von 9,40 Euro brutto einzugruppieren. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche ferner, dass die Rundgänge höchst unregelmäßig durchgeführt würden; der Beigeladene habe etwa im Jahr 2011 lediglich 35 Führungen durchgeführt, im Jahr 2012 seien es 43 Führungen gewesen. Es treffe nicht zu, dass der Beigeladene in einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation tätig sei. Von der Klägerin vorgegeben seien lediglich Ausstellungsort und Inhalt der Ausstellung. Eine darüber hinausgehende Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin bestehe nicht. Zwar habe die Klägerin sicherzustellen, dass die Führungen historisch inhaltlich stets dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen und dass Zusammenhänge nicht verharmlost oder falsch dargestellt werden. Nur insoweit würden den Rundgangsleitern wissenschaftlich abgeleitete Vorgaben gemacht. Darüber hinaus obliege es allerdings den Rundgangsleitern, wie sie die Führung gestalten. Die höchstens einmal im Jahr durchgeführte Evaluierung des Beigeladenen sei kein Hinweis auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Sie diene vielmehr dem Schutz der Klägerin und des Beigeladenen vor falschen Anschuldigungen. Da es die Sensibilität der Thematik nicht zulasse, hier fremde Subunternehmer mit dem Rundgang zu beauftragen, könne der Beigeladene die Rundgangsleitung auch nicht auf Dritte delegieren. Der Beigeladene erhalte unabhängig von der Dauer der einzelnen Rundgänge eine Pauschalvergütung, eine arbeitszeitbezogene Bezahlung liege daher nicht vor. Der Beigeladene erhalte weder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, noch bezahlten Urlaub. Die Vertragsdurchführung spreche folglich für eine selbstständige Tätigkeit. Zudem sei der Verdienst aufgrund des beschränkten Umfangs und der unregelmäßigen Beauftragung so gering, dass eine soziale Abhängigkeit von der Klägerin nicht bestehe. Im vorliegenden Fall sprächen daher noch weit mehr Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit, als in dem vom LSG Berlin- Brandenburg am 15.7.2011 entschiedenen Fall (Honorarkräfte des Besucherdienstes des Bundesrates). Um so mehr müsse daher auch in diesem Fall von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden.

Zu den von der Klägerin vorgelegten Manuskripten/Konzepten für die Führungen und Workshops merkte die Beklagte am 14.10.2014 an, dass die über 240 Seiten umfassenden Vorgaben und fertig ausformulierten Vorträge die eigene Gestaltungsmöglichkeit des Beigeladenen erheblich reduzierten. Die Klägerin erwiderte am 20.11.2014, dass es sich bei diesen Texten um bloße Orientierungshilfen handele, die auf Wunsch der freien Mitarbeiter erstellt wurden.

In der mündlichen Verhandlung vom 4.5.2016 hörte das Gericht die Klägerin und den Beigeladenen zur Ausgestaltung der Tätigkeit des Beigeladenen an.

Der Prozessbevollmächtigte de Klägerin stellte den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 5.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei- ds vom 30.4.2013 aufzuheben und festzustellen, dass die vom Beigeladenen seit dem 1.3.2012 ausgeübte Beschäftigung nicht im Rahmen eines abhängigen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird.

Der Beklagtenvertreter beantragte, die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene stellte keinen Antrag.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Klage- und Rentenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich gemäß §§ 51, 57 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig. Die ordnungsgemäß und fristgerecht erhobene Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Tätigkeit des Beigeladenen zu Recht als abhängiges Beschäftigungsverhältnis eingestuft.

Nach § 7a Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) können die Beteiligten eine Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund zu der Frage beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt.

Nach § 7 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R) ist eine Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsplatz verfeinert sein. Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen; maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Tätigkeit des Beigeladenen als abhängige Beschäftigung zu werten.

Die Vereinbarung vom 1.3.2012 gibt dem Wunsch der Vertragsparteien Ausdruck, dass der Beigeladene als freier Mitarbeiter selbstständig tätig ist. Dies ergibt sich aus der wiederholten Bezeichnung des Beigeladenen als freier Mitarbeiter, aus dem Hinweis, dass er keinen Weisungen der Klägerin unterworfen ist und daraus, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis nach § 2 Abs. 1 rechtlich und tatsächlich um ein freies Mitarbeiterverhältnis handelt sollte. Einem im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, kommt jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspricht und durch weitere Aspekte gestützt wird (BSG, Urteil vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, RdNr. 16 bei juris). Andererseits liegt es nicht in der Rechtsmacht der Vertragsparteien zu bestimmen, wie das Vertragsverhältnis von der Rechtsordnung bewertet wird. Lediglich im Zweifelsfall ist der Wille der Vertragsparteien entscheidend.

