Oberlandesgericht München Urteil, 28. Sept. 2017 - PatA-St 1/16

published on 28/09/2017 00:00
Oberlandesgericht München Urteil, 28. Sept. 2017 - PatA-St 1/16
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Landgericht München I, Pat 1/15 (43 EV Pat 108/13), 03/12/2015
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Bundesgerichtshof, PatAnwSt (R) 1/18, 25/07/2018

Gericht

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Tenor

I. Die Berufung des Patentanwalts gegen das Urteil der Kammer für Patentanwaltssachen des Landgerichts München I vom 03. Dezember 2015 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Patentanwalt trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Angewandte Vorschriften: §§ 39, 39 a Abs. 3, 95 Abs. 1 PAO

Gründe

I.

Der Patentanwalt wurde mit Urteil der Kammer für Patentanwaltssachen bei dem Landgericht München I vom 03. Dezember 2015 schuldig gesprochen, die ihm obliegende Pflicht, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, welche die Stellung des Patentanwalts erfordert, schuldhaft verletzt zu haben, indem er sich unsachlich verhalten habe; ihm wurden deshalb ein Verweis erteilt und eine Geldbuße von 6.000,– € auferlegt.

Gegen dieses Urteil hat der Patentanwalt rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufung hat allerdings keinen Erfolg.

II.

Der Patentanwalt ist Diplomingenieur und Fernsehtechniker. Seit 1991 ist er Patentanwalt. Er ist verheiratet und hat keine Kinder. Seine Ehefrau ist berufstätig. Seine patentanwaltliche Tätigkeit übt der Patentanwalt in ... im ... in Mieträumen aus. Weiteres ist zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht bekannt.

III.

Im Zusammenhang mit den Verfahren PatAnwSt (B) 1/11 (berufsgerichtliches Verfahren) und PatAnwZ 3/11 (Antrag auf Herausgabe der „GRUR-Mitgliederliste“) hat der Patentanwalt mit Schreiben vom 06. März 2012 Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Richter am Bundesgerichtshof a.D. ..., Richter am Bundesgerichtshof ... sowie gegen die Patentanwälte ... und ... erhoben. In dem an den Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Herrn ..., gerichteten Schreiben lautet es auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen im Original):

A) Altnazi-Verehrungen durch BGH-Richter“ auf Seite 2:

„Der GRUR-Verein fälscht seit 1996 zu Ehren des GRUR-Ehrenmitglieds Hefermehl, mein Mandant habe eine bösgläubige Hinterhaltsmarke angemeldet. Hefermehl war im Jahr 1938 im Reichsjustizministerium für die Umsetzung der Gesetze zur Entjudung der deutschen Wirtschaft zuständig.

Erklären Sie mir bitte einmal, wie es heute im Jahre 2012 sein kann, dass (BGH)-Richter (zusätzlich zu den obigen Richtern – ...) aus Ihrem Gericht Verherrlichungen eines Altnazis Hefermehl im GRUR-Verein vornehmen können. Diese Altnazi-Verherrlichungen erfolgen zusätzlich unter Missbrauch der Marke „CLASSE E“ meines Mandanten. Weder mein Mandant noch ich müssen solche GRUR-Missbrauchs-Aktivitäten der Marke „CLASSE E“ zu Ehren eines Altnazis durch BGH-Richter dulden.

Es kann in einem Rechtsstaat nicht angehen, dass BGH-Richter sich an der Verbreitung von GRUR-Fälschungen und Altnazi-Verehrungen beteiligen. Ich fordere Sie auf, gegen den BGH-Richter ... wegen seinen „CLASSE E“-Verleumdungen zu Ehren des Altnazis Hefermehl und der Fälschung zum Vorteil der Daimler AG, mein Mandant habe eine „bösgläubige Hinterhaltsmarke“ angemeldet, dienstrechtlich vorzugehen.“

Weiter lautet es unter Abschnitt

B) Geheime GRUR-Mitgliedschaft von Richtern ...

unter:

aa) Gesetzesmanipulationen#

auf Seite 3:

„Erklären Sie mir einmal, wie es in einem Rechtsstaat sein kann, dass das geheime GRUR-Mitglied BGH-Richter ... z.B. an Gesetzen zum Wettbewerbsrecht mitwirken kann, damit GRUR-Anwälte ihre Honorare maximieren können.“

, unter:

bb) Urteilsfälschungen zum Vorteil von GRUR-Mitzliedern#

auf Seite 3:

„Der GRUR-Verein manipuliert nicht nur Gesetze zum Vorteil z.B. von GRUR-Anwälten (vgl. Details in meinen BGH-Akten). Der GRUR-Verein fälscht in Zusammenarbeit mit den Richtern, die geheime GRUR-Mitglieder sind, Urteile zum Vorteil von GRUR-Mitgliedern.

