Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Feb. 2017 - 10 U 4448/16

bei uns veröffentlicht am24.02.2017

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers vom 15.01.2016 wird das Endurteil des LG Deggendorf vom 11.10.2016, Az.: 31 O 266/16, abgeändert und wie folgt neugefasst:

1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger 6.320,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.06.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger samtverbindlich von der Inanspruchnahme durch die Kanzlei Rechtsanwälte P. und W., P., bezüglich vorprozessualer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) tragen der Kläger 1/5 und die Beklagten samtverbindlich 4/5.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

I. Wie vom Senat bereits mit Verfügung vom 21.12.2016 ausgeführt, gilt Folgendes:

1.) Zur Haftungsverteilung:

Ausgehend von den vom Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellten und daher den Senat gem. § 529 I Nr. 1 ZPO bindenden Tatsachen ist weder eine Haftungsverteilung im Verhältnis 60 : 40 zulasten der Beklagten (so das Erstgericht) noch eine solche im Verhältnis 100 : 0 zulasten der Beklagten (so der Kläger und Berufungskläger) zutreffend, sondern eine solche von 80 : 20 zulasten der Beklagten. Denn während der Beklagten zu 1) ein Verschulden an dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nachgewiesen worden ist, ist dem Kläger kein Verschulden nachgewiesen worden. Allerdings tritt die allgemeine, mit 20% zu bewertende Betriebsgefahr des klägerischen Pkws nicht zurück. Im Einzelnen:

a) Der Beklagten zu 1) ist ein Verschulden am streitgegenständlichen Verkehrsunfall nachgewiesen worden, nämlich ein Verstoß gegen das in § 5 IV 1 StVO normierte Gebot, sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob sie gegen dieses Gebot dadurch verstoßen hat, dass sie sich schlicht nicht hinreichend vergewissert hatte, dass sie zum Überholen ausscheren konnte, ohne den nachfolgenden Verkehr zu gefährden, worauf die klägerische Version vom Unfallhergang hindeutet, oder ob es so war, wie sie selbst vorgetragen hat, dass sie nämlich den bereits im Überholvorgang befindlichen klägerischen Pkw erkannt hatte und gleichwohl - unter grober Verkennung der Umstände - nach links ausscherte, um noch vor dem klägerischen Pkw ihrerseits das erste Fahrzeug der Kolonne zu überholen.

b) Entgegen den Ausführungen im Ersturteil ist demgegenüber dem Kläger kein Verschulden nachgewiesen worden. Soweit das Erstgericht ein solches in einem vermeintlichen Verstoß des Klägers gegen das in § 5 III Nr. 1 StVO normierte Verbot, bei unklarer Verkehrslage zu überholen, sieht und dies damit begründet, dass es angesichts der Gesamtumstände (erlaubte 100 km/h, ungehinderte Sicht nach vorne, kein Gegenverkehr, Geschwindigkeit des vordersten Fahrzeugs nur 80 km/h) „überaus nahe“ gelegen habe, dass auch weitere in der Kolonne fahrende Fahrzeugführer zum Überholen ansetzen würden, entspricht dies nicht der ständigen Rechtsprechung, wonach das Überholen einer Kolonne als solches noch keinen Fall des Überholens bei unklarer Verkehrslage darstellt, sondern dass dafür besondere Umstände hinzukommen müssen (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 5 StVO, Rdnr. 34 m. w. N.). Die o.g. vom Erstgericht genannten Umstände stellen keinesfalls solche besonderen Umstände dar. Anders würde es sich beispielsweise verhalten, wenn - wie in dem vom Senat mit Urteil vom 09.04.2010, Az.: 10 U 4406/09, juris, entschiedenen Fall - die zu überholenden Fahrzeuge langsamer werden und nach links blinken oder - wie in dem vom OLG Karlsruhe mit Urteil vom 26.07.2001, Az.: 9 U 195/00, NZV 2001,473, entschiedenen Fall - die Kolonne nur mit ca. 25 km/h fährt und ein Überholen zuvor durch eine durchgezogene gerade Linie auf der Fahrbahnmitte untersagt war.

