vorgehend
Landgericht München I, 17 O 14609/13, 07.08.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 15.09.2014 wird das Endurteil des LG München I vom 07.08.2014 (Az. 17 O 14609/13) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München I vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger hatte außergerichtlich gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Schadensersatz aus der Beschädigung seines Fahrzeugs geltend gemacht, wobei er in der Hauptsache den Ausgleich von Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 8.215,82 € verlangt hatte. Die Beklagte hatte - ebenfalls vorgerichtlich - diesen Betrag mit Ausnahme der um 5,- € überhöhten Unkostenpauschale durch Zahlung an den Widerkläger, den Bevollmächtigten des Klägers, ausgeglichen.

Nachdem die Beklagte von diesem Betrag 5.672,71 € zurückgefordert hatte, beantragte der Kläger die Feststellung, dass ein solcher Rückzahlungsanspruch nicht bestehe. Auf die entsprechende Widerklage der Beklagten, mit welcher weitere 494,49 € überhöhte Reparaturkosten, also in der Hauptsache 6.167,20 €, zurückgefordert wurden, erklärte der Kläger den Feststellungsantrag in der Hauptsache für erledigt.

I.

Zugrunde liegt ein streitiger Zusammenstoß am Donnerstag, den 18.11.2010, auf dem Geschäftsparkplatz des R.-Marktes in R., K. Str. ..., zwischen dem damals vom Kläger gehaltenen Pkw Porsche Cayenne S, amtliches Kennzeichen M …, und dem damals von einem Bulgaren namens Tihomir P. gefahrenen Pkw Ford Transit, amtliches bulgarisches Kennzeichen BP… Die Beklagte bestritt, dass überhaupt ein Unfall durch das bei ihr als Auslandsregulierer versicherte Fahrzeug stattgefunden und die behaupteten Schäden bewirkt habe. Weiterhin wird eine Verabredung des Unfalls vorgebracht, mit dem Ziel, sie selbst betrügerisch zu schädigen.

a) Nachdem die Beklagte ihre Widerklage gegen den Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten als Gesamtschuldner gerichtet hatte (Schriftsatz v. 31.12.2013, S. 1, 3 = Bl. 26, 28 d. A.), hatte letzterer zunächst vorgetragen und eingeräumt, den bezeichneten Geldbetrag für den Kläger entgegengenommen und einbehalten zu haben; zu keinem Zeitpunkt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auch des Berufungsverfahrens wurde behauptet, diesen Betrag an den Kläger ausgekehrt oder nicht mehr im Besitz zu haben (Schrifsatz v. 19.05.2014, Bl. 57/58 d. A.; Schriftsatz v. 30.06.2014, Bl. 69/71 d. A.; Schriftsatz v. 07.07.2014, B. 73 d. A.; Schriftsatz v. 29.07.2014, Bl. 74/75; EU 9 = Bl. 92 d. A.). Anschlussberufung v. 18.12.2014, Bl. 118/120 d. A.; Schriftsatz v. 26.02.2015, Bl. 136/137 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 3 = Bl. 261 d. A.)

b) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 07.08.2014 (Bl. 84/93 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

c) Der Kläger hatte beantragt,

festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 6.074,93 € nicht zustehe (EU 4 = Bl. 87 d. A.),

festzustellen, dass insoweit die Hauptsache erledigt sei (Bl. 55/56 d. A.), und die Widerklage abzuweisen (EU 4 = Bl. 87 d. A.),

Der Drittwiderbeklagte hatte beantragt,

die Drittwiderklage abzuweisen (Bl. 57/58 d. A.)

Die Beklagte hatte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Widerbeklagten und Drittwiderbeklagten samtverbindlich zu verurteilen, an das Deutsche Büro Gründe Karte e.V. 6.612,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2011 zu bezahlen (EU 4 = Bl. 87 d. A.).

II.

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die klägerischen Ansprüche im Wesentlichen zuerkannt, weil der vom Kläger behauptete Kraftfahrzeugunfall tatsächlich stattgefunden und im Wesentlichen die streitgegenständlichen Schäden verursacht habe. Dabei wurde ein Abzug von etwa 5 Prozent wegen zu hoch kalkulierter Reparaturkosten vorgenommen. Dagegen habe die Beklagte nicht beweisen können, dass der geltend gemachte Schaden vorsätzlich einverständlich herbeigeführt und somit in die Rechtsgutsverletzung eingewilligt worden sei. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 88/92 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

III.

Gegen dieses ihr am 13.08.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 15.09.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 102/103 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 12.11.2014, eingegangen am 13.11.2014, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 13.10.2014 (Bl. 108 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 109/117 d. A.).

Die Beklagte beantragt (BB 1 = Bl. 109 d. A.), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, und die Widerbeklagten und Drittwiderbeklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Beklagten zu Händen des Deutschen Büro Grüne Karte e. V. 6.612,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz heraus seit 20.12.2011 zu bezahlen, sowie die Anschlussberufungen zurückzuweisen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.)

Der Kläger und der Drittwiderbeklagte erhoben jeweils, mit Schriftsatz v. 18.12.2014 (Bl. 118/120 d. A.) und mit Schriftsatz v. 02.02.2015, Anschlussberufung (Bl. 130/132 d. A.) und beantragen jeweils,

die Berufung der Beklagten und Widerklägerin zurückzuweisen, und das Ersturteil insoweit aufzuheben und die Widerklage und Drittwiderklage abzuweisen, als der Widerbeklagter und Drittwiderbeklagter zur Zahlung von 338,43 € an die Beklagte und Widerklägerin verurteilt wurden (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.).

Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

IV.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung ohne Beweiserhebungen durchgeführt, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.02.2016 (Bl. 198/201 d. A.) und vom 02.06.2017 (Bl. 2597261 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senats vom 25.06.2015 (Bl. 144/154 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte hat hilfsweise beantragt, das Verfahren an das Landgericht München I zurückzuverweisen (Bl. 155 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.).

B.

Die statthafte Berufung (§§ 511 I, II Nr. 1 ZPO) der Beklagten erweist sich als uneingeschränkt zulässig und erzielt in der Sache einen umfassenden, allerdings lediglich vorläufigen Erfolg. Die Anschlussberufungen des Klägers, gleichzeitig der Widerbeklagte, und des Drittwiderbeklagten sind zwar zulässig (§ 524 II 2 ZPO), bleiben jedoch in der Sache - natürlich ebenfalls vorerst - erfolglos.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen für begründet gehalten (EU 5/8 = Bl. 88/91 d. A.), weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der streitgegenständliche Unfallschaden von dem Fahrer des bulgarischen Ford Transit, für welchen die Beklagte als Auslandsversicherer haften müsse, verursacht und verschuldet worden sei. Dagegen hätten die Beklagten einen verabredeten, vorsätzlich herbeigeführten Zusammenstoß angesichts der glaubhaften Angaben der glaubwürdigen beteiligten Personen (des Klägers und seines Sohnes als Zeugen) und des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht beweisen können. Die auf zu Unrecht geleistete Zahlungen gerichtete Widerklage sah das Erstgericht zu einem (geringen) Teil als begründet an, weil geringfügig überhöhte Reparaturkosten geltend gemacht und aufgedeckt wurden (EU 4, 9 = Bl. 87, 92 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren angesichts unvollständiger tatsächlicher Feststellungen und Beweiserhebung, sowie unrichtiger Beweiswürdigung einer überzeugenden Grundlage.

I. Die Beklagte hat ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

a) Der Senat hatte dies bisher unter dem Gesichtspunkt einer dem Schriftformerfordernis widersprechenden Unterschrift unter fremdem Namen bezweifelt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.12.2016, Bl. 198/201 d. A.), während Kläger und Drittwiderbeklagter weiterhin verfechten, dass die Berufung unzulässig sei (Schriftsätze jeweils v. 20.01.2017, Bl. 230/234 d. A. und 235/237 d. A., sowie v. 10.03.2017, Bl. 246/249 d. A.). Diese Rechtsfrage ist einerseits zwischenzeitlich im Sinne der Beklagten höchstrichterlich geklärt (BGH Beschluss vom 14.03.2017 - XI ZB 16/16 [juris]), andererseits wegen der Entscheidung des Senats (§§ 233 I 1, 237, 238 III ZPO), dass wegen einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werde (Bl. 252/256 d. A.), nicht mehr entscheidungserheblich: Die Berufung der Beklagten könnte nicht mehr als verfristet verworfen werden, was im Übrigen auch für eine weitere Rechtsmittelinstanz gelten würde (Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 238 Rn. 13).

b) Der Kläger scheint der Auffassung zu sein, die Berufung der Beklagten sei mangels einer ausreichenden Begründung (§§ 513 I, 520 I, III 2 Nr. 2, 3 ZPO) unzulässig (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.; Schriftsatz v. 02.02.2015, S. 2 = Bl. 131 d. A., Schriftsätze jeweils v. 13.08.2015, S. 5/6 = Bl. 162/163 d. A. und S. 5/9 = Bl. 169/173 d. A.), weil die Beklagte sich nur auf einzelne Aktenteile des gegen den ursprünglichen Gutachter geführten Strafverfahrens bezogen und konkrete weitere Angriffe gegen die Beweiserhebung und -würdigung des Erstgerichts, wie etwa im Hinweis des Senatsvorsitzenden (Bl. 144/153 d. A.) erwähnt, nicht erhoben habe.

aa) Der Kläger übersieht dabei, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung insoweit stets keine erheblichen Anforderungen an die Berufungsbegründung gestellt (BGH NJW-RR 2017, 365; NZV 2015, 377) und eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt, für ausreichend gehalten hat. Insbesondere bestehen besondere formale Anforderungen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar (BGH NJW 2013, 174), oder auch nur hinreichend substantiiert sind (BGH NJW-RR 2016, 1269). Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen (BGH NJW-RR 2016, 1125), die Begründung muss also (lediglich) - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (BGH NJW-RR 2016, 1267; NZV 2015, 289: „Die Kl. hat in der Berufungsbegründung klar zu erkennen gegeben, dass sie die - für die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge erhebliche - Würdigung des LG angreifen möchte, sie habe einen Verstoß des Bekl. gegen die Anzeigepflicht beim Abbiegen nicht bewiesen. Mit dem Vorbringen, das LG habe die Zeugenaussage ihres Ehemanns als „leicht verarmt“ und damit nicht überzeugend gewürdigt …“; NJW-RR 2014, 760: “… hat geltend gemacht, das LG sei unkritisch den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen gefolgt, ohne sich mit den Einwendungen aus den vorgelegten Privatgutachten … auseinanderzusetzen … Darin liegt die Rüge des Verfahrensfehlers einer unvollständigen Beweiswürdigung (Verstoß gegen § 286 ZPO). … Mit dieser Rüge hat die Kl. hinreichend konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten können“).

bb) Diesen Ansprüchen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten offensichtlich, wenngleich der Senat dem Kläger und Drittwiderbeklagten insoweit zustimmt, dass diese durchaus sorgfältiger, genauer und durchdachter hätte ausfallen können. Die Beklagte beanstandet die erstinstanzliche Beweiserhebung und -würdigung mit dem Hinweis auf einen nicht vernommenen Zeugen, auf fehlende Begründungen zur Glaubhaftigkeit von Aussagen und auf unzureichendes Eingehen auf Widersprüche oder Ungereimtheiten in den Unfallschilderungen (BB 3/8 = Bl. 111/116 d. A.). Ebenso wurde ein „Zusammenhang mit umfassenden Betrügereien“ behauptet, der eine kritische Würdigung der Aussagen und aussagenden Personen erfordert habe (BB 5 = Bl. 113 d. A.). Diese Umstände wurden als Grundlage für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen angeführt.

Im Übrigen ist der Senat angesichts dieser einzelnen Rügen nicht an das Berufungsvorbringen gebunden (BGH NJW 2005, 1583; WM 2015, 1562), vielmehr sind die gesamten erstinstanzlichen Feststellungen von Amts wegen (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) zu überprüfen. Deswegen ist unerheblich, ob die Beklagte sich die Hinweise des Senatsvorsitzenden „zu Eigen“ gemacht hat, und die Anwendung der Verspätungsvorschriften schon denkgesetzlich ausgeschlossen.

II.

Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats „fehlerfreie und überzeugende“ und damit „richtige“ (BGH NJW 2016, 793) Tatsachenfeststellungen (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]) nicht getroffen, deswegen ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden. Aufgrund konkreter Anhaltspunkte erweisen sich die Feststellungen als lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend (BGH NJW 2005, 1583, 1585; r + s 2003, 522), wobei der Senat bei seiner Rechtsauffassung verbleibt, dass einerseits die Beklagte die Entscheidung maßgeblich beeinflussende Anhaltspunkte aufgezeigt hat, die erneute, erweiterte oder ergänzende Feststellungen gebieten könnten, andererseits Mängel aufgrund der - angesichts wenigstens allgemeiner Angriffe gegen die erstinstanzlichen Feststellungen im Berufungsvorbringen - auch von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797) festzustellen sind.

a) Der Tatbestand des Ersturteils ist einerseits unklar, andererseits unvollständig. Ein „Verkehrsunfall“ war zwischen den Parteien niemals unstreitig, weil die Beklagte von Anfang an bestritten hat, dass überhaupt ein Unfall stattgefunden habe. Dass die Beklagte - denkgesetzlich zwingend hilfsweise - behaupten will, es habe ein verabredeter Unfall, also mit vorheriger Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung, stattgefunden, ergibt sich jedoch erst aus den Entscheidungsgründen. Ergänzend wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 1/2 = Bl. 144/145 d. A.) Bezug genommen. Insoweit wird das Erstgericht erst noch zu klären haben, was insbesondere die Beklagte nun behaupten will; nach Auffassung des Senats erweist es sich regelmäßig als sinnlos, gleichzeitig sowohl die Tatsache eines Fahrzeugzusammenstoßes als solches zu bestreiten, als auch die Unfreiwilligkeit dieses Geschehens (Senat, Urt. v. 19.05.2017 - 10 U 1209/15 [BeckRS 2017, 112370], Rn 42).

b) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist ebenfalls zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des behaupteten Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428; NZV 2000, 504; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 []: Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel) unterlassen und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen.

aa) Auf die Zeugeneinvernahme des Unfallfahrers (Tihomir Petrov) durfte nicht verzichtet werden, weil insoweit ein notwendiger Hinweis nach § 139 I, II, IV ZPO (BGH NJW-RR 1990, 130; BAG NZA-RR 2012, 290; BAG NJW 1964, 1435; BAG NJOZ 2010, 1828) nicht erteilt und deswegen eine Überraschungsentscheidung (BGH NZBau 2011, 161;; NJW-RR 1993, 569; NJW 1987, 781) getroffen wurde. Zwar ist zutreffend, dass die Beklagte insoweit einen tauglicher Beweisantritt (§ 373 ZPO) unterlassen und sich auf das Zeugnis des Unfallfahrers nicht berufen (§ 273 II Nr. 4 ZPO) hat, ergänzend wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 2/3 = Bl. 145/146 d. A.) verwiesen. Jedoch hatte der Kläger einen Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen P. gestellt (Schriftsatz v. 30.06.2014, S. 2 = Bl. 70 d. A.), eindeutig nachdem das Erstgericht in mündlicher Verhandlung den Zeugen S. vernommen und den unfallanalytischen Sachverständigen angehört, sowie im Rahmen der Beweisverhandlung mitgeteilt hatte, „dass noch zu würdigen sein (werde), wie es tatsächlich zu dem Anstoß zwischen den beiden Fahrzeugen gekommen ist und inwiefern hierdurch die … geltend gemachten Schäden entstanden sein können“ (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 27.05.2014, S. 4 = Bl. 63 d. A.).

Bei dieser Sachlage ist bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar, warum von der Vernehmung eines unmittelbaren Zeugen des Vorfalls abgesehen wurde, zumal die Entscheidungsgründe hierfür keinerlei Begründung enthalten (EU 8 = Bl. 91 d. A.).

bb) Zutreffend und unabweisbar war die Entscheidung des Landgerichts, die Ermittlungs- und Strafverfahrensakten (321 Js 221963/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beizuziehen (Vfg. v. 24.10.2013, Bl. 16 d. A.; v. 18.03.2014, Bl. 53 d. A.). Diese hätten jedoch umfassend verwertet, mit den Parteien erörtert und insoweit auf sachgerechten Vortrag und Antragstellung hingewirkt werden müssen (§ 139 I ZPO). Dies hat das Landgericht unterlassen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 21.01.2014, S. 6/7 = Bl. 37/38 d. A., EU 4/5 = Bl. 87/88 d. A.), weshalb auch die Urteilsgründe kursorisch geblieben sind, den gesamten Ablauf der behaupteten Schadensentstehung und Regulierung nicht nachvollziehbar machen und eine Tatsachen- und Beweiswürdigung in einer Gesamtschau vermissen lassen.

(1) Die Strafakten bieten eine Vielzahl von Anhaltspunkten und Hinweisen zur Aufklärung des Unfallgeschehens und zur Überprüfung der von der Beklagten erhobenen Betrugsvorwürfe, die das Landgericht für erheblich halten hätte müssen. Die Beklagte hat, wenigstens in der Berufungsbegründung (BB 5 = Bl. 113 d. A.), nicht nur darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Unfall im Einverständnis zur betrügerischen Geltendmachung von Versicherungsleistungen „gestellt“ worden sei, sondern auch eine Zusammenhang (dieses Fahrzeugschadens) mit „umfangreichen Betrügereien“ behauptet. Hinsichtlich der Einzelheiten der aus den Strafakten möglichen Feststellungen und Aufklärungsansätze wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 3/4 = Bl. 146/147 d. A.) Bezug genommen.

(2) Der Kläger und der Drittwiderbeklagte wollen die vorstehenden Tatsachen offenbar nicht bezweifeln, sind jedoch der Rechtsauffassung, das Gericht dürfe derartige Umstände, auf die sich die Beklagte nicht bezogen habe, nicht verwerten und nicht feststellen; es widerspreche dem Beibringungsgrundsatz, wenn fehlendes Beklagtenvorbringen ergänzt werde (Schriftsätze jeweils v. 13.08.2015, S. 5/6 = Bl. 162/163 d. A. und S. 7, 9/10 = Bl. 171, 173/174 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2/3 = Bl. 260/261 d. A.).

Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen, weil der VI. Zivilsenat des BGH - jedenfalls für Verkehrsunfallprozesse - den Beibringungsgrundsatz weitreichend zugunsten amtswegiger Feststellungen eingeschränkt hat, mit dem Ziel, den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären und unrichtige Entscheidungen aufgrund lückenhaften Sachvortrags zu vermeiden (etwa BGH r+s 2007, 210: „… leidet es jedenfalls an einem Verfahrensfehler, weil … den sich aus den Strafakten ergebenden Sachverhalt nicht ausgeschöpft hat“, „Soweit die Revisionserwiderung meint, dieser Bericht könne nicht verwertet werden, verkennt sie, dass … die Strafakten auch im Übrigen verwertet hat und deshalb auch diesen Umstand hätte berücksichtigen müssen, zumal sich der Kläger zum Unfallhergang hierauf bezogen hat“; BGH NJW 2000, 132). Hinsichtlich weiterer Entscheidungen zur Ausschöpfung möglicher Beweismittel wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 2 = Bl. 145 d. A.) Bezug genommen, wobei in allen derartigen Fällen die Darlegungslast verringert ist. Im Übrigen hat sich die Beklagte auf den gesamten vom Senat erörterten Inhalt der Strafakten berufen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 3 = Bl. 261 d. A.), wobei Kläger und Drittwiderbeklagte hinsichtlich ihrer Verspätungsrüge jegliche Darlegung und Begründung schuldig bleiben, wie eine Verzögerung des Rechtsstreits entstehen und durch seit zwei Jahren bekannte Hinweise verursacht werden könnte.

c) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Sie ist zwar denkgesetzlich möglich (BAG NJW 2015, 651; BGH NJW 2012, 3439; NJW-RR 2011, 270; WM 1967, 367 ff.), jedoch weder widerspruchsfrei (BGH Betrieb 1968, 2270), noch nachvollziehbar begründet (BGH NJOZ 2009, 1690).

aa) Es fehlt eine vollständige und überzeugende Bewertung der entscheidungserheblichen Hilfstatsachen (EU 7/8 = Bl. 90/91 d. A.), die auch in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen gewesen wären (Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris]; OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429). Vor allem geht das Landgericht von einem (gescheiterten) Betrugsversuch hinsichtlich der Schadenshöhe aus (EU 7 = Bl. 90), ohne zu erörtern, inwieweit dies die Zuverlässigkeit der sonstigen Angaben und die Wahrheitsliebe der Aussagenden beeinflusst haben könnte. Auch die Glaubhaftigkeit jeder Aussage und die Glaubwürdigkeit jeder Aussageperson wäre im Einzelnen zu prüfen, zu bewerten und sachgerecht zu begründen gewesen, das Ersturteil enthält hierzu jedoch nur einzelne Gesichtspunkte und eine allgemeine Versicherung, dass diese Einzelheiten nicht ausreichten, die Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen (EU 8 = Bl. 91 d. A.). Wiederum wird ein misslungener Abrechnungsbetrug angedeutet, ohne zwei wesentliche Gesichtspunkte zu erörtern: Zum einen, wie eine derartige Unehrlichkeit die übrigen Angaben beeinflusst haben könnte, zum anderen wie die gesamte Schadensabwicklung und Ersatzbeschaffung aus einer Hand, von Dritten organisiert, als noch zufällig erscheinen könnte.

bb) Im Übrigen wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2017, S. 5/9 = Bl. 148/152 d. A.) verwiesen.

III.

Dagegen ist der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts nicht zu beanstanden (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO), sodass insbesondere die entscheidenden Fragen der Beweislastverteilung und der Anspruchsgrundlage für die Rückforderung der an den Drittwiderbeklagten geleisteten Zahlung zutreffend und frei von Rechtsfehlern beantwortet wurden.

a) Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen des Nachweises eines verabredeten oder einverständlichen Unfalls (EU 5 = Bl. 88 d. A.) wird auf die ständige Rechtsprechung des Senats verwiesen (zuletzt Urt. v. 19.05.2017 - 10 U 1209/15 [BeckRS 2017, Rz. 17/19).

b) Der Drittwiderbeklagte ist der Meinung, hinsichtlich der Widerklage sei der Rechtsstreit zur Entscheidung reif (Protokoll d. mdl. Verhandlung, S. 3 = Bl. 261 d. A.), weil eine Anspruchsgrundlage für die Forderung der Beklagten nicht bestehe und der Vorrang der Leistungskondiktion eine Inanspruchnahme des Drittwiderbeklagten ausschließe (Schriftsatz v. 18.12.2014, S. 2/3 = Bl. 119/120 d. A.; v. 13.08.2015, S. 8/9 = Bl. 172/173 d. A.).

