Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 17. Jan. 2014 - 16 A 177/10
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgenden Fragen eingeholt:
1. Regelt Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 für den Bereich des Lagerkostenausgleichs den Zuckeraustausch abschließend und ist nach dieser Vorschrift nicht Voraussetzung, dass der auszutauschende Zucker von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaates ansässigen Hersteller erzeugt sein muss?
2. Bejahendenfalls: Setzt Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 für die Inanspruchnahme von Lagerkostenvergütung voraus, dass der Austausch-C-Zucker bei dem Zuckerhersteller „gegenständlich ersetzt“ wird?
3. Falls Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 auf den Fall des Zuckeraustauschs anwendbar ist: Setzt Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 für die Inanspruchnahme von Lagerkostenvergütung voraus, dass der Austausch-C-Zucker bei dem Zuckerhersteller „gegenständlich ausgetauscht“ wird?
4. Hilfsweise: Ist die Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 VO(EWG) Nr. 2670/81 insoweit ungültig, als sie verlangt, dass der auszutauschende Zucker „von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaates ansässigen Hersteller erzeugt worden ist“?
1
Gründe:
2I.
31. Die Klägerin, ein zuckerverarbeitendes Unternehmen, beantragte in den Wirtschaftsjahren 1987/89 bis 1996/97 die Gewährung von Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker. Hierzu sind, nachdem die Beklagte die Leistungsbescheide (teilweise) aufgehoben und Lagerkostenvergütungen entsprechend zurückgefordert hatte, beim erkennenden Gericht insgesamt neun Verfahren anhängig, die sämtlich Fragen der Aufhebung und Rückforderung von Lagerkostenvergütung betreffen.
42. Das vorliegende Verfahren betrifft Fragen zum Zuckeraustausch und das Zuckerwirtschaftsjahr 1990/91. Die Klägerin beantragte im vorliegenden Verfahren monatlich Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker, die ihr antragsgemäß in Höhe von insgesamt 19.747.041,59 Euro gewährt wurden.
53. Durch die Lagerkostenvergütung sollte gewährleistet werden, dass der Zucker im gesamten Wirtschaftsjahr vorgehalten und auf dem Binnenmarkt verfügbar war. Lagerkostenvergütung wurde gezahlt für von dem einlagernden Unternehmen im Rahmen einer so genannten Erzeugungsquote (A- und B-Quote) erzeugten Zucker (vgl. etwa § 3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 1358/77 vom 20. Juni 1977). Lagerkostenvergütungen wurden nicht für so genannte C-Zucker gewährt, die die Mengen an Zucker waren, die unter Anrechnung auf ein bestimmtes Wirtschaftsjahr erzeugt wurden und die für das jeweilige Unternehmen festgelegte Summe aus der A- und B-Quote (Höchstquote) überschritten (vgl. etwa Art. 24 der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 des Rates vom 30. Juni 1981 sowie die Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 der Kommission vom 14. September 1981).
64. Im Rahmen von Marktordnungs-Überwachungsmaßnahmen wurden von dem zuständigen Hauptzollamt im Jahr 1997 Hinweise darauf vorgefunden, dass in den Anzeigen der Klägerin über die vorläufige oder endgültige Zuckererzeugung Mehrausbeuten an Weißzucker aus der Verarbeitung von Vorprodukten zu Weißzucker nicht mitgeteilt worden waren. Deshalb wurde bei der Klägerin eine Marktordnungsprüfung zur Feststellung der tatsächlichen Zuckererzeugungsmengen in den Zuckerwirtschaftsjahren 1992/93 bis 1996/97 angeordnet. Hinsichtlich der ermittelten Mehrausbeuten gab die Klägerin eine Berichtigungserklärung ab und räumte ein, Mehrmengen an Weißzucker durch Mehrausbeuten in Höhe von insgesamt 291.201 Dezitonnen Weißwert (dt/WW) erwirtschaftet zu haben. In der Folgezeit wurde hinsichtlich der Wirtschaftsjahre 1987/88 bis 1996/97 gegen Verantwortliche der Klägerin unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sowie des Subventionsbetrugs im Hinblick auf die gewährten Lagerkostenvergütungen strafrechtlich ermittelt. Im Februar 2002 erstellte die Beklagte hinsichtlich des Tatvorwurfs des Subventionsbetrugs einen Schlussbericht, nach welchem aufgrund diverser Sachverhaltskomplexe in den Zuckerwirtschaftsjahren 1987/88 bis 1996/97 zu Unrecht von der Klägerin Lagerkostenvergütungen beantragt und ihr gewährt worden waren. In dem Schlussbericht wurden mehrere Verstöße benannt, die schlagwortartig als Komplexe „Mehrausbeuten Halbfabrikate“, „Mehrausbeute Umarbeitung A-Ablauf“, „Vorzeitiges Buchen in der Rübenkampagne“, „Dextrosebeimischung in den Grundsirup“, „6-Uhr-Problematik“, „Spezialmelasse“, „Kandisstürzel“, „Ausfuhr französischer Quotenzucker als C-Zucker“ und „Französischer Zukaufzucker im Vormonat als C-Zucker exportiert“ gekennzeichnet wurden.