Ergänzend hierzu ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten im Berufungserwiderungsschriftsatz vom 19.01.2017 Folgendes zu bemerken: Widersprüchlich ist die Auffassung der Beklagten, wonach es einerseits das Erstgericht nicht verkannt habe, dass das Überholen einer Kolonne nicht verboten ist, es andererseits für die Beklagten nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Senat von seiner Ansicht abrücke, dass jedes Überholen einer Kolonne gegen § 5 III Nr. 1 StVO verstoße. Tatsächlich ist das Überholen einer Kolonne, wie bereits ausgeführt, per se nicht verboten. Soweit die Beklagten demgegenüber das Urteil des Senats vom 09.04.2010, Az.: 10 U 4406/09, juris, im gegenteiligen Sinne verstehen, ist, wie ebenfalls bereits ausgeführt, darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung nicht nur von dem Fall eines Überholens einer Kolonne als solchem geprägt wurde, sondern davon, dass die zu überholenden Fahrzeuge langsamer wurden und zwei Fahrzeuge nach links blinkten. Zutreffend und unmissverständlich heißt es dann auch bei juris im ersten Orientierungssatz zu dieser Entscheidung: „Überholt ein Kraftfahrer eine Fahrzeugkolonne in unklarer Verkehrslage i. S. d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, die sich daraus ergibt, dass zwei Fahrzeuge vor ihm die Geschwindigkeit verringert haben und nach links blinken…“ Entgegen der weiterhin geäußerten Ansicht der Beklagten stellt es per se auch keinen besonderen Umstand dar, welcher den Tatbestand einer unklaren Verkehrslage i. S. d. § 5 III Nr. 1 StVO begründet, wenn die Fahrzeuge innerhalb der zu überholenden Kolonne dicht auffahren. Denn erstens ist darauf hinzuweisen, dass es dem Begriff der Kolonne immanent ist, dass die Fahrzeuge hintereinander dicht aufgeschlossen fahren. Zweitens schützt § 5 III Nr. 1 StVO zwar die zu überholenden Fahrzeuge, den Querverkehr und den nachfolgenden Verkehr, nicht aber auch den Gegenverkehr; letzterer wird vielmehr durch § 5 II StVO geschützt (vgl. auch König, a. a. O. m. w. N.). Drittens ist hier von einem Verstoß des Klägers gegen § 5 III Nr. 1 StVO (bzw. richtig: § 5 II StVO) aber auch aus tatsächlichen Gründen nicht auszugehen: Denn es liegen keine Feststellungen dazu vor, dass der Kläger es nicht hätte übersehen können, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist (bzw. dass er vorzeitig in die Kolonne einscheren muss). Nur am Rande sei angemerkt, dass der Kläger mit einem BMW 745i fuhr, einem gerichtsbekannt mit 245kW motorisierten Pkw, welcher über eine Beschleunigung von 0 km/h auf 100 km/h innerhalb nur 6,3 s verfügt, und dass es um das Überholen einer Kolonne geht, welche sich mit einer Geschwindigkeit von nur ca. 80 km/h bei zulässigen 100 km/h fortbewegt, ggf. nur aus drei Pkws besteht und aufgrund besonders dichten Auffahrens innerhalb der Kolonne eine Gesamtlänge aufweist, welche ggf. nicht wesentlich länger als die eines Lastzuges (bis zu 18,75 m gem. § 32 IV Nr. 4 StVZO) ist.

c) Die mit 20% zu bewertende allgemeine Betriebsgefahr des klägerischen Pkws tritt nicht zurück. Denn zum einen war der Unfall für den Kläger bereits deswegen nicht unvermeidbar, weil das Überholen der Kolonne zwar nicht unzulässig war, ein Idealfahrer dies jedoch angesichts der mit derartigem Kolonnenspringen verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen hätte. Zum anderen ist das Verschulden der Beklagten zu 1) auch nicht dermaßen überwiegend, dass unter diesem Gesichtspunkt nur eine Haftung im Verhältnis von 100 : 0 angemessen wäre. Dabei kann abermals dahin gestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1) schlicht unaufmerksam war oder ob sie aufmerksam war, aber die Umstände grob verkannte. Denn beide Alternativen sind als gleichgewichtig zu bewerten. In jedem Fall stand diesem Fehlverhalten der Beklagten zu 1) das Kolonnenspringen durch den Kläger gegenüber, welches zwar nicht zu einer Erhöhung des Betriebsgefahr des klägerischen Pkws führt, diese aber eben auch nicht zurücktreten lässt.

