Oberlandesgericht München Teilurteil, 27. Jan. 2016 - 3 U 3468/13

bei uns veröffentlicht am27.01.2016
vorgehend
Landgericht Traunstein, 5 O 2773/12, 02.08.2013
nachgehend
Bundesgerichtshof, II ZR 44/16, 19.06.2018

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 02.08.2013 wird insoweit zurückgewiesen, als das Erstgericht über die dort gestellten Anträge – entsprechend den mit Schriftsatz vom 08.11.2013 im Berufungsverfahren gestellten Anträgen – erkannt hat. Insoweit verbleibt es bei der Klageabweisung.

II. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt,

  • 1.Auskunft zu erteilen über die Höhe des Abfindungsguthabens über die Beteiligung der Klägerin an der Beklagten zur Vertrags-Nr. ... zum Zeitpunkt 20.08.2012,

  • 2.Auskunft zu erteilen über das Vermögen der Beklagten einschließlich der Abfindungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zum 27.01.2016.

III. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,– € abwenden, es sei denn, dass die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Beratungsfehlern im Rahmen einer Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch. Die Streithelferin ist die Rechtsnachfolgerin des Emissionshauses ... das von der Beklagten mit der Projektierung, der rechtlichen und steuerlichen Beurteilung im Emissionsprospekt und dem Vertrieb der Emission beauftragt worden war.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.08.2013 abgewiesen und darüber hinaus festgestellt, dass dem Drittwiderbeklagten (ursprünglicher Anleger) keine Schadensersatzansprüche zustehen. Hierzu hat das Landgericht ausgeführt, den Schadensersatzansprüchen der Klägerin stünden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entgegen. Aus denselben Gründen sei die Drittwiderklage begründet. Auf die im angefochtenen Urteil betroffenen tatsächlichen Feststellungen (Bl. 127/135 d.A.) wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerin (zunächst) und der Drittwiderbeklagte die im erstinstanziellen Verfahren gestellten Anträge unverändert weiter. Sie beanstanden die Begründung des Landgerichts, die Beklagte könne wegen der Anwendbarkeit der Grundsätze der in Vollzug gesetzten fehlerhaften Gesellschaft nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Die Berufungsführer beziehen sich stattdessen auf die vom OLG Oldenburg (8 U 27/12) in seinem Urteil vom 19.07.2012 und OLG Hamm (Az.: 34 O 84/12) in seinem Urteil vom 27.12.2012 vertretene Auffassung, wonach von einer zweigliedrigen atypisch stillen Gesellschaft auszugehen sei. Es bestehe ein Nebeneinander von mehrgliedriger Organisation und zweiseitigen Rechtsbeziehungen, wobei der Vertrag über die Beteiligung vorliegen zwischen der Beklagten und dem jeweiligen Anleger geschlossen sei, aber nicht mit den übrigen beteiligten Anlegern, so dass von einer Vielzahl zweigliedriger atypisch stiller Gesellschaftsbeteiligungen auszugehen sei. Bei einer zweigliedrig stillen Gesellschaft stünden jedoch die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einen Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet sei, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte dieser den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen.

Des weiteren vertieften die Berufungsführer die ursprüngliche Rechtsauffassung zur Fehlerhaftigkeit des Prospekts; auf den klägerischen Schriftsatz vom 07.04.2014 (Bl. 190/194 d.A.) wird Bezug genommen. Im Übrigen wird auf die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze der Berufungsführer verwiesen.

Namens der Klägerin und des Drittwiderbeklagten wurde beantragt,

unter Aufhebung des am 02.08.2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Traunstein (5 O 2773/12)

  • 1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 23.437,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.2012 Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus und im Zusammenhang mit deren Beteiligung an der Beklagten zu der Vertrags-Nr. ... zu zahlen,

  • 2.die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin von etwaigen Zahlungsverpflichtungen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klägerin an der Beklagten stehen, den jeweiligen Gesellschaften sowie Dritten gegenüber freizustellen,

  • 3.festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der abgetretenen Rechte in Verzug befindet,

  • 4.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.248,31 € zzgl. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  • 5.die Drittwiderklage abzuweisen.

Hilfsweise wird – sollte das zuständige Gericht von der Mehrgliedrigkeit der Beklagten ausgehen, beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

  • 1.Auskunft zu erteilen, über die Höhe des Abfindungsguthabens für die Beteiligung des Drittwiderbeklagten an der Beklagten zu Vertrags-Nr. ... zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift,

  • 2.die Auskunft zu Ziffer 1. an Eides Statt zu versichern,

  • 3.das Abfindungsguthaben zzgl. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen,

  • 4.Auskunft zu erteilen über das Vermögen der Beklagten einschließlich der Höhe der Abfindungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter,

  • 5.die Auskunft zu Ziffer 4. an Eides Statt zu versichern,

  • 6.an die Klägerin 23.437,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.05.20.12 zu zahlen unter Anrechnung des Abfindungsguthabens gemäß Ziffer 1.,

  • 7.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.248,31 € zzgl. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

äußerst hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Schadensersatz zu zahlen gemäß Hilfsantrag zu Ziffer 6..

Hinsichtlich der Hilfsanträge vertritt die Klägerin die Auffassung, sie könne aufgrund dieser Tatsache, dass die Beklagte in Parallelverfahren Auskunft nicht erteilt habe, sogleich zum Zahlungsanspruch übergehen; eine teilweise Klagerücknahme will sie hierin nicht sehen.

Die Beklagte sowie die Streithelferin beantragen,

die Berufungen der Klägerin und des Drittwiderbeklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzielle Urteil. Der von der Klagepartei geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei auf eine Rückabwicklung der streitgegenständlichen Beteiligung „ex tunc“ gerichtet, welche vorliegend aufgrund der Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei ein Schadensersatzanspruch auch verjährt.

Bei der Beklagten handle es sich um eine mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaft. Die Mehrgliedrigkeit der Gesellschaft und der Verband der Gesellschafter ziehe sich vorliegend wie ein „roter Faden“ durch die jeweils wesentlichen Stellen des Gesellschaftsvertrags (Gesellschafterbeschlüsse/-versammlungen, Kündigung einzelner Gesellschafter, Teilhaber am Gesellschaftsvermögen/Abfindung). In seinen materiellen Regelungen gehe der Gesellschaftsvertrag durchgehend von einer mehrgliedrigen atypisch stillen Gesellschaft aus. Die Rechtsfolge der Rückabwicklung der streitgegenständlichen Beteiligung sei rechtlich wegen der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ausgeschlossen.

Außerdem sei die Berufung zurückweisungsreif, da den Anträgen der Klagepartei die Einrede der Verjährung entgegenstehe. Aufgrund der deutlichen Hinweise im Zeichnungsschein auf die zutreffenden und umfassenden Darstellungen des Inhalts und der Risiken der streitgegenständlichen Beteiligung am Emissionsprospekt trifft die Klagepartei jedenfalls der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis hinsichtlich der anspruchbegründenden Umstände. Der Lauf der Verjährung habe daher bereits mit Ablauf des Jahres 2006 begonnen, so dass die geltend gemachten Ansprüche bei Einreichung der Klage im Jahr 2012 bereits verjährt gewesen seien.

Die klägerseits mit Schriftsatz vom 07.04.2014 thematisierten Prospektfehler werden beklagtenseits in Abrede gestellt; auf den Schriftsatz vom 28.04.2014 (Bl. 195/204 d.A.) wird Bezug genommen.

Zu den Hilfsanträgen der Klagepartei wird ausgeführt, es gebe nicht nur an unterschiedlichen Stellen Unstimmigkeiten der Anträge, vielmehr seien diese aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls auch ohnehin unbegründet, die Klagepartei sei für das Vorliegen eines fehlerhaften Beitritts, der bestritten werde, darlegungs- und beweisbelastet.

Im Übrigen wird auf die beklagtenseits im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Streithelferin ist mit Schriftsatz vom 10.04.2014, beim Senat eingegangen am 13.10.2014, dem Rechtsstreit beigetreten und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet die von der klagenden Partei behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und beanstandet, dass der gesamte Vortrag der klagenden Partei zur angeblichen Vermittlungs- oder Beratungssituation in der Klage wortlautidentisch und bewusst wahrheitswidrig in diesem und allen der Streitverkündeten bekannten Parallelverfahren des Klägervertreters behauptet werde. Zudem seien etwaige Ansprüche mit Ablauf des Jahres 2009 kenntnisabhängig gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Obwohl der Drittwiderbeklagte behaupte, er habe bei der Kapitalanlage „schlechterdings kein Risiko eingehen wollen“, weise bereits die von ihm unterschriebene Beitrittserklärung unmissverständlich darauf hin, dass es sich bei der streitgegenständlichen Beteiligung um eine unternehmerische Beteiligung handle. Der Drittwiderbeklagte sei durch den Prospekt ordnungsgemäß aufgeklärt worden, der Prospekt inhaltlich fehlerfrei; die Aussagen des Zeugen ... zu den wesentlichen Risiken der Beteiligung seien nicht glaubhaft. Eine Fehlschulung des Zeugen ... habe es entgegen der von ihm in den Raum gestellten Falschaussagen im Widerspruch zu den Prospektdarstellungen nicht gegeben. Insbesondere könne keine Rede davon sein, dass die Streitverkündete die Vermittler dazu veranlasst habe, abweichend vom Prospekt aufzuklären.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes vom 30.10.2014 (Bl. 245/284 d.A.) Bezug genommen.

Der Senat hat im Termin vom 30.04.2014 rechtliche Hinweise erteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Bl. 205/208 d.A.). Mit Beschluss vom 04.06.2014 (Bl. 218/220 d.A.) hat der Senat sodann eine Beweisaufnahme durch Einvernahme des als Anlagevermittler tätig gewordenen Zeugen ... sowie die informatorische Anhörung des Drittwiderbeklagten angeordnet. Beides fand im Termin vom 24.09.2014 statt (Bl. 232/236 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 03.11.2014 hatte der Beklagtenvertreter u.a. vorgetragen, die Angaben des Drittwiderbeklagten in der mündlichen Verhandlung würden nicht dem schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin entsprechen, letzterer sei wahrheitswidrig erfolgt (Bl. 288/289 d.A.). Der Zeuge ... sei darüber hinaus nicht glaubwürdig und seine Angaben, insbesondere, dass er die streitgegenständlichen Beteiligungen als „sichere Geldanlage“ dargestellt habe, sei nicht glaubhaft. Er sei auch anders geschult worden, wofür Beweis angeboten worden sei.

Hierzu hatte die Klageseite mit Schriftsatz vom 11.11.2014 (Bl. 293/298 d.A.) Stellung genommen und vorgetragen, die in Rede stehende Beteiligung sei wie andere immer auf die gleiche Art und Weise vermittelt worden und zwar quer durch das gesamte Bundesgebiet von Dutzenden Vermittlern, die auf Veranlassung der damaligen Schulungsleiter und des damaligen Vorstands der hiesigen Beklagten veranlasst worden seien, insbesondere das Totalverlustrisiko entweder ganz zu verschweigen oder auch vollkommen zu relativieren.

Mit Beschluss vom 14.01.2015 (Bl. 300/301 d.A.) hat der Senat die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet und auf den 20.05.2015 3 weitere Zeugen sowie erneut den Zeugen ... mit der Angabe voraussichtlicher Beweisthemen (insbesondere: Inhalt der Schulungen) geladen. In der auf den 01.07.2015 verlegten mündlichen Verhandlung fand sodann die angeordnete Beweisaufnahme einschließlich informatorischer Anhörung des Drittwiderbeklagten statt (Bl. 327/331 d.A.). Am 12.08.2015 erließ der Senat sodann einen weiteren Beweisbeschluss (Bl. 392/395 d.A.) zur Einvernahme des Zeugen ..., eines in anderen Anlagefällen tätigen Vermittlers zu Behauptungen der Streithelferin hinsichtlich einer behaupteten Strategie des Klägervertreters hinsichtlich Aussageverhaltens nicht verklagter und dann als Zeugen für Darstellungen der Klagepartei benannter Vermittler. Der Senat hat am 18.11.2015 die Zeugen ... und ... sowie ... einvernommen. Auf die Sitzungsniederschrift vom selben Tag wird Bezug genommen.

Im Übrigen wird ergänzend auf sämtliche im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter und Streithelfervertreter sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 30.04. und 24.09.2014 sowie 01.07. und 18.11.2015 verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das im Tenor genannte Endurteil ist zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, soweit die Klägerin ihre erstinstanziell gestellten Anträge nunmehr als Hauptanträge gemäß klägerischem Schriftsatz vom 08.11.2013 im Berufungsverfahren weiterverfolgt.

Von den Anträgen der hilfsweisen Stufenklage waren die im Urteilstenor aufgeführten zur Entscheidung reif und zuzusprechen. Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 11.01.2016 klargestellt, dass ihre Auffassung, die Beklagte sei sogleich auf Schadensersatz zu verurteilen, nicht bedeute, dass sie die Auskunftsansprüche auf keinen Fall mehr weiterverfolge. Der Senat geht daher nicht von einer Teilklagerücknahme aus.

1. Ausschluss primärer Schadensersatzansprüche bei der mehrgliedrigen Gesellschaft:

Wie der Bundesgerichtshof (Az.: II ZR 320/12) am 19.11.2013 in einer ähnlich gelagerten Fallgestaltung entschieden hat, sind bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft mit der Maßgabe anzuwenden, dass der klagende Anleger von der Beklagten nicht im Wege des Schadensersatzes wegen eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens die Rückabwicklung seiner Beteiligung durch Rückgewähr seiner Einlage verlangen kann, sondern einen Anspruch auf ein (etwaiges) Abfindungsguthaben nach den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft besitzt und ergänzend, je nach Vermögenslage des Handelsbetriebs und der Höhe der – hypothetischen – Abfindungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter, einem Anspruch auf Ersatz seines durch den Abfindungsanspruch nicht ausgeglichen Schadens. Ein etwaiger auf einer Pflichtverletzung des Geschäftsinhabers bei dem Beitritt des stillen Gesellschafters beruhender Schadensersatzanspruch ist dergestalt zu berücksichtigen, dass sich der geschädigte Anleger seinen Abfindungsanspruch anrechnen lassen muss und daher allenfalls Ersatz eines den Abfindungsanspruch übersteigenden Schadens verlangen kann (BGH, Urteil vom 19.11.2013, II ZR 320/12, Rn. 20 unter Hinweis auf Urteil des BGH vom 29.06.1970, II ZR 158/69). Dieses Verlangen eines darüber hinausgehenden Schadens darf allerdings die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährden (Urteil des BGH vom 16.12.2014, II ZR 376/13, Rn. 13 unter Hinweis auf Urteil des BGH vom 19.11.2013, II ZR 383/12). Dagegen soll es nicht erforderlich sein, dass das verbleibende Vermögen des Geschäftsinhabers im Zeitpunkt der Entscheidung bei dem gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch auch ausreicht, um vergleichbare Schadensersatzansprüche anderer (getäuschter) stiller Gesellschafter zu befriedigen (BGH, Urteil vom 19.11.2013, II ZR 320/12, Rn. 27).

Unter Anwendung dieser vom BGH für die mehrgliedrige stille fehlerhafte Gesellschaft ist festzuhalten, dass der hier geltend gemachte direkte Schadensersatzanspruch, in Form der Rückgewähr der geleisteten Einlage abzüglich Ausschüttungen, nicht zugesprochen werden kann. Vielmehr kann ein Schadensersatzanspruch nur dann zugesprochen werden, wenn bei einer auf den Zeitpunkt der Entscheidung bezogenen fiktiven Auseinandersetzungsrechnung der gesamten mehrgliedrigen stillen Gesellschaft das Vermögen des Geschäftsinhabers ausreichen würde, um die Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter vollständig sowie den auf die dem eigenen Abfindungsanspruch übersteigende Ersatzleistung gerichteten Schadensersatzanspruch des klagenden Anlegers ganz oder teilweise zu befriedigen (BGH, Urteil vom 19.11.2013, II ZR 320/12, Rn. 26).

Die vorgezeichneten Grundsätze über die mehrgliedrige stille fehlerhafte Gesellschaft sind bei der streitgegenständlichen Beteiligung des Drittwiderbeklagten (nachfolgend abgekürzt: DWB) an der Beklagten im Modell „...“ als atypischer stiller Gesellschafter anwendbar.

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine zweigliedrige, sondern um eine mehrgliedrige stille Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft. Eine zweigliedrige stille Gesellschaft liegt vor, wenn jeder stille Gesellschafter für sich allein mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts in einem Gesellschaftsverhältnis steht. Es liegen also regelmäßig so viele voneinander unabhängige, selbständige Gesellschaften vor wie stille Gesellschafter beteiligt sind. Bei der mehrgliedrigen Ausgestaltung ist der Wille der Beteiligten hingegen darauf gerichtet, ob eine stille Gesellschaft mit einer Mehrheit von Teilhabern – ähnlich in der Publikumskommanditgesellschaft – zu errichten. Was den Willen der Beteiligten entspricht, ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln und richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag.