Dies ist indes unrichtig und die Entscheidung des Erstgerichts insoweit - dem Grunde nach - nicht fehlerhaft (EU 9 = Bl. 92 d. A.). Der Vorrang der Leistungskondiktion gilt nicht ausnahmslos, sondern - als neben dem Gesetzeswortlaut (§ 812 I 1 BGB) entwickelte Grundregel - allenfalls in Fällen, in welchen ein Bereicherungsschuldner mehrfach in Anspruch genommen werden könnte, etwa wenn er gleichzeitig einer Leistungskondiktion und - hinsichtlich desselben Gegenstandes - einer Eingriffskondiktion eines anderen Bereicherungsgläubigers ausgesetzt wäre. Dies ist im Streitfall nicht gegeben, denn der Drittwiderbeklagte hat unstreitig den Zahlbetrag nicht an den Kläger ausgekehrt und seinen entsprechenden Vortrag nie geändert. Folglich mag die Beklagte an den Kläger geleistet haben, eine bereicherungsrechtliche Rückforderung würde jedoch schon daran scheitern, dass der Kläger keinen Vermögensvorteil erhalten hat. Der Drittwiderbeklagte hat jedenfalls den Besitz an der Forderung in sonstiger Weise erhalten, weil die Zahlung an ihn als Empfangsbevollmächtigten überwiesen worden war. Insoweit ist er - nach eigenem Vortrag weiterhin - nicht entreichert, als einziger Rechtsgrund für die Zahlung kommt eine berechtigte Schadensersatzforderung des Klägers gegen die Beklagte in Betracht. Diese ist gerade streitig, sollte sich im neuen Verfahren erster Instanz herausstellen, dass der Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte habe, besäße der Drittwiderbeklagte die Schadensersatzsumme rechtsgrundlos.

Hieraus folgt zwingend, dass keineswegs nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, sondern zutreffende und vollständige Tatsachenfeststellungen für deren Entscheidung vorauszusetzen sind. Weiterhin ergibt sich, dass die rechtlichen Erwägungen zu vertraglichen oder deliktischen Haftungsgründen des Drittwiderbeklagten aus Rechtsgründen unerheblich sind.

IV.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

a) Eine mangelhafte Beweiserhebung und eine darauf beruhende und im Übrigen nicht sachgerechte Beweiswürdigung stellen einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass grundlos eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (s. Senat, Urt. v. 11.03.2016 - 10 U 4087/15 [juris]; v. 26.02.2015 - 10 U 153/15 [juris]; v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris]) unterblieben ist.

b) Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ergänzend einzelne Beweiserhebungen durchzuführen. Vielmehr müsste die gesamte Beweisaufnahme und das gesamte Verfahren statt der ersten Instanz wiederholt werden (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]), was mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbar wäre (Senat VersR 2011, 549 ff.).

c) Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

V.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung (wie auch der Anschlussberufungen) erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

VI.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

VII.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft. Soweit der Kläger schriftsätzlich die Zulassung der Revision beantragt hat (Schriftsatz v. 10.03.2017, S. 4 = Bl. 249 d. A.) fehlt jegliche Darlegung und Erörterung der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 II 1 ZPO). Zwar wird eine grundsätzliche Bedeutung postuliert und behauptet, die Revisionszulassung diene der Fortbildung des Rechts; jedoch wird eine Aufbereitung (BGH NJW-RR 2014, 505), aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die aufgeworfenen Fragen umstritten seien oder zu Rechtsunsicherheit führen könnten, nicht einmal versucht. Überdies wurde die vorerwähnte, zur Wiedereinsetzung ergangene Entscheidung des BGH offenbar übersehen.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung


Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das

Zivilprozessordnung - ZPO | § 373 Beweisantritt


Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 16/16
vom
14. März 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Rechtsanwalt, der einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt
unterzeichnet, übernimmt mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung
für den Inhalt des Schriftsatzes, wenn seiner Unterschrift maschinenschriftlich der
Name des anderen Rechtsanwalts beigefügt wird.
BGH, Beschluss vom 14. März 2017 - XI ZB 16/16 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
ECLI:DE:BGH:2017:140317BXIZB16.16.0

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
am 14. März 2017

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. August 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und der Streithelferin, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 132.076 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger verlangt von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines mit ihr geschlossenen Fremdwährungsdarlehens. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. November 2015, zugestellt am 25. November 2015, abgewiesen. Dagegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers, eine unter anderem aus den Rechtsanwälten Dr. S. und Sa. bestehende Rechtsanwaltspartnerschaft mbH, am 22. Dezember 2015 Berufung eingelegt und die- se am 25. Februar 2016 fristgerecht begründet. Sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründung sind mit einer - augenscheinlich - von derselben Person herrührenden Unterschrift versehen, die unleserlich ist, aber individuelle und unterscheidungskräftige Züge aufweist. Unter der Unterschrift befindet sich jeweils der maschinenschriftliche Zusatz: "RA Dr. S. , Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht", von dem indes die beiden Unterschriften nicht stammen.
2
Nach Hinweis der Beklagten, dass die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers erläutert, die Unterschrift stamme von Rechtsanwalt Sa. , der von dem Kläger ebenfalls bevollmächtigt worden sei. Zugleich hat der Kläger vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt, weil es ständige Praxis seiner Prozessbevollmächtigten gewesen sei, dass auch andere postulationsfähige Anwälte der Rechtsanwaltspartnerschaft bestimmende Schriftsätze mit einem "falschen" Namenszusatz unterzeichnet hätten, ohne dass dies bislang beanstandet worden sei.
3
Mit Beschluss vom 18. August 2016 hat das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und dessen Berufung als unzulässig verworfen. Die Unleserlichkeit der Unterschrift hindere allerdings die Wirksamkeit der Berufung nicht, weil es sich bei dem Schriftzug noch um eine hinreichend individuelle Unterschrift handele, die Rechtsanwalt Sa. zugeordnet werden könne. Dieser sei als zugelassener Rechtsanwalt vor allen Oberlandesgerichten postulationsfähig und auch von dem Kläger ausweislich der Prozessvollmacht vom 9. Juli 2014 bevollmächtigt worden. Die formwirksame Einlegung des Rechtsmittels scheitere aber daran, dass der Unterschrift von Rechtsanwalt Sa. der maschinenschriftliche Zusatz "RA Dr. S. " beigefügt gewesen sei, ohne deutlich zu machen, dass Rechtsanwalt Sa. in Vertretung für Rechtsanwalt Dr. S. unterschrieben habe. Aufgrund dessen sei der unbedingte Wille von Rechtsanwalt Sa. , die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen, nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Für das Gericht müsse gewährleistet sein, dass eine unleserliche Unterschrift durch einen maschinenschriftlichen Zusatz identifizierbar sei. Dies sei bei der Handhabung der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht der Fall. Hierin liege zugleich ein schuldhaftes Handeln seiner Prozessbevollmächtigten , das ihm zuzurechnen sei. Aufgrund dessen sei ihm auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
4
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

5
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer ordnungsgemäßen Einlegung der Berufung fehle, verletzt den Kläger in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
6
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksam- keitsvoraussetzung für eine rechtzeitige Berufungsschrift. Damit soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglicht und dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsschrift von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2005 - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709; vom 22. November 2005 - VI ZB 75/04, VersR 2006, 387 Rn. 5; vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 12 und vom 26. Juli 2012 - III ZB 70/11, NJW-RR 2012, 1142 Rn. 6; jeweils mwN).
7
2. An diesen Grundsätzen gemessen ist vorliegend eine formgerechte Berufungsschrift eingereicht worden.
8
a) Der entsprechende Schriftsatz ist - was das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - XII ZB 17/97, FamRZ 1997, 737; vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04, NJW 2005, 3775; vom 17. November 2009 - XI ZB 6/09, NJW-RR 2010, 358 Rn. 17; vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09, BeckRS 2010, 04929 Rn. 10 und vom 16. September 2010 - IX ZB 13/10, NZI 2011, 59 Rn. 6).
9
b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass dieser Schriftzug von Rechtsanwalt Sa. herrührt, bei dem es sich um einen bei dem Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist erläutert worden, so dass für das Berufungsgericht bis dahin nicht erkennbar war, welcher Rechtsanwalt unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht beziehungsweise erkennbar ist, ist nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. April 2012 - VII ZB 83/10, MDR 2012, 796 Rn. 11 und vom 26. Juli 2012 - III ZB 70/11, NJW-RR 2012, 1142 Rn. 10).
10
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die formwirksame Einlegung der Berufung nicht daran, dass der Unterschrift von Rechtsanwalt Sa. der maschinenschriftliche Zusatz "RA Dr. S. , Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht" beigefügt worden ist. Dieser Zusatz macht zunächst lediglich deutlich, dass die Berufungsschrift von diesem Rechtsanwalt erstellt worden ist. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden, fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch einen anderen Rechtsanwalt gleichwohl entnehmen, dass er an dessen Stelle die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats des Klägers auftreten wollte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2012 - III ZB 70/11, NJW-RR 2012, 1142 Rn. 11). Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsschrift übernehmen wollte. Anhaltspunkte, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02, NJW 2003, 2028; Beschluss vom 26. Juli 2012, aaO) und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden (vgl. für den Zusatz "i.A." BGH, Beschlüsse vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, NJW 1988, 210; vom 27. Mai 1993 - III ZB 9/93, NJW 1993, 2056, 2057 und vom 7. Juni 2016 - KVZ 53/15, NJW-RR 2016, 1336 Rn. 5).
11
Soweit das Berufungsgericht meint, dass vorliegend kein Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe, weil Rechtsanwalt Dr. S. den Schriftsatz nicht unterzeichnet und Rechtsanwalt Sa. sich nicht in eindeutiger Weise zu dem Schriftsatz bekannt habe, trifft dies daher nicht zu. Mit seiner Unterschrift hat Rechtsanwalt Sa. die Verantwortung für die Berufungsschrift - wie im Übrigen auch für die Berufungsbegründung - übernommen.
12
3. Ist danach die Unterschrift unter die Berufungsschrift in diesem Sinne von Rechtsanwalt Sa. geleistet worden, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden. Der Kläger hat vielmehr die Berufung rechtzeitig und formgerecht eingelegt, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Über den Antrag auf Wiedereinsetzung war daher nicht mehr zu entscheiden.
Ellenberger Grüneberg Maihold Menges Derstadt

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 17.11.2015 - 25 O 200/14 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.08.2016 - 5 U 29/16 -

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie nun ein Mitverschulden von 30 Prozent einräumt. Sie verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 14.000,- €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für jegliche künftige materielle Schäden zu 70 Prozent, für künftige immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 Prozent.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 23.05.2011 gegen 15.20 Uhr zwischen der damals elfjährigen Klägerin als Tretrollerfahrerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen EBE - …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der A.-Straße in F., bei Kilometer 0.274 oder Abschnitt 740. Die Klägerin wurde vom Fahrzeug der Beklagten erfasst, als sie versuchte, vom in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) rechten Gehweg kommend auf Höhe einer Überquerungshilfe die Straße nach links zu überqueren. Sie wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen, insbesondere eine therapiebedürftige posttraumatische Depression, geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2014 (Bl. 71/78 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem groben Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 75/78 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13.11.2014 zugestellte Urteil hat die Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 88/89 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 13.01.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 93/99 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 14.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.03.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2011 in Feldkirchen zu 70 Prozent zu ersetzen, jeden weiteren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 30 Prozent, jeweils soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.06.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 118/119); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.07.2015 der 24.07.2015 bestimmt (Bl. 121/122 d. A.). Die Klägerin hat ergänzend hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 117 d. A.), die Beklagten haben sich dem angeschlossen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 112/116 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.06.2015 (Bl. 112/116 d. A.) und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.05.2015 (Bl. 100/110 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 5, 7 = Bl. 75, 77 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 5, 7/8 = Bl. 75, 77/78 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden fast ausschließlich selbst verursacht und allein verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn der Straße überquert und dabei den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 5/8 = Bl. 75/78 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand angesichts einerseits lückenhafter Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden oder auch nur ausreichenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen (unstreitiger Tatbestand einerseits, BGH NJW 2011, 3299 [3300]; WM 2011, 309; OLG Rostock, MDR 2011, 217, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung andererseits, Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen weist die Tatsachenfeststellung offensichtliche Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten auf, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Die Klägerin liefert - wenigsten zum Teil - konkrete Anhaltspunkte (BB 4/6 = Bl. 96/98 d. A.), die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiserhebung und -würdigung wecken (BGH r + s 2003, 522), im Übrigen offenbaren sich Mängel aufgrund der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so etwa BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) Überprüfung.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428, [429, Rn. 9]; NZV 2000, 504; NJW 2004, 1871; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]) unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW 2009, 2604; NJW-RR 2011, 428).

aa) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Gutachten (Beweisbeschluss v. 04.07.2013, Bl. 32 d. A.), sowie durch Vernehmung der Zeugen Marlene E. und Josef L. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3-5 = Bl. 47/49 d. A.; EU 4 = Bl. 74 d. A.). Darüber hinaus wurde, durchaus sachgerecht, die persönliche Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) gemäß § 141 I, II ZPO durchgeführt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 2/3 = Bl. 46/47 d. A.). Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Schadensersatzfällen (BGH NJW 2015, 74), insbesondere wenn der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 [10, 11]]), sind die Befragungen jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht.

- Hinsichtlich der Klägerin wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle vom Ort des Fahrtbeginns, das beabsichtigte Fahrtziel und das Fahrverhalten, insbesondere auf dem Gehweg ab dem Kreisverkehr, zu erfragen, und mit den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin Marlene E. abzugleichen gewesen. Zudem wäre durch Vorhalte zu klären gewesen, wie die Klägerin angehalten und die Fahrbahn beobachtet, und dennoch geglaubt haben will, die Fahrbahn ohne Gefahr überschreiten zu können. Zuletzt wären Größe und Gewicht zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln gewesen (die in Rücksicht auf die mündliche Verhandlung „heutigen“ Daten (Bl. 47 d. A.) sind weniger wichtig), weil diese entscheidende Anknüpfungspunkte für die Berechnungen des Sachverständigen bildeten.

- Die Angaben der Beklagten zu 1) enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch, soweit sie „ca. 30 bis 50 Meter vor der späteren Unfallstelle … zum ersten Mal bewusst die Kinder … gesehen habe“, andererseits erklärt hatte, „… zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder zum ersten Mal gesehen habe, waren sie ca. 10 Meter vor meinem Fahrzeug“. Auch insoweit wäre eine vollständige Beschreibung der Annäherung sowohl der Kinder, als auch der Beklagten zu 1) selbst an die spätere Unfallstelle ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Kreisverkehrs notwendig gewesen, zumal, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, Fahrbahn und Gehweg übersichtlich sind und wegen des Gefälles höhere Geschwindigkeiten und verlängerte Bremswege entstehen können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte zu 1) in der gegen die Klägerin geführten Unfallanzeige durchaus als Zeugin geäußert und eine Vorgangsschilderung abgegeben hat, die hinsichtlich der Einzelheiten noch ungenauer als die gerichtliche Darstellung ist, und mangelnde Beobachtung und Aufmerksamkeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt (Ermittlungsakten, Bl. 24 d. A.). Zuletzt wäre klärungsbedürftig gewesen, welche Vorstellungen sich die Beklagte zu 1) hinsichtlich der für jeden Verkehrsteilnehmer klar erkennbaren Verkehrsinsel mit Überquerungshilfe gemacht hat, und anhand welcher Umstände sie die die Annahme getroffen hat, die Klägerin werde diesen Weg nicht wählen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats sprach jedenfalls keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin auf dem Gehweg geradeaus weiterfahren werde, als dass sie die Straßenseite werde wechseln wollen.

- Damit wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, die jeweilige unmittelbare Unfalldarstellung zu erweitern und zu präzisieren, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Weiterhin wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (455 Js 165967/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beigezogen (EU 4 = Bl. 74 d. A.), jedoch nur unzulässig summarisch (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) darauf Bezug genommen. Deswegen ist nicht erkennbar, ob eine Partei sich auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil eine Unfallschilderung der Beklagten zu 1) vorliegt (Bl. 24 d. A. 455 Js 165967/11), die vorzuhalten gewesen wäre.

cc) Das in erster Instanz erstellte unfallanalytische Sachverständigengutachten (Bl. 56 d. A.) berücksichtigt die für die Klägerin und gegen die Beklagten wirkende Anscheinsbeweislage nicht und klärt deswegen entscheidungserhebliche Fragen nicht sachgerecht.

Zum Ersten hätte der Sachverständige zunächst jegliche für die Klägerin günstigsten Daten und Werte zugrunde legen müssen, denn mit dem Sachvortrag einer Unfallschädigung eines Kindes im Straßenverkehr hat die Klägerin ausreichende, sowie vorliegend unstreitige Tatsachen vorgetragen, die eine Anscheinsbeweislage begründen. Diese wäre als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), so dass die Beklagten damit belastet gewesen wären, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316), dessen Tatsachen unstreitig oder bewiesen sein müssten (BGH NJW 1953, 584).

Zum Zweiten errechnet der Sachverständige die höchstmögliche Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 43 km/h mittels einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden aufgrund der Annahme, die Beklagte zu 1) habe erst zum Zeitpunkt des Anstoßes reagiert. Eine derartige Annahme wirkt zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin, was nach den Anscheinsbeweisregeln nicht statthaft ist. Im Übrigen ist kaum vorstellbar und erklärlich, dass die Beklagte zu 1) die Annäherung der Klägerin überhaupt nicht wahrgenommen habe, es sei denn, sie hätte auf Kinder auf dem Gehweg überhaupt nicht mehr geachtet. Rechnet man beispielsweise mit einer um 0,4 Sekunden früheren Reaktion der Beklagten zu 1), kann unter sonst gleichen Umständen eine Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h nicht ausgeschlossen werden.

Zum Dritten hat der Sachverständige zur Errechnung der Kollisionsgeschwindigkeit der Klägerin Werte geschätzt, die nicht belegt sind und keine Erläuterung unter der erforderlichen Berücksichtigung günstigster Annahmen enthalten. Deswegen hätte allenfalls mit einer Annäherungsgeschwindigkeit der Klägerin von 12 km/h gerechnet werden und die Annäherungsentfernung von 3 Metern unter Beachtung einer Bogenfahrt begründet werden müssen.

Zum Vierten hätte bei der Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 0,8 Sekunden bedacht werden müssen, dass die angesichts der Verkehrsverhältnisse und § 3 IIa StVO zu fordernde Bremsbereitschaft zu einer deutlichen Verkürzung der Reaktionszeit führt.

Zuletzt ist weder nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Entfernung der Beklagten zu 1) - unter Zugrundelegung für die Klägerin günstiger Werte - zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung errechnet, noch warum sich ein Anhalteweg von 10,81 Metern bei einer Bremsverzögerung von 9 m/s², sowie Reaktions- und Bremsschwellzeiten von 0,8 und 0,2 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 29 km/h, sowie bei einer Reaktionszeit von 0,5 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h ergibt (s. OLG Hamm NZV 2006, 151: ggfs. auch 35 km/h nicht ausreichend langsam; r+s 2001, 60: 20 - 25 km/h).

Deswegen ist unter Würdigung aller Gesamtumstände das Absehen von einem umfassenden, auf alle zivilrechtlichen Fragestellungen - insbesondere die Anscheinsbeweislage des § 3 IIa StVO - bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Somit ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) und von anscheinsbeweislich belegten Verstößen gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht, das allgemeine Rücksichtnahmegebot und die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern entlasten kann.

b) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nach Auffassung des Senats nicht beanstandungsfrei.

aa) Das Ersturteil ist schon wegen der lückenhaften Beweiserhebung verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine vollständige Prüfung und Bewertung des Beweisergebnisses fehlt, und deswegen das Ersturteil nicht auf einer ordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung fußen kann.

bb) Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unzureichend, denn der Tatrichter muss erkennen lassen, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt ist (Zöller/Greger a. a. O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]), und „… wenigstens in groben Zügen sichtbar machen, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]).

- Das Ersturteil versagt sich eine vollständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Angaben der Beklagten zu 1) und den Gutachtensergebnissen (BGH NJW 2015, 411: „entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt“; MDR 1982, 212), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen und floskelhaft für zutreffend erklärt werden (EU 6 = Bl. 76 d. A.), ohne die erleichterte Beweisführung nach dem Anscheinsbeweis und die gebotene Anwendung der für die Klägerin günstigsten Anknüpfungstatsachen zu beachten.

- Deswegen und darüber hinaus wird übersehen (EU 7 = Bl. 77 d. A.), dass zum Ersten die Beklagte zu 1) schon nach eigenen Angaben die Klägerin und ihre Schwester auf dem Gehweg nicht sorgfältig und durchgängig beobachtet hat.

Zum Zweiten geht das Ersturteil nicht darauf ein, dass bereits die als Überquerungshilfe gedachte Verkehrsinsel, in Verbindung mit der abgesenkten Bordsteinkante, deutliche Hinweise auf einen beabsichtigten Wechsel der Straßenseite schafft, insbesondere wenn über das vorangegangene Fahrverhalten der Klägerin und ihrer Schwester keinerlei Feststellungen getroffen werden.

Zuletzt fehlt eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten zu 1) zu fordernden Bremsbereitschaft und dem gegenseitigen Annäherungsverhalten der Parteien: Wenn die Beklagte zu 1) eine Reaktionsaufforderung erhalten hat, als sie - zugunsten der Klägerin nicht ausschließbar - noch 10,8 Meter von der Unfallstelle entfernt war (EU 6 = Bl. 76 d. A.; Gutachten v. 04.07.2014, S. 13, Bl. 56 ff. d. A.), kann sie die Kinder nicht etwa 10 Meter vor ihrem Fahrzeug wahrgenommen haben, und bewusst ohne zu bremsen weitergefahren sein (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3 = Bl. 47 d. A.). Dies gilt umso mehr, als unstreitig hinter der Klägerin deren Schwester fuhr (EU 2 = Bl. 72 d. A.), somit die Wahrnehmungsentfernung zu beiden Kindern unterschiedlich gewesen sein muss.

2. Im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen, nämlich die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern und Kindern, nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) beurteilt und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt und deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG hat das Erstgericht ebenso zutreffend ausgeschlossen.