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Rahmenvereinbarung erst im zeitlichen Zusammenhang mit der Statusanfrage im Frühjahr 2012 abgeschlossen wurde. Nach übereinstimmenden Angaben von Klägerin und Beigeladenem bestand die Vertragsbeziehung aber bereits seit Frühjahr 2011 und lief bis Frühjahr 2013. Die Rahmenvereinbarung wurde daher erst etwa nach Ablauf der Hälfte der Vertragsbeziehung abgeschlossen; ob für die Zeit von Frühjahr 2011 bis Februar 2012 ebenfalls eine schriftliche Rahmenvereinbarung getroffen wurde, ergibt sich aus den Akten nicht. Es ist auch nicht erkennbar, dass bei Abschluss der Rahmenvereinbarung vom 1.3.2012 eine wesentliche Änderung in der Tätigkeit als Rundgangsleiter eingetreten wäre. Vorrangig und entscheidend ist daher die zwischen Klägerin und Beigeladenem gelebte Wirklichkeit des Vertragsverhältnisses. Die tatsächlichen Verhältnisse geben den Ausschlag, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, Rdnr. 17 bei juris).

Bereits die Rahmenvereinbarung vom 1.3.2012 enthalten Regelungen, die sowohl für als auch gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen. Für eine selbstständige Tätigkeit spricht nach der Rahmenvereinbarung, dass sich aus dem Vertrag kein Anspruch auf Einzelaufträge ableiten lässt, dass andererseits auch der Beigeladene jeweils frei ist in der Annahme oder Ablehnung eines Auftrages. Für eine selbstständige Tätigkeit spricht ferner, dass in § 2 der Rahmenvereinbarung von Honorar und nicht von Lohn gesprochen wird, dass in § 3 der Vereinbarung ein Honoraranspruch im Krankheitsfall ausgeschlossen und ein Anspruch auf Urlaub ausdrücklich verneint wurde. Auch spricht für Selbstständigkeit, dass der Auftragnehmer nach § 2 Abs. 3 nicht lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig sein sollte und dass der Beigeladene selbst für die Abführung von Steuern und Abgaben zu sorgen hatte.

Andererseits sind im Rahmenvertrag auch Regelungen enthalten, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Zwar ist in § 1 Abs. 2 der Vereinbarung zunächst festgehalten, dass der freie Mitarbeiter Weisungen der Klägerin nicht unterworfen ist. Dem nachfolgenden Satz ist aber zu entnehmen, dass sich der Beigeladene doch an allgemein vom Auftraggeber - der Klägerin - erlassene Regelungen und an fachliche Vorgaben halten muss, die ihm für die Durchführung der Tätigkeit in allgemeiner Form gegeben werden. Dabei sind die vorgelegten Texte für begleitete Rundgänge für den Beigeladenen nicht verpflichtend. Sie sind - wie es im Vorwort heißt - als erste Orientierungshilfen für die Rundgangsleiter in der Dokumentation O. konzipiert. Diese Texte formulieren Vorschläge für Standardrundgänge, für Rundgänge für Bundeswehrangehörige oder für Schüler, für bestimmte Themenrundgänge (Propaganda, Antisemitismus, „der historische Ort“) oder für Workshops (Rechtsextremismus, Schüler führen Schüler, erlebte Geschichte - Geschichten erleben, Fotografien als historische Quelle). Ferner gibt es eine Orientierungshilfe für eine biografische Führung „Hans“ und eine biografische Führung „Mucki“, Rundgänge in englischer Sprache, in ungarischer Sprache und einen Rundgang für Blinde. Diese Vielfalt der Orientierungshilfen zeigt, dass es der Klägerin wesentlich darauf ankommt, die Rundgänge auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu halten und auf politisch sensiblem Gebiet Missverständnisse nach Möglichkeit zu vermeiden. Nach § 1 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung ist der Beigeladene Weisungen der Klägerin zwar nicht unterworfen. Die Qualität seiner Rundgänge wurde jedoch durch Museumspädagogen überprüft. Der Beigeladene hatte sich nach § 6 der Vereinbarung auch auf dem Gebiet seiner Tätigkeit über den aktuellen Entwicklungsstand weiterzubilden und sich über Veränderungen jederzeit auf dem Laufenden zu halten. Der Beigeladene berichtete in der mündlichen Verhandlung, dass er an vier Fortbildungsveranstaltungen, die jeweils etwa drei Stunden dauerten, teilgenommen hat. Zwar waren diese Fortbildungen aus seiner Sicht freiwillig, sie waren wohl aber auch Voraussetzung für die Übernahme einer Führung auf besonderen Gebieten. Bei dieser Sachlage ist anzunehmen, dass der Beigeladene bei der Ausgestaltung der Rundgangsleitung einen persönlichen Spielraum hatte, dass er sich aber andererseits - wenn er weitere Aufträge erhalten wollte - an einen Ablauf des Rundgangs zu halten hatte, der im weiteren Sinne den Erwartungen der Klägerin entsprach. So hatte der Beigeladene bei den Rundgängen auch bestimmte Pflichtexponate zu erklären. Dass der Auftragnehmer den Rundgang selbstständig und eigenverantwortlich gestalten sollte, spricht nicht gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Es handelt sich hier um Dienste höherer Art, bei denen ein inhaltlicher Freiraum üblich ist und sich die Weisungsgebundenheit zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert. Die Qualität einer Besucherführung wird insbesondere dadurch mitbestimmt, dass sich der Rundgangsleiter auf die Interessen und Wünsche einer Gruppe einstellen kann. Insofern wäre es auch im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses lebensfremd, wenn ein starrer inhaltlicher Rahmen oder gar konkrete Formulierungen vorgegeben würden (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2.6.2009, S 36 KR 2382/07, RdNr. 48 bei juris).