In dem vorliegenden Gesellschaftsvertrag ist in § 1 davon die Rede, dass sich die Gesellschafter als atypisch stille Gesellschafter am Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers beteiligen. Dass es sich dabei um eine mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaft handelt, ergibt sich aus den weiteren Regelungen des Gesellschaftsvertrags. Die Mehrgliedrigkeit ergibt sich im Vertragstext u.a. daraus, dass die Gesellschaft körperschaftlich durch eine Gesellschafterversammlung organisiert ist (vgl. §§ 7, 8 des Gesellschaftsvertrags), welche nicht nur alle stillen Gesellschafter, sondern auch der Geschäftsinhaber angehörten (vgl. § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags); dieser Umstand spricht für einen mehrgliedrigen Innenverband. Auch die weiteren Regelungen am Gesellschaftsvertrag gingen ersichtlich vom Vorliegen einer mehrgliedrigen Gesellschaft aus: Laut § 5 Ziffer 1 beträgt das stille Gesellschaftskapital bis zu 300 Mio. €; § 3 Ziff. 5 trifft eine Regelung „im Hinblick auf die Vielzahl der Gesellschafter“ § 10 Ziff. 1 regelt für den Fall der Liquidation die Beteiligung am Vermögen entsprechend dem Verhältnis der erbrachten Kapitalbeteiligung zu den Einlagen „aller Gesellschafter“ eine ähnliche Regelung sieht § 11 Ziff. 2 zur Beteiligung am Gewinn und Verlust vor. Hinsichtlich der (unterschiedlichen) Vertragslaufzeiten und Kündigungsmöglichkeiten der einzelnen stillen Gesellschafter sind es die Rechtsfolgen, die deutlich werden lassen, dass es sich bei der Regelung in § 1 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrags um eine mehrgliedrige stille Gesellschaft handelt, auch wenn das Wort „mehrgliedrig“ nicht ausdrücklich aufgeführt wird. Das Ausscheiden des einzelnen stillen Gesellschafters (wegen Zeitablaufs oder Kündigung) führt nämlich gerade nicht – wie üblicherweise bei einer zweigliedrigen Gesellschaft – zur Beendigung der Gesellschaft (siehe § 16 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrags: „Die Kündigung oder eine etwaige einvernehmliche Vertragsaufhebung haben nicht die Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft insgesamt zur Folge, sondern lediglich das Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters.“). Zudem ist es in §§ 10 Ziff. 1 und 17 des atypisch stillen Gesellschaftsvertrags geregelt, dass die Gesellschafter im Falle des Ausscheidens oder bei Liquidation des Unternehmens des Geschäftsinhabers entsprechende Verhältnis ihrer erbrachten Einlagen zum Gesamtbetrag der Einlagen aller Gesellschafter und dem zu diesem Zeitpunkt eingezahlten Kommanditkapital des Geschäftsinhabers einen Anteil an dem seit ihrem Beitritt zu dem Unternehmen des Geschäftsinhabers gebildeten Vermögen einschließlich der stillen Reserven der bilanzierten Wirtschaftsgüter erhalten.

Auch die Regelung in § 8 Ziff. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags, wonach Gesellschafter, die zusammen mehr als 10 % des atypisch stillen Gesellschaftskapitals repräsentieren, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung verlangen können, ist auf eine mehrgliedrige Gesellschaft zugeschnitten.

Der Annahme einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft steht nicht entgegen, dass es im Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zu einer Innengesellschaft der stillen Gesellschafter untereinander sowie der zu deren Willensbildung und Auftreten als ein Gesellschafter gegenüber dem Inhaber des Handelsgeschäfts gibt. Im Gegenteil würde die bloße Koordination mehrerer stiller Gesellschafter untereinander im Sinne einer BGB-Innengesellschaft ohne körperschaftliche Binnenorganisation eher gegen als für eine mehrgliedrige stille Gesellschaft sprechen. In Abgrenzung zur bloßen Innengesellschaft ohne mehrgliedrigen Innenverband verlangt die Aufnahme neuer Mitglieder bei mehrgliedriger Ausgestaltung allerdings eine Zustimmung aller bereits am Verband beteiligten Gesellschafter. In einer Publikumsgesellschaft wie der vorliegenden kann indes der Geschäftsinhaber (oder auch eine andere Stelle) zur Aufnahme neuer Mitglieder bevollmächtigt oder ermächtigt werden. Dabei dürfen an die Form der Bevollmächtigung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da stille Publikumsgesellschaften als Kapitalsammelstellen darauf angelegt sind, Kapital durch die Aufnahme einer Vielzahl von Anlegern aufzubringen.

§ 1 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrags enhält hierzu folgenden Passus:

„Den Gesellschaftern ist bekannt, dass sich an der AG Aktionäre sowie weitere atypisch stille Gesellschafter nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 dieses Vertrages beteiligen. Der Geschäftsinhaber hat darüber hinaus das jederzeit ausübbare Recht, sein Grundkapital von zur Zeit 500.000,– € auf bis zu 30 Mio. € nominal zu erhöhen (...). Sie erklären sich hiermit ausdrücklich einverstanden.“

Diese Erklärung reicht angesichts der Funktion der stillen Gesellschafter als Kapitalsammelstelle als Einverständniserklärung aus; weitere Anforderungen können im Hinblick auf den vorgenannten Zweck nicht gestellt werden, zumal sich eine Bevollmächtigung auch ohne ausdrückliche Regelung im Zweifel durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergeben dürfte.

Zusammenfassend gibt es damit keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend nicht um eine mehrgliedrige, sondern um eine zweigliedrige Gesellschaft handelt.

Von daher sind nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen die mit der Klage vom 19.06.2012 geltend gemachten Ansprüche, die auch als Hauptanträge in der Berufungsinstanz geltend gemacht werden, nicht zuzusprechen.

2. Keine direkten Schadensersatzansprüche aufgrund (etwa) verweigerter Auskunftserteilung

Es fehlen in diesem Verfahren hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte, zur Auskunft verurteilt, einem derartigen Petitum keine Folge leisten wird. Der pauschale Hinweis der Klagepartei auf angebliche Verweigerungshaltung der Beklagten in Parallelverfahren verfängt nicht; im Gegenteil hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren ihre Bereitschaft erkennen lassen, im Falle einer Verurteilung die jeweils geforderte Auskunft zu erteilen.

3. Zugesprochene Auskunftsansprüche

Von den mit klägerischem Schriftsatz vom 07.04.2014 (Bl. 190/4) gestellten Hilfsanträgen (dort Seite 4, Bl. 193 d.A.) sind lediglich die unter Ziffern 1 und 4 aufgeführten Ansprüche auf Auskunftserteilung zur Entscheidung reif und waren, gemäß der Rechtsprechung zur mehrgliedrigen fehlerhaften Gesellschaft, zuzusprechen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dem Grunde nach von einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auszugehen ist. Erst nach Auskunftserteilung ist dere Übergang zur nächsten Stufe (eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Auskünfte) möglich.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt vorvertraglichen Verschuldens im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Beteiligung gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB wegen Verletzung von Pflichten aus dem Anlageberatungsvertrag grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch, der sich zumindest teilweise mit dem klägerischen Abfindungsanspruch deckt, wobei die Höhe der der Klägerin insgesamt hier noch zustehenden Ansprüche indes durch die Ansprüche der übrigen stillen Gesellschafter begrenzt ist.

a. Die Beklagte als kapitalsuchendes Unternehmen war verpflichtet, dem Anleger ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt als solches zu vermitteln. Hierfür hatte sie hier den DWB über alle Umstände, die für ihre Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des BGH vom 14.05.2012, II ZR 69/12, WM 2012, 1298 m.w.N.).

Es war hierfür nicht erforderlich, dass die Beklagte die Beitrittsverhandlungen selbst führte. Nach dem von der Beklagten mitgetragenen Vertriebskonzept sollte der Anlageprospekt von Vermittlern an Anlageinteressenten übergeben werden.

Insoweit muss sich die Beklagte im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses unrichtige Angaben des Vermittlers nach § 278 BGB zurechnen lassen.

Übernimmt ein Vermittler, gleichgültig ob selbständig oder nicht, mit Wissen und Wollen der späteren Vertragspartei Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, so wird er in ihrem Pflichtenkreis tätig und ist zugleich als ihre Hilfsperson zu betrachten. Dabei haben Gründungsgesellschafter einer Fondsgesellschaft, die sich für die vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebsbedienen und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlassen, über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Sie müssen sich das Fehlverhalten von Personen, die sie mit den Verhandlungen zum Abschluss eines Beitrittsvertrags ermächtigt haben, zurechnen lassen (BGH WM 2000, 2539; WM 1996, 2105; WM 2012, 1298).

Die Beklagte ist gegenüber dem Anleger im Rahmen der Vermittlung selbst nicht in Erscheinung getreten, ein persönlicher Kontakt fand insoweit nicht statt. Sie hat sich jedoch unstreitig für den Vertrieb der Fa. ... bedient, die ihrerseits weitere Firmen mit dem Vertrieb beauftragt hat. Die Fa. ... ist damit jeweils mit Wissen und Wollen der Beklagten als Untervermittler der Fa. ... mit dem Vertrieb der streitgegenständlichen Beteiligungen tätig geworden. Der Zeuge ... ist daher im Pflichtenkreis der aufklärungspflichtigen Beklagten als deren Erfüllungsgehilfe im Rahmen der Aufklärung von Anlageinteressenten anzusehen.

b. Durch den Prospekt ist die Beklagte ihren Aufklärungspflichten nicht nachgekommen. Zwar genügt der Emissionsprospekt der Beklagten grundsätzlich denen eine vollständige Aufklärung zu stellenden Anforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 314/13). Die Übergabe eines fehlerfreien Prospekts kann grundsätzlich genügen, um dem Ergebnis einer sachgerechten Beratung zu genügen (BGH NJW-RR 2007, 1692 f.); dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen zuvor keine bzw. keine umfassende mündliche Beratung erfolgt ist (auf diese Fälle nimmt BGH NJW-RR 2007, 1692, 1693 Bezug). Dazu muss er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben worden sein, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH NZG 2014, 904). In Bezug auf die Frage der nicht rechtzeitigen Prospektübergabe trägt zwar die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast (BGH WM 2013, 68; NJW-RR 2006, 1345; BKR 2010, 118). Einer Beweisaufnahme zur (rechtzeitigen) Prospektübergabe stand die Unterzeichnung der Erklärung in der Beitrittserklärung („bestätige ich, dass ich rechtzeitig vor Unterzeichnung der Beitrittserklärung ein Exemplar des Emissionsprospektes ... erhalten habe“) hier durch den Anleger nicht entgegen. Diese Erklärung besagt nichts (näheres) über eine rechtzeitig vor der (Unter-)Zeichnung erfolgte Prospektübergabe und nimmt dem Anleger zum anderen auch nicht die Möglichkeit, Gegenteiliges nachzuweisen (BGH WM 2013, 68). Dieser Nachweis ist anlegerseits indes gelungen.

Der DWB gab an, es habe nur ein Beratungsgespräch mit Herrn ... egeben, in dessen Rahmen er den Zeichnungsschein unterschrieben habe; bevor er diesen Zeichnungsschein unterschrieben habe, sei er ihn mit Herrn ... flüchtig durchgegangen. Sie habe ja das Beratungsgespräch gehabt (Protokoll vom 24.09.2014, Seite 4, erster Absatz). Auf die Frage nach dem Prospekt gab der DWB Termin vom 01.07.2015 (Protokoll Seite 4, zweiter Absatz) an, der Prospekt sei bei der Beratung durch Herrn ... auf dem Tisch gelegen, man sei ihnaber nicht Satz für Satzdurchgegangen. Es könne sein, dass ihm ... aus dem Prospekt ein paar Bilder oder schöne Sätze gezeigt habe. Verweisend auf seine am gleichen Tage zur Anlage ... getätigte Aussage (dortiges Protokoll S. 9 Mitte) bekundete der Zeuge ... (Protokoll vom 24.09.2014, Seite 3), den Prospekt habe er dem DWB „im Rahmen dieses Beratungsgesprächs“ gegeben, an diesem Tage habe dieser auch die Anlage gezeichnet. Ergänzend erklärte er im Termin vom 01.07.2015 (Protokoll Seite 3 oben), er habe den Prospekt für die Beratung nicht verwendet. Der Senat hält den Zeugen ... zwar in Bezug auf den Gesamtgehalt seiner Aussagen aus den nachfolgend angegebenen Gründen nicht für glaubwürdig. Die (erst im Termin des Beratungsgesprächs mit noch dort erfolgender Unterzeichnung erfolgende) Übergabe des Prospekts an den Anlageinteressenten ist jedoch, wie der mit zahlreichen Kapitalanlageverfahren befasste Senat regelmäßig zur Kenntnis genommen hat und damit gerichtsbekannt ist, eine bei der weitaus überwiegenden Mehrheit der Kapitalanlagevermittler verbreitete Unsitte, die natürlich vor dem Hintergrund gesehen werden muss, dass gerade eine vorherige Durcharbeitung des Prospekts durch einen Laien, sei es angesichts dessen genereller Unverständlichkeit, sei es wegen der enthaltenen Risikofreudigkeit, zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz davon abhalten würde, in die Beteiligung zu investieren. Da der Zeuge ... insoweit auch die feste Überzeugung vertrat, dass diese – verspätete – Prospektübergabe den an eine Vermittlung gestellten Anforderungen entspräche, kann insoweit auch von einer mit der Klagepartei abgestimmten Aussage nicht die Rede sein.

Was das Beratungsgespräch als solches angeht, bestehen seitens des Senats ernsthafte Zweifel, ob die Schilderung des Zeugen ... der Wahrheit entspricht. Diese Zweifel rechtfertigen sich vor allem daraus, dass die Angaben des Zeugen ... zum Inhalt der ihm zuteil gewordenen Schulungen, insbesondere was die schulungsmäßige Befassung mit den Risiken der Kapitalanlage angeht, jedenfalls nach dem protokollierten Inhalt der Zeugenaussagen gravierend vom Hergang der Schulungen abweicht. Auf Seiten 6 und 7 des Protokolls vom 01.07.2015 (Aussagen des Zeugen ... im Verfahren ... 3 U 3152/13, auf welche er – hiesiges Protokoll vom 01.07.2015, Seite 3 oben – Bezug nahm) und die kontrastierenden Aussagen der Zeugen ... und ... (Protokoll vom 18.11.2015, Seite 3 f.) wird in diesem Zusammenhang besonders hingewiesen.

Nach dem persönlichen Eindruck, den der Zeuge ... dem Senat hinterlassen hat, ist im Rahmen einer Gesamtbewertung folgendes zu berücksichtigen: Der Zeuge konnte ohne Gefährdung eigener Interessen aussagen, da er die Vermittlung im Rahmen der Fa. ... die bekanntlich des längeren insolvent ist, vorgenommen hatte. Von daher konnte er sich ohne vergleichsweise Rücksichtnahme zu einem Fehlverhalten bekennen. So will er das Totalverlustrisiko bei der Beratung des DWB angesprochen haben, „aber nicht explizit, sondern allgemein“ (Protokoll vom 24.09.2014, S. 3 Mitte).

Nach Auffassung des Senats hat er jedoch das Ausmaß seines Fehlverhaltens wesentlich übertrieben, indem er das Totalverlustrisiko auf das mit jeglichem „Aus-der-Hand-Geben von Geld“ reduziert, im Zusammenhang damit den Vergleich mit einem Sparbuch angestellt und als „Worst Case“ qualifiziert haben will, „dass die Bude abbrennt und dagegen ist man schließlich versichert.“. Dass dies, wie der Zeuge ... behauptet, ihm als an die Kunden weiterzugebende Information vermittelt worden sei, kann der Senat angesichts der Aussagen der anderweitig vernommenen Zeugen nicht nachvollziehen. Einhergehend mit der für Dritte plausiblen Tendenz, eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen, wollte der Zeuge ... diese Darstellung offensichtlich auch zu einer Untermauerung, dass seine tatsächlich krass fehlerhaften Äußerungen wirklich so gefallen seien, nutzen, quasi demonstrierend, dass seine Hemmschwelle für derartige Äußerungen schon durch die Schulungen dergestalt herabgesetzt worden sei. Andere Teile seiner Aussage erschienen dem Senat dagegen deshalb nachvollziehbar, als sie genau dem Verhaltensmuster von Kapitalanlagevermittlern entsprechen, die unter Ausnutzung länger bestehender persönlicher Kontakte zum Anlageinteressenten es für ausreichend halten, den jeweiligen Kunden über das Produkt nur oberflächlich zu informieren, den Prospekt nicht oder so gut wie nicht zu benutzen, von einer Aufzählung sämtlicher Risiken abzusehen und die Unterschriftsleistungen des Kunden bezüglich Risikohinweisen und erteilten Belehrungen anlässlich der Zeichnung als bloße Formalitäten abzutun. So gab der Zeuge ... an, er habe nicht auf der Grundlage des Prospekts, sondern aufgrund eines Flyers beraten (Aussage vom 01.07.2015, Seite 7 unten im Verfahren ... 3 U 3152/13, gilt entsprechend für das hiesige Verfahren), was sich der Aussage des DWB im Grunde deckt (vgl. Protokoll vom 01.07.2015, Seite 4, 2. Absatz).