75. Den Sachverhalten „Ausfuhr französischer Quotenzucker als C-Zucker“ und „Französischer Zukaufzucker im Vormonat als C-Zucker exportiert“ lag zugrunde, dass die Klägerin im Zuckerwirtschaftsjahr 1990/91 aus Frankreich im Rahmen der Erzeugungsquoten produzierten Zucker (87.740 dt WW) zum Zweck der Lagerung erwarb. Dieser Zucker wurde auf das Betriebsgelände der Klägerin verbracht und als Eingang gebucht, dort allerdings nicht eingelagert, sondern mit neuen Versandpapieren versehen und als C-Zucker ohne Inanspruchnahme von Ausfuhrerstattungen in Drittländer außerhalb der EU exportiert (Komplex „Ausfuhr französischer Quotenzucker als C‑Zucker“). Durch diesen praktizierten Zuckeraustausch vermied die Klägerin das Abladen französischen Quotenzuckers auf eines Ihrer Lager und das Aufladen des von ihr produzierten C-Zuckers auf Transportmittel.
86. Der Zukauf war für die Lagerkostenvergütung überwiegend mengenmäßig neutral, weil der französische Zucker noch innerhalb des Monats des Zukaufs wieder exportiert wurde, die Lagerkostenvergütung daher nur für die identische Zuckermenge an umdeklarierten C-Zucker gezahlt wurde. Teilweise verblieb der zugekaufte Zucker über das für die Beantragung der Lagerkostenvergütung maßgebliche Monatsende (Juni 1990) hinaus im Buchungsbetrag der Klägerin und wurde erst im Folgemonat (Juli 1990) als Abgang verbucht, so dass er rechnerisch die zur Vergütung beantragte Lagermenge erhöhte, obwohl der Zucker sofort weitertransportiert worden war und nicht eingelagert wurde (Komplex „Französischer Zukaufzucker im Vormonat als C-Zucker exportiert“).
97. Mit Bescheid vom 30. Januar 2003 hob die Beklagte die Festsetzungen der Lagerkostenvergütungen für die Monate von Juli 1990 bis Juni 1991 mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von insgesamt 963.942,98 Euro auf und forderte den gezahlten Vergütungsbetrag zurück. Zudem wurde die Pflicht einer Verzinsung der Forderung gemäß § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (MOG) vom Zeitpunkt ihres Empfangs dem Grunde nach festgestellt. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin 2003 Widerspruch: Der Anspruch auf Rückforderung von Lagerkostenvergütungen sei insgesamt verjährt.
108. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 gab die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der Komplexe „Dextrosebeimischung“ vollständig und hinsichtlich des Komplexes „vorzeitiges Buchen in der Rübenkampagne“ teilweise statt; sie hob die Festsetzungen der Lagerkostenvergütung für das entsprechende Wirtschaftsjahr in Höhe von 638.740,90 Euro mit Wirkung für die Vergangenheit auf und forderte die gewährte Lagerkostenvergütung insoweit zurück.
119. Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem geltend gemacht: Die Voraussetzungen für eine Rücknahme lägen nicht vor. Der Zuckeraustausch mit Quotenzucker aus Frankreich sei nach Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 zulässig gewesen. Die Vorschrift setze nicht voraus, dass die zu ersetzende Menge A- oder B-Zuckers auch in Deutschland hergestellt worden sei.
1210. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Aufhebung- und Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids, soweit vorliegend von Interesse, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Zuckeraustausch habe gegen unionsrechtliche Vorschriften verstoßen. Nach Art. 2 Abs. 2 UAbs. 7 VO (EWG) Nr. 2670/81 müsse der ausgetauschte Zucker von einem im selben Mitgliedstaat ansässigen Hersteller stammen.