Sprechen bereits die bisherigen Gesichtspunkte überwiegend für eine abhängige Beschäftigung, so ergibt sich aus dem zeitlichen und örtlichen Ablauf der Rundgänge, dass der Beigeladene in hohem Maß in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden war. Zwar war der Beigeladene in der Entscheidung jeweils frei, ob er einen Rundgang übernimmt. Sobald er einen Auftrag angenommen hatte, war er aber verpflichtet, den Rundgang auch tatsächlich durchzuführen. Dabei war er an die von der Klägerin vorgegebenen Rundgangszeiten gebunden (zu Schlossführungen LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2006, L 24 KR 11/04, RdNr. 32). Aus Sicht der Besucher war der Beigeladene auch als Mitarbeiter der Klägerin erkennbar. Zwar hatten die Rundgangsleiter keine einheitliche Dienstkleidung - der Beigeladene trug Pulli und Hemd. Er trug aber erkennbar ein Namenschild mit dem Museumslogo und mit dem Zusatz Dokumentation O ...

Für eine abhängige Beschäftigung spricht schließlich das fehlende Unternehmerrisiko des Beigeladenen. Zwar wurde er nicht nach Stunden, sondern für den jeweiligen Rundgang bezahlt. Er konnte sich aber darauf verlassen, dass eine typische Führung etwa 90 Minuten dauert und dass er mit dem vorher festgesetzten Honorar sicher rechnen konnte. Damit drohte dem Beigeladenen einerseits kein Honorarausfall, wie dies bei Selbstständigen der Fall sein kann. Andererseits konnte der Beigeladene keine weitergehenden Gewinnchancen realisieren - höhere Honorare ließen sich nur durch mehr Rundgänge erreichen.

Das Fehlen von Entgeltfortzahlung und Urlaubsanspruch sowie die Verpflichtung des Beigeladenen, Steuern und Sozialabgaben selbst zu tragen, können für eine selbstständige Tätigkeit nicht gewertet werden. Diese Nachteile und Risiken auf Seiten des Beigeladenen werden nicht durch größere unternehmerische Vorteile oder Freiheiten kompensiert (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2.6.2009, a. a. O.,RdNr. 64 bei juris; SG Mannheim, Urteil vom 2.10.2013, S 8 R 1769/12, RdNr. 67 bei juris).

Insbesondere wegen der engen Einbindung in den Betriebsablauf der Klägerin und wegen des fehlenden Unternehmerrisikos ist die Tätigkeit des Beigeladenen zutreffend als abhängiges Beschäftigungsverhältnis gewertet worden. Die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. §§ 154 Abs. 2, 163 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht München Urteil, 04. Mai 2016 - S 14 R 1118/13 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Referenzen

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.