Das angesprochene Kurzexposé (Anlage K 2, Bl. 21/24 d.A.) benennt keine Risiken. Im Gegensatz hierzu nennt der ausführliche Emissionsprospekt (Anlage B 2) auf den Seiten 12–17 zahlreiche Risiken, die keineswegs mit der Aussage „das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass die Bude abbrennt“, erfasst sind.

Auch die Angabe des Zeugen ... Termin vom 24.09.2014 (Seite 3, letzter Absatz, des Protokolls 3 U 3152/13): „Dass man einen Zeichnungsschein mit dem Kunden im Einzelnen durchgeht, ist völlig realitätsfremd. Der Kunde ist zufrieden, wenn man ihn die Anlage anschaulich erläutert, damit er weiß, worin er investiert“ ist für die Mehrheit der Anlagevermittler typisch; auch die Angabe des DWB (Protokoll vom 24.09.2014, Seite 4, erster Absatz): „Ich bin den Zeichnungsschein mit Herrn ... flüchtig durchgegangen“ ... „Der Hinweis auf dem Zeichnungsschein, dass es sich um keine mündelsichere Beteiligung handelt, habe ich nicht gelesen ...“ (Protokoll vom 01.07.2015, Seite 4, 2. Abs.) weist in dieselbe Richtung. Dies führt den Senat zu dem Schluss, dass der Zeuge ... die Anlage nur sehr verkürzt und unter Darstellung allenfalls eines Risikos präsentiert hat, weshalb dem DWB eine objektive Entscheidung über seine Invesition in die Kapitalanlage nicht möglich war. Einer gutachterlichen Beurteilung bedurfte es zur Entscheidung hinsichtlich der Glaubhaftigkeit eines Teils der vom Zeugen ... getätigten Angaben nicht. Der Senat stützt seine Entscheidung genau auf die (vorstehend bezeichnete) Mißachtung derjenigen Anforderungen, die von einer großen Mehrheit der Anlagevermittler seinerzeit nur als lästige Hindernisse zum Vermittlungserfolg angesehen wurden, und ist nach seinem über mehrere Vernehmungen gewonnenen Eindruck von dem Zeugen ... nicht imstande, ihn zum Typus der sorgfältigen und pflichtbewußten Anlagevermittler zu zählen. Einer Entscheidung darüber, ob das Aussageverhalten des Zeugen ... mit dem Klägervertreter abgestimmt war, bedurfte es bei einer so geschehenen Würdigung der Zeugenaussage nicht (mehr), der beklagten- und streithelferseits aufgeworfene Verdacht hat sich in der Beweisaufnahme des Senats nicht weiter verfestigt, brauchte aber durch weitere Einvernahmen hier nicht einer endgültigen Abklärung zugeführt werden.

Es ist davon auszugehen, dass der DWB die streitgegenständliche Anlage nicht vorgenommen hätte, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe zuletzt Urteil vom 08.04.2014, XI ZR 341/12, Rn. 20), eine widerlegliche Vermutung dafür besteht, dass eine Aufklärungspflichtverletzung kausal für die Anlage war. Da der zweimal (in den Terminen vom 01.07.2015 und 24.09.2014) einvernommene DWB zudem für den Senat glaubhaft dargestellt hat, dass die Anlage als Altersvorsorge präsentiert wurde und eine solche sicher zu sein hat, die Anlage auch als sicher dargestellt wurde, war eine Parteieinvernahme des DWB auf Antrag der Gegenpartei gemäß § 445 Abs. 2 ZPO nicht geboten, da sie Tatsachen betraf (Investment in die streitgegenständliche Anlage ungeachtet eines Verlustrisikos), deren Gegenteil der Senat als erwiesen erachtet: Es ist in keinster Weise aus der geführten Beweisaufnahme herzuleiten, dass der DWB sich bei vollständiger Erteilung der erforderlichen Risikohinweise trotzdem für das streitgegenständliche Produkt entschieden hätte.

c. Die beklagtenseits erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.

Wie mehrfach vom BGH entschieden, genügt der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein genommen noch nicht, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis (im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) von Auskunfts- oder Beratungsfehlern des Anlageberaters oder -vermittlers, die als solche aus der Lektüre des Prospektes ersichtlich wären, zu begründen. Der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben seines Beraters oder Vermittlers und sieht deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht grobes Verschulden gegen sich selbst zu sehen. Unterlässt der Anleger eine Kontrolle des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und ist deshalb für sich allein genommen nicht schlechthin unverständlich oder unentschuldbar und damit geeignet, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit zu begründen (BGH, Urteil vom 07.07.2011, III ZR 90/10; OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2013, 17 U 62/11).

Auch die Übersendung von Geschäftsberichten und der mögliche Umstand, dass aus ihrer Lektüre bereits zum früheren Zeitpunkt Konsequenzen vom Anleger hätten gezogen werden können, begründet nach ständiger Rechtsprechung nicht den Vorwurf grober Fahrlässigkeit des Anlegers.

d. Somit konnte die Klägerin das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den Aufklärungsmangel durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihr bei Beendigung ihres Gesellschaftsverhältnsses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs dem Grunde nach Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wobei dessen Höhe durch die im Tenor bezeichneten Auskunftserteilungen maßgebend bestimmt werden wird. Wie bereits erwähnt, besteht im Hinblick auf die Erklärung des Beklagtenvertreters im Termin vom 24.09.2014 (Seite 2, vorletzter Absatz) kein Anlass zu der Annahme, dass die Beklagte nach nunmehriger Klärung der vorvertraglichen Verletzung der Aufklärungspflicht und der Rechtslage als solcher die geforderten Angaben nicht erteilen würde, so dass nur ein Teilurteil ergehen konnte.

4. Zur Berufung des Drittwiderbeklagten

Die Berufung des DWB gegen Ziffer 2 des Ersturteils ist nicht zur Entscheidung reif. Über das (vor Abtretung) Zustehen eines Schadensersatzanspruchs (und nicht etwa eines bloßen Abfindungsanspruchs) kann erst nach Vorliegen der Auskünfte, wie in Z. II des Tenors ausgeurteilt, entschieden werden.

III.

Hieraus resultierend war eine Entscheidung über die Kosten des erstinstanziellen und des Berufungsverfahrens nicht möglich. Diese sind dem nach Festlegung der Höhe des klägerischen Anspruchs ergehenden Endurteilen des Senats vorbehalten. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Z. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Abgesehen davon, dass der Senat unter Würdigung der Zeugenaussagen eine Einzelfallentscheidung getroffen hat, wurde für die rechtliche Beurteilung durchgängig die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt.

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Oberlandesgericht München Teilurteil, 27. Jan. 2016 - 3 U 3468/13 zitiert 8 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse


(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä

Zivilprozessordnung - ZPO | § 445 Vernehmung des Gegners; Beweisantritt


(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu

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Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

