I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die vom Kläger geforderte Vergütung für erbrachte zahnärztliche Leistungen vom 21.03. bis 08.06.2012 und die von der Beklagten im Rahmen der Widerklage geforderte Zahlung von Schmerzensgeld, Rückzahlung an den Zahnarzt gezahlten Honorars und Feststellung der weiteren Ersatzpflicht des Klägers.
Hinsichtlich des erstinstanziellen Verfahrens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 30.04.2013 (Bl. 35/38 d. A.) und 03.11.2015 (Bl. 151/157 d. A.), die erstinstanziell eingeholten Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dr. M. und Dr. Peter K. sowie die im Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen verwiesen, die Beweissicherungsakte 10 OH 1664/13 LG München I war beigezogen.
Das Erstgericht hatte die auf Zahlung des Honorars an den Kläger in Höhe von 7.817,24 € nebst Zinsen, Mahnauslagen sowie außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gerichtete Klage zugesprochen, die auf Zahlung von 5.000,-- € nebst außergerichtlichen Kosten und Zinsen, auf Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht des Klägers gegenüber der Beklagten gerichtete Widerklage abgewiesen. Auf das Endurteil (Bl. 158/173 d. A.) wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte die erstinstanziell mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche unverändert weiter und wendet sich gegen die Verurteilung zur restlichen Honorarzahlung.
Sie rügt insbesondere, dass angebotene Beweise nicht zur Sachverhaltsdarstellung herangezogen worden seien, die Beweiswürdigung fehlerhaft sei und das erstinstanzliche Urteil auf diesen Fehlern beruhe. So habe das Erstgericht gegen seine Verpflichtung zur Ausschöpfung aller prozessual zu Gebote stehenden Beweismittel verstoßen. Lägen - wie hier - divergierende Ergebnisse von 2 Sachverständigengutachten vor, wobei die verschiedenen Sachverständigen von denselben Annahmen ausgingen, dürfe das erkennende Gericht den Streit der Gutachter untereinander nicht dadurch lösen, dass es ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gebe. Bei einer solchen Ausgangslage müsse nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Richter vielmehr den einzelnen Widersprüchen in den unterschiedlichen Gutachten nachgehen und sich eine begründete Überzeugung von der Richtigkeit eines der Gutachten zu verschaffen versuchen. Um dem Rechnung zu tragen, wäre das Erstgericht hier gehalten gewesen, den weiteren Beweisangeboten der Beklagten nachzukommen.
Explizit werde gerügt, dass die zu den beklagtenseits gerügten Mängeln angebotenen Zeugen Frau Dr. med. B. sowie Prof. DDr. M., Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, nicht als Zeugen einvernommen worden seien. Die erstgenannte Zeugin hätte hier als sachverständige Zeugin, die als erste den mangelhaften Zustand bei der Beklagten untersuchte und dokumentierte, spätestens dann einvernommen werden müssen, nachdem das Gericht die - für die Beklagte überraschende - Auffassung im Urteil geäußert habe, dass beweismäßig eine non-liquet-Situation vorliege.
In dem Urteil fehle jegliche Auseinandersetzung mit dem MDK-Gutachten der Frau Dr. med. dent. Gabriele B. vom 30.09.2012, welches das Erstgericht immerhin ausweislich des Beweisbeschlusses vom 06.02.2014 für relevant angesehen habe und auf welches im Gutachten des Dr. K. vom 08.05.2014 Bezug genommen wurde.
Eine die schriftlichen und sodann zu erwartenden mündlichen Ausführungen der Frau Dr. med. dent. B. einschließende Beweiswürdigung wäre zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger hier eine mangelhafte Arbeit abgeliefert habe, die auch unbrauchbar gewesen sei. Die Mangelhaftigkeit der klägerischen Arbeit unterstellt, hätte Prof. DDr. M. den beklagtenseits geschilderten Behandlungsverlauf und Leidensweg seit dem 22.07.2014 bestätigt.
Abgesehen davon habe die Beklagte explizit mit Schriftsatz vom 18.01.2016 die Unschlüssigkeit der klägerseits abgerechneten Fremdlaborkosten von 9.409,88 € gerügt und beantragt, dem Kläger aufzuerlegen, die Fremdlaborkostenrechnung gemäß § 134 ZPO zur Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle niederzulegen. Dem sei nicht Rechnung getragen worden.
Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 20.04.2016 (Bl. 206/214 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
I. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 19.01.2016 die Klage abzuweisen,
II. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.000,-- € nebst außergerichtlichen Kosten in Höhe von 603,93 € nebst 5 Prozent-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.11.2012 zu bezahlen,
III. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin ein angemessenes Schmerzensgeld aufgrund der zahnärztlichen Behandlung vom 17.05.2012, nicht jedoch unter 8.000,-- € zu bezahlen,
IV. festzustellen, dass der Kläger und Widerbeklagte der Beklagten und Widerklägerin sämtliche weiteren Kosten, die der Beklagten und Widerklägerin aus der fehlerhaften Zahnbehandlung vom 17.05.2012 entstehen werden, zu ersetzen habe.
Vorsorglich beantragt der Beklagtenvertreter,
das Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägervertreter beantragen,
die Berufung zurückzuweisen und der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.
Der Kläger verteidigt das beklagtenseits angefochtene Ersturteil.
Insbesondere sei das Erstgericht zu Recht nicht erneut in die Beweisaufnahme eingetreten, da von der Einvernahme der sachverständigen Zeugin Dr. B. keine neuen Erkenntnisse zu erwarten gewesen seien.
Es sei festzuhalten, dass beide Sachverständige die vom Kläger durchgeführte Behandlung unterschiedlich bewertet hätten, ohne dass das Erstgericht in der Lage gewesen sei, einem der beiden Gutachter den Vorzug zu geben, was das Erstgericht überzeugend und ausführlich begründet habe. Es habe ferner nachvollziehbar dargelegt, dass der Sachverhalt „ausermittelt“ sei, weshalb es zu Recht die Auffassung vertreten habe, dass die Vernehmung der sachverständigen Zeugin Dr. B. keine neuen Erkenntnisse bringen würde.
Zu Unrecht rüge die Beklagte ferner eine Verletzung der Grundsätze zur Beweislastverteilung durch das Erstgericht. Nachdem durch entsprechende Befragung der beiden Sachverständigen keine Aufklärung der Widersprüche gelungen sei, habe eine non-liquet-Situation mit der Folge vorgelegen, dass mangels Schadensersatzanspruch der Beklagten der Honorarklage stattzugeben gewesen sei und die Widerklage habe abgewiesen werden müssen. Darüber hinaus sei die geltend gemachte Schmerzensgeldforderung der Beklagten zu hoch angesetzt, da nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. das Kiefergelenk der Beklagten bereits vorgeschädigt gewesen sei.
Auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderung vom 28.06.2016 (Bl. 220/223 d. A.) wird Bezug genommen.
Der Senat hat am 07.09.2016 mündlich verhandelt, auf das Protokoll wird verwiesen. Der in der Sitzung geschlossene widerrufliche Vergleich wurde klägerseits widerrufen.
II. 1. Die zulässige Berufung der Beklagten führt, entsprechend dem beklagtenseits gestellten Hilfsantrag, zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht München I gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel in Form unterbliebener Aufklärung liegt vor, da das Erstgericht die Honorarklage zugesprochen und die Widerklage abgewiesen hat, nachdem es von der erforderlichen Weiterführung der Beweisaufnahme ohne zulässigen Ablehnungsgrund Abstand nahm (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl. 2014, Bearbeiter Reichold, § 538, Rn. 11). Infolge dieses Verfahrensfehlers ist eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Herbeiführung der Entscheidungsreife unterblieben.
Das Erstgericht hat sich mit den widersprechenden Gutachten der Sachverständigen Dr. Müller und Dr. K. eingehend auseinandergesetzt, letztlich jedoch die Auffassung vertreten, dass keiner der vertretenen Ansichten der Vorzug zu geben sei mit der Folge, dass die Sachverständigenfrage zu Ungunsten der beweisbelasteten Partei zu entscheiden sei. Eine erneute Ermittlung derjenigen Anknüpfungstatsachen, welche die beiden Sachverständigen im Rahmen der Gutachtensstellung ermittelt hätten, sei wenig erfolgversprechend. Dies resultiere daraus, dass zwischenzeitlich eine Nachbehandlung durchgeführt worden sei und daher die Leistungen des Klägers nicht mehr vorhanden seien. Eine Einvernahme der Zeugin Dr. B. oder des Zeugen Prof. DDr. M. sei nicht erforderlich, da eine weitere Sachverhaltsaufklärung hierdurch auch nicht möglich sei, die beiden gerichtlicherseits beauftragten Sachverständigen hätten die Beklagte ausführlich untersucht.