Das beste Beispiel ist der „Classe E“-Fall mit dem Daimler-Anwalt ... (GRUR-Mitglied und Hefermehl-Schüler), der sich mitunter mit ... wie S... in mündlichen Verhandlungen vorstellt. Der Daimler-Patentanwalt und GRUR-Chef ... ist seit Jahren gleichfalls an den „CLASSE E“-Fälschungen und den Angriffen auf meinen Mandanten sowie meine Person beteiligt.“

auf Seite 4:

„Ich fordere Sie auf, gegen BGH-Rechtsanwalt Vorwerk wegen der Sache (GRUR v. Complex-I ZR 58/00) und dem Parteiverrat an meinem „CLASSE E“-Mandanten (I ZR 93/98) vorzugehen und ihm die Zulassung als BGH-Rechtsanwalt entziehen zu lassen.“

auf Seite 5:

„Mein Mandant und ich haben nichts zu verbergen. Der BGH schon, zumal sich Ihr Vorgänger BGH-Präsident ... a.D. in seinen Fachbüchern wesentlich an den GRUR-Fälschungen beteiligt hat, mein Mandant habe keinen Benutzungswillen und eine Hinterhaltsmarke angemeldet.“

, unter

cc) Einflussnahme auf Patentamt und andere Richter#

auf Seite 5:

„Die Macht des GRUR-Vereins und von verschiedenen GRUR-Mitgliedern, wie z.B. den Daimler-Vertretern, ist beachtlich. Mitarbeiter des Deutschen Patentamtes werden erpresst und unter Druck gesetzt, Anmeldedaten zu fälschen (z.B. die Marke „ECOTEC“-I ZR 93/98). Verfahrensabläufe beim Patentamt werden zum Vorteil von GRUR-Mitgliedern verschleppt.#

auf Seite 6:

„Das gesamte „CLASSE E“-Urteil ist eine zum Vorteil der Daimler AG im GRUR-Verein abgesprochene Fälschung, an der deutsche Richter und geheime GRUR-Mitglieder wesentlich mitgewirkt haben. Der „CLASSE E“-Fall war schon 1995 im GRUR-Verein abgesprochen und entschieden, bevor die damalige Mercedes Benz AG im Jahre 1996 zusammen mit dem Rechtsanwalt ... Klage beim Landgericht Frankfurt eingereicht hat.“

, unter

dd) Angriff auf meine Person#

auf Seite 9:

„Alle gegen mich gerichteten Verfahren (berufsgerichtlichen Verfahren, Erbschaftsstreitigkeiten in Frankfurt und Heidelberg sowie mit meinem Kanzleivermieter) sind zeitlich immer bestens aufeinander abgestimmt. Monatelang läuft nichts, dann geht es zielgenau in allen Verfahren unter hohem Zeitdruck weiter. Nach meiner Einschätzung dürfte alles von dem BGH-Richter und Patentanwalt GRUR-Vizepräsidenten ... organisiert werden.“

auf Seite 11:

„Erst mit Hilfe der Richter, die geheime GRUR-Mitglieder sind, und den sonstigen GRUR-Fälschungen dem „CLASSE E“-Mandanten die Prozesskosten mit einem gefälschten Urteil anlasten, um dann die wertvolle Marke „CLASSE E“ per Zwangsvollstreckung zu rauben, damit sich die Daimler AG das „Klasse“-Gesamt-Bezeichnungssystem weiter ausgebaut werden kann, woran BGH-Richter als GRUR-Mitglieder wesentlich beteiligt sind.“

, sowie in Abschnitt

C) Rechts- und verfassungswidrige BGH-Richterbesetzungen

auf Seite 12:

„Noch übler wird die Richterbesetzung in dem Verfahren PatAnwZ 3/11, die GRUR-Mitgliederliste an mich herauszugeben. Hier hat der GRUR-Vizepräsident Patentanwalt ... an drei Beschlüssen in eigener Vereinssache mitgewirkt. Nach neueren Erkenntnisse ist Patentanwalt ..., der meinen „CLASSE E“-Mandanten bereits im Jahr 1996 öffentlich als „Markenpiraten“ verleumdet hat, der GRUR-Hauptorganisator der GRUR-Fälschungen in Sachen „CLASSE E“.