20
aa) Anders als bei den Anlagemodellen, die den Senatsentscheidungen aus den Jahren 2004 und 2005 zugrunde lagen, besteht bei der vorliegenden Gestaltung nicht lediglich eine Vielzahl voneinander unabhängiger, bloß zweigliedriger stiller Gesellschaftsverhältnisse zwischen den jeweiligen Anlegern und der Beklagten. Durch den von allen stillen Gesellschaftern mit ihrer jeweiligen Beitrittserklärung als verbindlich anerkannten stillen Gesellschaftsvertrag ist vielmehr durch vertragliche Vereinbarung ein Gesellschaftsverhältnis zwischen allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten zustande gekommen. Aus den Regelungen in § 1 Nr. 2 GV sowie insbesondere in den §§ 6 und 7 GV über Gesellschafterbeschlüsse und die Gesellschafterversammlung und in § 15 Nr. 1 GV über die Wirkung einer Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch einen stillen Gesellschafter ergibt sich eindeutig, dass sich die mit der Abgabe der Beitrittserklärung begründete Rechtsbeziehung nicht auf ein nur zweiseitiges stilles Gesellschaftsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anleger und der Beklagten beschränkt, sondern der stille Gesellschafter einer aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern bestehenden Publikumsgesellschaft beitritt.
13
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihr - nach ihrem Vorbringen - durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann, wie der Senat in den Entscheidungen vom 19. November 2013 ausgeführt hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199,104 Rn. 28 ff.).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 383/12 Verkündet am:
19. November 2013
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind auf eine mehrgliedrige stille Gesellschaft
, bei der die Kapitalanleger, die sich mit einer Vermögenseinlage als stille
Gesellschafter beteiligen, einer aus allen stillen Gesellschaftern und dem Inhaber des
Handelsgewerbes bestehenden Publikumsgesellschaft beitreten, mit der Maßgabe
anzuwenden, dass ein dergestalt beigetretener stiller Gesellschafter von dem Inhaber
des Handelsgewerbes wegen eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens
nicht im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung seiner Beteiligung durch
Rückgewähr seiner Einlage Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus der
stillen Beteiligung verlangen kann; er hat vielmehr einen Anspruch auf ein (etwaiges)
Abfindungsguthaben nach den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft und ergänzend,
je nach Vermögenslage des Handelsbetriebs und der Höhe der - hypothetischen -
Abfindungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter, einen Anspruch auf Ersatz
seines durch den Abfindungsanspruch nicht ausgeglichenen Schadens.
BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. September 2013 durch den Vorsitzenden RichterProf. Dr. Bergmann
und den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart
sowie den Richter Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. November 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers mit den Hauptanträgen (Berufungsanträge zu I. bis VIII.) zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 19. Dezember 2002 (Anlage K 1) als atypisch stiller Gesellschafter an der beklagten Aktiengesell- schaft im Rahmen des Beteiligungsprogramms „Classic“ mit einer „Einmaleinlage“ in Höhe von DM 20.000 zuzüglich eines Agios. Gleichzeitig zeichnete er das Beteiligungsprogramm „Plus“, bei dem die Ausschüttungen in Höhe von 100 % der „Einmaleinlage“ zuzüglich des Agios wieder angelegt wurden. Der Kläger leistete auf seine Beteiligung insgesamt 11.452,94 €. Erträge aus der Beteiligung wurden nicht an ihn ausgezahlt, sondern im Rahmen des Beteili- gungsprogramms „Plus“ neu angelegt.
2
Mit der Behauptung, der für seine Anlageentscheidung maßgebliche Emissionsprospekt weise zahlreiche, von ihm im Einzelnen dargelegte Fehler auf und die Beklagte sei ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet, hat der Kläger von der Beklagten in erster Linie Rückzahlung seiner geleisteten Einla- ge in Höhe von 11.452,94 € Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der stillen Beteiligung, Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von 7.202,75 € und außergerichtlicher Kosten verlangt sowie mit mehreren Anträgen die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten begehrt.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers, mit der er die Beklagte hilfsweise auf Auskunft über die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens aus seiner Beteiligung und Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrags in Anspruch genommen hat, ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren nach den Hauptanträgen weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit die Berufung des Klägers mit den in der Berufungsinstanz gestellten Hauptanträgen zurückgewiesen worden ist.
5
I. Das Berufungsgericht (OLG München, ZIP 2013, 414) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Ein Anspruch auf Ersatz des von ihm geltend gemachten Zeichnungsschadens stehe dem Kläger gegen die Beklagte nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft nicht zu. Nach diesen Grundsätzen sei es einem Gesellschafter grundsätzlich verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen; vielmehr sei er regelmäßig auf seinen Abfindungsanspruch beschränkt. Die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft seien unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als typische oder atypische stille Beteiligung regelmäßig auch auf eine stille Gesellschaft anwendbar. Handele es sich allerdings um eine zweigliedrige stille Gesellschaft , so stünden die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet sei, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte dieser den Gesellschaftsvertrag nicht geschlossen.
7
Das Gesellschaftsverhältnis sei hier aber kein zweigliedriges, sondern es bestehe eine mehrgliedrige stille Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft , bei der die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft einem Anspruch des Gesellschafters auf Rückgewähr der Einlage entgegenstünden. Eine zweigliedrige stille Gesellschaft liege vor, wenn jeder stille Gesellschafter für sich allein mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts in einem Gesellschaftsverhältnis stehe. Bei der mehrgliedrigen stillen Gesellschaft seien mehrere stille Gesellschafter mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts in einem Gesellschaftsverhältnis verbunden. Im vorliegenden Gesellschaftsvertrag sei in § 1 Nr. 2 ausdrücklich bestimmt, dass die Gesellschafter zusammen mit dem Geschäfts- inhaber eine sog. mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaft bildeten, was heiße, dass nur eine atypische stille Gesellschaft zwischen dem Geschäftsinhaber und allen Gesellschaftern bestehe. Diese Regelung sei eindeutig und zusammen mit den weiteren Regelungen des Gesellschaftsvertrages vom Kläger ausweis- lich seiner „rechtsverbindlichen Erklärung“ auf dem Zeichnungsschein (Anlage K 1) akzeptiert worden.
8
Dass der Gesellschafter nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft auf sein Abfindungsguthaben beschränkt sei und die Rückabwicklung seiner Beteiligung sowie die Rückzahlung seiner Einlage von der Gesellschaft nicht verlangen könne, gründe im Wesentlichen auf der Überlegung, dass die schutzwürdigen Interessen der Mitgesellschafter Berücksichtigung finden müssten. Die Mitgesellschafter, die im Hinblick auf die Umstände ihres Beitritts ähnliche Rechte geltend machen könnten, wären einem Wettlauf um das Gesellschaftsvermögen ausgesetzt. Diese gegenüber einem schuldrechtlichen Austauschverhältnis bei Weitem vielschichtigere Interessenlage rechtfertige es, den einzelnen Gesellschafter im Ergebnis auf seinen Abfindungsanspruch zu verweisen. Da sich die Rechtsbeziehung der Stillen in einer mehrgliedrigen Gesellschaft nicht nur auf den Inhaber des Handelsgeschäfts beschränke, sondern sich alle gleichermaßen schutzwürdigen Stillen (zusammen mit dem Geschäftsinhaber ) in einem Verband befänden, könnten Schadensersatzansprüche, die aus einem auf fehlerhafter Willensbildung beruhenden Beitritt resultierten, nicht ohne Rücksicht auf die Interessen der Mitgesellschafter geltend gemacht werden. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn - wie bei der Beklagten - die Mitgesellschafter wie bei einer Publikumsgesellschaft auf den Beitritt der Einzelnen keinen Einfluss hätten und etwaige Aufklärungsfehler ihnen daher unter keinem Gesichtspunkt zurechenbar seien.
9
Da dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Zeichnungsschadens somit die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft entgegenstünden , komme es nicht darauf an, ob die sonstigen Voraussetzungen für diesen Anspruch vorlägen. Über die hilfsweise auf Berechnung und Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens gerichtete Stufenklage sei inhaltlich nicht zu entscheiden, da es sich um eine nach § 533 ZPO unzulässige Klageänderung handele.
10
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsgericht hat zwar rechtsfehlerfrei angenommen, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, sondern der Kläger einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall etwaiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einen Anspruch des Klägers auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihm - nach seinem Vorbringen - durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, jedoch nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungsoder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist.
11
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auch auf typische oder atypische stille Gesellschaften anwendbar (BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255; Urteil vom 23. Juli 2013 - II ZR 143/12 Rn. 17 mwN). Dem steht nicht entgegen, dass bei der stillen Gesellschaft kein Gesamthandsvermögen besteht (BGH, Urteil vom 29. November 1952 - II ZR 15/52, BGHZ 8, 157, 166 f.; Urteil vom 25. November 1976 - II ZR 187/75, WM 1977, 196, 197; Urteil vom 22. Oktober 1990 - II ZR 247/89, NJW-RR 1991, 613, 614; Beschluss vom 21. September 2009 - II ZR 250/07, ZIP 2009, 2155 Rn. 6 mwN). Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft beruht vielmehr allgemein darauf, dass es zu unerträglichen Ergebnissen führen würde, eine auf Dauer angelegte und tatsächlich vollzogene Leistungsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft , für welche die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und gemeinschaftlich das Risiko getragen haben, mit rückwirkender Kraft aufzuheben und damit so zu behandeln, als ob sie niemals bestanden hätte. Ein - bereits durch Zahlung der Einlage (BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 67/03, ZIP 2005, 254, 255; Urteil vom 23. Juli 2013 - II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 17) - in Vollzug gesetztes fehlerhaftes Gesellschaftsverhältnis ist daher unabhängig von der individuellen Gestaltung des Einzelfalls regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern wegen etwaiger anfänglicher Mängel nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar. Das gilt auch für die (atypische wie typische) stille Gesellschaft. Sie ist ebenfalls eine echte Risikogemeinschaft mit einer meist auf lange Zeit vereinbarten Teilung des Gewinns und Verlusts des Unternehmens, zu dem auch der stille Gesellschafter seinen Beitrag erbracht hat. Die Gesichtspunkte, die für die Anwendung der Regeln der fehlerhaften Gesellschaft sprechen, treffen daher im Grundsatz gleichermaßen zu (BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 - II ZR 158/69, BGHZ 55, 5, 8 f.).
12
Die rechtliche Anerkennung der fehlerhaften Gesellschaft findet nur da ihre Grenze, wo gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder besonders schutzbedürftiger Personen entgegenstehen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 - II ZR 158/69, BGHZ 55, 5, 9; Urteil vom 25. März 1974 - II ZR 63/72, BGHZ 62, 234, 241). Selbst der Umstand, dass ein stiller Gesellschafter durch betrügerisches Verhalten des Geschäftsinhabers zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags bestimmt worden ist, rechtfertigt es aber nicht, die durch die Invollzugsetzung des Gesellschaftsverhältnisses geschaffenen Rechtstatsachen rückwirkend zu beseitigen und statt des Gesellschaftsrechts die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts zur Anwendung zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1954 - II ZR 167/53, BGHZ 13, 320, 323; Urteil vom 29. Juni 1992 - II ZR 284/91, ZIP 1992, 1552, 1554). Der Schutz des Betrogenen wird dadurch hinreichend gewahrt, dass die arglistige Täuschung für ihn einen wichtigen Grund zur Kündigung der Gesellschaft bildet (BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 - II ZR 158/69, BGHZ 55, 5, 10).
13
2. Der Senat ist zunächst auch bei Ansprüchen wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten beim Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrags davon ausgegangen, dass die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft eine rückwirkende Auflösung des Vertragsverhältnisses verbieten und bis zur Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses der Durchsetzung eines auf Rückgewähr der Einlage gerichteten Schadensersatzanspruchs aus vorvertraglichem Verschulden entgegenstehen (BGH, Urteil vom 24. Mai 1993 - II ZR 136/92, ZIP 1993, 1089, 1090 f.). Später hat er angenommen, dass jedenfalls ein solcher Schadensersatzanspruch mit dem Begehren, den stillen Gesellschafter so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet, in einer zweigliedrigen stillen Gesellschaft nicht den Beschränkungen nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft unterliegt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095, 2098; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256; Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 757).
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Zur Begründung hat er auf die Besonderheiten der stillen Gesellschaft (in dem damaligen Anlagemodell) im Gegensatz zu einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Kommanditgesellschaft abgestellt. Wer einer solchen Publikumsgesellschaft beitrete, um sein Vermögen anzulegen, könne bei einer mangelhaften Aufklärung über die Risiken und Chancen des Anlageprojekts von der Gesellschaft weder Schadensersatz noch sonst Rückabwicklung seiner Gesellschaftsbeteiligung verlangen , weil die fehlerhafte Aufklärung der Gesellschaft nicht zugerechnet werden könne. Der einzelne Gesellschafter habe auf die Beitrittsverträge neuer Gesellschafter keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten, trete insoweit auch nicht in Erscheinung und sei im Gegenteil bei seinem eigenen Eintritt in die Gesellschaft regelmäßig selbst getäuscht oder jedenfalls nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Wohl aber habe der eintretende Gesellschafter Schadensersatzansprüche gegen die Initiatoren der Gesellschaft, gegen die Gründungsgesellschafter und gegen diejenigen, die sonst für die Mängel seines Beitritts verantwortlich seien (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707 f.).
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Bei der stillen Gesellschaft (nach dem damaligen Anlagemodell) trete der Anleger dagegen nicht einer bestehenden Publikumsgesellschaft bei, sondern bilde mit der von dem Initiator des Anlageprojekts gegründeten Aktiengesellschaft eine neue - stille - Gesellschaft. Dabei beschränkten sich seine Rechtsbeziehungen allein auf diese Aktiengesellschaft. Sie schulde ihm bei einer Beendigung der stillen Gesellschaft das Auseinandersetzungsguthaben. Zugleich hafte sie ihm nach den Grundsätzen der Prospekthaftung und des Verschul- dens bei Vertragsschluss, jeweils i.V.m. § 31 BGB und ggf. § 278 BGB, auf Schadensersatz. Anders als bei einer Publikumsgesellschaft richteten sich der Auseinandersetzungs- und der Schadensersatzanspruch gegen dieselbe Person. Nicht eine solche Gesellschaft sei Adressat des gesellschaftsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs, sondern ausschließlich die als Inhaberin des Handelsgewerbes i.S. des § 230 HGB auftretende Aktiengesellschaft, mit der allein der stille Gesellschaftsvertrag zustande gekommen sei und die zugleich im Wege des Schadensersatzes verpflichtet sei, etwaige Minderungen der gesellschaftsrechtlichen Einlage auszugleichen. Dann aber könne der Schadensersatzanspruch nicht nach den Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft beschränkt sein. Auch der Schutz der Gläubiger gebiete eine solche Beschränkung nicht, schon weil es bei der stillen Gesellschaft an einem durch Kapitalaufbringungs - und Kapitalerhaltungsvorschriften geschützten Gesellschaftsvermögen fehle (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707 f.). Dass es bei einer Vielzahl stiller Gesellschafter mit gleichartigen Schadensersatzansprüchen zu einem Gläubigerwettlauf kommen könne, rechtfertige - wie auch sonst bei einer Gläubigerkonkurrenz z.B. gegenüber einem prospektverantwortlichen Gründungsgesellschafter - keine andere Beurteilung (BGH, Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095, 2098). Demjenigen, der sich aufgrund eines Prospektmangels, einer Verletzung der Aufklärungspflicht oder aus sonstigen Gründen schadensersatzpflichtig gemacht habe, dürfe es nicht zugutekommen, dass er gleichzeitig auch an dem mit dem geschädigten Anleger geschlossenen Gesellschaftsvertrag beteiligt sei (BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256; Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 757).
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3. Dabei hat der Senat allerdings offen gelassen, ob die Beschränkungen eines auf Rückabwicklung gerichteten Schadensersatzanspruchs nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft auch dann wegfallen, wenn es sich nicht um eine zweigliedrige stille Gesellschaft, sondern um den Beitritt zu einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft handelt. Diese Frage ist nunmehr dahingehend zu entscheiden, dass bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft jedenfalls in der im vorliegenden Fall gegebenen Ausgestaltung die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass der Kläger von der Beklagten nicht im Wege des Schadensersatzes wegen eines vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens die Rückabwicklung seiner Beteiligung durch Rückgewähr seiner Einlage Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus der stillen Beteiligung verlangen kann. Er hat vielmehr einen Anspruch auf ein (etwaiges) Abfindungsguthaben nach den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft und ergänzend, je nach Vermögenslage des Handelsbetriebs und der Höhe der - hypothetischen - Abfindungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter, einen Anspruch auf Ersatz seines durch den Abfindungsanspruch nicht ausgeglichenen Schadens.
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a) Im vorliegenden Fall richten sich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie den übrigen stillen Gesellschaftern nach dem im Emissionsprospekt Stand 2001/2002 (Anlage K 2) abgedruckten atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV). Nach der von der Beklagten verwendeten, vom Kläger am 19. Dezember 2002 unterzeichneten „Bei- trittserklärung (Zeichnungsschein) als atypisch stiller Gesellschafter“ erklärt der Beitretende, dass für seine Beteiligung der im Prospekt abgedruckte atypisch stille Gesellschaftsvertrag gilt (Anlage K 1). In der Beitrittserklärung ist ferner vorgesehen, dass der „Antrag“ des Beitretenden vom Vorstand der Beklagten angenommen wird. Durch den von allen stillen Gesellschaftern mit ihrer Beitrittserklärung als verbindlich anerkannten stillen Gesellschaftsvertrag ist somit durch vertragliche Vereinbarung ein Gesellschaftsverhältnis zwischen allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten zustande gekommen. Der Beitritt des einzelnen stillen Gesellschafters zu dieser Gesellschaft ist dabei, wie bei Publikumsgesellschaften üblich (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15 f.; Urteil vom 14. November 1977 - II ZR 95/76, WM 1978, 136, 137), in der Weise erfolgt, dass die Beklagte die dazu erforderlichen Willenserklärungen auch im Namen der bereits beigetretenen stillen Gesellschafter abgegeben hat. Die insoweit erforderliche Ermächtigung der Beklagten ergibt sich daraus, dass sich die stillen Gesellschafter durch Unterzeichnung der Beitrittserklärung in Verbindung mit § 1 Nr. 3 GV ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben, dass sich weitere atypisch stille Gesellschafter an dem Handelsgewerbe der Beklagten beteiligen.
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Durch den Abschluss des stillen Gesellschaftsvertrags ist eine sog. mehrgliedrige stille Gesellschaft begründet worden. Dies folgt schon aus der Bestimmung des § 1 Nr. 2 GV. Dort wird die Vereinbarung, dass sich die Anleger am Handelsgewerbe der Beklagten als atypisch stille Gesellschafter beteiligen , ausdrücklich dahingehend erläutert, dass die Gesellschafter an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven der Vermögenssubstanz beteiligt sind und die einem Kommanditisten vergleichbaren Mitwirkungsrechte haben (§ 1 Nr. 2 Satz 2 GV), dass sie zusammen mit dem Geschäftsinhaber eine sogenannte mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaft bilden (§ 1 Nr. 2 Satz 3 GV) und dass mehrgliedrig heißt, dass nur eine atypisch stille Gesellschaft zwischen dem Geschäftsinhaber und allen atypisch stillen Gesellschaftern besteht (§ 1 Nr. 2 Satz 4 GV). Dass es sich nicht um (mehrere) bloß zweiseitige stille Gesellschaftsverhältnisse jeweils zwischen der Beklagten und den einzelnen stillen Gesellschaftern handelt, ergibt sich auch daraus, dass nach § 6 GV Gesellschafterbeschlüsse in Gesellschafterversammlungen oder im schriftlichen Beschlussverfahren gefasst werden und nach § 15 Nr. 1 GV die Kündigung eines stillen Gesellschafters nicht die Auflösung der stillen Gesellschaft insgesamt, sondern lediglich das Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters zur Folge hat.
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Das vorliegend vereinbarte stille Gesellschaftsverhältnis zwischen der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern ist ferner dadurch gekennzeichnet, dass nach § 5 Nr. 1 Satz 1 GV die Geschäftsführung zwar allein der Beklagten als Geschäftsinhaberin zusteht, sie aber nur zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte befugt ist, die zum laufenden Betrieb gehören. Über den laufenden Geschäftsbetrieb hinausgehende Maßnahmen darf die Beklagte nur mit Zustimmungsbeschluss der atypisch stillen Gesellschafter vornehmen (§ 5 Nr. 1 letzter Satz GV). Gesellschafterbeschlüsse bedürfen entweder der einfachen Mehrheit der abgegebenen und vertretenen Stimmen (§ 6 Nr. 1 GV) oder - etwa bei Änderung des Gesellschaftsvertrags - einer Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen (§ 6 Nr. 2 GV). Gesellschafterversammlungen werden mindestens einmal jährlich zur Mitteilung und Genehmigung des Jahresabschlusses vom Geschäftsinhaber einberufen oder finden statt, wenn das Interesse der Gesellschaft dies erfordert oder wenn stille Gesellschafter, die zusammen mehr als 25 Prozent des stillen Gesellschaftskapitals repräsentieren, eine Gesellschafterversammlung unter schriftlicher Angabe von Gründen hierfür verlangen (§ 7 Nr. 1 Satz 2 GV).
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Im Rahmen der Gewinn- und Verlustbeteiligung ist vereinbart, dass die Beklagte als Geschäftsbesorgungsvergütung einen ergebnisunabhängigen Vorabgewinn in Höhe von 0,75 Prozent p.a. auf das gezeichnete atypisch stille Gesellschaftskapital erhält (§ 10 Nr. 1 GV). Ferner steht ihr ein weiterer Vorabgewinn in Höhe von bis zu 10 Prozent zu, sobald die Gewinn- und Verlustkonten der atypisch stillen Gesellschafter ausgeglichen sind. Die atypisch stillen Gesellschafter sind an dem nach Maßgabe von § 12 GV zu berechnenden Steuerbilanzgewinn entsprechend dem Verhältnis ihrer eingezahlten Einlage zur Summe der eingezahlten Einlagen sämtlicher atypisch stiller Gesellschafter zuzüglich des voll eingezahlten Grundkapitals der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des stillen Gesellschaftsvertrags beteiligt. Am Steuerbilanzverlust nimmt der atypisch stille Gesellschafter entsprechend dem Verhältnis seiner eingezahlten Einlage zur Summe der eingezahlten Einlagen sämtlicher atypisch stiller Gesellschafter bis zur Höhe seiner Einlage teil. Eine Beteiligung der Beklagten am Verlust erfolgt nicht (§ 10 Nr. 2 b Satz 2 GV). Soweit ein Bilanzverlust durch verlustbeteiligte atypisch stille Einlagen nicht gedeckt werden kann, wird dieser zur Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen zu Lasten aller atypisch stillen Gesellschafter vorgetragen (§ 10 Nr. 2 c Satz 2 GV).