Klarzustellen ist, dass ein Fall der Gefährdungshaftung (§ 7 I StVG) ausscheidet, weil der Fahrzeughalter nicht verklagt worden ist, und aus 18 I 2 StVG eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Fahrzeugführers folgt.

b) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme, dass diese Haftung anspruchsmindernd durch ein Mitverschulden der Klägerin verringert werde (EU 5, 8 = 75, 78 d. A.), das unter Würdigung aller Gesamtumstände als erheblich einzustufen sei. Die Klägerin räumt eine gewichtige Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften ein (BB 2 = Bl. 94 d. A.), wer als Fußgängerin (oder Tretrollerfahrerin) Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf bevorrechtigte Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt auch für Kinder unter der Voraussetzung ihrer - im Streitfall nicht zweifelhaften - zur Erkenntnis der Verantwortung erforderlichen Reife (OLG Hamm NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151; OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596). Ein Fußgänger müsste sich sogar auf einem Fußgängerüberweg (§ 26 StVO) oder bei Grünlicht einer für ihn geschalteten Lichtzeichenanlage vergewissern, dass er die Fahrbahn gefahrlos überschreiten kann, ein Erzwingen des Vorrechts kann zu einem Mitverschulden führen (BGH VersR 1983, 667; NJW 1966, 1211).

c) Unzutreffend sind dagegen die Annahmen des Erstgerichts, erstens treffe die Beklagte zu 1) lediglich die Pflicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu beachten (EU 6/7 = Bl. 76/77 d. A.), zweitens könnten Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) ausgeschlossen oder als nicht erweislich angesehen werden (EU 7 = Bl. 77 d. A.), weil sie Vorfahrt gehabt habe und keinerlei äußerlich sichtbaren Umstände darauf hingedeutet haben, dass die Klägerin die Fahrbahn überqueren wolle oder als Kind wegen drohenden verkehrswidrigen Verhaltens besonders schutzwürdig gewesen sei. Überdies kann ein selbst die Betriebsgefahr vollständig aufzehrendes Mitverschulden der Klägerin nicht ohne Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen … § 25 … § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“) und des Verhaltens der Fahrzeugführerin, begründet und bewertet werden (EU 7/8 = Bl. 77/78 d. A.).

aa) Vielmehr bestimmen sich die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, nach folgenden Grundsätzen, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 12.05.2015, S. 1/5 = Bl. 100/105 d. A.) verwiesen:

- Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1, 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO). Eine in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelte Überquerungs- oder Querungshilfe (BGH NZV 1998, 369), wie die unstreitig von der Klägerin genutzte Verkehrsinsel in der A.-Straße in F., stellt keinen Fußgängerüberweg im Rechtssinne dar und beeinflusst das Vorrangverhältnis nicht (König, NZV 2008, 492 ff, [494 unter IV.]; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 26, Rn. 10).

- Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§§ 3 III, I StVO; BGH NJW 1992, 1459; OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), aber auch das Sichtfahrgebot (BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2. c)]), und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich auf den Gehwegen gehender oder stehender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3. a)]; KG VRS 100, 269 = BeckRS 2001, 00140; BGH VersR 66, 736; OLG Düsseldorf, NZV 2002, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (BGH NJW-RR 1991, 347; OLG Hamm NZV 1993, 314; KG VRS 100, 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Koblenz NZV 2012, 177; OLG Hamm r+s 1989, 396 = VRS 78, 5), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Letztere Verpflichtung besteht sogar bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Saarbrücken r+s 2010, 479; OLG Hamm r+s 1989, 396).

- Diese Verpflichtungen bestehen uneingeschränkt auch bei schweren Sorgfaltsverstößen eines Fußgänger, etwa wenn dieser die Fahrbahn trotz für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in oder an der Ampelfurt überschreiten will (BGH Urt. v. 29.04.1975 - VI ZR 225/73 [juris] = VersR 1975, 858; NJW 1992, 1459; VersR 1967, 608). Angesichts dieser Verpflichtungen kommt eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließt, lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat (OLG Köln NZV 2002, 369; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010 - 10 U 1/10 [juris]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.02.2011 - 4 U 200/10 - 60 [juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.03.2012 - I-16 U 169/11, 16 U 169/11 [juris]).

- Eine abweichende Bewertung ist im Streitfall schon deswegen nicht veranlasst, weil Sonderfälle, wie etwa ein Abwarten der Klägerin auf einer Verkehrsinsel, ein Hervortreten hinter einem Verkehrsstau (OLG Hamm NZV 2000, 371) oder eine Vernachlässigung eines naheliegenden Fußgängerüberwegs (BGH NJW 1958, 1630; NZV 1990, 150; KG VRS 100, 269; KG VM 1992, 27; i. Ü auch dort nur hälftige Haftung; OLG Hamm NZV 2000, 371; OLG Dresden NZV 2001, 378), unstreitig nicht vorliegen. Selbst wenn jedoch ein derartiger Vertrauensschutz angenommen würde, beseitigt dieser einerseits nicht die Verpflichtung, die gesamte Fahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auch wegen der in solchen Fällen gegebenen Abstandsverkürzung reagieren zu können (OLG Hamm, a. a. O.; BGH VersR 1966, 736; BGH VersR 1968, 897; OLG Köln VersR 1987, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1249; KG VersR 1993, 201), und zwar zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Fußgänger die Fahrbahn betritt (OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VersR 1979, 649). Andererseits setzt der genannte Vertrauensgrundsatz jedenfalls ein merkliches Verhalten des Fußgängers voraus, das die Erwartung des Kraftfahrers, ihm werde die Vorbeifahrt gestattet, stützen kann (KG VersR 1968, 259: „Blickkontakt“; OLG Karlsruhe VersR 1971, 1177; OLG Hamm r+s, 2002, 192; BGH VersR 1961, 592).

- Darüber hinaus bestehen besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern (§ 3 IIa StVO), diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829: gegenüber alten Menschen). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für Kinder und gegen den Kraftfahrer streitet. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils (EU 2 = Bl. 72 d. A.) fuhr die zum Unfallzeitpunkt elfjährige Klägerin, mit einem Tretroller und gefolgt von ihrer achtjährigen Schwester, fahrbahnparallel auf dem Gehweg, um diesen nach links zu verlassen und die Straße an einer als Überquerungshilfe dienenden Verkehrsinsel zu überfahren. Die Klägerin ist somit wegen ihres erheblich unter dem 14. Lebensjahr liegenden Alters (OLG Hamburg NZV 1990, 71) ersichtlich in den Schutzbereich der Verkehrsvorschrift einbezogen, dagegen finden Erwägungen des Erstgerichts zur Unzumutbarkeit dieser besonderen Vorsicht (EU 8 = Bl. 78 d. A.) eine Stütze weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Meinung, erhebliche, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverringerungen eines Kraftfahrers zum Schutz von Kindern auf dem fahrbahnnahen Gehweg könnten den Stadtverkehr beeinträchtigen und ein erhöhtes Unfallrisiko herbeiführen, ist nicht nur durch keinerlei tatsächliche Feststellungen belegt, sondern auch nicht zu begründen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand liegt nahe, dass die Beklagte zu 1) den sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Allein die Anwesenheit von Schulkindern auf dem rechten Bürgersteig und die Nähe einer als Überquerungshilfe gedachten Verkehrsinsel zwingen zu besonderer Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsverringerung (OLG Hamm r+s 2001, 60; NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151), zumal eine gegenseitige Beeinflussung der Klägerin und ihrer noch jüngeren Schwester (BGH NJW 1991, NJW Jahr 1990 Seite 292; KG NZV 1999, 329; OLG Hamburg NZV 1990, 71) nicht auszuschließen ist und sogar nahe liegt.

- Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs folgt schon allgemein keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211; BayObLG NJW 1978, 1491; OLG Karlsruhe VersR 1982, 450; OLG Hamm r+s 1988, 102; BGH NJW 2000, 3069). Dies gilt verstärkt gegenüber Kindern (OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596).

- Hieraus folgt, dass eine Bewertung des klägerischen Mitverschuldens als so gewichtig, dass jegliche Haftung der Beklagten entfalle, kaum vertretbar ist (OLG Karlsruhe NZV 2012, 596, OLG Hamm NZV 1991, 69: Haftung des Kraftfahrers zu 1/3 bei leichtem Verschulden oder bloßer Betriebsgefahr; OLG Hamm NZV 2006, 151: zu 40% wegen groben Verschuldens des Kindes; OLG Hamm r+s 2001, 60: Haftung des Kraftfahrers zu 2/3).

bb) Darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung durch die Klägerin und ein dieser anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden, aber auch für deren Ausmaß, sind die Beklagten. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen der Klägerin in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für die Klägerin (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben. Gleiches gilt für den Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG), was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin erfordert. Soweit grundsätzlich die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für Sorgfaltspflichtverstöße und Verursachungsbeiträge der Beklagten trifft, ist die aus dem Gesetzeswortlaut (§ 3 IIa StVO) abgeleitete Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zu beachten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mitverschulden der Klägerin jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und auch die aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen Zeugen zu vernehmen, sobald sich eine Partei darauf bezieht (§§ 525 S. 1, 273 II Nr. 4 ZPO). Denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der gesamten Beweisaufnahme (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den genauen Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unzureichender Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. [2418/2420, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 07.04.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 26.02.2015 (Az. 19 O 925/14) aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger machte in erster Instanz zuletzt nur noch gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Schadensersatz aus der Beschädigung seines Fahrzeugs geltend, wobei er in der Hauptsache den Ausgleich gestaffelt verzinster Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 22.244,58 € verlangt hatte.

I.

Zugrunde liegt ein streitiger Zusammenstoß am Dienstag, den 10.09.2013 gegen 18.30 Uhr, auf dem privaten Gebrauchtfahrzeugverkaufsgelände in M., L. Straße ..., zwischen dem damals vom Kläger gehaltenen Pkw Mercedes-Benz S. 63 AMG L, amtliches Kennzeichen …, und dem damals von dem heutigen Zeugen K. gefahrenen und bei der Beklagten zu 2) versicherten Pkw Mercedes-Benz CL 600, amtliches Kennzeichen TÖL - … . Die Beklagte bestritt, dass überhaupt ein Unfall durch das bei ihr versicherte Fahrzeug stattgefunden habe, und behauptete hilfsweise, dass ein derartiger Unfall vereinbart worden sei, um sie selbst betrügerisch zu schädigen.

a) Der Zeuge K. war zunächst als Gesamtschuldner mit der Beklagten verklagt worden, hatte sich jedoch an dem Rechtsstreit nicht beteiligt. Deswegen trat die Beklagte im Wege der Nebenintervention als dessen Streithelfer bei. In mündlicher Verhandlung vom 09.05.2014 (Bl. 26 d. A.) wurde die Klage gegen den jetzigen Zeugen zurückgenommen.

b) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 26.02.2015 (Bl. 79/86 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

c) Der Kläger hatte beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.244,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.619,58 € seit dem 05.10.2013 bis zur Klagezustellung, und aus 22.244,58 € ab diesem Zeitpunkt zu bezahlen, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.

II.

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die klägerischen Ansprüche im Wesentlichen zuerkannt, weil der vom Kläger behauptete Kraftfahrzeugunfall tatsächlich stattgefunden habe und vom Zeugen K. mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug verschuldet worden sei. Dabei wurde ein Abzug von etwa 17 Prozent wegen zu hoch kalkulierter Reparaturkosten vorgenommen. Dagegen habe die Beklagte nicht beweisen können, dass der geltend gemachte Schaden vorsätzlich einverständlich herbeigeführt und somit in die Rechtsgutsverletzung eingewilligt worden sei. Vielmehr sei eine Anzahl von Kleinigkeiten und Ungereimtheiten nicht geeignet, insoweit überhaupt grundlegende Zweifel zu wecken. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 82/85 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

III.

Gegen dieses ihr am 03.03.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 07.04.2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 90/91 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 02.06.2015, eingegangen am gleichen Tag, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 08.04.2015 (Bl. 94 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 99/108 d. A.).

Die Beklagte beantragt (BB 1/2 = Bl. 99/100 d. A.), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise das Ersturteil aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 97, 166 d. A.).

Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

IV.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt und gemäß Beweisanordnung vom 15.02.2017 (Bl. 153/154 d. A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen K. Beide Parteien haben sich mit der Verwertung der darüber hinausreichenden erstinstanzlichen Beweisaufnahme einverstanden erklärt (Bl. 172 d. A.) Hinsichtlich des Ergebnisses der ergänzenden Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.05.2017 (Bl. 170/179 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senats vom 27.10.2015 (Bl. 113/114 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache uneingeschränkt Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen für begründet gehalten (EU 4/7 = Bl. 82/85 d. A.), weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der streitgegenständliche Unfallschaden von dem Zeugen K. verursacht und verschuldet worden sei. Dagegen habe sich ein verabredeter, vorsätzlich herbeigeführter Zusammenstoß angesichts der glaubwürdigen Zeugen und des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht erweisen, wohl nicht einmal vermuten lassen.

Nach der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass die Beklagte mit dem Beweismaß des § 286 I 1 ZPO den Nachweis geführt hat, dass der Schaden am Fahrzeug des Klägers vereinbarungsgemäß und absichtlich verursacht wurde, um unberechtigt Versicherungsleistungen zu erhalten. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats in der Beweisverhandlung vom 05.05.2017 (Bl. 177/178 d. A.) Bezug genommen.

1. Der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts ist nicht zu beanstanden (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO), sodass insbesondere die entscheidende Frage der Beweislastverteilung zutreffend und frei von Rechtsfehlern beantwortet wurde.

a) Der Kläger genügt seiner Feststellungslast schon damit, dass das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalles, hier Verkehrsunfalls, unstreitig, zugestanden oder nachgewiesen ist (BGH, Urt. v. 05.12.1978 - VI ZR 185/77 [BeckRS 1978 30381245]; NJW 1997, 1988; r + s 1993, 333; NJW-RR 1997, 663; NVersZ 2000, 87; OLG Stuttgart, Urt. v. 09.07.2008 - 3 U 31/08 [BeckRS 2009, 20460]). Der Senat ist angesichts der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass am behaupteten Ort und zur behaupteten Zeit ein irgendwie gearteter Zusammenstoß erfolgt ist, sich also der Unfall in der vom Kläger geschilderten Art und Weise ereignet haben kann.

b) Dagegen oblag und obliegt der Beklagten der Beweis, dass der Unfall im Einverständnis der Beteiligten wie behauptet „gestellt“ worden sei und daher keine Haftpflicht auslöse (BGH VersR 1978, 862; OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.02.2009 - 4 U 402/08 [BeckRS 2009, 09331]; OLG Köln VersR 2010, 1361; r+s 2004, 321; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.09.2008 - 12 U 202/07 [BeckRS 2008, 21110]; KG Urt. v. 06.02.2006 - 12 U 4/04 [BeckRS 2006, 08492]). Nicht etwa der Kläger hat zu beweisen, dass ein „echter“ oder „haftpflichtversicherungsgemäßer“ Unfall vorliege. Unerheblich ist daher, ob das Gericht die Überzeugung von der klägerischen Unfallschilderung gewinnen konnte und ob Hilfstatsachen festzustellen waren, die Zweifel an dieser Schilderung wecken konnten (EU 6/7 = Bl. 84/85 d. A.).

c) Weiterhin ist in ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung anerkannt, dass der beklagten Haftpflichtversicherung ein Indizienbeweis erlaubt ist, in dessen Rahmen Hilfstatsachen zu sammeln, einzeln zu bewerten, in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen sind. Dabei muss jedoch nicht festgestellt werden, dass alle denkbaren oder im Streitfall angeführten Hilfstatsachen vorliegen (OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429; Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris, Rn. 21), überdies können - je nach Lage des Einzelfalls - sowohl einige wenige Indizien für eine richterliche Überzeugungsbildung ausreichen, als auch einzelne Indizien ein Gewicht erlangen (OLG Frankfurt a.M. NZV 2010, 623; KG NZV 2008, 243: „Werthaltigkeit der Beweistatsachen“), das eine gleichwertige Beurteilung aller beschriebenen und etwa sonst vorhandenen Umstände verbietet (BGH NJW 1989, 3161 [3162, unter III.]; OLG Karlsruhe NZV 1989, 155, OLG Hamm, VersR 2011, 1125 [1126, II.1., 2. b) aa]: jeweils für eine tatsachenwidrige Unfallschilderung; OLG Hamm NZV 1988, 143: für eine kaum glaubhafte Schilderung des Unfallhergangs; OLG Celle NZV 1988, 182).

2. Der Senat ist an die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen oder ersichtlich wurden. Insbesondere fehlt eine vollständige und überzeugende Bewertung der Hilfstatsachen (EU 6/7 = Bl. 84/85 d. A. „Kleinigkeiten“, „Ungereimtheiten“, „(nicht) geeignet sind, hier grundlegende Zweifel überhaupt zu wecken“), die einzeln zu bewerten, in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen gewesen wären (Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris]; OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429). Die Glaubhaftigkeit jeder Aussage und die Glaubwürdigkeit jeder Aussageperson wären im Einzelnen zu prüfen, zu bewerten und sachgerecht zu begründen gewesen, wozu das Ersturteil nur eine allgemeine Versicherung enthält (EU 5 = Bl. 83 d. A.). Folgende Indizien sind zu beachten:

a) Der Kläger war und ist nicht in der Lage, eine vollständige und widerspruchsfreie Darstellung über den An- und Verkauf des verunfallten Fahrzeugs zu geben und zu belegen. So konnte er für den Ankauf lediglich eine nicht unterschriebene Bestellung - ohne Preisfestlegung, aber mit bestimmten Vorschäden - und eine Rechnungskopie vorlegen, wobei erstere erst sieben Monate nach der Bestellung ausgedruckt worden sein soll und letztere keinen Hinweis auf eine tatsächliche Zahlung, dagegen eine nicht bestellte EUROPlus Garantie aufweist (Anlagen BK 1 und BK 2 zu Bl. 129 ff. d. A.). Für den Weiterverkauf dieses Fahrzeugs an O. C., der gerade einen Monat nach dem Unfall stattgefunden haben soll, konnte der Kläger zwar eine Kopie einer Zulassungsbescheinigung (Anlage BK 4), aber keinen Kaufvertrag vorlegen. Begründet wurde dies mit der Tatsache, dass er sich mit O. C. im Streit befinde, weshalb kein schriftlicher Kaufvertrag geschlossen worden sei, was jedoch nicht einmal in Ansätzen erklärt, warum nicht über den Verhandlungsverlauf und die Verhandlungsergebnisse berichtet werden kann. Dagegen konnte - offenbar trotzdem - eine Vertragskopie für einen Weiterverkauf von O. C. an einen Musa A. geliefert werden (Anlage BK 3), die allerdings weder den hohen Preisverfall nachvollziehbar macht, noch den Umstand, dass die erheblichen Schäden des streitgegenständlichen Vorfalls nicht erwähnt werden.

b) Der Kläger will nach wie vor darauf beharren, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vor dem Unfall keine Vorschäden gehabt oder er von solchen Schäden nichts gewusst habe, obwohl bereits die von ihm vorgelegte Bestellung genau die Schäden ausgewiesen hat, die die Sachverständige nachträglich als nicht unfallursächlich festgestellt hat. Ebenso fehlt eine prüfbare Darlegung, warum der Weiterverkauf durch O. C. in der Vertragsurkunde wortgleich die Schäden enthält, die in der Bestellung aufgelistet sind, während in der Zwischenzeit weitere Schäden von mindestens 18.460,58 € entstanden sein sollen.

c) Nach wie vor kann oder will der Kläger keine Angaben machen, warum er das Fahrzeug an Mustafa C. verliehen, und zu welchem Zweck sich dieser zur Unfallzeit mit dem Fahrzeug am Unfallort aufgehalten hatte (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 18.07.2014, S. 6 = Bl. 42 d. A.).

d) Der Zeuge K. konnte keine genauen Angaben zum Kaufpreis und zu etwaigen Vorschäden des von ihm gesteuerten Fahrzeugs (das von seiner Lebensgefährtin vor dem Unfall an die jetzige Eigentümerin verkauft wurde, alles abgewickelt über den Zeugen K. als Lebensgefährte der früheren Eigentümerin und einem Zeugen V., den Lebensgefährten der Geschäftsführerin der späteren Eigentümerin) machen, ebenso wenig zur Abwicklung der angeblich schon vor dem Unfall notwendigen Reparaturmaßnahmen. Dagegen will der Zeuge den bei dem streitgegenständlichen Vorfall verursachten, vorgeblich geringfügigen Schaden an dem DB 600 CL selbst und auf eigene Kosten repariert haben, wobei wiederum jegliche prüfbare Einzelheiten und geschäftsmäßige Nachweise fehlen. Allerdings zeigte sich der Zeuge ungehalten, dass dieses Fahrzeug von der Halterin nicht ordnungsgemäß vollkaskoversichert worden sei, sodass ihm persönlich nicht erstatteter Aufwand und Kosten entstanden seien. Wer mit wem diesen Schaden wie abgerechnet habe, konnte oder wollte der Zeuge nicht angeben.

e) Anders als das Erstgericht vermag der Senat den Zeugen K. nicht für glaubwürdig und seine Angaben in entscheidenden Punkten nicht für glaubhaft zu halten. Der Senat hält es für nicht glaubhaft, dass der Zusammenstoß der Fahrzeuge aufgrund eines Versehens oder einer überlastungsbedingten Unaufmerksamkeit erfolgte. Dem Zeugen waren die beengten Parkverhältnisse auf dem Autohändlergelände bekannt und bewusst. Der Zeuge hat zweifach unzutreffende Angaben über den Unfallhergang gemacht und keine nachvollziehbare Erklärung für die - erst nach sachverständiger Begutachtung bekannte - unsinnig starke Rückwärtsbeschleunigung liefern können. Die falschen Angaben können und konnten nur dazu dienen, die wahren Tatsachen eines notwendig heftigen Anpralls und dessen Ursache zu verschleiern.

Überdies wird die Begründung des Zeugen weiter entwertet durch sein Bekenntnis, „immer so“ zu fahren, was schon denkgesetzlich ausschließt, dass er im Streitfall aufgrund besonderer Umstände überhastet oder unüberlegt gehandelt habe. So ist nicht nachvollziehbar, wegen eines nicht erläuterten „Stresses“ so übermäßig Gas zu geben, dass fünfstellige Schäden entstehen und das jeweils an fremden Fahrzeugen, außer wenn es gerade darauf ankam, ohne wirkliches Verletzungsrisiko für den Zeugen K., diese Schäden hervorzurufen.

Hierzu passt auch der Ärger des Zeugen darüber, dass die Käuferin den Mercedes 600 CL nicht vollkaskoversichert hat. Der Zeuge hinterließ den Eindruck, dass dies vorher so abgesprochen war. Die jetzige Verärgerung kann nur den Grund haben, dass ein Plan, den Schaden am 600 CL über dessen Vollkaskoversicherung abzurechnen, dadurch hintertrieben wurde und dem Zeugen nicht erwartete Kosten verursachte. Denn objektiv hätte der Zeuge keinen Grund gehabt, sich über die entfallene Vollkaskoversicherung verdrossen zu zeigen. Die Fahrzeugvollversicherung eines neu erworbenen Fahrzeug ist zunächst ausschließlich Sache des Halters und bei älteren Fahrzeugen mit einem Wert - nach Angaben des Zeugen K. - kaum über 10.000,- € keinesfalls naheliegend. Dies war dem Zeugen als im Kraftfahrzeughandel tätig durchaus bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass er natürlich für den Zeitraum, in welchem er das Fahrzeug zur Reparatur hereingenommen hatte, für Beschädigungen haften müsse. Dennoch fehlen insoweit jegliche Angaben zu Maßnahmen, oder wenigstens Absprachen, die ein ordentlicher Kraftfahrzeughändler mit seinem Kunden getroffen hätte. Gleiches gilt für die tatsächliche Beseitigung und den Ausgleich dieses Schadens, was lediglich einen einzigen Grund hat, nämlich dass das für einen geringen Preis erworbene Fahrzeug absprachegemäß als Schadenswerkzeug eingesetzt und zusätzlich dessen Schäden eben über die Vollkaskoversicherung abgerechnet werden sollten.