Offensichtlich wurden von Patentanwalt ... Zeitabläufe in dem BGH-Verfahren an den mit der Daimler AG befreundeten ... Rechtsanwalt ... (Erbschaftsstreit mit dem Bruder), die Altnazi-Verehrer Clique in Heidelberg (Klage der bisher unbekannten Tochter des Stiefvaters) und die GRUR-Bekannten des Vermieter (...) abgeben, weil bereits mehrfach Fristensachen aus allen Verfahren exakt auf einen Zeitpunkt konzentriert wurden. So viele Zufälle an zeitlicher Koinzidenz kann es nicht geben.“

IV.

Diese Äußerungen ergeben sich aus den dem Senat vorliegenden Akten der Patentanwaltskammer. Die Dienstaufsichtsbeschwerde des Patentanwalts vom 06. März 2012 wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen und im Umfang der gegen den Betroffenen erhobenen Anschuldigungen verlesen. Dass der Patentanwalt Urheber der ihm zur Last gelegten Äußerungen ist, belegt der im Wege der Inaugenscheinnahme von Seite 13 der Dienstaufsichtsbeschwerde vom 06. März 2012 und von Seite 6 der Eingabe des Betroffenen vom 20. September 2017 durchgeführte Unterschriftenvergleich, der die Identität der darin enthaltenen Unterschriften aufzeigt.

Beweisanträge wurden in der Hauptverhandlung nicht gestellt.

V.

Mit den dargestellten Äußerungen hat der Patentanwalt gegen das Verbot unsachlichen Verhaltens bei der Berufsausübung (§ 39 a Abs. 3 Satz 1 PAO) verstoßen.

1. Ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot liegt vor, wenn die Äußerung eines Patentanwalts die Grenze zu einer strafbaren Ehrverletzung überschreitet. Ein Verhalten, das einen Beleidigungstatbestand erfüllt, kann allerdings nur dann als Verletzung beruflicher Pflichten beanstandet werden, wenn es nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt. Im Rahmen der Prüfung der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist eine fallbezogene Abwägung zwischen den Grundrechten der Berufs- und der Meinungsfreiheit sowie den Rechtsgütern geboten, deren Schutz die einschränkende Norm bezweckt. Für das Strafrecht wird eine solche Abwägung durch § 193 StGB ermöglicht, wonach Äußerungen, die zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, nur insofern strafbar sind, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Eine herabsetzende Äußerung nimmt dann den Charakter einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person, die gleichsam an den Pranger gestellt wird, bestehen (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 204 Tz. 30 f.; NJW 2008, 2424 [2425]; jeweils m.w.N.).

Über die strafbare Ehrverletzung hinaus ist das Sachlichkeitsgebot dann verletzt, wenn ein Patentanwalt unprofessionell handelt, indem er entweder bewusst Unwahrheiten verbreitet oder eine rechtliche Auseinandersetzung durch neben der Sache liegende Herabsetzungen belastet, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben (vgl. BVerfG NJW 2008, 2424 [2425] m.w.N.). Dieses Kriterium findet sich unmittelbar im Wortlaut der Vorschrift des § 39 a Abs. 3 Satz 2 PAO wieder.

Ist eine Abwägung geboten, so ist die Bedeutung des Sachlichkeitsgebots darin zu sehen, dass es zu einem sachgerechten, professionellen Austragen von Streitigkeiten anhält, indem es Äußerungen unterbindet, die sich emotionalisierend und schädlich für die Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit anderer Verfahrensbeteiligter auswirken (vgl. BVerfGE 76, 171 [190]).

2. Die oben wiedergegebenen Äußerungen des Patentanwalts beruhen darauf, dass er seinen Mandanten ..., der einen Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof verloren hatte (vgl. BGH, Urt. v. 23. November 2000 – I ZR 93/98 – Classe E, juris), als durch die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR) geschädigt ansieht.