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Die Beteiligung der stillen Gesellschafter am Vermögen ist nach § 9 Nr. 1, § 16 GV dahingehend geregelt, dass sie im Falle ihres Ausscheidens oder bei Liquidation des Unternehmens der Beklagten entsprechend dem Verhältnis ihrer erbrachten Kapitalbeteiligung zu den Einlagen der anderen stillen Gesellschafter und dem voll eingezahlten Grundkapital des Geschäftsinhabers „einen Anteil an dem seit ihrem Beitritt zu dem Unternehmen der Beklagten ge- bildeten Vermögen einschließlich der stillen Reserven der bilanzierten Wirt- schaftsgüter (stille Reserven = Substanzwert des Unternehmens)“ erhalten. Grundlage der Bestimmung des den atypisch stillen Gesellschaftern bei Beendigung der Gesellschaft zustehenden Abfindungsguthabens ist der Auseinandersetzungswert für das gesamte Unternehmen der Beklagten, der die Beteiligung des atypisch stillen Gesellschafters an dem seit seinem Beitritt gebildeten Vermögen einschließlich der stillen Reserven in der Beklagten sowie seinen Anteil am Ertrags- und Substanzwert (Geschäftswert) als Differenz zwischen den Anfangs- und Endwerten berücksichtigt, § 16 Nr. 1 GV (zum Auseinandersetzungsanspruch des atypisch stillen Gesellschafters nach dem tatsächlichen Geschäftswert vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1995 - II ZR 132/94, WM 1995, 1277, 1278).
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b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass bei der vorliegenden Gestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs des stillen Gesellschafters entgegenstehen, wenn der Ersatz des entstandenen Schadens im Wege der Rückabwicklung der Beteiligung erfolgen soll.
23
aa) Anders als bei den Anlagemodellen, die den Senatsentscheidungen aus den Jahren 2004 und 2005 zugrunde lagen, besteht bei der vorliegenden Gestaltung nicht lediglich eine Vielzahl voneinander unabhängiger, bloß zweigliedriger stiller Gesellschaftsverhältnisse zwischen den jeweiligen Anlegern und der Beklagten. Durch den von allen stillen Gesellschaftern mit ihrer jeweiligen Beitrittserklärung als verbindlich anerkannten stillen Gesellschaftsvertrag ist vielmehr durch vertragliche Vereinbarung ein Gesellschaftsverhältnis zwischen allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten zustande gekommen. Aus den Regelungen in § 1 Nr. 2 GV sowie insbesondere in den §§ 6 und 7 GV über Gesellschafterbeschlüsse und die Gesellschafterversammlung und in § 15 Nr. 1 GV über die Wirkung einer Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch einen stillen Gesellschafter ergibt sich eindeutig, dass sich die mit der Abgabe der Beitrittserklärung begründete Rechtsbeziehung nicht auf ein nur zweiseitiges stilles Gesellschaftsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anleger und der Beklagten beschränkt, sondern der stille Gesellschafter einer aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern bestehenden Publikumsgesellschaft beitritt.
24
bb) Auf diese - zulässige (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 32/94, BGHZ 127, 176, 179) - Gestaltung eines einheitlichen Gesellschaftsverhältnisses zwischen dem Geschäftsinhaber und mehreren stillen Gesellschaftern sind schon wegen des schutzwürdigen Bestandsinteresses der Beteiligten grundsätzlich die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft anzuwenden. Die aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern bestehende (stille) Gesellschaft ist nicht nur durch die Zahlung der Einlagen der stillen Gesellschafter in Vollzug gesetzt worden. Nach § 7 Nr. 1 Satz 1 GV ist ferner mindestens einmal jährlich ein Beschluss über die Genehmigung des Jahresabschlusses zu fassen. Die Gewinn- und Verlustbeteiligung richtet sich dabei gemäß § 10 GV nach dem Verhältnis der Einlage des einzelnen stillen Gesellschafters zu den Einlagen sämtlicher stiller Gesellschafter. Es widerspräche dem Charakter der vorliegenden Gestaltung als einer auf Dauer angelegten und tatsächlich vollzogenen Leistungsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft, für welche die Beteiligten Beiträge erbracht und Werte geschaffen, die Gewinnchancen genutzt und gemeinschaftlich das Risiko getragen haben, wenn Maßnahmen, die nach Invollzugsetzung der Gesellschaft auf der Grundlage des zum jeweiligen Zeitpunkt maßgeblichen Gesellschafterbestands getroffen worden sind, mit rückwirkender Kraft geändert werden müssten, weil ein einzelner (oder mehrere ) Anleger im Wege eines Schadensersatzanspruches die Rückgängigmachung seiner Beteiligung begehrt, so wie hier der Kläger mit seiner im August 2011 eingereichten Klage fast 9 Jahre nach seinem Beitritt zur Gesellschaft.
25
cc) Die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ist nicht nur im Verhältnis zu der aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft, sondern auch in Bezug auf den aus dem Beitrittsvertrag hergeleiteten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte geboten , mit dem der Kläger so gestellt werden will, als habe er sich nicht als stiller Gesellschafter beteiligt (gegen einen Rückabwicklungsanspruch bei der mehr- gliedrigen atypisch stillen Gesellschaft mit teils unterschiedlicher Begründung und unter unterschiedlichen Voraussetzungen auch MünchKommHGB/ K. Schmidt, 3. Aufl., § 230 Rn. 133 ff.; Westermann, Handbuch Personengesellschaften , Rn. 221b ff.; ders., VGR 2009, 145, 165 f.; Wälzholz, DStR 2003, 1533, 1535; Hey, NZG 2004, 1097, 1098; Armbrüster/Joos, ZIP 2004, 189, 192; Bayer/Riedel, NJW 2003, 2567, 2572 Fn. 56; für eine Beschränkung des Er- satzanspruchs auf das „Eigenvermögen“ des Geschäftsinhabers Konzen, Fest- schrift H. P. Westermann, 2008, S. 1133, 1153 f.; gegen eine Differenzierung zwischen Schadensersatzansprüchen und anderen Nichtigkeitsfolgen Schäfer, ZHR 2006, 373, 391 ff., der sich allerdings grundsätzlich gegen die Anwendung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf die stille Gesellschaft wendet; vgl. ferner MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 6. Aufl., § 705 Rn. 359 f.; Schäfer in Großkommentar/HGB, 5. Aufl., § 105 Rn. 329 f.; Soergel/Hadding/Kießling, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 92; zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft auf Anleger, die bis zur Eintragung als Kommanditisten im Handelsregister als atypische stille Gesellschafter unter entsprechender Anwendung der Regelungen des Kommanditgesellschaftsvertrags beteiligt sein sollten , vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 198/10, ZIP 2013, 1533 Rn. 29).
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Zwar ist auch bei der vorliegenden Gestaltung wie bei bloß zweiseitigen stillen Gesellschaftsverhältnissen die Beklagte als Inhaberin des Handelsgewerbes i.S. des § 230 HGB und nicht die aus allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten bestehende Gesellschaft rechtlich Adressatin des nach Beendigung des fehlerhaften Gesellschaftsverhältnisses gegebenen Abfindungs- oder Auseinandersetzungsanspruchs. Bei einer isolierten Betrachtung, die allein auf die rechtliche Trennung zwischen der nach außen handelnden Beklagten und der lediglich als Innengesellschaft bestehenden (stillen) Gesellschaft zwischen der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern abstellt, bliebe jedoch unberücksichtigt , dass die Regelungen über den Bestand der einzelnen Beteiligungen einschließlich der Rechtsfolgen ihrer Beendigung im Gesellschaftsvertrag der aus allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten bestehenden Gesellschaft vereinbart und die Bestimmungen über Auseinandersetzung und Abfindung beim Ausscheiden eines stillen Gesellschafters mit Blick auf die Gesamtheit aller stillen Gesellschafter getroffen sind. Auch im Hinblick auf die Vermögenszuordnung würde eine auf bloße Rechtsbeziehungen jeweils zwischen den einzelnen stillen Gesellschaftern und der Beklagten bezogene Betrachtungsweise den wirtschaftlichen Gegebenheiten der vorliegenden Gestaltung nicht gerecht. Zwar sind die Einlagezahlungen der stillen Gesellschafter nach der Mittelverwendungskontrolle durch die Treuhänderin (§ 5 Nr. 2 GV) in das Vermögen der Beklagten übergegangen und verfügt die aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern bestehende Gesellschaft als solche folglich über kein Gesellschaftsvermögen. Als Schuldnerin der im atypisch stillen Gesellschaftsvertrag geregelten Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche kommt demgemäß auch nur die Beklagte in Betracht. Gleichwohl ist das rechtlich der Beklagten zustehende stille Gesellschaftskapital bei einer wirtschaftlichen Betrachtung der aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern gebildeten gesellschaftsrechtlichen Gestaltung zuzuordnen. In diesem Gebilde hat die Beklagte eine der einer Komplementärin einer Kommanditgesellschaft vergleichbare Stellung inne, die stillen Gesellschafter sind Kommanditisten gleichgestellt. Die Beklagte erhält eine ergebnisunabhängige Geschäftsbesorgungsvergütung und gegebenenfalls einen Vorabgewinn von bis zu 10 Prozent; am Verlust ist sie nicht beteiligt. Bei einem Grundkapital der Ende 1998 als GmbH gegründeten, Anfang 2000 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Beklagten in Höhe von 767.000 €, dessen Erhöhung auf 5 Mio. € der Beklagten nach § 1 Nr. 3 GV vor- behalten ist, und einem stillen Gesellschaftskapital von bis zu 250 Mio. DM (§ 4 Nr. 1 GV) tragen somit im Wesentlichen die stillen Gesellschafter das wirtschaftliche Risiko des von der Beklagten geführten Unternehmens.
27
Wegen der Verzahnung der einzelnen Beteiligungen sowohl miteinander als auch mit dem rechtlich der Beklagten zustehenden Vermögen einschließlich des durch die Einlagen der stillen Gesellschafter eingeworbenen Kapitals, die hier durch die zwischen der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern gebildete (Innen)Gesellschaft bewirkt wird, unterscheidet sich die vorliegende Konstellation auch von der Inanspruchnahme von Initiatoren, Gründungsgesellschaftern oder sonstigen Personen, die für Mängel des Beitritts eines (stillen) Gesellschafters zu einer (stillen) Gesellschaft verantwortlich sind. In diesen Fällen sind die Vermögenmassen, aus denen mit gegen diese Personen gerichteten Schadensersatzansprüchen Befriedigung begehrt wird, rechtlich und wirtschaftlich selbstständig und unterliegen keiner der vorliegenden Gestaltung vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen Bindung unter Einbeziehung sämtlicher Anleger. Die gesellschaftsrechtliche Verknüpfung der Rechtsbeziehungen aller stillen Gesellschafter zu der Beklagten und zueinander lässt es auch nicht zu, in dem Umstand, dass es bei einer gehäuften Inanspruchnahme der Beklagten durch stille Gesellschafter zu einem Gläubigerwettlauf kommen kann, lediglich eine bei jeder Gläubigerkonkurrenz mögliche Folge zu sehen. Bei einer wie hier durch tatsächliche Invollzugsetzung einer fehlerhaften Gesellschaft bewirkten gesellschaftsrechtlichen Bindung gebietet es schon die gesellschafterliche Treuepflicht, dass jedenfalls die gesellschaftsrechtlichen Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der einzelnen (ggf. fehlerhaft) Beigetretenen nur im Wege einer geordneten Auseinandersetzung geltend gemacht werden können. Aus diesem Grunde kann nach der Rechtsprechung des Senats sogar dann eine Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters zur Zahlung seiner Einlage trotz arglistiger Täuschung bestehen, wenn die Gesellschaft nach Aufdeckung des Betrugs abgewickelt wird, weil die Erfüllung der Einlagepflicht in einem solchen Fall der einheitlichen Verteilung der Vermögensverluste aller getäuschten Gesellschafter dient (BGH, Urteil vom 6. Februar 1958 - II ZR 210/56, BGHZ 26, 330, 336).
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4. Aus den soeben genannten Gründen führt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft zwar dazu, dass ein Anleger bei einer Gestaltung wie der vorliegenden nicht im Wege des Schadensersatzes Rückgängigmachung seiner Beteiligung verlangen kann. Er ist allerdings - auch unabhängig von einer (fehlerhaft) vereinbarten Befristung - berechtigt, das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung nach § 234 Abs. 1 HGB, § 723 BGB mit der Folge zu beenden, dass ihm gegebenenfalls ein nach den gesellschaftsvertraglichen Regeln zu berechnender Abfindungsanspruch zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 - II ZR 143/12, ZIP 2013, 1761 Rn. 23 mwN). Dabei ist ein etwaiger auf einer Pflichtverletzung des Geschäftsinhabers bei dem Beitritt des stillen Gesellschafters beruhender Schadensersatzanspruch dergestalt zu berücksichtigen , dass sich der geschädigte Anleger seinen Abfindungsanspruch anrechnen lassen muss und daher allenfalls Ersatz eines den Abfindungsanspruch übersteigenden Schadens verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1970 - II ZR 158/69, BGHZ 55, 5, 10).
29
Bei der hier gegebenen mehrgliedrigen stillen Gesellschaft ist wegen des oben dargelegten vorrangigen Interesses der Mitgesellschafter an einer geordneten Abwicklung die weitere Einschränkung geboten, dass ein über den nach gesellschaftsrechtlichen Regeln zu berechnenden Abfindungsanspruch hinausgehender Schadensersatzanspruch des stillen Gesellschafters die gleichmäßige Befriedigung der Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährden darf. Solange eine Schmälerung solcher Ansprüche anderer Anleger droht, ist der einzelne Anleger an der Durchsetzung eines auf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Beitritt ge- stützten Schadensersatzanspruchs gegen den Geschäftsinhaber gehindert (vgl. dazu Konzen, Festschrift H.P. Westermann, 2008, S. 1133, 1153 f.). Eine solche Gefährdung des schutzwürdigen Interesses der übrigen Anleger an einer geordneten Abwicklung droht nicht, wenn und soweit das Vermögen des Geschäftsinhabers im Zeitpunkt der Entscheidung über den Schadensersatzanspruch eines einzelnen Anlegers sowohl die zu diesem Zeitpunkt bestehenden (hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter als auch den Schadensersatzanspruch des betreffenden Anlegers deckt. Das ist der Fall, wenn bei einer auf diesen Zeitpunkt bezogenen fiktiven Auseinandersetzungsrechnung der gesamten mehrgliedrigen stillen Gesellschaft das Vermögen des Geschäftsinhabers ausreichen würde, um die (hier gemäß § 16 GV zu berechnenden hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter vollständig sowie den auf die den eigenen Abfindungsanspruch übersteigende Ersatzleistung gerichteten Schadensersatzanspruch des klagenden Anlegers (hier ggf. aus dem der Beklagten gemäß § 16 Nr. 1 a letzter Absatz GV nach dem Verhältnis ihres eingezahlten Grundkapitals zum stillen Gesellschaftskapital zustehenden Anteil am Auseinandersetzungswert ihres gesamten Unternehmens) ganz oder teilweise zu befriedigen. Ist dies nicht der Fall, kommt gleichwohl zumindest eine Feststellung des Schadensersatzanspruchs dem Grund und der Höhe nach in Betracht , da hierdurch die (hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter nicht gefährdet werden.
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Ist die Gesellschaft zwischen allen stillen Gesellschaftern tatsächlich aufgelöst und bestehen nach Beendigung der Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsherrn und allen stillen Gesellschaftern keine Auseinandersetzungsansprüche mehr, so stehen die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft einem verbleibenden, ggf. dem Grunde und dem Betrag nach bereits festgestellten Schadensersatzanspruch eines geschädigten Anlegers gleichfalls nicht mehr entgegen. In dem zuletzt genannten Fall mag es zwar zu einem „Wettlauf“ zwischen geschädigten Anlegern mit ihren gegen den Geschäftsinhaber gerichteten Schadensersatzansprüchen kommen. Die Mitgesellschafter stehen sich dabei jedoch nicht als solche, sondern lediglich als wie auch sonst miteinander konkurrierende Gläubiger eines Schuldners gegenüber. Aus diesem Grunde genügt es für den Wegfall des sich aus den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft ergebenden Hindernisses auch, wenn das verbleibende Vermögen des Geschäftsinhabers im Zeitpunkt der Entscheidung über den gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruch neben diesem die (bestehenden und hypothetischen ) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter deckt. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass es auch ausreicht , um vergleichbare Schadensersatzansprüche anderer (getäuschter) stiller Gesellschafter zu befriedigen.
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5. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht geprüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage nach dem Hauptbegehren daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
32
Da in der Erklärung eines Gesellschafters, seinen Beitritt mit rückwirkender Kraft beseitigen zu wollen, in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die Gesellschaft und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1974 - II ZR 27/73, BGHZ 63, 338, 344 f.; Urteil vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, BGHZ 153, 214, 223), kann auch im vorliegenden Fall von einer Kündigung des (stillen ) Gesellschaftsverhältnisses durch den Kläger ausgegangen werden. Dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch nicht unter Anrechnung eines etwa- igen Abfindungsguthabens berechnet hat, rechtfertigt eine (vollständige) Abweisung der Klage nicht, weil der Geschädigte nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 4 mwN) und dem Kläger daher Gelegenheit gegeben werden muss, sein Klagevorbringen an die in den Vorinstanzen nicht erörterten, oben dargelegten rechtlichen Vorgaben anzupassen. Für die Berechnung seines etwaigen Abfindungsanspruchs, dem die nur den weitergehenden Schadensersatzanspruch betreffende, auf die Sicherung ungeschmälerter eventueller Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter gerichtete Sperre nicht entgegenstünde , ist der Kläger zudem auf die Mitwirkung der Beklagten angewiesen, die gemäß § 16 Nr. 1 Buchst. g GV mit der Ermittlung des Abfindungsguthabens einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen hat.
33
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegehren des Klägers zur Sicherung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesellschafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch des Klägers gegenüber darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungsund Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zumindest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren des Klägers dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens ei- nes Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonstigen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gegeben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeitpunkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungsoder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, wie unter II. 4. ausgeführt, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
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6. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, soweit die Berufung des Klägers mit dem Hauptbegehren zurückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs treffen kann.
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Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.04.2012 - 28 O 18923/11 -
OLG München, Entscheidung vom 28.11.2012 - 20 U 2232/12 -
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aa) Anders als bei den Anlagemodellen, die den Senatsentscheidungen aus den Jahren 2004 und 2005 zugrunde lagen, besteht bei der vorliegenden Gestaltung nicht lediglich eine Vielzahl voneinander unabhängiger, bloß zweigliedriger stiller Gesellschaftsverhältnisse zwischen den jeweiligen Anlegern und der Beklagten. Durch den von allen stillen Gesellschaftern mit ihrer jeweiligen Beitrittserklärung als verbindlich anerkannten stillen Gesellschaftsvertrag ist vielmehr durch vertragliche Vereinbarung ein Gesellschaftsverhältnis zwischen allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten zustande gekommen. Aus den Regelungen in § 1 Nr. 2 GV sowie insbesondere in den §§ 6 und 7 GV über Gesellschafterbeschlüsse und die Gesellschafterversammlung und in § 15 Nr. 1 GV über die Wirkung einer Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch einen stillen Gesellschafter ergibt sich eindeutig, dass sich die mit der Abgabe der Beitrittserklärung begründete Rechtsbeziehung nicht auf ein nur zweiseitiges stilles Gesellschaftsverhältnis zwischen dem jeweiligen Anleger und der Beklagten beschränkt, sondern der stille Gesellschafter einer aus der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern bestehenden Publikumsgesellschaft beitritt.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 69/12 Verkündet am:
14. Mai 2012
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über den
Beitritt eines Anlegers zu einer Fondsgesellschaft eines Vertriebs bedient und diesem
oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung
der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet für deren unrichtige oder unzureichende
Angaben.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 - II ZR 69/12 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 14. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Bergmann und die Richterin Caliebe sowie die Richter Dr. Drescher,
Born und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. November 2008 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 18. März 2008 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Streithelferinnen tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung einer Beteiligung an der D. AG & Co. KG. Die Beklagte ist Gründungs- und Treuhandkommanditistin dieser Kommanditgesellschaft.
2
Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten am 9. Oktober 1996 Anteile an diesem Fonds, vermittelt durch den Anlagevermittler K. , und beauftragten die Beklagte als Treuhänderin, eine Beteiligung an dem Fonds als Treuhandkommanditistin in Höhe einer Gesamteinlage von 100.000 DM zu begründen und zur Finanzierung zuzüglich des Agios ein Darlehen zu den jeweils gültigen Konditionen bei den finanzierenden Kreditinstituten aufzunehmen. Die Beklagte schloss zur Finanzierung der Fondsanlage im November 1996 im Namen der Klägerin und ihres Ehegatten einen Darlehensvertrag mit der Landeskreditbank Baden-Württemberg über 106.600 DM. Die Klägerin und ihr Ehemann zahlten bis März 2004 insgesamt 35.273,76 € in Raten an die L. bank B. und - nach einer Umschuldung - 10.290 € an die V. bank P. . Sie erhielten Ausschüttungen in Höhe von 19.847,49 € und erzielten Steuervorteile über insgesamt 10.940,09 €.
3
Die Klägerin hat mit der Behauptung, sie und ihr Ehemann seien durch die unzutreffende Information des Anlagevermittlers K. , die Anlage sei eine gute Rentenanlage, die todsicher eine gute Rendite erwirtschaften würde und keinerlei Risiken aufweise, zum Abschluss des Treuhandvertrages und zur Zeichnung des Fonds veranlasst worden, von der Beklagten die Zahlung von 14.812,18 € nebst Zinsen und Freistellung von den Darlehensverpflichtungen Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile an der D. AG & Co. KG verlangt.
4
Das Landgericht hat die Beklagte bis auf einen Teil der Zinsen antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin.
5
Nach Zulassung der Revision wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom 3. Januar 2012 wurde es wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt. Im Revisionsverfahren sind die Streithelferinnen, die mit der Beklagten einen Vermögensschadenshaftpflichtvertrag abgeschlossen haben, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Entscheidungsgründe:


6
I. Das Revisionsverfahren ist fortzusetzen, weil infolge der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 211 Abs. 1 InsO die Unterbrechung gemäß § 240 Satz 1 ZPO beendet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 1989 - VII ZR 115/89, ZIP 1989, 1411).
7
II. Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
8
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Landgericht habe das Verhalten des Vermittlers K. , der fehlerhaft aufgeklärt habe, der Beklagten zu Unrecht gemäß § 278 BGB zugerechnet. Der Vermittler sei nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen. Die Tätigkeit des Erfüllungsgehilfen müsse sich als eine vom Schuldner gewollte Mitwirkung bei der Vertragserfüllung darstellen. Die Beklagte hafte zwar für fehlerhafte oder unzutreffende Angaben in dem von ihr mitverantworteten Anlageprospekt ebenso wie für Angaben von Vertriebsbeauftragten oder anderen Personen in ihrem Verantwortungsbereich. Da der Prospekt aber nicht fehlerhaft gewesen sei, sondern zutreffend über Chancen und Risiken der beabsichtigten Beteiligung informiert habe, habe keine Pflicht der Beklagten bestanden, auf fehlerhafte oder unvollständige Prospektangaben hinzuweisen. Es habe auch eine Pflicht der Beklagten bestanden, irreführende Angaben von Mitarbeitern des Vertriebs richtigzustellen. Dies habe jedoch zur Voraussetzung, dass ihr ein solcher Umstand bekannt gewesen sei. Im Rahmen des Vertriebs der Anlage selbst sei der Vermittler K. nicht im Verantwortungsbereich oder Pflichtenkreis der Beklagten tätig gewesen. Die Beklagte sei mit dem Vertrieb der Fondsbeteiligung nicht befasst gewesen, dies sei vielmehr laut Prospekt Aufgabe der E. GmbH gewesen. Der Vermittler sei daher nicht von der Beklagten eingeschaltet gewesen, die sich auch nicht die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze gemacht habe. Ein Anlageberatungsverhältnis der Klägerin und ihres Ehemanns mit der Beklagten sei nicht zustande gekommen.
9
2. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Beklagten sind fehlerhafte Angaben des Vermittlers K. zu den Risiken der Anlage nach § 278 BGB zuzurechnen.
10
a) Die Beklagte hatte als Gründungsgesellschafterin die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2011 - II ZR 202/09, AG 2011, 554 Rn. 9; Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 9 m.w.N.).
11
b) Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 7; Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 17; Urteil vom 26. September 2005 - II ZR 314/03, ZIP 2005, 2060, 2063; Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652; Urteil vom 3. Februar 2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urteil vom 14. Januar 1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; Urteil vom 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, ZIP 1984, 1473, 1474).
12
Die Verwendung eines Prospekts zur Aufklärung der Beitrittsinteressenten schließt es nicht aus, unzutreffende Angaben des Vermittlers dem Gründungsgesellschafter zuzurechnen. Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung , ist dies kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - III ZR 83/06, ZIP 2007, 1866 Rn. 10 für den Anlagevermittler; Urteil vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118 Rn. 24; Urteil vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, juris Rn. 7 für den Anlageberater). Daraus, dass eine Haftung auch dann besteht, wenn ein Prospekt verwendet wird (BGH, Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652), lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entnehmen, dass nur für vom Vermittler verschuldete Aufklärungsmängel in Bezug auf etwaige Prospektfehler oder für eine unterlassene Richtigstellung bekannt gewordener irreführender Angaben des Vermittlers gehaftet wird. Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für Pflichtverletzungen eines Erfüllungsgehilfen auch dann, wenn der Erfüllungsge- hilfe von seinen Weisungen abweicht, solange sein Handeln noch im Zusammenhang mit den ihm übertragenen Aufgaben steht (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1959 - VI ZR 222/58, BGHZ 31, 358, 366; Urteil vom 14. Februar 1989 - VI ZR 121/88, NJW-RR 1989, 723, 725). Die unzutreffende Erklärung des Vermittlers K. über die Risiken der Beteiligung an dem Fonds, die Beteiligung sei sicher, da hinter dieser Minister der Bayerischen Staatsregierung stünden, geschah im Zusammenhang mit der übertragenen, der Beklagten als Gründungsgesellschafterin zukommenden Aufgabe, die Beitrittsinteressenten über die Nachteile und Risiken der Beteiligung aufzuklären.
13
c) Die Beklagte hat die Pflicht zur Aufklärung teilweise auf die Vertriebsgesellschaft übertragen. Dass sie nach dem Prospekt nicht selbst für den Vertrieb der Anlage zuständig war, sondern der Vertrieb Aufgabe der E. GmbH war, ändert entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts an der Zurechnung nichts. Die Beklagte hat die Aufklärung der Beitrittsinteressenten der Vertriebsgesellschaft übertragen, weil sie nach dem im Prospekt genannten Konzept Beitrittsinteressenten nicht selbst, sondern über die Vertriebsgesellschaft warb. Dieser Vertriebsgesellschaft wurden damit auch die Verhandlungen mit den Beitrittsinteressenten und ihre Aufklärung übertragen.
14
Wenn das anstelle des Gründungsgesellschafters mit den Beitrittsverhandlungen und der Aufklärung beauftragte Vertriebsunternehmen weitere Untervermittler zugezogen hat, führt dies zur Haftung der Gründungsgesellschafter nach § 278 BGB für ein Verschulden der Untervermittler. Das Verschulden von Untervermittlern ist schon dann zuzurechnen, wenn mit ihrem Einsatz gerechnet werden musste (BGH, Urteil vom 8. Januar 2004 - VII ZR 181/02, NJW 2004, 2156, 2157; Urteil vom 9. Juli 1998 - III ZR 158/97, ZIP 1998, 1389, 1390; Urteil vom 24. September 1996 - XI ZR 318/95, ZIP 1996, 1950, 1951). Die Beklagte musste hier bereits deshalb mit der Einschaltung weiterer Untervermittler rechnen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das mit dem Vertrieb beauftragte Unternehmen Untervermittler einschalten durfte.
15
3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht wegen der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung des Ersatzanspruchs als richtig.
16
a) Der Anspruch ist nicht nach § 10 Nr. 2 des Treuhandvertrags verjährt. Danach soll der Anspruch des Treugebers auf Schadensersatz, gleich aus welchem Rechtsgrund, auch aus der Verletzung von Pflichten bei den Vertragsverhandlungen , in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähren, in dem der Anspruch entstanden ist, soweit er nicht kraft Gesetzes einer kürzeren Verjährung unterliegt, und innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Kenntniserlangung von dem Schaden geltend zu machen sein. Eine solche Klausel ist aufgrund der Verkürzung der Verjährung für Schadensersatzansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis auf weniger als fünf Jahre unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rn. 50; Urteil vom 13. Juli 2006 - III ZR 361/04, ZIP 2006, 1631 Rn. 14; Urteil vom 20. März 2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 9; Urteil vom 14. April 1975 - II ZR 147/73, BGHZ 64, 238, 241 ff.).
17
b) Der Anspruch ist entgegen der Auffassung der Streithelferinnen auch nicht nach der bis 31. Dezember 2003 geltenden Vorschrift des § 51a WPO verjährt. Danach verjährte der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Wirtschaftsprüfer bestehenden Vertragsverhältnis in fünf Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Die Beklagte schuldet Schadensersatz aber nicht aus einem Vertragsver- hältnis zwischen ihr und der Klägerin und ihrem Ehemann wegen einer Verletzung ihrer Pflichten aus dem Treuhandvertrag, sondern wegen unzureichender Aufklärung als Gründungsgesellschafterin im Zusammenhang mit dem Beitritt der Klägerin und ihres Ehemannes zur Gesellschaft. Schadensersatzansprüche , die ein Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft gegenüber einem anderen Gesellschafter wegen der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten geltend macht, verjähren nach allgemeinen Regeln und nicht nach den berufsspezifischen Spezialnormen. Die Pflichten und die Haftung eines Gesellschafters richten sich unabhängig von seinem Beruf nach den Vorschriften, die für jeden Gesellschafter in gleicher Situation gelten (BGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - III ZR 361/04, ZIP 2006, 1631 Rn. 13; Urteil vom 20. März 2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 8; Urteil vom 24. Mai 1982 - II ZR 124/81, BGHZ 84, 141, 149).
18
Entgegen der Auffassung der Streithelferinnen kommt es dabei nicht darauf an, ob nur ein Kommanditist oder mehrere Kommanditisten als Gründungsgesellschafter vorhanden sind. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Treugeber den Treuhänder als Gründungsgesellschafter in Anspruch nehmen können. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Anleger nach dem Gesellschafts- und Treuhandvertrag wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt werden (BGH, Urteil vom 20. März 2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849 Rn. 7). § 7 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags stellt die treuhänderisch beteiligten Gesellschafter den unmittelbar beteiligten Gesellschaftern ausdrücklich gleich.
19
c) Der Anspruch ist schließlich nicht deshalb nach §§ 195, 199 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB verjährt, weil die Klägerin und ihr Ehemann den Prospekt mit den Risikohinweisen nicht gelesen haben, wie die Beklagte behauptet. In Prospekthaftungs- und Anlageberatungsfällen liegt eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Allgemeinen nicht schon dann vor, wenn sich die für die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände einer Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung notwendigen Informationen aus dem Anlageprospekt ergeben, der Anleger es aber unterlassen hat, durch die Lektüre des Prospekts die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters oder -vermittlers auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 31 ff.; Urteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, ZIP 2010, 1760 Rn. 15 und - III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 17; Urteil vom 22. September 2011 - III ZR 186/10, NJWRR 2012, 111 Rn. 10; Urteil vom 27. September 2011 - VI ZR 135/10, ZIP 2011, 2361 Rn. 11).