2.) Zur Anspruchshöhe:

a) Auszugehen ist - entsprechend den insoweit nicht zu beanstandenden Ausführungen im Ersturteil - von einem Gesamtschaden in Höhe von 7.901,20 €. 80% hiervon sind 6.320,96 €.

b) Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich folgende Rechnung: (405,00 € x 1,3 + 20,00 €) x 1,19 = 650,34 €.

II. Die Kostenentscheidungen beruhen jeweils auf § 92 I 1, 100 IV 1 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1 ZPO, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 5 Überholen


(1) Es ist links zu überholen. (2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als de

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Landgericht Deggendorf Endurteil, 11. Okt. 2016 - 31 O 266/16

bei uns veröffentlicht am 11.10.2016

Tenor 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.740,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit 30.06.2016 zu bezahlen, und den Kläger von Ansprüchen der Kanzlei Rechts

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Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.740,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit 30.06.2016 zu bezahlen, und den Kläger von Ansprüchen der Kanzlei Rechtsanwälte … in Höhe von 492,54 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 40%, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 60%.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der jeweils zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beträgt 7.906,20 €.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 07.04.2016 geltend. Gegen 21.45 Uhr fuhr der Kläger mit seinem PKW ... von P. kommend auf der Bundesstraße ... in Fahrtrichtung P1. Nach dem ... Kreisel wollte der Kläger eine vor ihm fahrende Fahrzeugkolonne überholen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob vor dem Kläger 3 oder 4 Fahrzeuge fuhren. Das unstreitig 2. Fahrzeug der Kolonne war das Fahrzeug der Beklagtenseite (Kz. ...), das von der Beklagten zu 1 geführt wurde, dessen Halter der Beklagte zu 2 ist und das bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversichert ist. Als der Kläger während des Überholvorganges auf Höhe des Fahrzeugs der Beklagtenseite war, steuerte die Erstbeklagte dieses Fahrzeug nach links, um ihrerseits zu überholen. Hierbei kam es zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge, wodurch am Fahrzeug des Klägers Schaden entstand in Höhe von 6.800,- €. Der Kläger macht des Weiteren Gutachterkosten in Höhe von 1.047,20 €, Kosten für die Fahrwerksvermessung in Höhe von 29,- € sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 30,- € geltend.

Der Kläger trägt vor, für den Unfall habe die Beklagtenseite allein einzustehen. Die vor ihm fahrenden drei Fahrzeuge seien über eine längere Strecke mit 80 km/h bewegt worden, obwohl 100 km/h erlaubt gewesen seien. Er habe nicht, etwa durch Zurückfallen und durch Betätigen der Lichthupe, der Beklagten zu 1 gestattet, ihrerseits auf die linke Fahrbahn auszuscheren. Die Beklagte zu 1 habe auch nicht den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass ihm das Überholen gefahrfrei möglich sein werde, zumal die vor ihm fahrenden Fahrzeuge so dicht aufeinander aufgefahren seien, dass sie insgesamt nicht mehr Länge der Fahrbahn beansprucht hätten als ein LKW mit Anhänger.

Der Kläger beantragt,

  • 1.Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 7.906,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.

  • 2.Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an die Rechtsanwälte … freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, der Kläger sei 5., nicht 4. Fahrzeug der Kolonne gewesen. Erlaubt seien 100 km/h gewesen, die Kolonne sei mit 50 km/h gefahren. Die Beklagte zu 1 habe das vor ihr fahrende Fahrzeug überholen wollen, habe ordnungsgemäß Rückschau gehalten und links geblinkt. Kurz vor dem Ausschervorgang habe sie den Kläger mit seinem Fahrzeug im Rückspiegel auf dem linken Fahrstreifen gesehen, der Kläger habe kurz aufgeblendet und habe die Fahrt verlangsamt, woraus sie geschlossen habe, dass er ihr das Ausscheren ermöglichen wolle. Als sie dies getan habe, habe der Kläger plötzlich beschleunigt, sodass es zur Kollision gekommen sei. Die Beklagten halten überdies Teile der Gutachterrechnung vom 19.04.2016 für übersetzt, ebenso wie die klägerseits geltend gemachte Auslagenpauschale.