Sie verletzen nach den dargestellten Maßstäben das Sachlichkeitsgebot.

a) Die Äußerungen in der Dienstaufsichtsbeschwerde des Patentanwalts vom 06. März 2012 unter „A) Altnazi-Verehrungen durch BGH-Richter“ waren herabsetzend. Sie stehen in keinem Sachzusammenhang zum „CLASSE E“-Verfahren, auch wenn hierauf Bezug genommen wird, und verfolgen allein den Zweck, die betroffenen Richter zu diffamieren, indem ihnen vorgeworfen wird, „das GRUR-Ehrenmitglied Hefermehl, einen Altnazi, zu verehren“. Diese Bezeichnung verlässt den Bereich des Sachbezugs; bei ihr steht die anprangernde Diffamierung der Richter im Vordergrund; unabhängig von der Frage, ob darin eine einer berechtigten Verwendung entgegenstehende Formalbeleidigung gesehen werden könnte, ist diese Äußerung aufgrund ihres emotionalisierenden, den Bereich sachlicher Kritik verlassenden Charakters als unzulässig anzusehen.

b) Der vom Patentanwalt im vorgenannten Schreiben unter „B) Geheime GRUR-Mitgliedschaft von Richtern ...“ dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof a.D. ... gegenüber erhobene Vorwurf der Gesetzesmanipulation durch Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren im Wettbewerbsrecht als „geheimes GRUR-Mitglied“ ist gleichsam als unsachlich und damit als Berufspflichtverletzung anzusehen. Denn zur Begründung dieses herabwürdigenden Werturteils wird lediglich die angebliche Mitgliedschaft des so Bezeichneten in der GRUR-Vereinigung angeführt; eine nachvollziehbare Fundierung im Tatsächlichen fehlt gänzlich, so dass es dem polemisch-diffamierenden Charakter der Bezeichnung an der Anknüpfung zum konkreten Verfahren fehlt. Auch wenn ein Verfahrensbeteiligter im „Kampf um das Recht“ starke, eindringliche Ausdrücke benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen (vgl. BVerfG NJW-RR 2010, 204 Tz. 32 m.w.N.), überwiegt bei dieser Sachlage der emotionalisierende und schädliche Effekt der Äußerung, dem das Sachlichkeitsgebot entgegenwirken soll.

c) Unter B) bb) seines Schreibens vom 06. März 2012 erhob der Patentanwalt dem GRUR-Verein gegenüber den Vorwurf, in Zusammenhang mit verfahrensbeteiligten Richtern als dessen geheime Mitglieder Urteile zu Gunsten von GRUR-Mitgliedern zu fälschen.

Diese Äußerungen verlassen ebenfalls den Boden der Sachlichkeit. Soweit auf Seite 6 ein konkreter Bezug zum „CLASSE E“-Verfahren hergestellt wird, entbehren die darin erhobenen Vorwürfe, dem Urteil – offensichtlich war das Urteil des Bundesgerichtshofs gemeint – liege eine zum Vorteil der Daimler AG im GRUR-Verein abgesprochene Fälschung zugrunde, einer jeglichen Tatsachengrundlage und bezichtigen die Richter der Rechtsbeugung.

d) Die vorstehenden Ausführungen unter b) und c) finden ihre Entsprechung in der Passage auf Seite 5 unter „cc) Einflussnahme auf Patentamt und andere Richter“, in der der GRUR-Verein und GRUR-Mitglieder wie Vertreter der Daimler Benz AG beschuldigt werden, Mitarbeiter des Deutschen Patent- und Markenamts zu erpressen und unter Druck zu setzen. Auf welcher Tatsachengrundlage dieser Vorwurf erhoben wurde, erschließt sich dem Leser nicht. Im Vordergrund steht erkennbar das Motiv des Patentanwalts, die GRUR-Vereinigung und dessen Mitglieder zu diffamieren. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessen sind die Äußerungen gleichfalls als Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot zu beurteilen.