1311. Im Berufungsverfahren beruft sich die Klägerin nach wie vor darauf, dass der Zuckeraustausch mit Quotenzucker aus Frankreich nach Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 zulässig gewesen sei. Zudem habe es keines gegenständlichen Austauschs des Zuckers bedurft.
14II.
1512. Der Senat hat über die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Vorabentscheidung in der gleichen Besetzung zu entscheiden, in der er die Entscheidung treffen müsste, für die die Vorlagefragen erheblich sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. März 2008 ‑ 10 C 32.07 -, juris, Rn. 7). Diese erginge in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO ‑, § 109 Abs. 1 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen).
1613. Ob die Berufung der Klägerin begründet ist, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Der Rechtsstreit wirft unionsrechtliche Fragen auf, die die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs erfordern (Art. 267 Abs. 1 und 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ‑ AEUV).
1714. Hinsichtlich der Lagerkostenvergütungen stellt sich zunächst die Frage, ob der ausgetauschte Zucker von einem im selben Mitgliedstaat ansässigen Hersteller stammen muss. Klärungsbedarf besteht insoweit, ob für den Fall des Austauschs von C-Zucker durch einen anderen innerhalb der Quote erzeugten Zucker Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 (EWG) oder Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 anwendbar ist.
1815. Art. 14 Abs. 3 lautet in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2671/81 vom 14. September 1981: „Wird eine C-Zuckermenge bei der Ausfuhr durch eine entsprechende Menge A- oder B-Zucker ersetzt, so wird die ersetzte Menge von dem Tag an, an dem die Ausfuhrzollförmlichkeiten erfüllt sind, für die Gewährung der Vergütung als A-Zucker angesehen.“
1916. Auch Art. 2 Abs. 2 UAbs. 2 (EWG) VO Nr. 2670/81 vom 16. September 1981 kann hinsichtlich des Zuckeraustauschs einschlägig sein.
2017. Für das Zuckerwirtschaftsjahr 1990/1991 und den Antrag auf Gewährung von Lagerkostenvergütungen wäre gegebenenfalls Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1760/84 vom 22. Juni 1984 anwendbar. Die weiteren Änderungen von Art. 2 Abs. 2 UAbs. 2 (EWG) VO Nr. 2670/81 durch die VO (EWG) Nr. 2561/85 vom 11. September 1985 und die VO (EWG) Nr. 1714/88 vom 13. Juni 1988 betrafen nicht die regionale Begrenzung des Zuckeraustauschs, sondern die Ersetzung der Worte „Weiß- oder Rohzucker“ durch das Wort „Weißzucker“ und der Worte „der Tarifnummer 17.01 des Gemeinsamen Zolltarifs“ durch die Worte „der Position 1701 der Kombinierten Nomenklatur“.
2118. Satz 1 dieser Vorschrift lautete in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1760/84 der Kommission vom 22. Juni 1984: „Der betreffende Hersteller kann jedoch bei der Ausfuhr C-Zucker durch einen anderen Weiß- oder Rohzucker in unverändertem Zustand der Tarifnummer 17.01 des Gemeinsamen Zolltarifs oder C-Isoglukose durch eine andere Isoglukose austauschen, die von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats ansässigen Hersteller erzeugt worden sind [Hervorhebung nicht im Original].“
2219. Die Ursprungsfassung vom 16. September 1981 hatte demgegenüber noch gelautet: „Der betreffende Hersteller kann jedoch bei der Ausfuhr C-Zucker durch einen anderen Zucker oder C‑Isoglukose durch eine andere Isoglukose, die von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats ansässigen Hersteller erzeugt worden ist [Hervorhebung nicht im Original], austauschen.“ Bei einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung des Relativsatzes wäre die Erzeugung des Austauschstoffes auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats nur hinsichtlich der C‑Isoglukose und nicht auch hinsichtlich des C-Zuckers notwendig. Mit der Änderungsfassung hatte der Verordnungsgeber möglicherweise klargestellt, dass sich der Relativsatz sowohl auf den Austausch von C‑Isoglukose und C-Zucker beziehen soll. Dies bestätigen wohl auch die Erwägungsgründe zur Verordnung (EWG) Nr. 56/91 vom 9. Januar 1991. Dort heißt es: Nach Verordnung (EWG) Nr. 56/91 der Kommission vom 9. Januar 1991 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 mit Durchführungsvorschriften für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor gilt Folgendes: „Artikel 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 der Kommission (3), zuletzt geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 3892/88 (4), sieht vor, daß der in einem Mitgliedstaat ansässige Hersteller von C-Zucker bei der Ausfuhr seines C-Zuckers diesen durch einen von einem anderen, auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats ansässigen Hersteller erzeugten Weißzucker [Hervorhebung nicht im Original] austauschen kann, indem er einen Betrag bezahlt, der den aus diesem Austausch erzielten wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht.“