Zum sonstigen Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.09.2016 (Bl. 26/30 d.A.) den Kläger zum Unfallhergang informatorisch angehört; das Gericht hat außerdem die Zeugin … uneidlich vernommen. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

1. Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen des Unfalls folgt dem Grunde nach aus den §§ 7 I, 18 I StVG, § 823 I BGB, § 115 I Nr. 1 VVG.

2. Die Beklagten trifft aber gemäß § 17 I StVG nicht die alleinige Haftung bezüglich des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls, sondern die Beklagtenseite ist für den Verkehrsunfall nur zu 60% verantwortlich. Gemäß §§ 17 I, II, 18 III StVG hängt die Haftungsverteilung von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der hiernach gebotenen Abwägung sind ausschließlich unstreitige oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2015, 279, juris Rn. 53 m.w.N.).

a) Vorliegend ist insoweit beachtlich, dass die Beklagte zu 1 gemäß § 5 IV 1 StVO nur ausscheren durfte, wenn hierbei eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen war. Überdies hatte sie gemäß § 5 IV a StVO das Ausscheren zum Überholen rechtzeitig und deutlich mittels Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Dies steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest.

Die hierzu vernommene Zeugin … konnte verlässliche Angaben zum Unfallhergang nicht machen. Ihre Aussage war vielmehr unergiebig und sichtlich von dem Bestreben geprägt, der Beklagten zu 1, ihrer Schwester, einen Gefallen zu tun. Das Gericht braucht nicht zu entscheiden, ob die Zeugin ihr Erinnerungs- und Wahrnehmungsvermögen während eines Unfallsgeschehens erheblich überschätzt, oder ob sie bewusst die Unwahrheit gesagt hat. Jedenfalls ist der Darstellung der Zeugin nicht zu folgen. Die Zeugin hat nämlich zunächst angegeben, der Kläger sei im Überholvorgang gewesen und habe abgeblendet und abgebremst, dann habe er aber Gas gegeben und so sei es zur Kollision gekommen. Auf die Frage, wie sie - auf dem Beifahrersitz sitzend und überdies bei nächtlicher Dunkelheit - dies bemerkt haben sollte, hat die Zeugin sodann erstmals angegeben, sie habe ihre Handtasche auf dem Rücksitz gehabt, habe sich nach hinten gebeugt, um in die Handtasche zu greifen, und habe dabei gesehen, dass der Kläger aufgeblendet habe. Aus dem Abstand der Lichter habe sie geschlossen, dass der Kläger sodann sein Fahrzeug zurückfallen lässt. Dies ist jedenfalls nicht glaubhaft. Die Zeugin, die mit dem Suchen in der Handtasche unter rückwärts gebeugter Körperhaltung befasst war, will binnen weniger Sekunden festgestellt haben, dass der Kläger aufblendet und dann sein Auto zurückfallen lässt; dies, obwohl sie durch das beschriebene (vom Kläger übrigens bestrittene) Aufblenden geblendet sein musste. Gleichzeitig will sie auch noch bemerkt haben, dass die offenen langen Haare ihrer Schwester sich bewegten, woraus sie zuverlässig geschlossen haben will, dass die Beklagte zu 1 den Kopf nach links wandte, um ihrer Rückschaupflicht zu genügen. Zugleich will sie auch noch gehört haben, dass der linke Blinker in Betrieb war. Wie all dies unter den geschilderten Umständen der Wahrnehmungsfähigkeit nach möglich gewesen sein sollten, ist unerfindlich. Überdies ist darauf zu verweisen, dass ein Lichtzeichen des Klägers gemäß § 5 V 1 StVO allenfalls als Ankündigung des Überholmanövers, keinesfalls aber als ein „Zurückstehen“ gedeutet werden durfte.