e) In dem Abschnitt B) zu „dd) Angriff auf meine Person“ wirft der Patentanwalt unter Hervorhebung des Patentanwalts ... den Richtern in zahlreichen Verfahren, an denen er in der Vergangenheit beteiligt war (berufsgerichtliche Verfahren, Erbschaftsstreitigkeiten, Mietstreitigkeiten) vor, sich hierbei zum Nachteil des Patentanwalts untereinander abgestimmt zu haben, ohne sich zum tatsächlichen Hintergrund dieser offensichtlich haltlosen und fernliegenden Anschuldigungen zu erklären. In diesem Verfahren ist der Patentanwalt zwar nicht als Vertreter eines Mandanten, sondern selbst als Kläger aufgetreten; das Handeln in eigener Sache schließt indes die Möglichkeit des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Mai 1986 – AnwZ [B] 11/86, juris, dort Tz. 44; zitiert in BVerfG NJW-RR 2010, 204 Tz. 32). Dass auch diese Äußerungen mit dem Sachlichkeitsgebot nicht in Einklang zu bringen sind, ergibt sich ohne Weiteres.

f) Im Abschnitt „C) Rechts- und verfassungswidrige BGH-Richterbesetzungen“ des Schreibens vom 06. März 2012 wiederholt der Patentanwalt den Vorwurf der rechtswidrigen Abstimmung verschiedener gerichtlicher Verfahren auf Richterseite – insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen unter e) Bezug genommen – und erhebt gegenüber dem Vizepräsidenten der GRUR-Vereinigung Schaafhausen den Vorwurf, unter bewusster Missachtung der gesetzlich vorgesehenen Geschäftsverteilung an dem gegen ihn, den Patentanwalt, vor dem Bundesgerichtshof unter Az. PatAnwZ 3/11 geführten berufsgerichtlichen Verfahren beteiligt gewesen zu sein. In der Gesamtschau steht auch insoweit nicht die sachliche Auseinandersetzung über die Besetzung der Richterbank in eigenen Angelegenheiten im Vordergrund. Mit der Äußerung sollten vielmehr die vermeintlichen, dem Patentanwalt gegenüber zu dessen Nachteil und der GRUR-Vereinigung zum Vorteil gereichenden Machenschaften am Bundesgerichtshof angeprangert werden, ohne insoweit Tatsachen benennen zu können. Auch diese Vorgehensweise verletzt das Sachlichkeitsgebot und ist mit berechtigten Interessen des Patentanwalts auf eine Auseinandersetzung in der Sache nicht mehr in Einklang zu bringen.

VI.

Der Patentanwalt handelte schuldhaft.

Der Gesamtheit seines Vorbringens ist zu entnehmen, dass er sich als berechtigt ansieht, die von ihm angenommenen Sachverhalte mit starken Worten anzuprangern. Selbst wenn ihm deshalb die Einsicht gefehlt hätte, Unrecht zu tun, wäre dieser Irrtum vermeidbar gewesen. Unvermeidbar ist ein Verbotsirrtum, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falls, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtsmäßige seines Handelns nicht zu gewinnen vermochte; das setzt voraus, dass er alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung von Rat beseitigt hat (BGH NJW 2000, 2366 [2367 f.]). Danach hätte der Patentanwalt jedenfalls erkennen können, dass er die Anforderungen des ihn wegen seiner beruflichen Stellung treffenden Sachlichkeitsgebots verletzte.

VII.

Der Senat erachtet die Erteilung eines Verweises (§ 96 Abs. 1 Nr. 2 PAO) und die Auferlegung einer Geldbuße (§ 96 Abs. 1 Nr. 3 PAO) in Höhe von 6.000,– € als angemessene Ahndung der in den Äußerungen liegenden Berufspflichtverletzungen.

Zu Gunsten des Patentanwalts ist dabei zu berücksichtigen, dass die von ihm geführten Angriffe auf einer von ihm in subjektiver Weise seinem Mandanten ... wie auch ihm selbst gegenüber als ungerecht empfundenen Vorgehensweise durch Justizangehörige beruhen, insoweit das dem Sachlichkeitsgebot zuwider laufende Verhalten des Patentanwalts nicht jeglicher Anlassbezogenheit entbehrt.