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III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weitere tatsächliche Feststellungen sind nicht zu treffen.
Bergmann Caliebe Drescher
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 18.03.2008 - 28 O 20067/07 -
OLG München, Entscheidung vom 07.11.2008 - 25 U 3167/08 -

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I I Z R 3 1 4 / 1 3
vom
23. September 2014
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. September 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, die Richterin Caliebe, die Richter
Dr. Drescher, Born und Sunder
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt , die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 23. August 2013 gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis zu 13.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.
2
I. Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 17. Dezember 2005 im Modell „Classic“ mit einer Einmalzahlung von 10.000 € zzgl. 600 € Agio als atypische stille Gesellschafterin an der Beklagten. Die Beteiligung wurde ihr von einem Vermittler auf Basis des ihr vor Unterzeichnung nicht ausgehändigten Emissionsprospekts Stand 2005 und - so der streitige Vortrag der Klägerin - anhand von Schulungsmaterial erläutert, das dem Vermittler von der Beklagten zur Verfügung gestellt worden sein soll.
3
Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne die Rückabwicklung der Beteiligung und deshalb Zahlung von 9.141,67 €. Das entspricht den Einlagezahlungen inklusive Agio in Höhe von 10.600 € ab- züglich der erhaltenen Ausschüttungen. Ferner macht sie entgangenen Gewinn in Höhe von 2.928,78 € sowie die Erstattung von Rechtsanwaltskostengeltend und begehrt die Feststellung, dass die Beklagte sich im Annahmeverzug befindet und verpflichtet ist, die Klägerin von einer etwaigen Haftung freizustellen und ihr etwaige weitere Schäden zu ersetzen.
4
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rückabwicklung schon wegen der auf die vorliegende mehrgliedrige atypische stille Gesellschaft anwendbaren Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ausgeschlossen und außerdem eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten mangels Prospektfehlers nicht zu erkennen sei. Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision weiter.
5
II. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.
6
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen unter anderem dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2010 - II ZR 156/09, ZIP 2010, 1080 Rn. 3; Beschluss vom 3. Juni 2014 - II ZR 67/13, juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
7
a) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29. November 2004 (II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256) ausdrücklich offen gelassen habe, ob die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft, jedenfalls in der Rechtsform der Publikumsgesellschaft, einem Anspruch auf Einlagenrückgewähr entgegenstünden.
8
Diese Frage hat der Senat inzwischen dahin beantwortet, dass ein Anspruch auf Rückabwicklung ausgeschlossen ist, gleichwohl der Anleger, dessen Rückabwicklungsbegehren in der Regel in eine Kündigung des (stillen) Gesellschaftsverhältnisses aus wichtigem Grund umgedeutet werden kann, neben einem etwaigen Abfindungsguthaben gegebenenfalls Schadensersatz verlangen kann, wenn hierdurch die Abfindungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter nicht beeinträchtigt werden (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 22 ff.).
9
b) Das Berufungsurteil steht mit dieser jüngsten Senatsrechtsprechung zwar nicht im Einklang, soweit es jegliche Schadensersatzansprüche unter Berufung auf die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft verneint. Da das Berufungsgericht seine Entscheidung jedoch zusätzlich darauf gestützt hat, dass eine Aufklärungspflichtverletzung, die sowohl für eine Kündigung aus wichtigem Grund als auch für einen Anspruch auf Ersatz eines unter Umständen neben einem etwaigen Abfindungsanspruch bestehenden Schadens Voraussetzung wäre, nicht vorliegt, ist diese Abweichung von der Rechtsprechung des Senats nicht entscheidungserheblich und hindert ein Vorgehen nach § 552a ZPO nicht.
10
2. Das Berufungsgericht hat die Revision weiter hinsichtlich der gerügten und vom Berufungsgericht verneinten Fehler des streitgegenständlichen Prospekts zugelassen. Insoweit stellen sich jedoch gleichfalls keine zulassungsrelevanten Rechtsfragen.
11
Die Anforderungen, welche an eine ordnungsgemäße Aufklärung eines Anlegers zu stellen sind, sind hinreichend geklärt. Einem Anleger muss für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, das heißt er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 7; Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 13 mwN). Wird dem Anlageinteressenten statt einer rein mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht, kann das als Mittel der Aufklärung genügen. Dann muss der Prospekt aber nach Form und Inhalt geeignet sein, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständ- lich zu vermitteln. Außerdem muss er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 757 f. mwN). Wird der Prospekt, wie im vorliegenden Fall, nicht vor der Zeichnung übergeben, erfolgt die Vermittlung aber auf Grundlage des Prospekts , gilt nichts anderes, da sich etwaige Prospektmängel in das Beratungsgespräch hinein fortsetzen und genauso wirken, wie wenn dem Anleger der Prospekt rechtzeitig übergeben worden wäre und er kein Gespräch mit dem Anlagevermittler geführt, sondern sich alleine aus dem Prospekt informiert hätte (BGH, Urteil vom 3. Dezember 2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rn. 17 f.). Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt (BGH, Urteil vom 5. März 2013 - II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 14 mwN).
12
Ob die hier von der Klägerin behauptete Aufklärungspflichtverletzung vorliegt, kann anhand dieser Rechtsgrundsätze auf der Grundlage der vom Tatrichter insoweit zu treffenden tatsächlichen Feststellungen beantwortet wer- den. Der vom Berufungsgericht „im Hinblick auf die vonder Klägerin gerügten Fehler des streitgegenständlichen Prospektes“ getroffenen Zulassungsent- scheidung lässt sich auch unter Berücksichtigung der weiteren Entscheidungsgründe nicht entnehmen, dass - und gegebenenfalls welche - Rechtsfragen zur Entscheidung des Revisionsgerichts gestellt werden sollen. Insbesondere bei solchen Prospektfehlern, die darin bestehen (sollen), dass bestimmte Angaben im Prospekt in tatsächlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig sind und deshalb ein unzutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermitteln, kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nur in Bezug auf eine dadurch aufgeworfene Rechtsfrage in Betracht, nicht dagegen, um eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu ermöglichen, die auf eine Überprüfung ausschließlich der tatsächlichen Grundlagen der Annahme des Tatrichters, wegen eines solchen Prospektfehlers liege ein Aufklärungsverschulden vor bzw. liege nicht vor, beschränkt wäre.
13
Im Übrigen stellen sich hier etwaige Fragen „im Hinblickauf Fehler des streitgegenständlichen Prospektes“ nicht in einer unbestimmten Vielzahl von Verfahren. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 3 mwN). Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine große Anzahl denselben Fonds betreffende Einzelverfahren handelt, es aber wie hier nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 192). Dass im vorliegenden Fall eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sein könnte, ist ebenfalls nicht zu erkennen.
14
III. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten verneint.
15
1. Das Berufungsgericht hat sich zu Recht lediglich mit dem Emissionsprospekt Stand 2005 beschäftigt. Dem Vortrag der Klägerin, dass die Risiken der Beteiligung in den Schulungsunterlagen, mit denen der Vermittler über das Beteiligungskonzept informiert und für seine Gespräche mit den Anlegern geschult worden sei, verkürzt und damit unvollständig bzw. irreführend dargestellt seien und Unterschiede zwischen dem Inhalt des Prospekts und den Schulungsunterlagen bestünden, musste das Berufungsgericht schon deshalb nicht nachgehen, weil nach ihrem weiteren Vorbringen das Vermittlungsgespräch anhand des Prospekts und der Schulungsunterlagen erfolgt ist. Die Klägerin hat ausdrücklich vorgetragen, dass sich der Vermittler des Prospekts als Grundlage des Beratungsgesprächs bedient habe, der Inhalt des Prospekts damit wesentlicher Inhalt des Beratungsgesprächs und damit der Prospekt und die Prospektfehler ursächlich für ihre Zeichnung der Anlage gewesen seien. Auch die Revision will den Vortrag der Klägerin dahin verstanden wissen, dass über die entsprechenden Risiken eine Aufklärung nach dem Inhalt des Prospektes und der Schulungsunterlagen erfolgt sei. Dann durfte das Berufungsgericht aber mangels anderweitigen konkreten Vortrags davon ausgehen, dass der Klägerin alle in dem Prospekt enthaltenen Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Wenn durch den Inhalt des Prospekts eine hinreichende Aufklärung über die Risiken der Beteiligung erfolgt ist, wie das Berufungsgericht angenommen hat, kommt es auf eine etwaige abweichende Darstellung in den Schulungsunterlagen demnach nicht an.
16
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Prospekt ausreichend über das Totalverlustrisiko aufklärt.
17
a) Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts , dass das Risiko eines Totalverlustes im Prospekt an mehreren Stellen (u.a. S. 12 und 13) erwähnt wird. Sie macht jedoch geltend, der Prospekt hätte erläutern müssen, unter welchen für die Anlageform typischen Voraussetzungen solche Verluste entstehen könnten. Bei einem Blind Pool-Fonds, bei dem im Zeitpunkt der Beteiligung die konkreten einzelnen Investitionsvorhaben der Gesellschaft und deren Finanzierung noch nicht festgelegt seien, sei das Unternehmenskonzept zu erläutern und darzustellen, welche naheliegenden, grundlegenden Fehlentscheidungen des Managements und naheliegenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ein Totalverlustrisiko bewirken könnten. Für den Bereich „Vermietung, Wertentwicklung“ bedeute dies die Darstellung der Dauer der geschlossenen Mietverträge sowie die Erläuterung, ob ortsübliche, ungewöhnlich niedrige oder ungewöhnlich hohe Mietzinsen vereinbart seien. Nur dann könne der Anleger erkennen, welche Art von Entscheidung als Fehlentscheidung auf die Unternehmensentwicklung derart Einfluss habe, dass die Entscheidung einen Totalverlust auslösen könne.
18
Damit überspannt die Revision jedoch die Anforderungen an die Pflicht zur Aufklärung über ein mögliches Totalverlustrisiko. Unternehmensgegenstand der Beklagten sind Logistik-Immobilien und Logistik-Immobiliendienstleistungen (Prospekt S. 10, 12, 18 ff.). Bei Immobilienfonds steht, anderes als etwa bei einem Filmfonds, bei dem ein Misserfolg der Produktion unmittelbar einen entsprechenden Verlust des eingebrachten Kapitals nach sich zieht, mit dem Immobilienvermögen der Investition ein Sachwert gegenüber, der in aller Regel erhalten bleibt, so dass das Risiko eines vollständigen Kapitalverlusts gering ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 18; Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NZG 2014, 904 Rn. 28). Zu einem Totalverlust des Anlagebetrags kann es erst dann kommen, wenn die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Wert der Immobilien vollständig aufzehren. Aufklärungspflichtig sind deshalb lediglich risikoerhöhende Umstände, die dem Anleger unbekannt sind, wie etwa ein überteuerter Erwerb der Immobilien, der Einsatz von Eigenkapital für investitionsfremde Zwecke oder der Verfall der betreffenden Immobilienpreise (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, ZIP 2009, 2377 Rn. 25). Die Klägerin hat solche Umstände bezüglich der Investitionen , die zum Zeitpunkt der Zeichnung schon getätigt waren - vor allem Beteiligungen an fünf Immobilienobjektgesellschaften (vgl. Prospekt S. 12, 18 ff.) - nicht vorgetragen. Bezüglich der weiteren, noch nicht feststehenden Investitionen werden im Prospekt auf S. 31 abstrakte Anlagegrundsätze aufgelistet, welche die Revision nicht in Zweifel zieht. Damit werden im Prospekt, der keine verharmlosenden oder beschönigenden Hinweise enthält, die Risiken der Anlage und insbesondere das Risiko eines möglichen Totalverlusts, das bei einer unternehmerischen Beteiligung in der Natur der Sache liegt und sich nicht sicher abschätzen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NZG 2014, 904 Rn. 29), hinreichend deutlich aufgezeigt.
19
b) Die Revision beanstandet ferner ohne Erfolg im Zusammenhang mit der Darstellung des Totalverlustrisikos eine Passage auf S. 12 des Prospekts, wonach „ein unerwartet negativer Verlauf der Investitionen, der eine Fortführung der Gesellschaft nicht gestattet“, zu einem Verlust der Kapitalanlage füh- ren könne. Der Prospekt verdeutliche nicht ausreichend, dass zwischen der Beklagten und der mehrgliedrigen atypischen Gesellschaft zu unterscheiden sei und ein Totalverlustrisiko nicht nur dann drohe, wenn - wie es besagte Passage suggeriere - die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit beenden müsse.
20
Dieser Angriff der Revision geht schon deshalb fehl, weil die stille Gesellschaft gemeint ist, wenn im Prospekt von der Gesellschaft die Rede ist. Die Beklagte wird dagegen im Prospekt regelmäßig namentlich bezeichnet. In der Präambel des am Ende des Prospekts abgedruckten atypischen stillen Gesellschaftsvertrags (Prospekt S. 112) ist dies (für den Vertragstext) ausdrücklich klargestellt. Bei sorgfältiger und eingehender Lektüre des Prospekts liegt es deshalb fern, in der von der Revision angeführten Passage zum Totalverlustri- siko unter der Gesellschaft die Beklagte zu verstehen und deshalb das Totalverlustrisiko (zwingend) mit dem Ende der Beklagten zu verknüpfen.
21
3. Entgegen der Ansicht der Revision weist der Prospekt auf eine etwaige Verpflichtung zur Rückzahlung der den Anlegern ausbezahlten gewinnunabhängigen Ausschüttungen für alle Möglichkeiten der Beendigung der Beteiligung und nicht nur für den Fall eines Insolvenzverfahrens oder einer Unterbilanz hin. In der Zusammenfassung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken werden zwar im Wesentlichen nur die Fälle der Insolvenz und der Unterbilanz angesprochen. Auf S. 67 wird aber ausführlich die vorzeitige Beendigung der Beteiligung behandelt und in diesem Zusammenhang, in dem ein Anleger eine solche Information auch erwartet, ausgeführt, dass im Falle eines negativen Abfindungsbetrags der ausscheidende Gesellschafter bis zur Höhe etwaiger an ihn erfolgter Auszahlungen zur Leistung an die Beklagte verpflichtet ist. Einzelheiten finden sich außerdem auf S. 80 in den Erläuterungen zur Berechnung des Abfindungsguthabens.
22
4. Im Hinblick auf die Darstellung von kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen sind Prospektfehler gleichfalls nicht erkennbar.
23
a) Erforderlich ist eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern , in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und der diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder Sondervorteile (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 - II ZR 43/12, juris Rn. 7 mwN).
24
Die von der Klägerin behaupteten Kommanditbeteiligungen des Vorstandsmitglieds T. K. und des Aufsichtsrats B. G. an der G. AG & Co. KG werden im Prospekt zwar nicht ausdrücklich aufgeführt. Selbst wenn es aber die G. AG & Co. KG und die behaupteten Kommanditbeteiligungen von T. K. und B. G. zum Zeitpunkt der Zeichnung bereits gegeben haben sollte, ist gleichwohl ein Fehler des Prospekts nicht ersichtlich. Die Klägerin hat schon nicht vorgetragen, dass die G. AG & Co. KG in die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben eingebunden gewesen wäre und Verflechtungen insoweit aufklärungspflichtig gewesen wären. Der Umstand, dass T. K. und B. G. - dieser als Hauptgesellschafter - an der G. Gruppe beteiligt waren, wird auf S. 38 bis 40 des Prospekts offengelegt. Zudem wird schon auf S. 14 des Prospekts unter der Überschrift „Schlüsselpersonen/Vertragspartner“ allgemein erläutert, dass die Vorstände der Beklagten gleichzeitig wesentliche Positionen und Ämter in Unternehmen der übrigen G. Gruppe bekleiden und es, da die Beklagte auch Objektgesellschaften aus dem Bestand der G. Gruppe erwerbe und auch im Übrigen auf deren Know-how zurückgreife, zu Interessenkonflikten zwischen der G. Gruppe einerseits und der Beklagten und der für sie handelnden Personen andererseits kommen könne.
25
b) Entgegen der Auffassung der Revision besteht ein Aufklärungsmangel nicht darin, dass die Mitglieder des Anlageausschusses im Prospekt als unabhängig dargestellt würden, obwohl der im Anlageausschuss tätige Steuerberater G. B. Gesellschafter der S. Treuhand GmbH tätig sei, welche als Vollmachtnehmerin der Anleger fungiere (Prospekt S. 32, 96), und G. B. außerdem Steuerberater einer Gesellschaft der G. Gruppe sei (Prospekt S. 98).
26
Diese Verflechtungen machen die Angabe, dass der Anlageausschuss seine Entscheidungen unabhängig - das heißt keinen Weisungen unterliegend - trifft, indes nicht falsch. Durch die im Prospekt erfolgte Offenlegung der Verflechtungen werden dem Anleger vielmehr hinreichende Informationen geboten, um selbst beurteilen zu können, ob faktisch eine Beeinflussung der Entscheidungen des Anlageausschusses durch die G. Gruppe droht.
27
5. Die von der Revision unter dem Gesichtspunkt der Fremdfinanzierung zusammengefassten Prospektfehler liegen nicht vor.
28
a) Der Umstand, dass ein Teil der Anleger die Einlagen in Raten erbringt und deshalb ungeplante größere Ausfälle bei den Ratenanlegern sich negativ auf die Liquiditäts- und Ertragslage der Beklagten auswirken können, wird im Prospekt auf S. 14 und 15 unter der Überschrift „Zufluss atypisch stillen Beteili- gungskapitals/Emissionsvolumen/ Durchführungsrisiko“ erläutert.
29
b) Eine detaillierte Erläuterung, welche Folgen der Ausfall von Fremdkapitalgebern auf die einzelnen Objektgesellschaften und die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten konkret haben könnte, war schon deshalb nicht möglich , weil es sich um einen Blind Pool-Fonds handelt und die einzelnen Investitionen zum Zeitpunkt der Zeichnung noch gar nicht abschließend feststanden. Die Beklagte konnte deshalb nur allgemein darauf hinweisen, dass eine Änderung der Zinskonditionen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Fonds haben könne.
30
6. Schließlich genügen die Prospektangaben auch im Hinblick auf die weichen Kosten den Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung der Anleger.
31
a) Ein Prospekt ist fehlerhaft, wenn der Anleger dem Prospekt den für seine Anlageentscheidung wesentlichen Umstand, in welchem Umfang seine Beteiligung nicht in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet wird, nicht ohne weiteres entnehmen kann. Mit den Anforderungen an einen wahrheitsgemäßen, vollständigen und verständlichen Prospekt ist es nicht zu vereinbaren, wenn der Anleger zur Ermittlung des Anteils der Weichkosten erst verschiedene Prospektangaben abgleichen und anschließend eine Reihe von Rechengängen durchführen muss (BGH, Urteil vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04, ZIP 2006, 893 Rn. 9). Nicht erforderlich ist andererseits, dass der Anteil der Weichkosten im Prospekt mit einer Prozentzahl vom Anlagebetrag angegeben wird. Vielmehr genügt es, wenn der Anleger diesen Anteil mittels eines einfachen Rechenschritts feststellen kann (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - III ZR 404/12, ZIP 2014, 381 Rn. 14 ff.).
32
Eine solche Berechnung ist hier ohne Schwierigkeiten schon allein anhand der Angaben in der grafisch deutlich hervorgehobenen Tabellenübersicht mit der Überschrift „Mittelherkunft, Mittelverwendung 2001 bis 2005 für die erste Eigenkapital-Tranche von 50 Millionen Euro“ auf S. 58 des Prospekts möglich. Unter „Mittelherkunft“ werden u.a. die im angegebenen Zeitraum einzuzahlenden atypisch stillen Einlagen mit 37,5 Mio. € und das Agio mit 3 Mio. € angege- ben. Als eine Position der Mittelverwendung werden die Platzierungskosten brutto mit 11,9 Mio. € genannt. Dass das Agio von 3 Mio. € zur Deckung der Platzierungskosten nicht ausreicht, liegt ohne jede Berechnung auf der Hand. Mittels einfacher Rechnung kann der Anleger feststellen, dass die verbleiben- den 8,9 Mio. € 17,8 %des insgesamt in der ersten Tranche angestrebten Ei- genkapitals von 50 Mio. € bzw. 23,7 %des aufgrund der teilweisen Ratenzahlung der Anleger in den ersten beiden Jahren geringeren zu erwartenden Ei- genkapitals von 37,5 Mio. € ausmachen und damit dieser Anteil der Einlagen für Investitionen nicht zur Verfügung steht.
33
b) Die Rüge der Revision, dass der Prospekt trotz dieser zutreffenden Informationen irreführend sei, weil im Fließtext auf S. 59 die Platzierungskosten mit „11,9 Millionen Euro bzw. 7,5 Prozent“ angegeben würden, ist unbegründet. Bei den angegebenen 7,5 % handelt es sich um den Anteil der Platzierungskosten an den geplanten Gesamtausgaben, welche nicht nur aus den Einlagen, sondern auch aus dem geplanten erheblichen Fremdkapital bestritten werden. Dies lässt sich unschwer der Tabelle auf S. 58 entnehmen, auf die der Fließtext auf S. 59 schon im Eingangssatz verweist („Die auf S. 58 aufgeführte Gegenüberstellung ...“). Der Einwand, die Bezugsgröße der Prozentangabe werde nicht genannt, geht deshalb fehl.
34
Die Darstellung der Weichkosten ist, anders als die Revision meint, auch nicht unübersichtlich und unstrukturiert, weil das Agio an ganz anderer Stelle erläutert werde. Zum einen kann von einem Anleger eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts verlangt werden (BGH, Urteil vom 5. März 2013 - II ZR 252/11, ZIP 2013, 773 Rn. 14 mwN). Zum anderen ist das Agio in der Tabelle auf S. 58 als eine Position der Mittelherkunft aufgeführt.
35
Schließlich ist es fernliegend, dass ein Anleger aus dem Umstand, dass das Agio 6 % des Beteiligungskapitals ausmache, den unzutreffenden Eindruck gewinnen könnte, dass lediglich 1,5 % (7,5 % abzüglich 6 %) der Einlagen zur Deckung der verbleibenden Emissionskosten benötigt würden.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.10.2012 - 318 O 53/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 23.08.2013 - 11 U 217/12 -
20
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige , der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte "Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff. mwN). Die Beweislastumkehr greift bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein, ohne dass es darauf ankommt, ob der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 30 ff. mwN).

(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen.