Die Beklagte zu 1 ist ihrer Sorgfaltspflicht also nicht gerecht geworden.

b) Andererseits muss der Kläger sich entgegenhalten lassen, dass zwar das Überholen einer Kolonne nicht von vornherein unzulässig ist, dass aber jedenfalls unter den gegebenen Umständen ein Überholen bei unklarer Verkehrslage i.S.d. § 5 III Nr. 1 StVO festzustellen ist. Eine derartige unklare Verkehrslage ist nämlich gegeben, wenn nach den objektiven Umständen mit gefahrlosem Überholen nicht gerechnet werden darf. Unklar ist die Verkehrslage insbesondere, wenn eine Kolonne vorausfährt und mit dem Ausscheren und Linksabbiegen eines Fahrzeugs aus der Kolonne zu rechnen ist (OLG Saarbrücken, a.a.O., Rn. 108). Gleiches gilt für den Fall, dass der Kläger als Überholer damit rechnen muss, dass weitere, vor ihm in der Kolonne fahrende Fahrzeuge überholen wollen. Angesichts der Gesamtumstände, die der Kläger geschildert hat, und die teilweise unstreitig sind (erlaubte 100 km/h, ungehinderte Sicht nach vorne, kein Gegenverkehr, Geschwindigkeit der vordersten Fahrzeugs nur 80 km/h) lag es überaus nahe, dass auch weitere in der Kolonne fahrende Fahrzeugführer zum Überholen ansetzen würden.

Außerdem hat der Kläger selbst vorgetragen, die vor ihm fahrenden Fahrzeuge seien so dicht aufeinander aufgefahren, dass ihre Gesamtlänge der eines LKW mit Anhänger entsprochen habe. Dies kann - auch wenn, der Darstellung des Klägers folgend, vor ihm nur drei Fahrzeuge fuhren - nur dann der Fall gewesen sein, wenn die vor ihm fahrenden Fahrzeugführer den Sicherheitsabstand von 40 m (bei 80 km/h) bei Weitem nicht einhielten. Der Kläger hätte also - etwa im Fall eines unerwartet auftauchenden Hindernisses - keinesfalls gefahrlos in die Kolonne einscheren können, sondern war von vornherein gezwungen, die gesamte Kolonne zu überholen.

c) Unter Abwägung aller Gesichtspunkte, insbesondere der gleich hohen Betriebsgefahr der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge, hält das Gericht deshalb eine Haftungsverteilung von 60/40 zu Lasten der Beklagtenseite für angemessen.

3. Der Sachschaden am Fahrzeug des Klägers ist unstreitig.

Die Sachverständigenkosten sind nachgewiesen durch Vorlage der Rechnung der … vom 19.04.2016; diese Rechnung durfte der Kläger begleichen und der Beklagten in Rechnung stellen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die offenbare Unrichtigkeit dieser Rechnung (insbesondere - insoweit beklagtenseits angegriffen - betreffend Grundhonorar und Kosten für Lichtbilder) dem Kläger bewusst gewesen wäre, sodass er seinerseits die Rechnung hätte beanstanden müssen.

Die Kosten für die Fahrwerksvermessung in Höhe von 29,- € sind zwischen den Parteien unstreitig.

Die Auslagenpauschale beträgt nach ständiger Rechtsprechung des hiesigen Landgerichts 25 €.

Eirsatzfähig ist daher ein Gesamtschaden in Höhe von 7.901,20 €, hiervon schulden die Beklagten 60%, somit 4.740,72 €.

4. Aus diesem Betrag schulden die Beklagten überdies die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von (303 × 1,3 + 20 × 1,19 =) 492,54 €.

5. Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folgt aus § 291 BGB.

II.

Kosten: § 92 I ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

Der Streitwert folgt der Klageforderung.

(1) Es ist links zu überholen.

(2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.

(3) Das Überholen ist unzulässig:

1.
bei unklarer Verkehrslage oder
2.
wenn es durch ein angeordnetes Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) untersagt ist.

(3a) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t führt, darf unbeschadet sonstiger Überholverbote nicht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.

(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.

(4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.

(5) Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Wird mit Fernlicht geblinkt, dürfen entgegenkommende Fahrzeugführende nicht geblendet werden.

(6) Wer überholt wird, darf seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.

(7) Wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, ist rechts zu überholen. Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen. Nur wer das nicht kann, weil die Schienen zu weit rechts liegen, darf links überholen. Auf Fahrbahnen für eine Richtung dürfen Schienenfahrzeuge auch links überholt werden.

(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.