Der Zeuge K. vermittelte den Eindruck, ganz bewusst die wesentlichen Umstände des Streitfalles, im Übrigen auch sein gesamtes Geschäftsgebaren verschleiern zu wollen, indem wiederholt Erinnerungslücken behauptet, naheliegende Erklärungen verweigert und von „wir“ oder „uns“ gesprochen wurde, wenn unklar bleiben sollte, wer genau für welche Vorgänge verantwortlich war. Zweifel an seiner Wahrheitsliebe hat der Zeuge unfreiwillig dadurch bestätigt, dass er eingeräumt hat, bereits im Vorfeld die Unwahrheit gesagt zu haben. So hat er bei der Schadensabwicklung zunächst zweifach falsche Angaben gemacht: Er habe behauptet, nur Schrittgeschwindigkeit gefahren zu sein, und die Frage nach einer Ablenkung verneint, um keinen Ärger zu haben. Ein Telefonat vor dem Anstoß habe er erst beim Landgericht eingeräumt, nachdem ihm versichert worden sei, dass ihm deswegen „nichts passieren“ könne.

Zudem waren schwerwiegende Eigeninteressen des Zeugen offensichtlich, nachdem er im Falle der Aufdeckung eines verabredeten Unfalls mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen hat.

Der Senat schließt deswegen sowohl die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen K. aus, als auch dessen Glaubwürdigkeit. Die Glaubwürdigkeit (BGH NJW 1972, 584; 1968, 1138: persönliche Glaubwürdigkeit; NStZ 1997, 355: allgemeine Glaubwürdigkeit; NJW 1990, 3088), oft gleichgesetzt mit Redlichkeit (BGH NZV 1997, 305), ist eine Eigenschaft von Menschen, Zeugen oder Personen (BVerfG NJW 2008, 2243 [2244]; BGH NJW 1964, 2414; BGHZ 53, 245 [257]), und umfasst insbesondere Wahrheitsliebe (BGH NJOZ 2015, 310; NStZ 1988, 423), Urteilsfähigkeit (BGH NJOZ 2015, 310; NJW 2015, 74) und Erinnerungsvermögen (BGH NJW 1984, 2629; 1990, 3088; NJW-RR 2012, 704; Beschluss vom 14.05.2013 - XI ZR 274/12 [juris]; NStZ 1997, 355: Aussagetüchtigkeit). Sie folgt aus einer Bewertung der gesamten Persönlichkeit (BGH NJW 2011, 3780: „persönlicher Eindruck“) und des Aussageverhaltens (BGH r + s 1999, 14), und ist im Streitfall aufgehoben aufgrund persönlicher Verbundenheit zu einem von seiner Aussage Begünstigten (BGH NJW-RR 1995, 1210), eigenen persönlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits (BGH NJW 2004, 1876), und unwahrer (BGH NStZ 1984, 42; NJW 1996, 1348) oder unglaubhafter (BGH r + s 1997, 184) Angaben.

f) In gleichartiger Weise ist die Darstellung des Klägers nicht glaubhaft, vielmehr weist sein Verhalten auf eine verabredete Beschädigung eines vorgeschädigten Fahrzeugs hin, um über Versicherungsleistungen Gewinne zu erzeugen.

Wenn der Kläger eine wertsichernde Abwicklung des vorgeblichen Unfalls hätte sichern wollen, hätte er nicht auf eine Ermittlung des Restwerts verzichtet (Anlage K 1); erst recht hätte er das Fahrzeug nicht - vor endgültiger Schadensregulierung - weiterverkauft, ohne dass auch nur mitgeteilt werden könnte, welchen Preis er erlöst hat. Dieses Verhalten wäre mit hohem Risiko erheblich selbstschädigend, sodass alles dafür spricht, dass Absprachen getroffen wurden, die den Kläger vermeintlich schadlos stellen und gleichzeitig finanzielle Vorteile bieten.

Zudem ist die Einlassung, das Fahrzeug sei ohne schriftlichen Vertrag an O. C. verkauft worden, weil der Kläger mit diesem im Streit liege, unglaubhaft. Ein Fahrzeug an einen Streitgegner zu verkaufen, ist schon an sich fragwürdig, erst recht aber, wenn noch nicht einmal der Kaufpreis angegeben wird; bei dieser Sachlage ist ein weiterer Streit wesentlich wahrscheinlicher als eine Befriedung. Dagegen kann der Verzicht auf eine schriftliche Festlegung keinen Streit vermeiden, sondern dient dazu, die tatsächliche Vereinbarung nicht prüfbar und feststellbar werden zu lassen.

Weiterhin kann oder will der Kläger auch sein Verschweigen der Vorschäden nicht erklären, obwohl sich diese bereits aus seiner Bestellung ergeben. Auch dieser Umstand wird einzig verständlich durch einen verabredeten Unfall, aufgrund dessen die Haftpflichtversicherung auch schon vorhandene Schäden bezahlen sollte.

Zuletzt weist nach Auffassung des Senats auch die Tatsache, dass Gründe für die Fahrzeugüberlassung an Mustafa C., für das Aufsuchen des Geländes, die Schadensabwicklung und die Vermittlung des Verkaufs durch Mustafa C. nicht angeführt werden können, darauf hin, dass eine verabredete Selbstschädigung zum Zwecke des Versicherungsbetrugs vorgenommen werden sollte.

Deswegen ist die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben ausgeschlossen, und die Angaben selbst durch die vorstehend genannten Tatsachen widerlegt.

g) Die Klageseite hält für besonders bedeutsam, dass eine Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Schädiger (dem früheren Beklagten zu 1) und heutigen Zeugen K.) nicht nachzuweisen sei und nicht bestehe. Aufgrund der Feststellungen im Berufungsverfahren hat dieser Gesichtspunkt jedoch weitgehend seine Bedeutung verloren.

Das Gelände, auf welchem sich der streitgegenständliche Vorfall abgespielt hat, wurde von der Stadt M. an Herrn O. C. vermietet, der als Hauptmieter Teilflächen an verschiedene Kraftfahrzeughändler, unter anderem an die Lebensgefährtin des Zeugen K. (der sich mit diesem Betrieb so identifiziert, dass er bei Fragen hierzu weitgehend von „seinem“ Betrieb gesprochen hat) untervermietet. O. C. ist der Sohn des Zeugen M. C., der das klägerische Fahrzeug vor dem Zusammenstoß auf das Betriebsgelände gefahren hatte. Ebenso ist er sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Zeugen K. bekannt.

Damit ist mit dem Hauptmieter des Geländes (O. C.) eine Person bekannt geworden, die einerseits der Kläger und der Zeuge K. gut kennen, und die andererseits auf die Schadensabwicklung besonderen Einfluss genommen hat. O. C. hat - nach der Aussage seines Vaters M. C. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 18.07.2014, S. 6 = Bl. 42 d. A.) - das Unfallfahrzeug gekauft, anschließend habe man es gemeinsam repariert. Während dafür keinerlei nähere Einzelheiten, nicht einmal der Ankaufspreis, genannt werden, wird jedoch ein Weiterverkaufsvertrag vorgelegt (Anlage BK 3), der die schweren Schäden des angeblichen Unfalls nicht erwähnt, schon länger bestehende Vorschäden ausweist, die Behauptung einer Reparatur entwertet und eine Preissenkung um fast 30.000,- € nicht erläutert. Nach Auffassung des Senats kann dies nur damit erklärt werden, dass auch diese Behauptungen und scheinbaren Belege Bestandteil einer Schadensabwicklung sind, die aufgrund einer verabredeten Beschädigung zu Unrecht Versicherungsleistungen verlangen und so wirtschaftliche Vorteile erzeugen sollte.

Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass M. C., der Vater des O. C., diejenige Person war, die das klägerische Fahrzeug an den späteren Unfallort verbracht hat. Der Senat hält es für widersinnig und ausgeschlossen, dass erst nach dem Unfall zwischen Vater und Sohn C. der Entschluss gereift sei, das ersterem geliehene Fahrzeug zu einem unbekannten Preis zu erwerben, gemeinsam zu reparieren und zwei Jahre später weiterzuverkaufen, ohne Hinweis auf den schweren Unfallschaden. Dagegen stellt eine verabredungsgemäß herbeigeführte Fahrzeugbeschädigung eine nachvollziehbare Erklärung des Gesamtvorgangs dar.

h) Bei dieser Sachlage ergeben eine Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BGH NJW 2015, 74 [75]; BayObLG NZM 2002, 449) und eine Gesamtschau der gesamten Beweisaufnahme (BGH NJW 2015, 74 [75, 76]; BGH NJW 1992, 1966; NJW 1997, 1988) die Wertung (BVerfG NJW 2003, 2524), dass die oben dargestellten, im Berufungsverfahren festgestellten Hilfstatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Beklagten der (Indizien-)Beweis eines verabredeten Unfalls gelungen ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH NJW 1970, 946; NJW 1992, 39 [40]; VersR 2007, 1429; Senat NZV 2003, 474 [475]; NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]), ohne sie völlig auszuschließen.

Diese Hinweiszeichen sind in ihrer Gesamtheit so gewichtig und weisen einen derartigen Beweiswert auf, dass die sonst von der Beklagten angeführten Indizien, die sonstigen Feststellungen des Erstgerichts und insbesondere etwa gegen eine Unfallverabredung sprechende Einzelheiten oder fehlende in anderen Manipulationsfällen typische Umstände an Bedeutung verlieren. Eine umfassende Darstellung, Würdigung und Gesamtschau jeglicher in Betracht kommender Indizien ist in derartigen Fällen nicht mehr geboten Der Senat hat sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und gewürdigt, ohne dass diese entscheidenden Einfluss auf die Tatsachen- und Beweiswürdigung gewinnen konnten. Insbesondere ist ohne Belang, dass die unfallanalytische Sachverständige wenigstens zum Teil eine Entsprechung der Schäden feststellen konnte; denn dies ist bei gestellten Unfällen regelmäßig der Fall, bei welchen nicht die Fahrzeugberührung als solche, sondern lediglich deren Zufälligkeit streitig ist. Ebenso ist nicht erforderlich, dass auch der vermeintliche Geschädigte und der Schädiger sich kennen (KG Urt. v. 16.01.2003 - 12 U 207/01 [BeckRS 2003, 30301554]; Beschluss vom 08.12.2005 - 12 U 201/05 [BeckRS 2006, 13907]; Urt. v. 10.08.2006 - 22 U 199/05 [BeckRS 2015, 9688]) - ansonsten würde ein gestellter Unfall immer dann ausscheiden, wenn Mittelsmänner eingesetzt würden, ein ersichtlich widersinniges Ergebnis.

II.

Deswegen war die Berufung der Beklagten erfolgreich und die Klage abzuweisen; hierauf beruht Ziffer 1 der Urteilsformel.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 91 ZPO, weil der Kläger im Berufungsverfahren in vollem Umfang unterlegen ist und bei richtiger Entscheidung auch in erster Instanz unterlegen wäre.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Der Zeugenbeweis wird durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 07.04.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 26.02.2015 (Az. 19 O 925/14) aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger machte in erster Instanz zuletzt nur noch gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Schadensersatz aus der Beschädigung seines Fahrzeugs geltend, wobei er in der Hauptsache den Ausgleich gestaffelt verzinster Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 22.244,58 € verlangt hatte.

I.

Zugrunde liegt ein streitiger Zusammenstoß am Dienstag, den 10.09.2013 gegen 18.30 Uhr, auf dem privaten Gebrauchtfahrzeugverkaufsgelände in M., L. Straße ..., zwischen dem damals vom Kläger gehaltenen Pkw Mercedes-Benz S. 63 AMG L, amtliches Kennzeichen …, und dem damals von dem heutigen Zeugen K. gefahrenen und bei der Beklagten zu 2) versicherten Pkw Mercedes-Benz CL 600, amtliches Kennzeichen TÖL - … . Die Beklagte bestritt, dass überhaupt ein Unfall durch das bei ihr versicherte Fahrzeug stattgefunden habe, und behauptete hilfsweise, dass ein derartiger Unfall vereinbart worden sei, um sie selbst betrügerisch zu schädigen.

a) Der Zeuge K. war zunächst als Gesamtschuldner mit der Beklagten verklagt worden, hatte sich jedoch an dem Rechtsstreit nicht beteiligt. Deswegen trat die Beklagte im Wege der Nebenintervention als dessen Streithelfer bei. In mündlicher Verhandlung vom 09.05.2014 (Bl. 26 d. A.) wurde die Klage gegen den jetzigen Zeugen zurückgenommen.

b) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 26.02.2015 (Bl. 79/86 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

c) Der Kläger hatte beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.244,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.619,58 € seit dem 05.10.2013 bis zur Klagezustellung, und aus 22.244,58 € ab diesem Zeitpunkt zu bezahlen, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.100,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.

II.

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die klägerischen Ansprüche im Wesentlichen zuerkannt, weil der vom Kläger behauptete Kraftfahrzeugunfall tatsächlich stattgefunden habe und vom Zeugen K. mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug verschuldet worden sei. Dabei wurde ein Abzug von etwa 17 Prozent wegen zu hoch kalkulierter Reparaturkosten vorgenommen. Dagegen habe die Beklagte nicht beweisen können, dass der geltend gemachte Schaden vorsätzlich einverständlich herbeigeführt und somit in die Rechtsgutsverletzung eingewilligt worden sei. Vielmehr sei eine Anzahl von Kleinigkeiten und Ungereimtheiten nicht geeignet, insoweit überhaupt grundlegende Zweifel zu wecken. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 82/85 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

III.

Gegen dieses ihr am 03.03.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 07.04.2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 90/91 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 02.06.2015, eingegangen am gleichen Tag, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 08.04.2015 (Bl. 94 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 99/108 d. A.).

Die Beklagte beantragt (BB 1/2 = Bl. 99/100 d. A.), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise das Ersturteil aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 97, 166 d. A.).

Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

IV.

Der Senat hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt und gemäß Beweisanordnung vom 15.02.2017 (Bl. 153/154 d. A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen K. Beide Parteien haben sich mit der Verwertung der darüber hinausreichenden erstinstanzlichen Beweisaufnahme einverstanden erklärt (Bl. 172 d. A.) Hinsichtlich des Ergebnisses der ergänzenden Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.05.2017 (Bl. 170/179 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senats vom 27.10.2015 (Bl. 113/114 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache uneingeschränkt Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen für begründet gehalten (EU 4/7 = Bl. 82/85 d. A.), weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der streitgegenständliche Unfallschaden von dem Zeugen K. verursacht und verschuldet worden sei. Dagegen habe sich ein verabredeter, vorsätzlich herbeigeführter Zusammenstoß angesichts der glaubwürdigen Zeugen und des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht erweisen, wohl nicht einmal vermuten lassen.

Nach der vom Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich, dass die Beklagte mit dem Beweismaß des § 286 I 1 ZPO den Nachweis geführt hat, dass der Schaden am Fahrzeug des Klägers vereinbarungsgemäß und absichtlich verursacht wurde, um unberechtigt Versicherungsleistungen zu erhalten. Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats in der Beweisverhandlung vom 05.05.2017 (Bl. 177/178 d. A.) Bezug genommen.

1. Der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts ist nicht zu beanstanden (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO), sodass insbesondere die entscheidende Frage der Beweislastverteilung zutreffend und frei von Rechtsfehlern beantwortet wurde.

a) Der Kläger genügt seiner Feststellungslast schon damit, dass das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalles, hier Verkehrsunfalls, unstreitig, zugestanden oder nachgewiesen ist (BGH, Urt. v. 05.12.1978 - VI ZR 185/77 [BeckRS 1978 30381245]; NJW 1997, 1988; r + s 1993, 333; NJW-RR 1997, 663; NVersZ 2000, 87; OLG Stuttgart, Urt. v. 09.07.2008 - 3 U 31/08 [BeckRS 2009, 20460]). Der Senat ist angesichts der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass am behaupteten Ort und zur behaupteten Zeit ein irgendwie gearteter Zusammenstoß erfolgt ist, sich also der Unfall in der vom Kläger geschilderten Art und Weise ereignet haben kann.

b) Dagegen oblag und obliegt der Beklagten der Beweis, dass der Unfall im Einverständnis der Beteiligten wie behauptet „gestellt“ worden sei und daher keine Haftpflicht auslöse (BGH VersR 1978, 862; OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.02.2009 - 4 U 402/08 [BeckRS 2009, 09331]; OLG Köln VersR 2010, 1361; r+s 2004, 321; OLG Brandenburg, Urt. v. 25.09.2008 - 12 U 202/07 [BeckRS 2008, 21110]; KG Urt. v. 06.02.2006 - 12 U 4/04 [BeckRS 2006, 08492]). Nicht etwa der Kläger hat zu beweisen, dass ein „echter“ oder „haftpflichtversicherungsgemäßer“ Unfall vorliege. Unerheblich ist daher, ob das Gericht die Überzeugung von der klägerischen Unfallschilderung gewinnen konnte und ob Hilfstatsachen festzustellen waren, die Zweifel an dieser Schilderung wecken konnten (EU 6/7 = Bl. 84/85 d. A.).

c) Weiterhin ist in ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung anerkannt, dass der beklagten Haftpflichtversicherung ein Indizienbeweis erlaubt ist, in dessen Rahmen Hilfstatsachen zu sammeln, einzeln zu bewerten, in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen sind. Dabei muss jedoch nicht festgestellt werden, dass alle denkbaren oder im Streitfall angeführten Hilfstatsachen vorliegen (OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429; Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris, Rn. 21), überdies können - je nach Lage des Einzelfalls - sowohl einige wenige Indizien für eine richterliche Überzeugungsbildung ausreichen, als auch einzelne Indizien ein Gewicht erlangen (OLG Frankfurt a.M. NZV 2010, 623; KG NZV 2008, 243: „Werthaltigkeit der Beweistatsachen“), das eine gleichwertige Beurteilung aller beschriebenen und etwa sonst vorhandenen Umstände verbietet (BGH NJW 1989, 3161 [3162, unter III.]; OLG Karlsruhe NZV 1989, 155, OLG Hamm, VersR 2011, 1125 [1126, II.1., 2. b) aa]: jeweils für eine tatsachenwidrige Unfallschilderung; OLG Hamm NZV 1988, 143: für eine kaum glaubhafte Schilderung des Unfallhergangs; OLG Celle NZV 1988, 182).

2. Der Senat ist an die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen oder ersichtlich wurden. Insbesondere fehlt eine vollständige und überzeugende Bewertung der Hilfstatsachen (EU 6/7 = Bl. 84/85 d. A. „Kleinigkeiten“, „Ungereimtheiten“, „(nicht) geeignet sind, hier grundlegende Zweifel überhaupt zu wecken“), die einzeln zu bewerten, in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen gewesen wären (Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris]; OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429). Die Glaubhaftigkeit jeder Aussage und die Glaubwürdigkeit jeder Aussageperson wären im Einzelnen zu prüfen, zu bewerten und sachgerecht zu begründen gewesen, wozu das Ersturteil nur eine allgemeine Versicherung enthält (EU 5 = Bl. 83 d. A.). Folgende Indizien sind zu beachten:

a) Der Kläger war und ist nicht in der Lage, eine vollständige und widerspruchsfreie Darstellung über den An- und Verkauf des verunfallten Fahrzeugs zu geben und zu belegen. So konnte er für den Ankauf lediglich eine nicht unterschriebene Bestellung - ohne Preisfestlegung, aber mit bestimmten Vorschäden - und eine Rechnungskopie vorlegen, wobei erstere erst sieben Monate nach der Bestellung ausgedruckt worden sein soll und letztere keinen Hinweis auf eine tatsächliche Zahlung, dagegen eine nicht bestellte EUROPlus Garantie aufweist (Anlagen BK 1 und BK 2 zu Bl. 129 ff. d. A.). Für den Weiterverkauf dieses Fahrzeugs an O. C., der gerade einen Monat nach dem Unfall stattgefunden haben soll, konnte der Kläger zwar eine Kopie einer Zulassungsbescheinigung (Anlage BK 4), aber keinen Kaufvertrag vorlegen. Begründet wurde dies mit der Tatsache, dass er sich mit O. C. im Streit befinde, weshalb kein schriftlicher Kaufvertrag geschlossen worden sei, was jedoch nicht einmal in Ansätzen erklärt, warum nicht über den Verhandlungsverlauf und die Verhandlungsergebnisse berichtet werden kann. Dagegen konnte - offenbar trotzdem - eine Vertragskopie für einen Weiterverkauf von O. C. an einen Musa A. geliefert werden (Anlage BK 3), die allerdings weder den hohen Preisverfall nachvollziehbar macht, noch den Umstand, dass die erheblichen Schäden des streitgegenständlichen Vorfalls nicht erwähnt werden.

b) Der Kläger will nach wie vor darauf beharren, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vor dem Unfall keine Vorschäden gehabt oder er von solchen Schäden nichts gewusst habe, obwohl bereits die von ihm vorgelegte Bestellung genau die Schäden ausgewiesen hat, die die Sachverständige nachträglich als nicht unfallursächlich festgestellt hat. Ebenso fehlt eine prüfbare Darlegung, warum der Weiterverkauf durch O. C. in der Vertragsurkunde wortgleich die Schäden enthält, die in der Bestellung aufgelistet sind, während in der Zwischenzeit weitere Schäden von mindestens 18.460,58 € entstanden sein sollen.

c) Nach wie vor kann oder will der Kläger keine Angaben machen, warum er das Fahrzeug an Mustafa C. verliehen, und zu welchem Zweck sich dieser zur Unfallzeit mit dem Fahrzeug am Unfallort aufgehalten hatte (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 18.07.2014, S. 6 = Bl. 42 d. A.).

d) Der Zeuge K. konnte keine genauen Angaben zum Kaufpreis und zu etwaigen Vorschäden des von ihm gesteuerten Fahrzeugs (das von seiner Lebensgefährtin vor dem Unfall an die jetzige Eigentümerin verkauft wurde, alles abgewickelt über den Zeugen K. als Lebensgefährte der früheren Eigentümerin und einem Zeugen V., den Lebensgefährten der Geschäftsführerin der späteren Eigentümerin) machen, ebenso wenig zur Abwicklung der angeblich schon vor dem Unfall notwendigen Reparaturmaßnahmen. Dagegen will der Zeuge den bei dem streitgegenständlichen Vorfall verursachten, vorgeblich geringfügigen Schaden an dem DB 600 CL selbst und auf eigene Kosten repariert haben, wobei wiederum jegliche prüfbare Einzelheiten und geschäftsmäßige Nachweise fehlen. Allerdings zeigte sich der Zeuge ungehalten, dass dieses Fahrzeug von der Halterin nicht ordnungsgemäß vollkaskoversichert worden sei, sodass ihm persönlich nicht erstatteter Aufwand und Kosten entstanden seien. Wer mit wem diesen Schaden wie abgerechnet habe, konnte oder wollte der Zeuge nicht angeben.

e) Anders als das Erstgericht vermag der Senat den Zeugen K. nicht für glaubwürdig und seine Angaben in entscheidenden Punkten nicht für glaubhaft zu halten. Der Senat hält es für nicht glaubhaft, dass der Zusammenstoß der Fahrzeuge aufgrund eines Versehens oder einer überlastungsbedingten Unaufmerksamkeit erfolgte. Dem Zeugen waren die beengten Parkverhältnisse auf dem Autohändlergelände bekannt und bewusst. Der Zeuge hat zweifach unzutreffende Angaben über den Unfallhergang gemacht und keine nachvollziehbare Erklärung für die - erst nach sachverständiger Begutachtung bekannte - unsinnig starke Rückwärtsbeschleunigung liefern können. Die falschen Angaben können und konnten nur dazu dienen, die wahren Tatsachen eines notwendig heftigen Anpralls und dessen Ursache zu verschleiern.