Zu seinen Lasten wirkt sich zum einen die Schwere der erhobenen Vorwürfe aus. Den Betroffenen wird unterstellt, ein „Komplott“ gegen den Mandanten des Patentanwalts und diesen selbst zu führen. Sie werden teilweise dem Vorwurf der Rechtsbeugung ausgesetzt und durch die Bezugnahme auf in der nationalsozialistischen Diktatur angewandte Methoden in gröblichster Form diffamiert. Zu Lasten des Patentanwalts ist darüber hinaus der Umstand zu würden, dass diesem gegenüber wegen ähnlichen unsachlichen Verhaltens bereits im Jahr 2010 ein Verweis erteilt und ihm ein Geldbuße von € 4.000,– auferlegt wurde.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Patentanwalt sprechenden Umstände war diesem gegenüber erneut ein Verweis auszusprechen und die Verhängung eines höheren Bußgeldes als im Jahr 2010 erfolgt veranlasst, um die Schwere der Pflichtverletzung angemessen zu ahnden. Bei der Bemessung der Geldbuße erachtet der Senat angesichts der Obergrenze von € 25.000,– einen Betrag von 6.000,– € als im Zusammenwirken mit dem Verweis schuldangemessen; einer höheren Geldbuße bedarf es nicht.

VIII.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 2 Satz 1 PAO, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

2. Die Zulassung der Revision kommt gemäß § 127 Abs. 2 PAO nicht in Betracht, weil vorliegend keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sind. Vielmehr erfordert die Sache lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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published on 05/03/2001 00:00

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Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

(1) Berufsgerichtliche Maßnahmen sind bei Verfahren gegen Patentanwälte

1.
Warnung,
2.
Verweis,
3.
Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro,
4.
Ausschließung aus der Patentanwaltschaft.

(2) Berufsgerichtliche Maßnahmen sind bei Verfahren gegen Berufsausübungsgesellschaften

1.
Warnung,
2.
Verweis,
3.
Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro,
4.
Aberkennung der Befugnis zur Beratung und Vertretung nach § 3.

(3) Die berufsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße können nebeneinander verhängt werden.

(1) Dem Mitglied der Patentanwaltskammer, das im berufsgerichtlichen Verfahren verurteilt wird, sind zugleich die in dem Verfahren entstandenen Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das berufsgerichtliche Verfahren wegen Erlöschens der Zulassung eingestellt wird und nach dem Ergebnis des bisherigen Verfahrens die Verhängung einer berufsgerichtlichen Maßnahme gerechtfertigt gewesen wäre; zu den Kosten des berufsgerichtlichen Verfahrens gehören in diesem Fall auch diejenigen, die in einem anschließenden Verfahren zum Zwecke der Beweissicherung (§§ 130, 131) entstehen. Wird das Verfahren nach § 123 Abs. 3 Nr. 2 eingestellt, kann das Gericht dem Mitglied die in dem Verfahren entstandenen Kosten ganz oder teilweise auferlegen, wenn es dies für angemessen erachtet.

(2) Das Mitglied der Patentanwaltskammer, das im berufsgerichtlichen Verfahren ein Rechtsmittel zurückgenommen oder ohne Erfolg eingelegt hat, sind zugleich die durch dieses Verfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen. Hatte das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so kann dem Mitglied ein angemessener Teil dieser Kosten auferlegt werden.

(3) Für die Kosten, die durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens verursacht worden sind, ist Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

(1) Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts ist die Revision an den Bundesgerichtshof zulässig,

1.
wenn das Urteil auf eine Maßnahme nach § 96 Absatz 1 Nummer 4 oder Absatz 2 Nummer 4 lautet;
2.
wenn das Oberlandesgericht entgegen einem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht auf eine Maßnahme nach § 96 Absatz 1 Nummer 4 oder Absatz 2 Nummer 4 erkannt hat;
3.
wenn das Oberlandesgericht sie in dem Urteil zugelassen hat.

(2) Das Oberlandesgericht darf die Revision nur zulassen, wenn es über Rechtsfragen oder Fragen der patentanwaltlichen Berufspflichten entschieden hat, die von grundsätzlicher Bedeutung sind.

(3) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Oberlandesgericht einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Rechtsfrage ausdrücklich bezeichnet werden.

(4) Die Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, so entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluß. Der Beschluß bedarf keiner Begründung, wenn die Beschwerde einstimmig verworfen oder zurückgewiesen wird. Mit Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesgerichtshof wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung des Beschwerdebescheids die Revisionsfrist.