Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Feb. 2017 - 10 U 4448/16
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers vom 15.01.2016 wird das Endurteil des LG Deggendorf vom 11.10.2016, Az.: 31 O 266/16, abgeändert und wie folgt neugefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger 6.320,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30.06.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, den Kläger samtverbindlich von der Inanspruchnahme durch die Kanzlei Rechtsanwälte P. und W., P., bezüglich vorprozessualer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) tragen der Kläger 1/5 und die Beklagten samtverbindlich 4/5.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1.) Zur Haftungsverteilung:
Ausgehend von den vom Erstgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellten und daher den Senat gem. § 529 I Nr. 1 ZPO bindenden Tatsachen ist weder eine Haftungsverteilung im Verhältnis 60 : 40 zulasten der Beklagten (so das Erstgericht) noch eine solche im Verhältnis 100 : 0 zulasten der Beklagten (so der Kläger und Berufungskläger) zutreffend, sondern eine solche von 80 : 20 zulasten der Beklagten. Denn während der Beklagten zu 1) ein Verschulden an dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nachgewiesen worden ist, ist dem Kläger kein Verschulden nachgewiesen worden. Allerdings tritt die allgemeine, mit 20% zu bewertende Betriebsgefahr des klägerischen Pkws nicht zurück. Im Einzelnen:
a) Der Beklagten zu 1) ist ein Verschulden am streitgegenständlichen Verkehrsunfall nachgewiesen worden, nämlich ein Verstoß gegen das in § 5 IV 1 StVO normierte Gebot, sich beim Überholen so zu verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob sie gegen dieses Gebot dadurch verstoßen hat, dass sie sich schlicht nicht hinreichend vergewissert hatte, dass sie zum Überholen ausscheren konnte, ohne den nachfolgenden Verkehr zu gefährden, worauf die klägerische Version vom Unfallhergang hindeutet, oder ob es so war, wie sie selbst vorgetragen hat, dass sie nämlich den bereits im Überholvorgang befindlichen klägerischen Pkw erkannt hatte und gleichwohl - unter grober Verkennung der Umstände - nach links ausscherte, um noch vor dem klägerischen Pkw ihrerseits das erste Fahrzeug der Kolonne zu überholen.
b) Entgegen den Ausführungen im Ersturteil ist demgegenüber dem Kläger kein Verschulden nachgewiesen worden. Soweit das Erstgericht ein solches in einem vermeintlichen Verstoß des Klägers gegen das in § 5 III Nr. 1 StVO normierte Verbot, bei unklarer Verkehrslage zu überholen, sieht und dies damit begründet, dass es angesichts der Gesamtumstände (erlaubte 100 km/h, ungehinderte Sicht nach vorne, kein Gegenverkehr, Geschwindigkeit des vordersten Fahrzeugs nur 80 km/h) „überaus nahe“ gelegen habe, dass auch weitere in der Kolonne fahrende Fahrzeugführer zum Überholen ansetzen würden, entspricht dies nicht der ständigen Rechtsprechung, wonach das Überholen einer Kolonne als solches noch keinen Fall des Überholens bei unklarer Verkehrslage darstellt, sondern dass dafür besondere Umstände hinzukommen müssen (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 5 StVO, Rdnr. 34 m. w. N.). Die o.g. vom Erstgericht genannten Umstände stellen keinesfalls solche besonderen Umstände dar. Anders würde es sich beispielsweise verhalten, wenn - wie in dem vom Senat mit Urteil vom 09.04.2010, Az.: 10 U 4406/09, juris, entschiedenen Fall - die zu überholenden Fahrzeuge langsamer werden und nach links blinken oder - wie in dem vom OLG Karlsruhe mit Urteil vom 26.07.2001, Az.: 9 U 195/00, NZV 2001,473, entschiedenen Fall - die Kolonne nur mit ca. 25 km/h fährt und ein Überholen zuvor durch eine durchgezogene gerade Linie auf der Fahrbahnmitte untersagt war.
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Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.740,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins seit
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 40%, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 60%.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der jeweils zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert beträgt 7.906,20 €.
Tatbestand
-
1.Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 7.906,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.
-
2.Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 729,23 € durch Zahlung an die Rechtsanwälte … freizustellen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
II.
(1) Es ist links zu überholen.
(2) Überholen darf nur, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.
(3) Das Überholen ist unzulässig:
- 1.
bei unklarer Verkehrslage oder - 2.
wenn es durch ein angeordnetes Verkehrszeichen (Zeichen 276, 277) untersagt ist.
(3a) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t führt, darf unbeschadet sonstiger Überholverbote nicht überholen, wenn die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m beträgt.
(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muss ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m. An Kreuzungen und Einmündungen kommt Satz 3 nicht zur Anwendung, sofern Rad Fahrende dort wartende Kraftfahrzeuge nach Absatz 8 rechts überholt haben oder neben ihnen zum Stillstand gekommen sind. Wer überholt, muss sich so bald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Wer überholt, darf dabei denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.
(4a) Das Ausscheren zum Überholen und das Wiedereinordnen sind rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.
(5) Außerhalb geschlossener Ortschaften darf das Überholen durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen angekündigt werden. Wird mit Fernlicht geblinkt, dürfen entgegenkommende Fahrzeugführende nicht geblendet werden.
(6) Wer überholt wird, darf seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Wer ein langsameres Fahrzeug führt, muss die Geschwindigkeit an geeigneter Stelle ermäßigen, notfalls warten, wenn nur so mehreren unmittelbar folgenden Fahrzeugen das Überholen möglich ist. Hierzu können auch geeignete Seitenstreifen in Anspruch genommen werden; das gilt nicht auf Autobahnen.
(7) Wer seine Absicht, nach links abzubiegen, ankündigt und sich eingeordnet hat, ist rechts zu überholen. Schienenfahrzeuge sind rechts zu überholen. Nur wer das nicht kann, weil die Schienen zu weit rechts liegen, darf links überholen. Auf Fahrbahnen für eine Richtung dürfen Schienenfahrzeuge auch links überholt werden.
(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Rad Fahrende und Mofa Fahrende die Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.