Damit hat das Erstgericht, ausgehend von der wahrscheinlichen Erfolglosigkeit der diesbezüglichen Beweisaufnahme, verfahrensfehlerhaft (BGH NJW 1999, 143) die Beweiswürdigung vorweggenommen.
Tatsächlich hat die Zeugin Dr. B. die Beklagte am 20.09.2012 untersucht, nur 3 1/2 Monate nach Abschluss der streitgegenständlichen Behandlung. Der Sachverständige Dr. Ulrich M. untersuchte sie erst am 01.10.2013, der Sachverständige Oberarzt Dr. Peter K. am 22.04.2014.
Die Ausführungen im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Bayern vom 30.09.2012 (Anlage B 2 zu Bl. 19/29 d. A.) sind sehr eindeutig (s. dort Seite 3 „intraoraler Befund“). Der Sachverständige Dr. Ulrich M. gab in seiner Anhörung an, sich mit der mutmaßlichen Unterhakbarkeit der Kronen sehr genau befasst zu haben und die Untersuchungen mit einer handelsüblichen nicht kalibrierten Sonde durchgeführt zu haben. Die Diskrepanz zum weiteren Gutachten könne er nur so erklären, dass hier eventuell andere Maßstäbe angelegt worden seien oder sich der Befund verändert habe. Heute könne er sich an die klinische Situation nicht mehr genau erinnern. Demgegenüber bekundete der Sachverständige Dr. Peter K., er habe eine deutliche Stufenbildung bzw. Unterhakbarkeit des Kronenrandes, die nicht mehr tolerabel sei, festgestellt. Diese Ausführungen legen nahe, dass die Sachverständigen Dr. M. und Dr. K. aus dem von ihnen jeweils vorgefundenen Erscheinungsbild unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen haben, möglicherweise bedingt durch Unterschiede in der Wahrnehmung sowie in der Handhabung der zur Untersuchung verwendeten Sonde. Von daher wäre durch eine Einvernahme der sachverständigen Zeugin Dr. B., die die Untersuchung zeitnah nach Behandlungabschluss vornahm, durchaus eine zuverlässige Beschreibung des von ihr festgestellten Zustandes zu erwarten, einschließlich der Methodik, derer sie sich zur Herbeiführung ihrer gutachtlichen Bewertung bedient hat. Ausgehend hiervon erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein bei der Befragung der sachverständigen Zeugin Dr. B. sowie der bisherigen Gutachter Dr. M. und Dr. K. anwesender weiterer gerichtlicher Sachverständiger sich ein Bild von der Zuverlässigkeit der getroffenen Feststellungen machen und dieses auch dem Gericht vermitteln kann. Hieraus ergibt sich das Erfordernis einer umfangreichen Beweisaufnahme, die - im Hinblick auf die kontroversen Auffassungen der Parteien hinsichtlich des Umfangs der gegebenenfalls gebotenen Kürzungen der klägerischen Rechnung (vgl. Schriftsätze vom 11.11.2015 (nach Bl. 157 d. A.) und vom 18.01.2016 (vgl. Bl. 174/177 d. A.)) zu einer weiteren erforderlichen Einholung eines Gutachtens führen wird. Dabei mag sich darüber hinaus dann auch die Notwendigkeit einer Einvernahme des von der Beklagten benannten Zeugen Prof. Dr. Dr. M. ergeben. Die vom Gericht zur weiteren Aufklärung durchzuführende Beweisaufnahme wird in jedem Fall umfangreich sein, was die Zurückverweisung rechtfertigt.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die Kosten des Berufungsverfahrens kann gleichfalls nicht entschieden werden, da die Kostenquote vom endgültigen Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien abhängig ist.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Ein Ausspruch zur Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO war nicht veranlasst, nachdem keine der Parteien aus dem Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben kann.
3. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).