23Auch der Vergleich mit der englischen und französischen Fassung spricht für die Notwendigkeit eines Austauschs durch einen anderen Zucker oder C-Isoglukose, die auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats produziert worden sind. Die englische Fassung vom 22. Juni 1984“However, the manufacturer in question may, on export, replace C sugar by another white or raw sugar in the natural state falling within heading No 17.01 of the Common Customs Tariff, or replace C isoglucose by another isoglucose, where these [Hervorhebung nicht im Original] have been produced by another manufacturer established on the territory of the same Member State.”und die französische Fassung vom 22. Juni 1984“Toutefois le fabricant en cause peut, à l'exportation, substituer le sucre C par un autre sucre blanc ou brut en l'état relevant de la position 17.01 du tarif douanier commun ou substituer l'isoglucose C par un autre isoglucose, qui ont [Hervorhebung nicht im Original] été produits par un autre fabricant établi sur le territoire du même État membre."bestimmen gleichermaßen die Notwendigkeit, dass sowohl der C-Zucker als auch die Isoglukose von einem im selben Mitgliedstaat ansässigen Hersteller stammen müssen.
2420. Allerdings wurde Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 durch Verordnung (EG) Nr. 158/96 der Kommission vom 30. Januar 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 mit Durchführungsvorschriften für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 VO Nr. 1760/84 erneut geändert: „Der betreffende Hersteller kann jedoch bei der Ausfuhr C-Zucker durch einen anderen unter den KN-Code 1701 fallenden Zucker in unverändertem Zustand oder C-Isoglukose durch eine andere Isoglukose mit dem gleichen Gehalt an Fruktose, die von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaates ansässigen Hersteller erzeugt worden ist [Hervorhebung nicht im Original], austauschen.“ Rechtliche Bedeutung dürfte dieser Änderung für den zu entscheidenden Fall aber nicht zukommen. Maßgeblich ist die Fassung von Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 zum Zeitpunkt der Beantragung von Lagerkostenvergütungen für das entsprechende Zuckerwirtschaftsjahr.
2521. Damit behandeln sowohl Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 als auch Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 den Austausch von C-Zucker. Die Frage einer vorrangigen Anwendung bestimmen diese Vorschriften nicht. Denkbar ist, dass Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 den „herstellerinternen“ Zuckertausch meint und Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 den Austausch eines von einem anderen Hersteller produzierten Zuckers. In Betracht kommt des Weiteren die Deutung, dass Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 aufgrund seines Regelungszusammenhangs über Lager und Lagerhaltung allein die praktische Lagerhaltung und Bewertung der eingelagerten Zuckermengen bestimmt. Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Auch ist die mögliche Interpretation, dass die Voraussetzungen eines zulässigen Austauschs in Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 nicht geregelt ist und nur der Zeitpunkt bestimmt wird, zu dem C-Zucker, der bei der Ausfuhr durch A- oder B-Zucker ersetzt worden ist, als A-Zucker angesehen wird, nicht frei von rechtlichen Zweifeln. Dies ergibt sich, wenn man die Tatbestandsseite des Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78 in den Blick nimmt. Erste Tatbestandsvoraussetzung ist die Ersetzung einer C-Zuckermenge durch Quotenzucker. Eine weitere Präzisierung erfolgt nicht. Eine andere Norm wird nicht in Bezug genommen; insbesondere wird Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 nicht erwähnt. Des Weiteren bestimmt Art. 14 Abs. 3 (EWG) Nr. VO 1998/78 den Zeitpunkt, zu dem der ausgetauschte Zucker im Hinblick auf die Gewährung der Vergütung als A-Zucker angesehen werden kann. Damit besteht ein deutlicher Zusammenhang mit der Vergütung der Lagerkosten für Quotenzucker und den dazu geschaffenen Normen in den Verordnungen (EWG) Nr. 1358/77 und 1998/78. Beide Verordnungen betreffen die Aufstellung allgemeiner Regeln für den Ausgleich der Lagerkosten für Zucker. Demgegenüber beinhaltet die Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 Durchführungsvorschriften für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor; diese sind Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 vom 30. Juni 1981 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker.