Überdies wird die Begründung des Zeugen weiter entwertet durch sein Bekenntnis, „immer so“ zu fahren, was schon denkgesetzlich ausschließt, dass er im Streitfall aufgrund besonderer Umstände überhastet oder unüberlegt gehandelt habe. So ist nicht nachvollziehbar, wegen eines nicht erläuterten „Stresses“ so übermäßig Gas zu geben, dass fünfstellige Schäden entstehen und das jeweils an fremden Fahrzeugen, außer wenn es gerade darauf ankam, ohne wirkliches Verletzungsrisiko für den Zeugen K., diese Schäden hervorzurufen.

Hierzu passt auch der Ärger des Zeugen darüber, dass die Käuferin den Mercedes 600 CL nicht vollkaskoversichert hat. Der Zeuge hinterließ den Eindruck, dass dies vorher so abgesprochen war. Die jetzige Verärgerung kann nur den Grund haben, dass ein Plan, den Schaden am 600 CL über dessen Vollkaskoversicherung abzurechnen, dadurch hintertrieben wurde und dem Zeugen nicht erwartete Kosten verursachte. Denn objektiv hätte der Zeuge keinen Grund gehabt, sich über die entfallene Vollkaskoversicherung verdrossen zu zeigen. Die Fahrzeugvollversicherung eines neu erworbenen Fahrzeug ist zunächst ausschließlich Sache des Halters und bei älteren Fahrzeugen mit einem Wert - nach Angaben des Zeugen K. - kaum über 10.000,- € keinesfalls naheliegend. Dies war dem Zeugen als im Kraftfahrzeughandel tätig durchaus bekannt, ebenso wie die Tatsache, dass er natürlich für den Zeitraum, in welchem er das Fahrzeug zur Reparatur hereingenommen hatte, für Beschädigungen haften müsse. Dennoch fehlen insoweit jegliche Angaben zu Maßnahmen, oder wenigstens Absprachen, die ein ordentlicher Kraftfahrzeughändler mit seinem Kunden getroffen hätte. Gleiches gilt für die tatsächliche Beseitigung und den Ausgleich dieses Schadens, was lediglich einen einzigen Grund hat, nämlich dass das für einen geringen Preis erworbene Fahrzeug absprachegemäß als Schadenswerkzeug eingesetzt und zusätzlich dessen Schäden eben über die Vollkaskoversicherung abgerechnet werden sollten.

Der Zeuge K. vermittelte den Eindruck, ganz bewusst die wesentlichen Umstände des Streitfalles, im Übrigen auch sein gesamtes Geschäftsgebaren verschleiern zu wollen, indem wiederholt Erinnerungslücken behauptet, naheliegende Erklärungen verweigert und von „wir“ oder „uns“ gesprochen wurde, wenn unklar bleiben sollte, wer genau für welche Vorgänge verantwortlich war. Zweifel an seiner Wahrheitsliebe hat der Zeuge unfreiwillig dadurch bestätigt, dass er eingeräumt hat, bereits im Vorfeld die Unwahrheit gesagt zu haben. So hat er bei der Schadensabwicklung zunächst zweifach falsche Angaben gemacht: Er habe behauptet, nur Schrittgeschwindigkeit gefahren zu sein, und die Frage nach einer Ablenkung verneint, um keinen Ärger zu haben. Ein Telefonat vor dem Anstoß habe er erst beim Landgericht eingeräumt, nachdem ihm versichert worden sei, dass ihm deswegen „nichts passieren“ könne.

Zudem waren schwerwiegende Eigeninteressen des Zeugen offensichtlich, nachdem er im Falle der Aufdeckung eines verabredeten Unfalls mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen hat.

Der Senat schließt deswegen sowohl die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen K. aus, als auch dessen Glaubwürdigkeit. Die Glaubwürdigkeit (BGH NJW 1972, 584; 1968, 1138: persönliche Glaubwürdigkeit; NStZ 1997, 355: allgemeine Glaubwürdigkeit; NJW 1990, 3088), oft gleichgesetzt mit Redlichkeit (BGH NZV 1997, 305), ist eine Eigenschaft von Menschen, Zeugen oder Personen (BVerfG NJW 2008, 2243 [2244]; BGH NJW 1964, 2414; BGHZ 53, 245 [257]), und umfasst insbesondere Wahrheitsliebe (BGH NJOZ 2015, 310; NStZ 1988, 423), Urteilsfähigkeit (BGH NJOZ 2015, 310; NJW 2015, 74) und Erinnerungsvermögen (BGH NJW 1984, 2629; 1990, 3088; NJW-RR 2012, 704; Beschluss vom 14.05.2013 - XI ZR 274/12 [juris]; NStZ 1997, 355: Aussagetüchtigkeit). Sie folgt aus einer Bewertung der gesamten Persönlichkeit (BGH NJW 2011, 3780: „persönlicher Eindruck“) und des Aussageverhaltens (BGH r + s 1999, 14), und ist im Streitfall aufgehoben aufgrund persönlicher Verbundenheit zu einem von seiner Aussage Begünstigten (BGH NJW-RR 1995, 1210), eigenen persönlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits (BGH NJW 2004, 1876), und unwahrer (BGH NStZ 1984, 42; NJW 1996, 1348) oder unglaubhafter (BGH r + s 1997, 184) Angaben.

f) In gleichartiger Weise ist die Darstellung des Klägers nicht glaubhaft, vielmehr weist sein Verhalten auf eine verabredete Beschädigung eines vorgeschädigten Fahrzeugs hin, um über Versicherungsleistungen Gewinne zu erzeugen.

Wenn der Kläger eine wertsichernde Abwicklung des vorgeblichen Unfalls hätte sichern wollen, hätte er nicht auf eine Ermittlung des Restwerts verzichtet (Anlage K 1); erst recht hätte er das Fahrzeug nicht - vor endgültiger Schadensregulierung - weiterverkauft, ohne dass auch nur mitgeteilt werden könnte, welchen Preis er erlöst hat. Dieses Verhalten wäre mit hohem Risiko erheblich selbstschädigend, sodass alles dafür spricht, dass Absprachen getroffen wurden, die den Kläger vermeintlich schadlos stellen und gleichzeitig finanzielle Vorteile bieten.

Zudem ist die Einlassung, das Fahrzeug sei ohne schriftlichen Vertrag an O. C. verkauft worden, weil der Kläger mit diesem im Streit liege, unglaubhaft. Ein Fahrzeug an einen Streitgegner zu verkaufen, ist schon an sich fragwürdig, erst recht aber, wenn noch nicht einmal der Kaufpreis angegeben wird; bei dieser Sachlage ist ein weiterer Streit wesentlich wahrscheinlicher als eine Befriedung. Dagegen kann der Verzicht auf eine schriftliche Festlegung keinen Streit vermeiden, sondern dient dazu, die tatsächliche Vereinbarung nicht prüfbar und feststellbar werden zu lassen.

Weiterhin kann oder will der Kläger auch sein Verschweigen der Vorschäden nicht erklären, obwohl sich diese bereits aus seiner Bestellung ergeben. Auch dieser Umstand wird einzig verständlich durch einen verabredeten Unfall, aufgrund dessen die Haftpflichtversicherung auch schon vorhandene Schäden bezahlen sollte.

Zuletzt weist nach Auffassung des Senats auch die Tatsache, dass Gründe für die Fahrzeugüberlassung an Mustafa C., für das Aufsuchen des Geländes, die Schadensabwicklung und die Vermittlung des Verkaufs durch Mustafa C. nicht angeführt werden können, darauf hin, dass eine verabredete Selbstschädigung zum Zwecke des Versicherungsbetrugs vorgenommen werden sollte.

Deswegen ist die Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben ausgeschlossen, und die Angaben selbst durch die vorstehend genannten Tatsachen widerlegt.

g) Die Klageseite hält für besonders bedeutsam, dass eine Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Schädiger (dem früheren Beklagten zu 1) und heutigen Zeugen K.) nicht nachzuweisen sei und nicht bestehe. Aufgrund der Feststellungen im Berufungsverfahren hat dieser Gesichtspunkt jedoch weitgehend seine Bedeutung verloren.

Das Gelände, auf welchem sich der streitgegenständliche Vorfall abgespielt hat, wurde von der Stadt M. an Herrn O. C. vermietet, der als Hauptmieter Teilflächen an verschiedene Kraftfahrzeughändler, unter anderem an die Lebensgefährtin des Zeugen K. (der sich mit diesem Betrieb so identifiziert, dass er bei Fragen hierzu weitgehend von „seinem“ Betrieb gesprochen hat) untervermietet. O. C. ist der Sohn des Zeugen M. C., der das klägerische Fahrzeug vor dem Zusammenstoß auf das Betriebsgelände gefahren hatte. Ebenso ist er sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Zeugen K. bekannt.

Damit ist mit dem Hauptmieter des Geländes (O. C.) eine Person bekannt geworden, die einerseits der Kläger und der Zeuge K. gut kennen, und die andererseits auf die Schadensabwicklung besonderen Einfluss genommen hat. O. C. hat - nach der Aussage seines Vaters M. C. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 18.07.2014, S. 6 = Bl. 42 d. A.) - das Unfallfahrzeug gekauft, anschließend habe man es gemeinsam repariert. Während dafür keinerlei nähere Einzelheiten, nicht einmal der Ankaufspreis, genannt werden, wird jedoch ein Weiterverkaufsvertrag vorgelegt (Anlage BK 3), der die schweren Schäden des angeblichen Unfalls nicht erwähnt, schon länger bestehende Vorschäden ausweist, die Behauptung einer Reparatur entwertet und eine Preissenkung um fast 30.000,- € nicht erläutert. Nach Auffassung des Senats kann dies nur damit erklärt werden, dass auch diese Behauptungen und scheinbaren Belege Bestandteil einer Schadensabwicklung sind, die aufgrund einer verabredeten Beschädigung zu Unrecht Versicherungsleistungen verlangen und so wirtschaftliche Vorteile erzeugen sollte.

Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass M. C., der Vater des O. C., diejenige Person war, die das klägerische Fahrzeug an den späteren Unfallort verbracht hat. Der Senat hält es für widersinnig und ausgeschlossen, dass erst nach dem Unfall zwischen Vater und Sohn C. der Entschluss gereift sei, das ersterem geliehene Fahrzeug zu einem unbekannten Preis zu erwerben, gemeinsam zu reparieren und zwei Jahre später weiterzuverkaufen, ohne Hinweis auf den schweren Unfallschaden. Dagegen stellt eine verabredungsgemäß herbeigeführte Fahrzeugbeschädigung eine nachvollziehbare Erklärung des Gesamtvorgangs dar.

h) Bei dieser Sachlage ergeben eine Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (BGH NJW 2015, 74 [75]; BayObLG NZM 2002, 449) und eine Gesamtschau der gesamten Beweisaufnahme (BGH NJW 2015, 74 [75, 76]; BGH NJW 1992, 1966; NJW 1997, 1988) die Wertung (BVerfG NJW 2003, 2524), dass die oben dargestellten, im Berufungsverfahren festgestellten Hilfstatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Beklagten der (Indizien-)Beweis eines verabredeten Unfalls gelungen ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH NJW 1970, 946; NJW 1992, 39 [40]; VersR 2007, 1429; Senat NZV 2003, 474 [475]; NZV 2006, 261; Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 1684/06 [juris]), ohne sie völlig auszuschließen.

Diese Hinweiszeichen sind in ihrer Gesamtheit so gewichtig und weisen einen derartigen Beweiswert auf, dass die sonst von der Beklagten angeführten Indizien, die sonstigen Feststellungen des Erstgerichts und insbesondere etwa gegen eine Unfallverabredung sprechende Einzelheiten oder fehlende in anderen Manipulationsfällen typische Umstände an Bedeutung verlieren. Eine umfassende Darstellung, Würdigung und Gesamtschau jeglicher in Betracht kommender Indizien ist in derartigen Fällen nicht mehr geboten Der Senat hat sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und gewürdigt, ohne dass diese entscheidenden Einfluss auf die Tatsachen- und Beweiswürdigung gewinnen konnten. Insbesondere ist ohne Belang, dass die unfallanalytische Sachverständige wenigstens zum Teil eine Entsprechung der Schäden feststellen konnte; denn dies ist bei gestellten Unfällen regelmäßig der Fall, bei welchen nicht die Fahrzeugberührung als solche, sondern lediglich deren Zufälligkeit streitig ist. Ebenso ist nicht erforderlich, dass auch der vermeintliche Geschädigte und der Schädiger sich kennen (KG Urt. v. 16.01.2003 - 12 U 207/01 [BeckRS 2003, 30301554]; Beschluss vom 08.12.2005 - 12 U 201/05 [BeckRS 2006, 13907]; Urt. v. 10.08.2006 - 22 U 199/05 [BeckRS 2015, 9688]) - ansonsten würde ein gestellter Unfall immer dann ausscheiden, wenn Mittelsmänner eingesetzt würden, ein ersichtlich widersinniges Ergebnis.

II.

Deswegen war die Berufung der Beklagten erfolgreich und die Klage abzuweisen; hierauf beruht Ziffer 1 der Urteilsformel.

III.

Die Kostenentscheidung folgt für beide Instanzen aus § 91 ZPO, weil der Kläger im Berufungsverfahren in vollem Umfang unterlegen ist und bei richtiger Entscheidung auch in erster Instanz unterlegen wäre.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 S. 1, 713 ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie nun ein Mitverschulden von 30 Prozent einräumt. Sie verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 14.000,- €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für jegliche künftige materielle Schäden zu 70 Prozent, für künftige immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 Prozent.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 23.05.2011 gegen 15.20 Uhr zwischen der damals elfjährigen Klägerin als Tretrollerfahrerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen EBE - …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der A.-Straße in F., bei Kilometer 0.274 oder Abschnitt 740. Die Klägerin wurde vom Fahrzeug der Beklagten erfasst, als sie versuchte, vom in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) rechten Gehweg kommend auf Höhe einer Überquerungshilfe die Straße nach links zu überqueren. Sie wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen, insbesondere eine therapiebedürftige posttraumatische Depression, geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2014 (Bl. 71/78 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem groben Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 75/78 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13.11.2014 zugestellte Urteil hat die Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 88/89 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 13.01.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 93/99 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 14.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.03.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2011 in Feldkirchen zu 70 Prozent zu ersetzen, jeden weiteren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 30 Prozent, jeweils soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.06.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 118/119); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.07.2015 der 24.07.2015 bestimmt (Bl. 121/122 d. A.). Die Klägerin hat ergänzend hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 117 d. A.), die Beklagten haben sich dem angeschlossen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 112/116 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.06.2015 (Bl. 112/116 d. A.) und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.05.2015 (Bl. 100/110 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 5, 7 = Bl. 75, 77 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 5, 7/8 = Bl. 75, 77/78 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden fast ausschließlich selbst verursacht und allein verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn der Straße überquert und dabei den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 5/8 = Bl. 75/78 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand angesichts einerseits lückenhafter Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden oder auch nur ausreichenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen (unstreitiger Tatbestand einerseits, BGH NJW 2011, 3299 [3300]; WM 2011, 309; OLG Rostock, MDR 2011, 217, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung andererseits, Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen weist die Tatsachenfeststellung offensichtliche Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten auf, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Die Klägerin liefert - wenigsten zum Teil - konkrete Anhaltspunkte (BB 4/6 = Bl. 96/98 d. A.), die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiserhebung und -würdigung wecken (BGH r + s 2003, 522), im Übrigen offenbaren sich Mängel aufgrund der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so etwa BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) Überprüfung.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428, [429, Rn. 9]; NZV 2000, 504; NJW 2004, 1871; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]) unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW 2009, 2604; NJW-RR 2011, 428).

aa) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Gutachten (Beweisbeschluss v. 04.07.2013, Bl. 32 d. A.), sowie durch Vernehmung der Zeugen Marlene E. und Josef L. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3-5 = Bl. 47/49 d. A.; EU 4 = Bl. 74 d. A.). Darüber hinaus wurde, durchaus sachgerecht, die persönliche Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) gemäß § 141 I, II ZPO durchgeführt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 2/3 = Bl. 46/47 d. A.). Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Schadensersatzfällen (BGH NJW 2015, 74), insbesondere wenn der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 [10, 11]]), sind die Befragungen jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht.

- Hinsichtlich der Klägerin wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle vom Ort des Fahrtbeginns, das beabsichtigte Fahrtziel und das Fahrverhalten, insbesondere auf dem Gehweg ab dem Kreisverkehr, zu erfragen, und mit den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin Marlene E. abzugleichen gewesen. Zudem wäre durch Vorhalte zu klären gewesen, wie die Klägerin angehalten und die Fahrbahn beobachtet, und dennoch geglaubt haben will, die Fahrbahn ohne Gefahr überschreiten zu können. Zuletzt wären Größe und Gewicht zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln gewesen (die in Rücksicht auf die mündliche Verhandlung „heutigen“ Daten (Bl. 47 d. A.) sind weniger wichtig), weil diese entscheidende Anknüpfungspunkte für die Berechnungen des Sachverständigen bildeten.

- Die Angaben der Beklagten zu 1) enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch, soweit sie „ca. 30 bis 50 Meter vor der späteren Unfallstelle … zum ersten Mal bewusst die Kinder … gesehen habe“, andererseits erklärt hatte, „… zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder zum ersten Mal gesehen habe, waren sie ca. 10 Meter vor meinem Fahrzeug“. Auch insoweit wäre eine vollständige Beschreibung der Annäherung sowohl der Kinder, als auch der Beklagten zu 1) selbst an die spätere Unfallstelle ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Kreisverkehrs notwendig gewesen, zumal, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, Fahrbahn und Gehweg übersichtlich sind und wegen des Gefälles höhere Geschwindigkeiten und verlängerte Bremswege entstehen können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte zu 1) in der gegen die Klägerin geführten Unfallanzeige durchaus als Zeugin geäußert und eine Vorgangsschilderung abgegeben hat, die hinsichtlich der Einzelheiten noch ungenauer als die gerichtliche Darstellung ist, und mangelnde Beobachtung und Aufmerksamkeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt (Ermittlungsakten, Bl. 24 d. A.). Zuletzt wäre klärungsbedürftig gewesen, welche Vorstellungen sich die Beklagte zu 1) hinsichtlich der für jeden Verkehrsteilnehmer klar erkennbaren Verkehrsinsel mit Überquerungshilfe gemacht hat, und anhand welcher Umstände sie die die Annahme getroffen hat, die Klägerin werde diesen Weg nicht wählen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats sprach jedenfalls keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin auf dem Gehweg geradeaus weiterfahren werde, als dass sie die Straßenseite werde wechseln wollen.

- Damit wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, die jeweilige unmittelbare Unfalldarstellung zu erweitern und zu präzisieren, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Weiterhin wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (455 Js 165967/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beigezogen (EU 4 = Bl. 74 d. A.), jedoch nur unzulässig summarisch (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) darauf Bezug genommen. Deswegen ist nicht erkennbar, ob eine Partei sich auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil eine Unfallschilderung der Beklagten zu 1) vorliegt (Bl. 24 d. A. 455 Js 165967/11), die vorzuhalten gewesen wäre.

cc) Das in erster Instanz erstellte unfallanalytische Sachverständigengutachten (Bl. 56 d. A.) berücksichtigt die für die Klägerin und gegen die Beklagten wirkende Anscheinsbeweislage nicht und klärt deswegen entscheidungserhebliche Fragen nicht sachgerecht.

Zum Ersten hätte der Sachverständige zunächst jegliche für die Klägerin günstigsten Daten und Werte zugrunde legen müssen, denn mit dem Sachvortrag einer Unfallschädigung eines Kindes im Straßenverkehr hat die Klägerin ausreichende, sowie vorliegend unstreitige Tatsachen vorgetragen, die eine Anscheinsbeweislage begründen. Diese wäre als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), so dass die Beklagten damit belastet gewesen wären, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316), dessen Tatsachen unstreitig oder bewiesen sein müssten (BGH NJW 1953, 584).

Zum Zweiten errechnet der Sachverständige die höchstmögliche Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 43 km/h mittels einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden aufgrund der Annahme, die Beklagte zu 1) habe erst zum Zeitpunkt des Anstoßes reagiert. Eine derartige Annahme wirkt zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin, was nach den Anscheinsbeweisregeln nicht statthaft ist. Im Übrigen ist kaum vorstellbar und erklärlich, dass die Beklagte zu 1) die Annäherung der Klägerin überhaupt nicht wahrgenommen habe, es sei denn, sie hätte auf Kinder auf dem Gehweg überhaupt nicht mehr geachtet. Rechnet man beispielsweise mit einer um 0,4 Sekunden früheren Reaktion der Beklagten zu 1), kann unter sonst gleichen Umständen eine Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h nicht ausgeschlossen werden.

Zum Dritten hat der Sachverständige zur Errechnung der Kollisionsgeschwindigkeit der Klägerin Werte geschätzt, die nicht belegt sind und keine Erläuterung unter der erforderlichen Berücksichtigung günstigster Annahmen enthalten. Deswegen hätte allenfalls mit einer Annäherungsgeschwindigkeit der Klägerin von 12 km/h gerechnet werden und die Annäherungsentfernung von 3 Metern unter Beachtung einer Bogenfahrt begründet werden müssen.

Zum Vierten hätte bei der Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 0,8 Sekunden bedacht werden müssen, dass die angesichts der Verkehrsverhältnisse und § 3 IIa StVO zu fordernde Bremsbereitschaft zu einer deutlichen Verkürzung der Reaktionszeit führt.

