Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juni 2004 - 16 WF 110/04

published on 02.06.2004 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Juni 2004 - 16 WF 110/04
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Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wangen im Allgäu vom 15.04.2004 wie folgt

abgeändert:

Der Antragstellerin wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.

Gründe

 
Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe hat Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht festgestellt, dass es eine grundsätzlich zur Eheaufhebung berechtigende arglistige Täuschung darstellt, wenn der Bräutigam der Braut verschweigt, dass er wegen einer durchgeführten Sterilisation nicht zeugungsfähig ist. Dies gilt jedenfalls unter den vorliegenden Umständen, unter denen nicht fern lag, dass der Wunsch nach gemeinsamen Kindern, wenn er nicht schon vorher deutlich geäußert worden war, sich bei ihr einstellen werde (keine vorherige Absprache über Kinderlosigkeit; beide Brautleute waren bei Eheschließung unter 30 Jahren; die Braut war unverheiratet und kinderlos).
Nicht zu folgen vermag der Senat der Feststellung des Familiengerichts, dass die Antragstellerin durch das Zusammenleben mit dem Antragsgegner über 9 Monate bis zur Trennung zu erkennen gegeben habe, dass sie die Ehe fortsetzen wolle (Bestätigung im Sinne des § 1315 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB), auch wenn der Wortlaut des Gesetzes diese Ansicht zu stützen scheint. § 1315 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass an der Aufrechterhaltung einer gelebten Ehe, die sich trotz Kenntnis des getäuschten Ehegatten vom Aufhebungsgrund als haltbar erwiesen hat, ein Interesse besteht, mag auch bei ihrer Eingehung ein Mangel vorgelegen haben, und dass sich der Ehegatte widersprüchlich verhält, der eine Aufhebung verlangt, obwohl er nach Aufdeckung der Täuschung zu erkennen gegeben hat, dass er den Mangel als nicht relevant empfindet (Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., § 1315 Rdnr. 2). Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin allenfalls zu erkennen gegeben, dass sie mit der Unaufrichtigkeit des Antragsgegners leben könnte, zugleich jedoch durchgehend deutlich gemacht, dass sie die vor der Eheschließung arglistig verschwiegene persönliche Eigenschaft des Antragsgegners (Zeugungsunfähigkeit) nicht hinzunehmen bereit ist: sie hat den Antragsgegner zu bewegen versucht, den Eingriff rückgängig zu machen, und als sie ihre Bemühungen als vergeblich erkannte, sich von ihm getrennt (wobei unerheblich ist, dass er als erster ausgezogen war; als er in die Ehewohnung zurückkehrte, zog sie aus). Zum ehelichen Verkehr kam es nach ihren unwidersprochenen Angaben nach dem 06.03.2003 nicht mehr. Unter diesen Umständen kann darin, dass sich die Antragstellerin nach dem „Geständnis“ des Antragsgegners nicht stehenden Fußes von ihm getrennt hat, kein Verhalten gesehen werden, dem aus objektiver Sicht der Wille zu entnehmen ist, die Ehe ungeachtet des ihr anhaftenden Abschlussmangels nicht nur dem Bande nach, sondern als Lebensgemeinschaft aufrechtzuerhalten.
Die Rechtsverfolgung verspricht danach hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

(1) Eine Aufhebung der Ehe ist ausgeschlossen1.bei Verstoß gegen § 1303 Satz 1, wenna)der minderjährige Ehegatte, nachdem er volljährig geworden ist, zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will (Bestätigung), oderb)auf Grund außergewöhnl

Annotations

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Eine Aufhebung der Ehe ist ausgeschlossen

1.
bei Verstoß gegen § 1303 Satz 1, wenn
a)
der minderjährige Ehegatte, nachdem er volljährig geworden ist, zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will (Bestätigung), oder
b)
auf Grund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint;
2.
bei Verstoß gegen § 1304, wenn der Ehegatte nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will (Bestätigung);
3.
im Falle des § 1314 Abs. 2 Nr. 1, wenn der Ehegatte nach Wegfall der Bewusstlosigkeit oder der Störung der Geistestätigkeit zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will (Bestätigung);
4.
in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, wenn der Ehegatte nach Entdeckung des Irrtums oder der Täuschung oder nach Aufhören der Zwangslage zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will (Bestätigung);
5.
in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 5, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung als Ehegatten miteinander gelebt haben.
Die Bestätigung eines Geschäftsunfähigen ist unwirksam.

(2) Eine Aufhebung der Ehe ist ferner ausgeschlossen

1.
bei Verstoß gegen § 1306, wenn vor der Schließung der neuen Ehe die Scheidung oder Aufhebung der früheren Ehe oder die Aufhebung der Lebenspartnerschaft ausgesprochen ist und dieser Ausspruch nach der Schließung der neuen Ehe rechtskräftig wird;
2.
bei Verstoß gegen § 1311, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes die Aufhebung beantragt ist.