2622. Des Weiteren bedarf es der Klärung, ob die genannten verordnungsrechtlichen Bestimmungen für einen wirksamen Zuckeraustausch verlangen, dass der zugekaufte Quotenzucker dem eigenen Silo oder dem eigenen Zucker des Zuckerherstellers gegenständlich zugeführt wird. Beide Vorschriften verhalten sich zu dieser Frage nicht. Gegen einen gegenständlichen Zuckeraustausch könnte sprechen, dass insoweit ein bloßer Formalakt ohne innere Rechtfertigung für einen Statuswechsel als C‑Zucker verlangt würde, der zudem unnötige Kosten verursachen und möglicherweise die Qualität des Kristallzuckers beeinträchtigen könnte. Deshalb fragt es sich, ob es für einen wirksamen Zuckeraustausch genügen kann, wenn der von einem anderen Zuckerhersteller stammende Quotenzucker zu Eigentum erworben wird und Gegenstand einer verlautbarten Austauschentscheidung des Unternehmers wird, indem er etwa bei einer Ausfuhr angemeldet wird.
2723. Für den Fall, dass hinsichtlich des Austauschs von C-Zucker durch einen anderen innerhalb der Quote erzeugten Zucker nicht Art. 14 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 1998/78, sondern Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 Anwendung findet, erscheint es klärungsbedürftig, ob die zuletzt genannte Norm deshalb unionsrechtlichen Zweifeln unterliegt, weil sie für einen Zuckeraustausch voraussetzt, dass der Austauschstoff von einem anderen auf dem Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats ansässigen Hersteller erzeugt worden ist. Insoweit könnte ein Verstoß gegen das Gebot der Warenverkehrsfreiheit (heute Art. 34 AEUV) vorliegen. Allerdings sehen die Art. 38 ff. AEUV für den Bereich der Landwirtschaft und auch für die hier in Rede stehende Zuckerrübe (vgl. Art. 38 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang I Kap. 17) besondere Vorschriften vor. Ob solche Bestimmungen wie etwa Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 den unionsrechtlich gültigen Maßstab für den freien Warenverkehr beeinträchtigende Regelungen enthalten dürfen, erscheint daher nicht ausgeschlossen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 1995, Rs. C‑44/94, Fishermen's Organisations, Slg. I-3115, Rn. 54). Es kommt hinzu, dass Art. 2 VO (EWG) Nr. 2670/81 für alle Mitgliedstaaten und die dort ansässigen Hersteller galt und deshalb die Frage nach einer unionsrechtlich relevanten Diskriminierung gestellt ist. Zwingend ist diese Annahme andererseits nicht. Die Gemeinsamen Marktordnungen sind als Spezialnormen zu den Bestimmungen über den freien Warenverkehr (Art. 28 ff. AEUV) anzusehen. Die Bestimmungen über die Warenverkehrsfreiheit sind grundsätzlich Bestandteil der Gemeinsamen Marktordnungen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2003, Rs. C-355/00, Freskot, Slg. I-5263, Rn. 38). Die Gemeinsame Marktordnung darf deshalb wohl nicht schwerwiegend gegen die Grundprinzipien des freien Warenverkehrs verstoßen. Einen Konflikt zwischen den Prinzipien der Landwirtschaft und denen des freien Warenverkehrs kann möglicherweise im Rahmen einer konkreten Güterabwägung Rechnung zu tragen sein. Gegebenenfalls sind die Einschränkungen des freien Warenverkehrs unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das unbedingt Erforderliche zu begrenzen. Ob dies geschehen ist, bedarf der Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 17. Jan. 2014 - 16 A 177/10
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(1) Ansprüche auf Erstattung von Vergünstigungen sowie auf Beträge, die wegen Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen zu erstatten sind, sind vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Werden Abgaben nicht rechtzeitig gezahlt, sind sie vom Fälligkeitstag an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Satz 1 oder 2 ist nicht anzuwenden, soweit Regelungen im Sinne des § 1 Absatz 2 etwas anderes vorsehen.
(2) Ansprüche auf Vergünstigungen und im Rahmen von Interventionen sind ab Rechtshängigkeit nach Maßgabe der §§ 236, 238 und 239 der Abgabenordnung zu verzinsen. Im Übrigen sind diese Ansprüche unverzinslich.