Zuletzt ist weder nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Entfernung der Beklagten zu 1) - unter Zugrundelegung für die Klägerin günstiger Werte - zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung errechnet, noch warum sich ein Anhalteweg von 10,81 Metern bei einer Bremsverzögerung von 9 m/s², sowie Reaktions- und Bremsschwellzeiten von 0,8 und 0,2 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 29 km/h, sowie bei einer Reaktionszeit von 0,5 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h ergibt (s. OLG Hamm NZV 2006, 151: ggfs. auch 35 km/h nicht ausreichend langsam; r+s 2001, 60: 20 - 25 km/h).

Deswegen ist unter Würdigung aller Gesamtumstände das Absehen von einem umfassenden, auf alle zivilrechtlichen Fragestellungen - insbesondere die Anscheinsbeweislage des § 3 IIa StVO - bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Somit ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) und von anscheinsbeweislich belegten Verstößen gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht, das allgemeine Rücksichtnahmegebot und die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern entlasten kann.

b) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nach Auffassung des Senats nicht beanstandungsfrei.

aa) Das Ersturteil ist schon wegen der lückenhaften Beweiserhebung verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine vollständige Prüfung und Bewertung des Beweisergebnisses fehlt, und deswegen das Ersturteil nicht auf einer ordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung fußen kann.

bb) Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unzureichend, denn der Tatrichter muss erkennen lassen, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt ist (Zöller/Greger a. a. O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]), und „… wenigstens in groben Zügen sichtbar machen, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]).

- Das Ersturteil versagt sich eine vollständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Angaben der Beklagten zu 1) und den Gutachtensergebnissen (BGH NJW 2015, 411: „entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt“; MDR 1982, 212), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen und floskelhaft für zutreffend erklärt werden (EU 6 = Bl. 76 d. A.), ohne die erleichterte Beweisführung nach dem Anscheinsbeweis und die gebotene Anwendung der für die Klägerin günstigsten Anknüpfungstatsachen zu beachten.

- Deswegen und darüber hinaus wird übersehen (EU 7 = Bl. 77 d. A.), dass zum Ersten die Beklagte zu 1) schon nach eigenen Angaben die Klägerin und ihre Schwester auf dem Gehweg nicht sorgfältig und durchgängig beobachtet hat.

Zum Zweiten geht das Ersturteil nicht darauf ein, dass bereits die als Überquerungshilfe gedachte Verkehrsinsel, in Verbindung mit der abgesenkten Bordsteinkante, deutliche Hinweise auf einen beabsichtigten Wechsel der Straßenseite schafft, insbesondere wenn über das vorangegangene Fahrverhalten der Klägerin und ihrer Schwester keinerlei Feststellungen getroffen werden.

Zuletzt fehlt eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten zu 1) zu fordernden Bremsbereitschaft und dem gegenseitigen Annäherungsverhalten der Parteien: Wenn die Beklagte zu 1) eine Reaktionsaufforderung erhalten hat, als sie - zugunsten der Klägerin nicht ausschließbar - noch 10,8 Meter von der Unfallstelle entfernt war (EU 6 = Bl. 76 d. A.; Gutachten v. 04.07.2014, S. 13, Bl. 56 ff. d. A.), kann sie die Kinder nicht etwa 10 Meter vor ihrem Fahrzeug wahrgenommen haben, und bewusst ohne zu bremsen weitergefahren sein (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3 = Bl. 47 d. A.). Dies gilt umso mehr, als unstreitig hinter der Klägerin deren Schwester fuhr (EU 2 = Bl. 72 d. A.), somit die Wahrnehmungsentfernung zu beiden Kindern unterschiedlich gewesen sein muss.

2. Im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen, nämlich die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern und Kindern, nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) beurteilt und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt und deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG hat das Erstgericht ebenso zutreffend ausgeschlossen.

Klarzustellen ist, dass ein Fall der Gefährdungshaftung (§ 7 I StVG) ausscheidet, weil der Fahrzeughalter nicht verklagt worden ist, und aus 18 I 2 StVG eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Fahrzeugführers folgt.

b) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme, dass diese Haftung anspruchsmindernd durch ein Mitverschulden der Klägerin verringert werde (EU 5, 8 = 75, 78 d. A.), das unter Würdigung aller Gesamtumstände als erheblich einzustufen sei. Die Klägerin räumt eine gewichtige Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften ein (BB 2 = Bl. 94 d. A.), wer als Fußgängerin (oder Tretrollerfahrerin) Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf bevorrechtigte Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt auch für Kinder unter der Voraussetzung ihrer - im Streitfall nicht zweifelhaften - zur Erkenntnis der Verantwortung erforderlichen Reife (OLG Hamm NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151; OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596). Ein Fußgänger müsste sich sogar auf einem Fußgängerüberweg (§ 26 StVO) oder bei Grünlicht einer für ihn geschalteten Lichtzeichenanlage vergewissern, dass er die Fahrbahn gefahrlos überschreiten kann, ein Erzwingen des Vorrechts kann zu einem Mitverschulden führen (BGH VersR 1983, 667; NJW 1966, 1211).

c) Unzutreffend sind dagegen die Annahmen des Erstgerichts, erstens treffe die Beklagte zu 1) lediglich die Pflicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu beachten (EU 6/7 = Bl. 76/77 d. A.), zweitens könnten Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) ausgeschlossen oder als nicht erweislich angesehen werden (EU 7 = Bl. 77 d. A.), weil sie Vorfahrt gehabt habe und keinerlei äußerlich sichtbaren Umstände darauf hingedeutet haben, dass die Klägerin die Fahrbahn überqueren wolle oder als Kind wegen drohenden verkehrswidrigen Verhaltens besonders schutzwürdig gewesen sei. Überdies kann ein selbst die Betriebsgefahr vollständig aufzehrendes Mitverschulden der Klägerin nicht ohne Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen … § 25 … § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“) und des Verhaltens der Fahrzeugführerin, begründet und bewertet werden (EU 7/8 = Bl. 77/78 d. A.).

aa) Vielmehr bestimmen sich die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, nach folgenden Grundsätzen, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 12.05.2015, S. 1/5 = Bl. 100/105 d. A.) verwiesen:

- Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1, 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO). Eine in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelte Überquerungs- oder Querungshilfe (BGH NZV 1998, 369), wie die unstreitig von der Klägerin genutzte Verkehrsinsel in der A.-Straße in F., stellt keinen Fußgängerüberweg im Rechtssinne dar und beeinflusst das Vorrangverhältnis nicht (König, NZV 2008, 492 ff, [494 unter IV.]; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 26, Rn. 10).

- Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§§ 3 III, I StVO; BGH NJW 1992, 1459; OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), aber auch das Sichtfahrgebot (BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2. c)]), und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich auf den Gehwegen gehender oder stehender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3. a)]; KG VRS 100, 269 = BeckRS 2001, 00140; BGH VersR 66, 736; OLG Düsseldorf, NZV 2002, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (BGH NJW-RR 1991, 347; OLG Hamm NZV 1993, 314; KG VRS 100, 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Koblenz NZV 2012, 177; OLG Hamm r+s 1989, 396 = VRS 78, 5), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Letztere Verpflichtung besteht sogar bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Saarbrücken r+s 2010, 479; OLG Hamm r+s 1989, 396).

- Diese Verpflichtungen bestehen uneingeschränkt auch bei schweren Sorgfaltsverstößen eines Fußgänger, etwa wenn dieser die Fahrbahn trotz für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in oder an der Ampelfurt überschreiten will (BGH Urt. v. 29.04.1975 - VI ZR 225/73 [juris] = VersR 1975, 858; NJW 1992, 1459; VersR 1967, 608). Angesichts dieser Verpflichtungen kommt eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließt, lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat (OLG Köln NZV 2002, 369; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010 - 10 U 1/10 [juris]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.02.2011 - 4 U 200/10 - 60 [juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.03.2012 - I-16 U 169/11, 16 U 169/11 [juris]).

- Eine abweichende Bewertung ist im Streitfall schon deswegen nicht veranlasst, weil Sonderfälle, wie etwa ein Abwarten der Klägerin auf einer Verkehrsinsel, ein Hervortreten hinter einem Verkehrsstau (OLG Hamm NZV 2000, 371) oder eine Vernachlässigung eines naheliegenden Fußgängerüberwegs (BGH NJW 1958, 1630; NZV 1990, 150; KG VRS 100, 269; KG VM 1992, 27; i. Ü auch dort nur hälftige Haftung; OLG Hamm NZV 2000, 371; OLG Dresden NZV 2001, 378), unstreitig nicht vorliegen. Selbst wenn jedoch ein derartiger Vertrauensschutz angenommen würde, beseitigt dieser einerseits nicht die Verpflichtung, die gesamte Fahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auch wegen der in solchen Fällen gegebenen Abstandsverkürzung reagieren zu können (OLG Hamm, a. a. O.; BGH VersR 1966, 736; BGH VersR 1968, 897; OLG Köln VersR 1987, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1249; KG VersR 1993, 201), und zwar zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Fußgänger die Fahrbahn betritt (OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VersR 1979, 649). Andererseits setzt der genannte Vertrauensgrundsatz jedenfalls ein merkliches Verhalten des Fußgängers voraus, das die Erwartung des Kraftfahrers, ihm werde die Vorbeifahrt gestattet, stützen kann (KG VersR 1968, 259: „Blickkontakt“; OLG Karlsruhe VersR 1971, 1177; OLG Hamm r+s, 2002, 192; BGH VersR 1961, 592).

- Darüber hinaus bestehen besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern (§ 3 IIa StVO), diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829: gegenüber alten Menschen). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für Kinder und gegen den Kraftfahrer streitet. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils (EU 2 = Bl. 72 d. A.) fuhr die zum Unfallzeitpunkt elfjährige Klägerin, mit einem Tretroller und gefolgt von ihrer achtjährigen Schwester, fahrbahnparallel auf dem Gehweg, um diesen nach links zu verlassen und die Straße an einer als Überquerungshilfe dienenden Verkehrsinsel zu überfahren. Die Klägerin ist somit wegen ihres erheblich unter dem 14. Lebensjahr liegenden Alters (OLG Hamburg NZV 1990, 71) ersichtlich in den Schutzbereich der Verkehrsvorschrift einbezogen, dagegen finden Erwägungen des Erstgerichts zur Unzumutbarkeit dieser besonderen Vorsicht (EU 8 = Bl. 78 d. A.) eine Stütze weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Meinung, erhebliche, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverringerungen eines Kraftfahrers zum Schutz von Kindern auf dem fahrbahnnahen Gehweg könnten den Stadtverkehr beeinträchtigen und ein erhöhtes Unfallrisiko herbeiführen, ist nicht nur durch keinerlei tatsächliche Feststellungen belegt, sondern auch nicht zu begründen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand liegt nahe, dass die Beklagte zu 1) den sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Allein die Anwesenheit von Schulkindern auf dem rechten Bürgersteig und die Nähe einer als Überquerungshilfe gedachten Verkehrsinsel zwingen zu besonderer Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsverringerung (OLG Hamm r+s 2001, 60; NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151), zumal eine gegenseitige Beeinflussung der Klägerin und ihrer noch jüngeren Schwester (BGH NJW 1991, NJW Jahr 1990 Seite 292; KG NZV 1999, 329; OLG Hamburg NZV 1990, 71) nicht auszuschließen ist und sogar nahe liegt.

- Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs folgt schon allgemein keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211; BayObLG NJW 1978, 1491; OLG Karlsruhe VersR 1982, 450; OLG Hamm r+s 1988, 102; BGH NJW 2000, 3069). Dies gilt verstärkt gegenüber Kindern (OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596).

- Hieraus folgt, dass eine Bewertung des klägerischen Mitverschuldens als so gewichtig, dass jegliche Haftung der Beklagten entfalle, kaum vertretbar ist (OLG Karlsruhe NZV 2012, 596, OLG Hamm NZV 1991, 69: Haftung des Kraftfahrers zu 1/3 bei leichtem Verschulden oder bloßer Betriebsgefahr; OLG Hamm NZV 2006, 151: zu 40% wegen groben Verschuldens des Kindes; OLG Hamm r+s 2001, 60: Haftung des Kraftfahrers zu 2/3).

bb) Darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung durch die Klägerin und ein dieser anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden, aber auch für deren Ausmaß, sind die Beklagten. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen der Klägerin in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für die Klägerin (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben. Gleiches gilt für den Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG), was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin erfordert. Soweit grundsätzlich die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für Sorgfaltspflichtverstöße und Verursachungsbeiträge der Beklagten trifft, ist die aus dem Gesetzeswortlaut (§ 3 IIa StVO) abgeleitete Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zu beachten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mitverschulden der Klägerin jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und auch die aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen Zeugen zu vernehmen, sobald sich eine Partei darauf bezieht (§§ 525 S. 1, 273 II Nr. 4 ZPO). Denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der gesamten Beweisaufnahme (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den genauen Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unzureichender Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. [2418/2420, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 10 U 4087/15

Im Namen des Volkes

20 O 17988/14, LG München I

Verkündet am 11.03.2016

... die Urkundsbeamtin

In dem Rechtsstreit

- Klägerin und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

wegen Schadensersatzes

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 29.02.2016 folgendes

Endurteil

1. Auf die Berufung der Beklagten eingegangen am 13.11.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 28.10.2015 (Az. 20 O 17988/14) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG München I vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Ersatz von Sach- und Vermögensschäden aus einem Verkehrsunfall geltend. Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am Samstag, den 04.01.2014, gegen 14.20 Uhr auf der G. Straße, Höhe Haus Nummer 73, im Stadtgebiet von M.

Der Ehemann der Klägerin war mit deren Pkw Daimler Benz, amtliches Kennzeichen …81, auf dem linken Fahrstreifen der G. Straße in nordöstlicher Richtung gefahren, als der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Pkw Daimler Benz GL 350, amtliches Kennzeichen …03, vom rechten auf den linken Fahrstreifen wechseln wollte. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 28.10.2015 (Bl. 91/96 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klageforderung im Wesentlichen zugesprochen (EU 1 = Bl. 91 d. A.), ein Abzug erfolgte, weil Teile des Reparaturaufwands den unfallbedingten Schäden nicht zugeordnet werden konnten. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 94/95 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 03.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 13.11.2015 eingegangenen Schriftsatz vom 11.11.2015 Berufung eingelegt (Bl. 102/103 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 30.12.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 107/110 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen (BB 1 = Bl. 107 d. A.).

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 106 d. A.).

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 11.02.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 29.02.2016 bestimmt (Bl. 122/123 d. A.). Die Beklagte hat ergänzend beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 26.01.2016, Bl. 119 d. A.), die Klägerin hat sich hierzu nicht geäußert.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 11.01.2016 (Bl. 111/118 d. A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I. Das Landgericht hat entschieden, dass Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz, geltend gemacht in Höhe von 6.041,36 €, in Höhe von 5.136,56 € bestehen, weil der gegen den Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs sprechende Anscheinsbeweis nicht entkräftet worden sei und deswegen - wegen der umfassenden Sorgfaltspflichten bei einem Fahrstreifenwechsel - dessen alleinige Haftung eingreife (EU 1, 4/5 = Bl. 91, 94/95 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren angesichts unvollständiger Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung einer überzeugenden Grundlage.

1. Die erstinstanzliche Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) ist zu beanstanden, weil diese weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend erarbeitet wurden. Deswegen ist der Senat wegen offensichtlicher Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten (BGH WM 2015, 1562; NJW 2005, 1583; r + s 2003, 522) nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden und eine erneute Sachprüfung eröffnet.Angesichts einzelner Angriffe der Berufung auch gegen die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts (BB 2/3 = Bl. 108/109 d. A.), unterliegt eine Prüfung des Senats von Amts wegen keiner Bindung an das Berufungsvorbringen (BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797). Ergänzend wird auf den Hinweis des Senats (v. 11.01.2016, S. 1/2 = Bl. 111/112 d. A.) Bezug genommen.

a) Die tatbestandliche Darstellung des Ersturteils erlaubt wegen ihrer Lücken, Unklarheiten und Widersprüche keine zuverlässige Feststellung des unstreitigen Sachverhalts und der streitigen Parteibehauptungen.

Zwar wird die Ansicht der Beklagten mitgeteilt, der Fahrer des bei ihr versicherten Fahrzeugs habe frühzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeigers betätigt, bevor er auf die linke Spur gewechselt sei, so dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs rechtzeitig habe reagieren können (EU 3 = Bl. 93 d. A.), insoweit liegt jedoch keineswegs lediglich eine Rechtsmeinung zu den Begriffen „frühzeitig“ und „rechtzeitig“ vor. Vielmehr wollen die Beklagten tatsächliche Umstände behaupten, die dem klägerischen Fahrer ihre Absicht eines Spurwechsels erkennbar machen musste (BB 2 = Bl. 108 d. A.), und somit beweisbedürftigen Tatsachenvortrag darstellen.

Aus dem im Ersturteil in Bezug genommenen (EU 3 = Bl. 93 d. A.) schriftsätzlichen Vorbringen, insbesondere den Schriftsätzen der Beklagten (v. 20.11.2014, S. 2 = Bl. 11 d. A., v. 30.07.2015, Bl. 77/78 d. A.) und der Klägerin (v. 12.08.2015, S. 2 = Bl. 81 d. A.), ergibt sich unabweisbar, dass der Tatbestand insoweit fehlerhaft ist. Deswegen hat der Senat davon auszugehen, dass wesentlicher Tatsachenvortrag übergangen, insbesondere über streitige Umstände kein Beweis erhoben wurde.

Ergänzend, insbesondere zur Entbehrlichkeit statthafter Angriffe auf den Tatbestand, wird auf den Hinweis des Senats (v. 11.01.2016, S. 2 = Bl. 112 d. A.) verwiesen.

b) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, denn ein auf Klärung des Unfallgeschehens gerichteter Beweisantrag auf Vernehmung eines Unfallzeugen wurde missachtet (BB 2 = Bl. 108 d. A.). Insbesondere wären der angenommene Haftungsausschluss aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses (EU 5 = Bl. 94 d. A.), etwa abweichende Bewertungen des unfallanalytischen Sachverständigen unter Berücksichtigung des Beweiswerts der Zeugenaussagen (EU 4 = Bl. 94 d. A.), und mögliche straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltsverstöße des Fahrers des Klägerfahrzeugs als entscheidungserheblich zu prüfen gewesen.

(1) Da für diese Unterlassungen einerseits keinerlei Begründung gegeben, andererseits der Beweisantrag in den Urteilsgründen nicht einmal erwähnt wird, muss ein unberechtigtes Übergehen eines Beweisantrags angenommen werden, mit der Folge eines Verstoßes gegen das Verfahrensgrundrecht rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) und somit eines schweren Verfahrensfehlers (s. BGH NJW 1951, 481, Senat, Urt. v. 20.02.2015 - 10 U 1722/14 [juris, Rn. 33]; Urt. v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [BeckRS 2012, 04212]). Das auf diesen Verstoß gerichtete Rügerecht hat die Beklagte nicht deswegen verloren, weil sie mit der Zustimmung zum schriftlichen Verfahren den Beweisantrag nicht wiederholt hat (BGH, Beschl. v. 22.03.2012 - I ZR 192/10 [BeckRS 2012, 18381]: „Dem Verlust des Rügerechts bei Verletzung verzichtbarer Verfahrensvorschriften … durch rügelose Verhandlung nach § 295 I ZPO steht es gleich, wenn im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 II ZPO keine Rüge erfolgt“). Denn derart schwere Verfahrensverstöße, insbesondere Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör, finden im Prozessrecht keine Stütze (BVerfG NJW-RR 2001, 1006; NJW 1979, 413; BGH NJW 1970, 946) und sind deswegen als unverzichtbar (§ 295 II ZPO) der Parteidisposition entzogen (BeckOK ZPO/Vorwerk/Wolf, 18. Edition, Stand: 01.09.2015, ZPO § 284, Rn. 44). Zwar ist die Bestimmung des § 295 ZPO anwendbar, wenn bei der Beweisaufnahme ein unzulässiges Beweismittel benutzt (BGH NJW 1985, 1158), nicht jedoch, wenn eine Beweisaufnahme vollständig unterlassen wurde.

(2) Deswegen wird unter Berücksichtigung berufungsrechtlicher Vorgaben (§§ 529 I Nr. 1, 520 III 2 Nr. 3 ZPO) nicht erkennbar, von welchen tatsächlichen Umständen, abgesehen von einer um 10 km/h höheren Differenzgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs, sich das Erstgericht aus welchen Gründen überzeugt hat. Folglich lässt sich nicht einmal prüfen, ob in die Abwägung nach § 17 I, II StVG alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einbezogen wurden, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind. Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des (Mit-)Verschuldens kann nicht ohne umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]).

(3) Unter Würdigung aller Gesamtumstände stellt die unterlassene Zeugenvernehmung einen schweren Verfahrensfehler dar und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]). Dies gilt umso mehr, als die Vernehmung in Anwesenheit des unfallanalytischen Sachverständigen hätte durchgeführt werden müssen (vgl. grds. BGH VersR 1979, 939 [juris, Rn. 23]; Senat, Beschl. v. 22.09.2014 - 10 W 1643/14), weil auf die Möglichkeit nicht hätte verzichtet werden dürfen, die unmittelbaren Unfalldarstellungen zu überprüfen, zu erweitern, ergänzende Fragen zu stellen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen, und so eine genauere und aussagekräftigere sachverständige Einschätzung zu erhalten.

c) Die Beweiswürdigung des Erstgerichts kann schon allein wegen der unvollständigen Beweiserhebung keine Bindungswirkung (§ 529 I Nr. 1 ZPO) für das weitere Verfahren entfalten, weil eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses notwendig fehlen müssen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]), und die Verkehrsverstöße der unfallbeteiligten Fahrer sowie die Unvermeidbarkeit des Unfalls für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auf einen unzureichend ermittelten Sachverhalt gestützt werden. Unabhängig davon zeigen sich durchgreifende Bedenken gegen die tatsächlich vorgenommene Beweiswürdigung:

(1) Diese ist zwar grundsätzlich ureigenste Aufgabe des Tatrichters (BGH NJW 2015, 74 [75]; BayObLG NZM 2002, 449), und darf nicht durch bloß abweichende Auffassungen der Parteien oder des Senats ersetzt werden. Dabei ist der Tatrichter jedoch nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, in einer Gesamtschau der gesamten Beweisaufnahme zu entscheiden, welcher Unfallhergang als erwiesen zu gelten hat (BGH NJW 2015, 74 [75, 76]), wobei der gesamte Inhalt der Verhandlungen, insbesondere die Beteiligtenangaben, auch unter Berücksichtigung sonstiger Beweisergebnisse (BGH NJW 1992, 1966; NJW 1997, 1988) individuell zu würdigen ist.

- Deswegen wäre aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Ersturteil unter Berücksichtigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Unfalldarstellung der Beklagten verworfen, und hierfür eine denkgesetzlich mögliche, widerspruchsfreie und nachvollziehbar begründete (BGH NJW 2012, 3439 [3442]; NJW-RR 2011, 270) Würdigung der Gutachtensergebnisse, aber auch der Zeugenaussagen geliefert hätte.