(2) Der Antrag ist nicht zu berücksichtigen, wenn er Tatsachen betrifft, deren Gegenteil das Gericht für erwiesen erachtet.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 90/10
Verkündet am:
7. Juli 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Hucke und Tombrink

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15. März 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) mit seiner im Dezember 2007 eingereichten Klage unter dem Vorwurf fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Auf Empfehlung eines für die Beklagte tätigen Handelsvertreters zeichnete der Kläger im Mai 2001 eine Beteiligung an der F. Beteiligungsgesellschaft 74 GmbH & Co. KG (im Folgenden: F. -Fonds 74), einem geschlossenen Immobilienfonds, über eine Summe von 50.000 DM (nebst 5 % Agio). Diese Anlage finanzierte der Kläger in Höhe von 40.000 DM über ein Darlehen bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. Für das zweite Halbjahr 2004 stellte der F. -Fonds 74 seine Ausschüttungen ein und befindet sich seitdem in wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
3
Der Kläger hat behauptet, er habe ausdrücklich eine sichere Anlage ohne zusätzliche finanzielle Belastungen gewünscht. Der ihn beratende Handelsvertreter der Beklagten habe die Kapitalanlage unzutreffend als maximal werthaltig , renditestark und steuersparend, als "finanziellen Selbstläufer" sowie als absolut sicher und verlustrisikolos dargestellt. Er habe weiter erklärt, die Anlage biete eine Mindestrendite von 7,5 % (bzw. 7 %) jährlich, einen zuverlässigen Vermögenszuwachs und nach Ablauf von zehn Jahren eine freie Veräußerbarkeit sowie ein zusätzliches Einkommen aus den Ausschüttungen. Den Anlageprospekt habe er, der Kläger, erst nach Zeichnung der Anlage übersandt erhalten ; während der Beratungsgespräche sei ein Prospekt für den F. -Fonds 73 (Vorgängerfonds, dem der Kläger zunächst beitreten wollte) nur "lose durchgeblättert" und hierbei lediglich auf die darin enthaltenen Bilder hingewiesen worden , ohne den (weiteren) Inhalt anzusprechen. Der Kläger hat geltend gemacht , er sei weder anleger- noch objektgerecht beraten worden. Insbesondere habe er keine Aufklärung über den unternehmerischen Charakter der Beteiligung , die Verlustrisiken bis hin zum Totalverlustrisiko, die hohe Kreditfinanzierung der Fondsimmobilien, deren mangelnde Werthaltigkeit und die stark eingeschränkte Fungibilität der Beteiligung erhalten. Zudem habe die Beklagte weder über die wirtschaftliche Schieflage der F. -Gruppe und des Mietgarantiegebers noch über eine kritische Meldung in der Zeitung "Euro am Sonntag" vom 1. April 2001 noch über Mängel des Anlageprospekts (hier vor allem: unrealistische und irreführende Renditeaussichten) informiert.
4
Die Beklagte ist diesem Vorbringen im Einzelnen entgegengetreten.

5
Das Landgericht hat die Klage in Richtung auf die Beklagte durch Teilurteil abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


6
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


7
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind Schadensersatzansprüche des Klägers, soweit auf der Grundlage seines streitigen Vortrags Beratungsfehler in Betracht kommen, verjährt. Es hat hierzu ausgeführt:
8
Zwischen den Parteien sei ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden. Wenn man den vom Kläger geschilderten Inhalt des Beratungsgesprächs als wahr zu Grunde lege, habe die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten zur anleger- und objektgerechten Beratung verletzt. Soweit hiernach für die Anlageentscheidung des Klägers ursächliche Beratungsmängel in Betracht kämen , seien Schadensersatzansprüche indes verjährt. Die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist hätten bereits zum 1. Januar 2002 vorgelegen mit der Folge des Ablaufs der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2004. Es sei dem Kläger als grob fahrlässige Unkenntnis der behaupteten Beratungsfehler anzulasten, dass er schon im Jahre 2001 deutliche Warnhinweise ignoriert habe und sich aufdrängenden Fragen zum Beratungsinhalt nicht nachgegangen sei. Der Kläger habe die ihm zur Unterschrift vorgelegten Vertragsunterlagen inhaltlich zur Kenntnis nehmen müssen. Aus dem Darlehensantrag vom 25. April 2001, der Gesprächsnotiz vom gleichen Tage sowie aus den Beitrittserklärungen vom 25. April (betreffend F. -Fonds 73) und 8. Mai 2001 (bezüglich F. -Fonds 74) habe er erkennen können und müssen, dass die behaupteten Angaben des Anlageberaters in für die Anlageentscheidung zentralen Punkten unzutreffend beziehungsweise unvollständig gewesen seien und ihm eine von den Fondsinitiatoren und der Beklagten als bedeutsam eingestufte Informationsquelle, nämlich der Verkaufsprospekt, vorenthalten worden sei. In Anbetracht der hier getroffenen weit reichenden Investitionsentscheidung gehöre es unbedingt zu der in eigenen Angelegenheiten einzuhaltenden Sorgfalt, dass sich der Anlageinteressent anhand des vorgehaltenen Informationsmaterials vergewissere, inwieweit die Kapitalanlage seinen Vorstellungen und Wünschen entspreche und welche Risiken sie berge. Die unterbliebene Nachfrage nach dem Prospekt sei umso unverständlicher, als der - in Geldanlagen nicht unerfahrene - Kläger in beiden Zeichnungsscheinen mit gesonderter Unterschrift jeweils ausdrücklich die Aushändigung des Prospekts bestätigt habe. Aus dem Prospekt habe der Kläger unschwer - auch ohne vertiefte Lektüre - den unternehmerischen Charakter der Beteiligung und die damit verbundenen Risiken erfahren und zudem entnehmen können, dass diese Beteiligung für seine Anlageziele ungeeignet gewesen sei.

II.


9
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
10
1. Soweit das Berufungsgericht annimmt, dass ein Anlageberatungsvertrag geschlossen worden ist und aufgrund des streitigen Vortrags des Klägers zum Inhalt des Beratungsgesprächs Schadensersatzverpflichtungen der Beklagten wegen Beratungsfehlern in Betracht kommen, wird dies von den Parteien im Revisionsverfahren nicht beanstandet; aus revisionsrechtlicher Sicht bestehen hiergegen auch keine Bedenken.
11
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verjährung des Klageanspruchs sind jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
12
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der hier in Rede stehende Schadensersatzanspruch wegen positiver Vertragsverletzung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) im Jahre 2001, nämlich mit dem von der Beklagten empfohlenen Erwerb der Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds F. -Fonds 74, entstanden ist (§ 198 Satz 1 BGB a.F.) und mithin zunächst der 30jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. unterlag. Der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage stellt bereits für sich genommen einen Schaden dar und berechtigt ihn deshalb - unabhängig von der (ursprünglichen) Werthaltigkeit der Anlage - dazu, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Erwerbs der Anlage zu verlangen; der Schadensersatzanspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Kapitalanlage (Senatsurteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152, 159 f Rn. 24 mwN; vom 22. Juli 2010 - III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 12; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, NZG 2010, 1026, 1027 Rn. 10 und vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, WM 2011, 874, 875 Rn. 9).
13
b) Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB gilt seit dem 1. Januar 2002 für den bis dahin nicht verjährten Schadensersatzanspruch die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB n.F., wobei für den Fristbeginn nunmehr zusätzlich zur Anspruchentstehung (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.) die subjektiven Voraussetzungen nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen müssen; der Gläubiger muss also von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen (s. etwa Senatsurteile vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 119 Rn. 13; vom 8. Juli 2010 aaO S. 160 Rn. 25 mwN; vom 22. Juli 2010 - III ZR 99/09 aaO Rn. 11; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO Rn. 11 und vom 24. März 2011 aaO Rn. 10 mwN; BGH, Urteile vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506 Rn. 8 mwN; vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576, 2578 Rn. 23; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, VersR 2010, 214, 215 Rn. 10 und vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, WM 2010, 1399, 1400 Rn. 11). Für eine dahingehende Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Klägers trägt der Schuldner - hier also die Beklagte - die Darlegungs- und Beweislast (s. etwa Senatsurteile vom 8. Juli 2010 aaO; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO und vom 24. März 2011 aaO S. 875 Rn. 10 und S. 876 Rn. 17 mwN).
14
Insoweit sind folgende Maßgaben zu beachten:
15
aa) Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB berechnet sich für jeden Beratungsfehler (bezüglich von einander abgrenzbarer, offenbarungspflichtiger Umstände) gesondert; die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB sind getrennt für jede Pflichtverletzung zu prüfen, und jede Pflichtverletzung ist in dieser Hinsicht verjährungsrechtlich selbständig zu behandeln (s. dazu BGH, Urteile vom 9. November 2007 aaO S. 507 Rn. 17 und vom 23. Juni 2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372, 373 Rn. 14; Senatsurteile vom 19. November 2009 aaO S. 119 f Rn. 15; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO Rn. 13 und vom 24. März 2011 aaO Rn. 11). Die verjährungsrechtlich gesonderte Prüfung mehrerer Pflichtverletzungen setzt nicht voraus, dass jede dieser Pflichtverletzungen eigenständige oder zusätzliche Schadensfolgen nach sich gezogen hat. Es genügt vielmehr, dass mehrere (von einander abgrenzbare) Pflichtverletzungen zum Gesamtschaden beigetragen haben und ein Schadensersatzanspruch auf mehrere (von einander abgrenzbare) Fehler gestützt wird (BGH, Urteile vom 9. November 2007 aaO und vom 23. Juni 2009 aaO; Senatsurteile vom 19. November 2009 aaO; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO und vom 24. März 2011 aaO S. 875 f Rn. 14 ff).
16
bb) Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage , sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend , wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es - abgesehen von Ausnahmefällen - nicht auf die zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt im Grundsatz die Kenntnis der den Einzelanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Hierzu gehört in Fällen unzureichender Beratung oder Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt. Die dem Geschädigten bekannten Tatsachen müssen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als nahe liegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten - lediglich - zumutbar sein, auf Grund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (s. zu alldem etwa BGH, Urteile vom 3. Juni 2008 aaO S. 2578 f Rn. 27 f mwN; vom 23. September 2008 - XI ZR 253/07, NJW-RR 2009, 544, 546 Rn. 32 f; vom 10. November 2009 aaO S. 216 Rn. 14 und vom 15. Juni 2010 aaO Rn. 12).
17
cc) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können (Senatsurteile vom 8. Juli 2010 aaO S. 161 Rn. 28 mwN; vom 22. Juli 2010 - III ZR 99/09 aaO Rn. 16 sowie III ZR 203/09 aaO Rn. 12; BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO S. 215 Rn. 13 mwN). Ihn trifft indes generell keine Obliegenheit, im Inte- resse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (Senatsurteile vom 8. Juli 2010 aaO S. 161 f Rn. 28 und vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO; BGH, Urteil vom 10. November 2009 aaO S. 216 Rn. 15 f mwN).
18
c) Diesen Maßgaben wird die Würdigung des Berufungsgerichts nicht in vollem Umfang gerecht. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in jeder Hinsicht zutreffend erkannt.
19
aa) Wie der Senat inzwischen - nach Erlass des Berufungsurteils - mehrfach entschieden hat, genügt der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, für sich allein genommen noch nicht, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Auskunfts- oder Beratungsfehlern des Anlageberaters oder -vermittlers, die als solche aus der Lektüre des Prospekts ersichtlich wären, zu begründen (Senatsurteile vom 8. Juli 2010 aaO S. 162 ff Rn. 29 ff; vom 22. Juli 2010 - III ZR 99/09 aaO S. 68 Rn. 13 und S. 69 Rn. 17 ff; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO S. 1027 f Rn. 15 ff und vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871 Rn. 19). Der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben "seines" Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst" zu sehen. Unterlässt der Anleger eine "Kontrolle" des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts , so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und ist deshalb für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar" (Senatsurteile vom 8. Juli 2010 aaO S. 163 f Rn. 33; vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO S. 1028 Rn. 15 sowie III ZR 99/09 aaO S. 69 Rn. 19). Sofern im Einzelfall aus besonderen Gründen konkreter Anlass dafür entsteht, den Emissionsprospekt wegen des Verdachts auf eine bestimmte Pflichtverletzung (Beratungs- oder Auskunftsfehler) durchzulesen, beschränkt sich die Obliegenheit des Anlegers auf die diese Pflichtverletzung unmittelbar betreffenden Passagen des Prospekts; sie erstreckt sich mithin nicht (jedenfalls: nicht ohne Weiteres) auf weitere abgrenzbare, aus der Lektüre anderer Passagen des Prospekts etwa ersichtliche Aufklärungsfehler des Beraters oder Vermittlers (Senatsurteil vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09 aaO S. 1028 Rn. 18 f).
20
bb) Hiernach beanstandet die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht eine den Beginn der Verjährung auslösende grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den behaupteten Beratungsfehlern im Kern daraus hergeleitet hat, dass der Kläger die Anforderung und Lektüre des Emissionsprospekts - den er seiner Behauptung nach erst einige Zeit nach der Zeichnung der Beteiligung erhielt - unterlassen habe. Dies vermag nach der erwähnten Senatsrechtsprechung noch keine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu begründen.
21
Soweit das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers - zusätzlich - aus weiteren Umständen, insbesondere aus der unterbliebenen Beachtung von Hinweisen und gesondert unterzeichneten Erklärungen in anderen Vertragsunterlagen, entnimmt, hält dies den Angriffen der Revision und der hierauf bezogenen rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Aus diesen Umständen ergibt sich kein derart deutlicher und auffälliger Hinweis auf (etwaige) Beratungsfehler, dass eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers angenommen werden könnte.
22
Dem Darlehensantrag vom 25. April 2001 sind keinerlei"Warnhinweise" zu entnehmen. Aus dem Darlehensvertrag vom 25. April/8. Mai 2001 konnte der Kläger zwar erkennen, dass am 30. April 2011 noch ein Darlehensbetrag von 22.874,90 DM offen stehen würde. Dies mag möglicherweise einen Anhalt geben für die Unrichtigkeit der behaupteten Beratung dahin, dass die Anlage nach Ablauf von zehn Jahren Überschüsse und ein"zusätzliches Einkommen" erbringen werde, aber noch keinen Aufschluss über die Unrichtigkeit der behaupteten Beratung des Inhalts, dass sich die Anlage finanziell (über Ausschüttungen und Steuervorteile) durchgehend selbst trage, und - erst recht - nicht über die weiteren vom Kläger gerügten Beratungsfehler.
23
Die Beitrittserklärungen vom 25. April und 8. Mai 2001 enthalten die (formularmäßige) Angabe, dass der Anleger den Prospektinhalt vollinhaltlich zur Kenntnis genommen habe, sowie eine gesondert unterzeichnete "Informationsbestätigung" , wonach der Anleger den vollständigen Prospekt ausgehändigt bekommen habe, ihm ausreichend Zeit geblieben sei, den Prospektinhalt zur Kenntnis zu nehmen, und weitere über den Prospektinhalt hinausgehende Versprechungen und Zusicherungen nicht gemacht worden seien. Hieraus ergibt sich kein Anhalt für vom behaupteten Beratungsinhalt abweichende Risikohin- weise, zumal nicht derart, dass der Anleger nicht ohne grobe Fahrlässigkeit von der Durchsicht des Anlageprospekts (und der damit verbundenen "Kontrolle" der Angaben "seines" Beraters) absehen dürfte. Mithin bedarf es entgegen der Ansicht der Revision keiner Entscheidung, ob diese formularmäßigen Bestätigungen gemäß §§ 307 ff BGB unwirksam sind.
24
Die "Gesprächsnotiz" vom 25. April 2001 enthält unter Nummer 6 zwar eine Reihe von Hinweisen. Diese sind aber nicht geeignet, die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von der Unrichtigkeit des behaupteten Inhalts der mündlichen Beratung zu stützen. Insbesondere die angeblich zugesagten (Kern-)Merkmale der "Sicherheit", "selbst tragendenFinanzierung" sowie dauerhaften, stabilen und hohen "Rentabilität" der Anlage werden durch diese Hinweise nicht - jedenfalls nicht mit der nötigen Klarheit und Auffälligkeit - in Zweifel gezogen; vielmehr wird vornehmlich auf den langfristigen Charakter der Kapitalanlage und mögliche Abschläge im Falle einer vorzeitigen Veräußerung (also auf eine solchermaßen eingeschränkte Fungibilität) aufmerksam gemacht (s. Nummer 6.1. und 6.2.).
25
Auch die übrigen vom Berufungsgericht angeführten Fallumstände vermögen keine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers zu begründen. Dies gilt insbesondere für die "Anlageerfahrung" des Klägers. Diese beschränkte sich zur damaligen Zeit - worauf die Revision zutreffend hinweist - auf eher "konservative" Kapitalanlagen (nämlich: Spareinlagen, Sparbriefe etc.); über spezifische Kenntnisse über Anlagen in geschlossenen Immobilienfonds verfügte der Kläger - soweit ersichtlich - nicht.
26
d) Somit tragen die gegebene Begründung und die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Folgerung, dass der Klageanspruch verjährt sei.
27
3. Das Berufungsurteil ist nach alldem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht insbesondere zum Vorliegen von haftungsbegründenden Beratungsfehlern - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine abschließenden Feststellungen getroffen hat und die Sache daher nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat hiernach Gelegenheit, sich mit dem weiteren Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu befassen. Schlick Dörr Herrmann Hucke Tombrink
Vorinstanzen:
LG Würzburg, Entscheidung vom 07.07.2009 - 11 O 3019/07 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 15.03.2010 - 4 U 160/09 -