- Dies ist dem Erstgericht jedoch nicht gelungen, obwohl der Tatrichter nach § 286 I 2 ZPO (nur!) die für seine Überzeugungsbildung leitenden Gründe angeben, nicht dagegen sich im Urteil mit jedem denkbaren Gesichtspunkt und jeder Behauptung, sowie jeder Zeugen- oder Sachverständigenaussage ausdrücklich oder gar ausführlich auseinandersetzen muss (etwa BGH NJW 1987, 1557 [1558]; BAG NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06). Im Streitfall macht die Begründung des Erstgerichts nicht einmal „wenigstens in groben Zügen sichtbar …, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06). Ebenso wenig lässt sich erkennen, dass der Parteivortrag vollständig erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung - individuell und argumentativ (BGH NJW 1988, 566) - mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt sei, weil die entscheidende Folgerung des Ersturteils, dass „eine Vermeidbarkeit des Unfalls von Seiten der Klagepartei technisch nicht nachgewiesen werden könne“ (EU 4/5 = Bl. 94/95 d. A.), einerseits einer eigenen Bewertung entbehrt, andererseits auf jegliche Würdigung der allein zur Begründung herangezogenen Erkenntnisse des unfallanalytischen Gutachters verzichtet.

(2) Zudem hat das Erstgericht im Streitfall Anwendungsbereich und Reichweite des Anscheinsbeweises verkannt (EU 5 = Bl. 95 d. A.), allerdings nicht aus den mit der Berufung geltend gemachten Gründen (BB 3 = Bl. 109 d. A.).

- Der Anscheinsbeweis stellt ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Element der Beweiswürdigung dar (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), und ist nicht von einer Geltendmachung durch den Beweispflichtigen abhängig. Er gilt grundsätzlich nur bei „typischen Geschehensabläufen“ (BGH NZV 1996, 277; NJW 2001, 1140; Senat, Urt. v. 22.02.2008 - 10 U 4455/07 [juris]), also wenn sich unter Prüfung und Bewertung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt habe (BGH VersR 2007, 557; VersR 2011, 234).

- Anders als die Beklagte meint, wird aber weder ein typischer Geschehensablauf dadurch untypisch, noch eine Anscheinsbeweislage dadurch beseitigt, dass der Anscheinsbeweisbelastete verkehrsrichtiges Verhalten behauptet oder Verstöße gegen seine Sorgfaltspflichten bestreitet. Vielmehr müssten über das „Kerngeschehen“ hinaus, zu welchem das gesamte Fahrverhalten (mit oder ohne Fahrtrichtungsanzeiger) bei dem sonst unstreitigen Fahrstreifenwechsel gehört, weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sein, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene „Typizität“ sprechen. Diese müssen aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, und entweder unstreitig oder erwiesen sein (BGH NJW-RR 1986, 383; NJW 1996, 1828; 2012, 608). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, vielmehr betrifft das Entlastungsvorbringen der Beklagten die „Erschütterung“ oder Entkräftung des Anscheinsbeweises, wobei sie wiederum für bestrittene Tatsachen (BGH NJW 1953, 584), die eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316) eröffnet hätten, beweispflichtig bleibt.

- Jedoch übersieht das Erstgericht (EU 5 = Bl. 95 d. A.), dass der - unstreitig zunächst gegebene und aus der Gesetzesfassung des § 7 V StVO abgeleitete - Anscheinsbeweis gegen einen Fahrstreifenwechsler lediglich insoweit gilt, als eine unsorgfältige Missachtung der in § 7 V StVO festgelegten Sorgfaltspflichten festzustellen ist (Senat NJW-Spezial 2013, 426; Urt. v. 26.04.2013 - 10 U 357/12 [BeckRS 2013, 07719]; Urt. v. 17.12.2010 - 10 U 2926/10 [BeckRS 2011, 00016]; Urt. v. 08.04.2005 - 10 U 5279/04 [BeckRS 2005, 31680]; OLG Bremen, Urt. v. 28.11.1995 - 3 U 31/95 [BeckRS 2008, 15613]; KG VM 1996, Nr. 27; NJOZ 2011, 1044; NZV 2011, 185). Dagegen kann dieser Anscheinsbeweis keinerlei Aussage treffen oder Feststellungen erbringen, dass oder ob der dann folgende Zusammenstoß für den Unfallgegner vermeidbar gewesen sei. Soweit das Erstgericht letzteres wohl für entscheidungserheblich gehalten hat (EU 4/5 = Bl. 94/95 d. A.), hätte es berücksichtigen müssen, dass die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für die Unabwendbarkeit des Unfallereignisses für den Fahrer ihres Fahrzeugs zu tragen hätte.

- Zuletzt kommt es auf einen Anscheinsbeweis dann nicht mehr an, wenn die - nach jüngst verstärkter höchstrichterlicher Rechtsprechung (etwa BGH NJW 2012, 608) - vorrangig gebotene umfassende Aufklärung des Unfallgeschehen zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hätte (Senat, Urt. v. 11.06.2010 - 10 U 2282/10 [BeckRS 2010, 14830: Der Unfallhergang ist daher nicht unaufgeklärt]).

2. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht auch sachlichrechtliche Fragen der Haftungsverteilung nicht überzeugend beantwortet und begründet hat.

a) Zutreffend ist das Ersturteil insoweit, als die grundsätzliche Haftung der Beklagten für Schäden der bei einem Verkehrsunfall in ihrem Eigentum und Vermögen geschädigten Klägerin erkannt wurde, §§ 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 1 PflVG, i. V. m. §§ 18 I, 7 I StVG). Deswegen genügt die Klägerin grundsätzlich ihrer Darlegungs- und Beweislast mit der - hier unstreitigen - Behauptung, ihr Kraftfahrzeug sei im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs beschädigt worden.

b) Dagegen obliegen der Beklagten jeweils Darlegung und Nachweis, dass entweder die Ersatzpflicht mangels ursächlichen Verschuldens ihres Fahrzeugführers ausgeschlossen sei (§ 18 I 2 StVG), oder ein Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) oder eines für sie unabwendbaren Ereignisses (§ 17 III StVG) eine Haftung (ganz) entfallen lasse. Gleiches gilt für die Behauptung, der Unfall sei jedenfalls ganz überwiegend vom klägerischen Fahrzeug und dessen Fahrer verursacht oder mitverschuldet worden (§§ 17 I, II, 18 III, 9 StVG, 254 I BGB), so dass der eigene Verursachungsbeitrag und Verschuldensanteil vernachlässigt werden dürfe. Dies scheint das Erstgericht zutreffend zugrunde zu legen, jedoch hätte der Beklagten Gelegenheit gegeben werden müssen, diesen Beweis wenigstens anzutreten.

c) Die Beweislast für eine Unvermeidbarkeit oder ein unabwendbares Ereignis für den klägerischen Fahrer (§ 17 III StVG), also dass dieser den Anforderungen an einen Idealfahrer entsprochen habe, trifft dagegen die Klägerin, was das Erstgericht ausweislich der Entscheidungsgründe (EU 4/5 = Bl. 94/95 d. A.) verkannt hat. Dabei ist daran zu erinnern, dass Fragen der Haftung nicht nur durch die technische Vermeidbarkeit berührt werden, sondern zudem geklärt und im Urteil dargelegt werden muss, ob aus Rechtsgründen ebenfalls ein unabwendbares Ereignis angenommen werden kann.

d) Darüber hinaus trägt im Rahmen der Haftungsverteilung jede Partei die Beweislast dafür, dass Unfall und Schadensausmaß „vorwiegend von dem … anderen Teil verursacht“ oder verschuldet worden seien (§17 I, II StVG), muss also die Umstände beweisen, die zu Ungunsten des anderen Halters berücksichtigt werden sollen (BGH NJW 1996, 1405; NZV 2007, 294; OLG Frankfurt 1995, 400; Senat, Urt. v. 24.11.2006 - 10 U 2555/06 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4707/06 [juris]; DAR 2007, 465). Dabei dürfen nur solche Umstände Berücksichtigung finden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben, also sich als Gefahrenmoment in dem Unfall tatsächlich niedergeschlagen haben. Diese Umstände müssen feststehen, also unstreitig, zugestanden oder nach § ZPO § 286 ZPO bewiesen sein (BGH NJW 1995, 1029; NZV 2007, 190; NJW 2014, 217). Derartige Erwägungen enthält das Ersturteil nicht, anscheinend in der Erwartung, das überragende Verschulden des Fahrers des Beklagtenfahrzeugs aufgrund eines unsorgfältigen Spurwechsels verdränge jegliche Haftung des Unfallgegners, selbst diejenige für Betriebsgefahr. Allerdings erscheint nach den Urteilsgründen nicht ausgeschlossen, dass wenigstens eine Mithaftung der Klägerin angenommen worden wäre, wenn der Unfall für ihren Fahrer nicht unvermeidbar gewesen wäre (EU 5 = Bl. 95 d. A.). Richtig ist, dass ein unsorgfältiger Fahrstreifenwechsel zur Alleinhaftung des Spurwechslers führen kann und im Regelfall führen wird. Dennoch kann eine Gewichtung der Mitverursachung oder des (Mit-)Verschuldens nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (Senat, Urt. v. 12.06.2015 - 10 U 3981/14 [juris, Rn. 49, m. w. N.]; Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]). Hierzu unterlässt das Erstgericht tragfähige Feststellungen.

II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine mangelhafte Beweiserhebung stellt ebenso sowie eine nicht sachgerechte Beweiswürdigung einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 57, m. w. N.]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Aufklärung des Unfallgeschehens verletzt hat.

Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, einen Zeugen zusätzlich zu vernehmen. Vielmehr müsste auch die sachverständige Begutachtung erneut durchgeführt werden, weil dem Sachverständigen sämtliche erreichbare Anknüpfungstatsachen vorgegeben werden müssen (§ 404a I, III ZPO). Dies kann nur durch eine Teilnahme des Gutachters an der Zeugeneinvernahme, mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen und Vorhalte zu machen, sichergestellt werden. Durch diese gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren teilweise erstmaligen Beweiserhebung, im Übrigen vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellungen, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder Parteien wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949), oder ein Sachverständigengutachten ohne diese Erkenntnisgrundlage verwerten wollte.

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III. Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) - denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt. § 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (etwa Senat, Urt. v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 10 U 153/15

Im Namen des Volkes

Verkündet am 26.02.2016

33 O 101/14 LG Ingolstadt

Die Urkundsbeamtin ...

In dem Rechtsstreit

...

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

gegen

1) ...

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

2) ...

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

3) ...

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte zu 1 - 3:

Rechtsanwälte ...

wegen Schadensersatzes

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 18.02.2016 folgendes

Endurteil

1. Auf die Berufung des Klägers vom 12.01.2015 wird das Endurteil des LG Ingolstadt vom 10.12.2014 (Az. 33 O 101/14) samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Ingolstadt zurückverwiesen.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Ingolstadt vorbehalten. Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz, sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Unfall im Straßenverkehr geltend, wobei er in der Hauptsache drei Viertel des verzinsten Sach- und Vermögensschadens, sowie ein ebenfalls verzinstes angemessenes Schmerzensgeld verlangt.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 16.10.2013 gegen 05.35 Uhr auf der BAB A 9 im Gemeindegebiet von S. bei Kilometer 3.600. Der Kläger war mit seinem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen ...44, in Fahrtrichtung München verunfallt, indem er gegen die linke Leitplanke geprallt und danach zum Stillstand gekommen war. Der Beklagte zu 3) als Fahrer des bei der Beklagten zu 2) versicherten und vom Beklagten zu 1) gehaltenen Lkw Citroen Jumper, amtliches Kennzeichen ...20 fuhr heckseitig auf. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 10.12.2014 (Bl. 42/49 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Ingolstadt hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen (EU 1 = Bl. 42 d. A.), weil der Kläger den Unfall (allein) selbst verschuldet habe. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 45/48 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihm am 15.12.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 12.01.2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 60/61 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 26.02.2015, eingegangen am gleichen Tag, - nach Fristverlängerung durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 13.02.2015 (Bl. 66 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 67/73 d. A.).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen (BB 2 = Bl. 68 d. A.; EU 2/3 = Bl. 43/44 d. A.).

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen (Bl. 74/75 d. A.).

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 01.02.2016 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 18.02.2016 bestimmt (Bl. 101/102 d. A.). Der Kläger hat ergänzend beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 29.01.2016, Bl. 100 d. A.), die Beklagten haben sich hierzu nicht geäußert.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 28.12.2015 (Bl. 83/95 d. A.) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I. Das Landgericht hat entschieden, dass Ansprüche des Klägers auf Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeldes nicht bestehen, weil er den Unfall durch straßenverkehrsrechtliches Fehlverhalten alleine verschuldet habe, während der Unfall andererseits für den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs unvermeidbar gewesen sei (EU 1, 4/6 = Bl. 42, 45/47 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren angesichts unvollständiger Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung einer überzeugenden Grundlage.

1. Die erstinstanzliche Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen (Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) ist zu beanstanden, weil diese weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend erarbeitet wurden. Deswegen ist der Senat wegen offensichtlicher Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten (BGH WM 2015, 1562; NJW 2005, 1583; r + s 2003, 522) nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden und eine erneute Sachprüfung eröffnet. Angesichts einzelner Angriffe der Berufung auch gegen die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts (BB 5 = Bl. 71 d. A.), unterliegt eine Prüfung des Senats von Amts wegen keiner Bindung an das Berufungsvorbringen (BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797). Ergänzend wird auf den Hinweis des Senats (v. 28.12.2015, S. 2 = Bl. 84 d. A.) Bezug genommen.

a) Die tatbestandliche Darstellung des Ersturteils erlaubt wegen ihrer Lücken, Unklarheiten und Widersprüche keine zuverlässige Feststellung des unstreitigen Sachverhalts und der streitigen Parteibehauptungen.

- Einerseits sei der Kläger „nach Regenfällen“ mit der linken Leitplanke kollidiert (EU 2 = Bl. 43 d. A., unstreitiger Tatbestand), andererseits wird die Festlegung vermieden, ob während des Abkommens von der Fahrbahn Regen geherrscht habe. Dagegen scheinen die Entscheidungsgründe (EU 5/6 = Bl. 46/47 d. A.) nahezulegen, dass starker Regen ein durch Aquaplaning verursachtes Abkommen von der Fahrbahn bei überhöhter Geschwindigkeit ausgelöst habe, während dies offenbar gerade nicht unstreitig ist.

- Andererseits enthält der Tatbestand des Ersturteils die am Unfallort zum Unfallzeitpunkt geltende Höchstgeschwindigkeit ebenso wenig wie deren tatsächliche Grundlagen, wie ein Verkehrsleitsystem (EU 2 = Bl. 43 d. A.). Da die Entscheidungsgründe ersichtlich von einer durch das Verkehrsleitsystem vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ausgehen (EU 5 = Bl. 46 d. A.), hätte im Tatbestand dargelegt werden müssen, ob und von welcher Seite dies streitig geblieben ist.

- Das streitige Klägervorbringen ist widersprüchlich, denn einerseits wird dargestellt, dass der Kläger sich von „unvermittelt“ auf der Straße befindlichem Wasser überrascht gesehen habe (EU 2 = Bl. 43 d. A.), andererseits soll er in persönlicher Anhörung bekundet haben, dass es stark geregnet habe (EU 4 = Bl. 45 d. A.). Angaben einer Partei im Rahmen des § 141 I ZPO stellen nicht nur Parteivorbringen (BVerfG NJW 2001, 2531; BGH NJW 1960, 100), sondern gerade qualifizierten Parteivortrag dar (BGH NJW 2006, 2181; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.03.2013 - 17 U 11/12 [juris, Rn. 56]), der grundsätzlich schriftsätzlichem Vorbringen sogar vorgeht (OLG Frankfurt, a. a. O., sowie Urt. v. 29.10.2012 - 1 U 1/12 [juris, Rn. 60]). Deswegen hätte das Erstgericht angesichts der sich gegenseitig ausschließenden Schilderungen festlegen müssen, was als streitiges Klägervorbringen zu gelten habe.

Ergänzend wird auf den Hinweis des Senats (v. 28.12.2015, S. 2/3 = Bl. 84/85 d. A.) verwiesen.

b) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist zu beanstanden, weil offensichtliche Verursachungsbeiträge und Verschuldensanteile des Beklagten zu 3) (EU 6 = Bl. 47 d. A.) am Zustandekommen des Unfalls, und Mitverursachungsbeiträge und Mitverschuldensanteile des Klägers nicht sachgerecht ermittelt und berücksichtigt wurden (EU 5 = Bl. 46 d. A.). Deswegen besteht Unklarheit, von welchen tatsächlichen Umständen sich das Erstgericht aus welchen Gründen überzeugt hat, und ob in die Abwägung nach § 17 I, II StVG alle, aber auch nur solche Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einbezogen wurden, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind. Die Entscheidungsgründe des Erstgerichts lassen besorgen, dass eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens ohne umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgt ist (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4377/14 [juris, Rn. 55, m. w. N.]). Ergänzend wird auf die Hinweise des Senats (v. 28.12.2015, S. 3/8 = Bl. 85/90 d. A.) Bezug genommen.

aa) Dies gilt einmal für die gefahrene Geschwindigkeit des Beklagten zu 3) von „ca. 110 km/h“ (EU 6 = Bl. 47 d. A.), die bisher nur auf einer Schätzung des Erstgerichts beruht. Im Übrigen geht das Landgericht nicht darauf ein, dass damit eine dem Verstoß des Klägers gleichartige Geschwindigkeitsüberschreitung und Missachtung der Anordnung des Verkehrsleitsystems offensichtlich wäre (EU 6 = Bl. 47 d. A.). Ebenso wäre eine Unvermeidbarkeit ausgehend von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit des Beklagten zu 3) zu beurteilen gewesen.

bb) Gleiches gilt für den aufgrund ungeeigneter Berechnungen ermittelten Anhalteweg des Beklagten zu 3) von ca. 118 Metern. Übersichten und Rechenschablonen der Verkehrswacht Ingolstadt liefern Ungenauigkeiten, eine nicht nachvollziehbar niedrige Bremsverzögerung und folglich einen zu langen Anhalteweg (zugunsten des Beklagten zu 3), die auch nicht über einen zusammenhanglos erwähnten Reibungskoeffizienten auszugleichen sind.

cc) Weiterhin bleibt unklar, wie lange sich das Fahrzeug des Klägers nach dem Anstoß an die Leitplanke, welcher mindestens dem Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung für den Beklagten zu 3) entspricht, noch bewegt und dabei welche Entfernung zurück gelegt hat. Wäre der Kläger mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h von der Fahrbahn abgekommen, und durch Anstoß und Bremsung ein Geschwindigkeitsabbau bis fast zum Stillstand eingetreten, hätte sich unter Annahme für die Beklagten günstiger Umstände ein Bremsweg, gleichzeitig Anhalteweg, von 65,20 Metern ergeben. Daraus würde folgen, dass dem Beklagten zu 3), den angegebenen Sicherheitsabstand von 60 Metern hinzugerechnet, ein Anhalteweg von 125,20 Metern zur Verfügung gestanden hätte, innerhalb dessen er selbst nach den Erwägungen des Erstgerichts den Unfall ohne weiteres hätte vermeiden können.

dd) Eine Klärung der Frage, ob der Beklagte zu 3) unter den gegebenen Umständen überhaupt zum Überholen ausscheren durfte (EU 6 = Bl. 47 d. A.), unterblieb, obwohl der Unfall ohne weiteres vermieden worden wäre, wenn der Beklagten zu 3) auf ein Überholen des vorausfahrenden Fahrzeugs verzichtet hätte. Dabei durfte der Beklagte zu 3) auch auf Autobahnen durch das Überholen den Abstand zu dem vorausfahrenden Wagen nicht geringer und die Geschwindigkeit seines überholenden Fahrzeugs nicht höher werden lassen, als dass er unter Berücksichtigung seiner eigenen Reaktionsfähigkeit und der Bremsfähigkeit seines Fahrzeugs hinter dem (auf der Zielfahrbahn vorausfahrenden) Wagen hätte abstoppen und ein Auffahren hätte vermeiden können (BGH NJW 1960, 243). Selbst unter Anerkennung der Geschwindigkeits- und Abstandsangaben der Beklagten, nämlich 110 km/h und 60 Meter, hätte der Beklagte auf der Überholspur einen Anhalteweg von 79,32 Metern benötigt, so dass der angegebene Abstand schon zu Beginn des Überholvorgangs bei weitem nicht ausreichend war. Gleiches gilt für eine ähnlich zu errechnende Anhaltezeit (5,24 Sekunden), die deutlich über der von den Zeugen Rath und Gold geschätzten Zeitspanne von 2 bis 3 Sekunden zwischen den beiden Anstößen (EU 5 = Bl. 46 d. A.) liegt.

ee) Die Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt von „bis zu 130 km/h“ (EU 5 = Bl. 46 d. A.) ist weder durch die Parteiangaben, noch durch die Zeugenvernehmungen, noch die polizeilichen Ermittlungen gerechtfertigt und somit nicht durch Fakten getragen (BGH NJW 2001, 2792).

ff) Das Erstgericht verzichtet entgegen dem Antrag beider Parteien (Klageschrift v. 17.01.2014, S. 5 = Bl. 5 d. A.; 18.02. Klageerwiderung v. 18.02.2014, S. 4 = Bl. 19 d. A.) auf eine sachverständige unfallanalytische Begutachtung des Unfalles, was unter Würdigung aller Gesamtumstände einen schweren Verfahrensfehler darstellt (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]), und bereits für sich allein aussschließt, dass die Beweiserhebung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]). Ein Fall, in welchem der Sachverständigenbeweis ein ungeeignetes Beweismittel darstellen könnte (BGH NJW-RR 2008, 1380; NStZ 2009, 48, dagegen umgekehrt: BGH NStZ 1995, 97), liegt ersichtlich nicht vor, zumal eine eigene Sachkunde des Erstgerichts weder dargelegt, noch ersichtlich wird (vgl. BGH NJW 2015, 1311; VersR 2011, 1432; NJW-RR 2009, 35; 2007, 357; MDR 1997, 779; OLG München, Urteil v. 05.02.2014 - 3 U 4256/13 [juris, Rz. 26-28, 33]). Im Übrigen ist ein Sachverständigengutachten bereits dann kein „völlig“ ungeeignetes Beweismittel, wenn der Sachverständige auch nur solche Erfahrungssätze und Schlussfolgerungen darzulegen vermag, die für sich allein die unter Beweis gestellte Behauptung lediglich wahrscheinlich machen, sie aber nicht unmittelbar erweisen können (BGH NStZ 1984, 564; NStZ 2012, 345). Das unbegründete Übergehen eines Beweisantrags stellt ebenso wie die Annahme eigener Sachkunde ohne richterlichen Hinweis (§ 139 I 2 ZPO) einen Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) dar (s. Senat, Urt. v. 20.02.2015 - 10 U 1722/14 [juris, Rn. 33]).

Derzeit kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass mittels sachverständiger Begutachtung folgende entscheidungserhebliche Punkte aufgeklärt oder nachvollziehbar gemacht werden können: genauer Unfallort (Anstoßstelle), Endstellung der Fahrzeuge, Ausgangs- und Kollisionsgeschwindigkeiten beider Fahrzeuge, Abstände und - unter Annahme wirklichkeitsnaher Bremsverzögerungs- und Reaktionswerte - Geschwindigkeitsabbau und Anhaltewege.

Ebenso sind die Differenzgeschwindigkeit der unfallbeteiligten Fahrzeuge von ausschlaggebender Bedeutung, wobei das Erstgericht wiederum keinerlei Begründung liefert, warum ein Sachverständiger diese nicht wenigstens näherungsweise solle feststellen können: Aus den durch Lichtbilder dokumentierten Fahrzeugbeschädigungen lässt sich - mit gewissen Bandbreiten - anhand wissenschaftlicher Methoden und von Erfahrungswerten auf die vorgenannten Umstände schließen. Dabei kann auch festgestellt werden, ob sich das klägerische Fahrzeug im Stillstand oder nahezu im Stillstand befunden hat, und eines oder beide Fahrzeuge eingebremst waren.

c) Die Beweiswürdigung des Erstgerichts kann schon allein wegen der unvollständigen Beweiserhebung keine Bindungswirkung (§ 529 I Nr. 1 ZPO) für das weitere Verfahren entfalten, weil eine sachgerechte Prüfung und Bewertung eines vollständigen Beweisergebnisses notwendig fehlen müssen (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]), und die Verkehrsverstöße der unfallbeteiligten Fahrer und die Unvermeidbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 3) auf einen unzureichend ermittelten Sachverhalt gestützt werden. Zudem ist dem Erstgericht

aa) eine denkgesetzlich mögliche, widerspruchsfreie und nachvollziehbar begründete (BGH NJW 2012, 3439 [3442]; NJW-RR 2011, 270) Würdigung der Parteiangaben und Zeugenaussagen nicht gelungen, obwohl nach § 286 I 2 ZPO (nur!) die für die Überzeugungsbildung leitenden Gründe angegeben, nicht dagegen im Urteil jeder denkbaren Gesichtspunkt und jede Behauptung, sowie jede Zeugen- oder Sachverständigenaussage ausdrücklich oder gar ausführlich erörtert werden müssen (etwa BGH NJW 1987, 1557 [1558]; BAG NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06).

Die Begründung des Erstgerichts zeigt nicht, dass „wenigstens in groben Zügen ... die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06). Die entscheidenden Folgerungen, dass „... der Kläger bei schwieriger Wetterlage ... eine Geschwindigkeit von bis zu 130 km/h innegehabt habe“ (EU 5 = Bl. 46 d. A.), und dass der Unfall „... in technischer Hinsicht ... für den beklagten Fahrer deshalb nicht vermeidbar gewesen (sei)“ (EU 6 = Bl. 47 d. A.) entbehren einer echten und nachvollziehbaren Grundlage.

bb) Die Hilfserwägungen des Ersturteils, die das aufgefundene Ergebnis als vermeintlich zutreffend bestätigen sollen (EU 6/7 = Bl. 47/48 d. A.), führen nicht weiter. Der Umstand, dass Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger aus dem gleichen Verkehrsunfall befriedigt worden seien, ist bedeutungslos. Abgesehen davon, dass weder Leistungen der klägerischen Haftpflichtversicherung, noch die Tätigkeit versierter Sachbearbeiter prozessordnungsgemäß festgestellt sind, hätte die Auffassung des Erstgerichts - unvertretbar - zur Folge, dass die Regulierungspraxis der Versicherungen bestimmt, wer für Verkehrsunfälle in welchem Umfang zu haften habe.

Ebenso wenig kann entscheidungserheblich sein, dass ein polizeilicher Sachbearbeiter ebenfalls den jetzigen Kläger als Verantwortlichen ausgemacht habe. Denn dies hätte zur Folge, dass die Polizei das Haftungsverhältnis zu bestimmen hätte, obwohl dort die Feststellung straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Verstöße, nicht jedoch Fragen der Mitverursachung und des Mitverschuldens im Vordergrund stehen.

Zuletzt ist ohne Belang, dass der jetzige Kläger einen Bußgeldbescheid hingenommen hat. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren wird eigenes Fehlverhalten geklärt, ohne dass Mitverursachung und Mitverschulden eine wesentliche Rolle spielen. Im Übrigen hat auch der Bußgeldrichter keinen Anlass für eine Klärung des Unfallhergangs gesehen.

cc) Zuletzt wäre ein gegen den Beklagten zu 3) als Auffahrenden wirkender Anscheinsbeweis wenigstens zu prüfen gewesen. Dieser stellt zwar keine Beweislastregel, sondern ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Element der Beweiswürdigung dar (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), ist aber nicht von einer Geltendmachung durch den Beweispflichtigen abhängig. Er gilt grundsätzlich nur bei „typischen Geschehensabläufen“ (BGH NZV 1996, 277; NJW 2001, 1140; Senat, Urt. v. 22.02.2008 - 10 U 4455/07 [juris]), also wenn sich unter Prüfung und Bewertung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt habe (BGH VersR 2007, 557; VersR 2011, 234).

Unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls käme zunächst in Betracht, das Auffahren des Beklagten zu 3) auf das klägerische Fahrzeug als typisch für überhöhte Geschwindigkeit, zu geringen Abstand oder mangelnde Aufmerksamkeit anzusehen. Anschließend hätte ein den Beklagten obliegender Vollbeweis eines atypischen Geschehensablaufs geprüft werden müssen, also ob weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt seien, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene „Typizität“ sprechen (BGH NJW-RR 1986, 383; NJW 1996, 1828; 2012, 608). Hierfür käme durchaus der vorausgehende Zusammenstoß des Klägers mit der Leitplanke in Betracht, jedoch nur, wenn hieraus tatsächlich eine Bremswegverkürzung hätte folgen können (BGH NJW 1987, 1075). Der Beklagte zu 3) hatte, wie jeder Autofahrer auf Autobahnen, den Abstand zu einem voraus-fahrenden Kraftfahrzeug in der Regel so zu wählen, dass er auch dann hinter ihm anhalten kann, wenn das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich gebremst wird. Zwar ist nicht mit einem “ruckartigen” Stehenbleiben zu rechnen, jedoch muss der nachfolgende Fahrer, wenn keine besonderen Umstände dem entgegenstehen, den vollen Weg einer Notbremsung des Vorausfahrenden bei Bemessung seines Abstandes einkalkulieren.

Ergänzend wird wiederum auf die Hinweise des Senats (v. 28.12.2015, S. 8/11 = Bl. 90/93 d. A.) Bezug genommen.

2. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht auch sachlich-rechtliche Fragen der Haftungsverteilung nicht überzeugend beantwortet und begründet hat.

a) Die Entscheidungsgründe des Ersturteils lassen nicht erkennen, ob wenigstens die grundsätzliche Haftung der Beklagten für Schäden des bei einem Verkehrsunfall in seinem Eigentum und Vermögen geschädigten Klägers erkannt wurde. Diese ergibt sich für den Beklagten zu 1) aus Gefährdung des Fahrzeughalters (§ 7 I StVG), für den Beklagten zu 3) aus vermutetem Verschulden des Fahrzeugführers (§ 18 I StVG), sowie für die Beklagte zu 2) aus §§ 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 1 PflVG. Grundsätzlich genügt der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast mit der - hier unstreitigen - Behauptung, sein Kraftfahrzeug sei im Straßenverkehr durch einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Beklagten beschädigt worden.

b) Dagegen obliegt den Beklagten jeweils Darlegung und Nachweis, dass entweder die Ersatzpflicht mangels ursächlichen Verschuldens ihres Fahrzeugführers ausgeschlossen sei (§ 18 I 2 StVG), oder ein Fall höherer Gewalt (§ 7 II StVG) oder eines für sie unabwendbaren Ereignisses (§ 17 III StVG) eine Haftung (ganz) entfallen lasse. Gleiches gilt für die Behauptung, der Unfall sei jedenfalls ganz überwiegend vom klägerischen Fahrzeug und dessen Fahrer verursacht oder mitverschuldet worden (§§ 17 I, II, 18 III, 9 StVG, 254 I BGB), so dass der eigene Verursachungsbeitrag und Verschuldensanteil vernachlässigt werden dürfe.

Die Ausführungen des Erstgerichts lassen besorgen, dass diese Grundsätze verkannt wurden: Zwar hält das Ersturteil einen schuldhaften Fahrfehler des Klägers für erwiesen, bietet aber keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und in welchem Umfang die - allein festgestellten - Geschwindigkeitsverstöße unfallursächlich seien. Straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltsverstöße des Beklagten zu 3) werden nicht behandelt, die technische Unvermeidbarkeit lediglich behauptet. Fragen der Haftung werden jedoch nicht nur durch die technische Vermeidbarkeit bestimmt, vielmehr wäre zu klären und im Urteil darzulegen gewesen, ob aus Rechtsgründen ebenfalls ein unabwendbares Ereignis angenommen werden kann.

c) Vorsorglich wird daran erinnert, dass ein Anscheinsbeweis, soweit anzuwenden, von den Beklagten entkräftet („erschüttert“) werden könnte, durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316). Die Tatsachen, aus denen diese ernsthafte und wirklichkeitsnahe Möglichkeit hergeleitet wird, müssen unstreitig oder bewiesen sein (BGHZ 8, 239 [240] = NJW 1953, 584), Zweifel gehen zulasten dessen, gegen den der Anscheinsbeweis streitet (BGH VersR 1959, 1034 [1036]; Senat NJW-RR 2014, 601 (602) = NZV 2014, 416).

II. Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine mangelhafte Beweiserhebung stellt ebenso sowie eine nicht sachgerechte Beweiswürdigung einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris, dort Rz. 57, m. w. N.]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Aufklärung des Unfallgeschehens verletzt hat.

Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat nicht nur erstmals ein Sachverständigengutachten erholen, sondern zusätzlich die Parteien anhören und sämtliche Zeugen erneut vernehmen müsste. Eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellungen, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder Parteien wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r+s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass bei entsprechendem Ergebnis der Beweisaufnahme erstmalige Feststellungen zur Höhe des Schadens getroffen werden müssten (§ 538 II 1 Nr. 4 ZPO).

2. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III. Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) - denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (etwa Senat, Urt. v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Tenor

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 35.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie nun ein Mitverschulden von 30 Prozent einräumt. Sie verlangt ein verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 14.000,- €, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für jegliche künftige materielle Schäden zu 70 Prozent, für künftige immaterielle Schäden unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 Prozent.

Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 23.05.2011 gegen 15.20 Uhr zwischen der damals elfjährigen Klägerin als Tretrollerfahrerin und dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen EBE - …, zum Unfallzeitpunkt gefahren von der Beklagten zu 1). Der Unfall ereignete sich auf der A.-Straße in F., bei Kilometer 0.274 oder Abschnitt 740. Die Klägerin wurde vom Fahrzeug der Beklagten erfasst, als sie versuchte, vom in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) rechten Gehweg kommend auf Höhe einer Überquerungshilfe die Straße nach links zu überqueren. Sie wurde schwer verletzt und macht heute noch bestehende Beeinträchtigungen aufgrund der Unfallfolgen, insbesondere eine therapiebedürftige posttraumatische Depression, geltend. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 06.11.2014 (Bl. 71/78 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die Klage vollständig abgewiesen, weil die Beklagte zu 1) den Unfall nicht zu vertreten habe und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs hinter dem groben Mitverschulden der Klägerin zurücktrete. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 75/78 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13.11.2014 zugestellte Urteil hat die Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 15.12.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 88/89 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 13.01.2015, eingegangen am gleichen Tag, begründet (Bl. 93/99 d. A.).

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 14.000,- €, zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.03.2012,

- die Beklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.698,13 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.03.2012 zu bezahlen,

- festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 23.05.2011 in Feldkirchen zu 70 Prozent zu ersetzen, jeden weiteren immateriellen Schaden unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 30 Prozent, jeweils soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.06.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO (Bl. 118/119); als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.07.2015 der 24.07.2015 bestimmt (Bl. 121/122 d. A.). Die Klägerin hat ergänzend hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 117 d. A.), die Beklagten haben sich dem angeschlossen (Schriftsatz v. 15.06.2015, Bl. 112/116 d. A.).

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.06.2015 (Bl. 112/116 d. A.) und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.05.2015 (Bl. 100/110 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat entschieden, dass grundsätzlich bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Verschuldenshaftung (§ 18 I StVG) der bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Beklagten zu 1) mangels Verschuldens entfallen (EU 5, 7 = Bl. 75, 77 d. A.), und selbst die Betriebsgefahr des Fahrzeugs wegen des weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin zurückzutreten habe (EU 5, 7/8 = Bl. 75, 77/78 d. A.). Das Erstgericht hat sich davon überzeugt, dass die Klägerin den Unfall und damit ihren Schaden fast ausschließlich selbst verursacht und allein verschuldet habe, weil sie als Fußgängerin unaufmerksam, überraschend und ohne nachvollziehbaren Grund die Fahrbahn der Straße überquert und dabei den dortigen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs missachtet habe (EU 5/8 = Bl. 75/78 d. A.).

Diese Ergebnisse entbehren nach dem bisherigen Sach- und Streitstand angesichts einerseits lückenhafter Beweiserhebung und unzulänglicher Beweiswürdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden oder auch nur ausreichenden Grundlage.

1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen (unstreitiger Tatbestand einerseits, BGH NJW 2011, 3299 [3300]; WM 2011, 309; OLG Rostock, MDR 2011, 217, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung andererseits, Senat, Urt. v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13 [juris, Rz. 16]) verfahrensfehlerhaft nicht vollständig festgestellt. Deswegen weist die Tatsachenfeststellung offensichtliche Lücken, Widersprüche oder Unrichtigkeiten auf, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583 [1585]), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist. Die Klägerin liefert - wenigsten zum Teil - konkrete Anhaltspunkte (BB 4/6 = Bl. 96/98 d. A.), die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beweiserhebung und -würdigung wecken (BGH r + s 2003, 522), im Übrigen offenbaren sich Mängel aufgrund der vom Senat von Amts wegen vorzunehmenden (so etwa BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) Überprüfung.

a) Die Beweiserhebung des Erstgerichts zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428, [429, Rn. 9]; NZV 2000, 504; NJW 2004, 1871; NJW 2009, 2604 [2605 ]; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris]; v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris]; v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris]) unterblieben ist, und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen (BGH NJW 2009, 2604; NJW-RR 2011, 428).

aa) Das Erstgericht hat zum Haftungsgrund Beweis erhoben durch Erholung eines unfallanalytischen Gutachten (Beweisbeschluss v. 04.07.2013, Bl. 32 d. A.), sowie durch Vernehmung der Zeugen Marlene E. und Josef L. (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3-5 = Bl. 47/49 d. A.; EU 4 = Bl. 74 d. A.). Darüber hinaus wurde, durchaus sachgerecht, die persönliche Anhörung der Klägerin und der Beklagten zu 1) gemäß § 141 I, II ZPO durchgeführt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 2/3 = Bl. 46/47 d. A.). Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der Parteianhörung in Schadensersatzfällen (BGH NJW 2015, 74), insbesondere wenn der Ablauf eines Verkehrsunfalls streitig ist (BGH NJW 2013, 2601 [2602 [10, 11]]), sind die Befragungen jedoch zu kursorisch geraten und klären entscheidende Umstände des Unfalls nicht.

- Hinsichtlich der Klägerin wäre die gesamte Annäherung an die Unfallstelle vom Ort des Fahrtbeginns, das beabsichtigte Fahrtziel und das Fahrverhalten, insbesondere auf dem Gehweg ab dem Kreisverkehr, zu erfragen, und mit den Angaben der Beklagten zu 1) und der Zeugin Marlene E. abzugleichen gewesen. Zudem wäre durch Vorhalte zu klären gewesen, wie die Klägerin angehalten und die Fahrbahn beobachtet, und dennoch geglaubt haben will, die Fahrbahn ohne Gefahr überschreiten zu können. Zuletzt wären Größe und Gewicht zum Unfallzeitpunkt zu ermitteln gewesen (die in Rücksicht auf die mündliche Verhandlung „heutigen“ Daten (Bl. 47 d. A.) sind weniger wichtig), weil diese entscheidende Anknüpfungspunkte für die Berechnungen des Sachverständigen bildeten.

- Die Angaben der Beklagten zu 1) enthalten einen nicht aufgelösten Widerspruch, soweit sie „ca. 30 bis 50 Meter vor der späteren Unfallstelle … zum ersten Mal bewusst die Kinder … gesehen habe“, andererseits erklärt hatte, „… zu dem Zeitpunkt, als ich die Kinder zum ersten Mal gesehen habe, waren sie ca. 10 Meter vor meinem Fahrzeug“. Auch insoweit wäre eine vollständige Beschreibung der Annäherung sowohl der Kinder, als auch der Beklagten zu 1) selbst an die spätere Unfallstelle ab dem Zeitpunkt des Verlassens des Kreisverkehrs notwendig gewesen, zumal, wie aus den Lichtbildern ersichtlich, Fahrbahn und Gehweg übersichtlich sind und wegen des Gefälles höhere Geschwindigkeiten und verlängerte Bremswege entstehen können. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte zu 1) in der gegen die Klägerin geführten Unfallanzeige durchaus als Zeugin geäußert und eine Vorgangsschilderung abgegeben hat, die hinsichtlich der Einzelheiten noch ungenauer als die gerichtliche Darstellung ist, und mangelnde Beobachtung und Aufmerksamkeit nicht ausgeschlossen erscheinen lässt (Ermittlungsakten, Bl. 24 d. A.). Zuletzt wäre klärungsbedürftig gewesen, welche Vorstellungen sich die Beklagte zu 1) hinsichtlich der für jeden Verkehrsteilnehmer klar erkennbaren Verkehrsinsel mit Überquerungshilfe gemacht hat, und anhand welcher Umstände sie die die Annahme getroffen hat, die Klägerin werde diesen Weg nicht wählen. Nach vorläufiger Einschätzung des Senats sprach jedenfalls keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin auf dem Gehweg geradeaus weiterfahren werde, als dass sie die Straßenseite werde wechseln wollen.

- Damit wurde dem Gutachter und dem Gericht die Möglichkeit genommen, die jeweilige unmittelbare Unfalldarstellung zu erweitern und zu präzisieren, die Parteien ergänzend zu befragen und weitere Anknüpfungspunkte zu gewinnen. Weiterhin wurde die Verpflichtung eingeschränkt, das Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen, und mit den Schilderungen der Parteien abzugleichen.

bb) Das Erstgericht hat die Ermittlungsakten (455 Js 165967/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beigezogen (EU 4 = Bl. 74 d. A.), jedoch nur unzulässig summarisch (BGH LM § 295 ZPO Nr. 9 = BeckRS 1954, 31397883) darauf Bezug genommen. Deswegen ist nicht erkennbar, ob eine Partei sich auf welche bestimmte Urkunden bezogen hat, und welche Aktenbestandteile wie verwertet wurden. Dies wäre jedoch schon deswegen klärungsbedürftig gewesen, weil eine Unfallschilderung der Beklagten zu 1) vorliegt (Bl. 24 d. A. 455 Js 165967/11), die vorzuhalten gewesen wäre.

cc) Das in erster Instanz erstellte unfallanalytische Sachverständigengutachten (Bl. 56 d. A.) berücksichtigt die für die Klägerin und gegen die Beklagten wirkende Anscheinsbeweislage nicht und klärt deswegen entscheidungserhebliche Fragen nicht sachgerecht.

Zum Ersten hätte der Sachverständige zunächst jegliche für die Klägerin günstigsten Daten und Werte zugrunde legen müssen, denn mit dem Sachvortrag einer Unfallschädigung eines Kindes im Straßenverkehr hat die Klägerin ausreichende, sowie vorliegend unstreitige Tatsachen vorgetragen, die eine Anscheinsbeweislage begründen. Diese wäre als Element der Beweiswürdigung von Amts wegen zu berücksichtigen (etwa Senat, Urt. v. 14.02.2014 - 10 U 2815/13 [juris]; v. 14.03.2014 - 10 U 4774/13 [juris]; v. 25.04.2014 - 10 U 1886/13 [juris]), so dass die Beklagten damit belastet gewesen wären, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften oder zu „erschüttern“ durch Darlegung einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs (BGH DAR 1985, 316), dessen Tatsachen unstreitig oder bewiesen sein müssten (BGH NJW 1953, 584).

Zum Zweiten errechnet der Sachverständige die höchstmögliche Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 43 km/h mittels einer Reaktionsverzögerung von 0,8 Sekunden aufgrund der Annahme, die Beklagte zu 1) habe erst zum Zeitpunkt des Anstoßes reagiert. Eine derartige Annahme wirkt zugunsten der Beklagten und zulasten der Klägerin, was nach den Anscheinsbeweisregeln nicht statthaft ist. Im Übrigen ist kaum vorstellbar und erklärlich, dass die Beklagte zu 1) die Annäherung der Klägerin überhaupt nicht wahrgenommen habe, es sei denn, sie hätte auf Kinder auf dem Gehweg überhaupt nicht mehr geachtet. Rechnet man beispielsweise mit einer um 0,4 Sekunden früheren Reaktion der Beklagten zu 1), kann unter sonst gleichen Umständen eine Ausgangsgeschwindigkeit von 52 km/h nicht ausgeschlossen werden.

Zum Dritten hat der Sachverständige zur Errechnung der Kollisionsgeschwindigkeit der Klägerin Werte geschätzt, die nicht belegt sind und keine Erläuterung unter der erforderlichen Berücksichtigung günstigster Annahmen enthalten. Deswegen hätte allenfalls mit einer Annäherungsgeschwindigkeit der Klägerin von 12 km/h gerechnet werden und die Annäherungsentfernung von 3 Metern unter Beachtung einer Bogenfahrt begründet werden müssen.

Zum Vierten hätte bei der Reaktionszeit der Beklagten zu 1) von 0,8 Sekunden bedacht werden müssen, dass die angesichts der Verkehrsverhältnisse und § 3 IIa StVO zu fordernde Bremsbereitschaft zu einer deutlichen Verkürzung der Reaktionszeit führt.

Zuletzt ist weder nachvollziehbar dargelegt, wie sich die Entfernung der Beklagten zu 1) - unter Zugrundelegung für die Klägerin günstiger Werte - zum Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung errechnet, noch warum sich ein Anhalteweg von 10,81 Metern bei einer Bremsverzögerung von 9 m/s², sowie Reaktions- und Bremsschwellzeiten von 0,8 und 0,2 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 29 km/h, sowie bei einer Reaktionszeit von 0,5 Sekunden nicht aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 34 km/h ergibt (s. OLG Hamm NZV 2006, 151: ggfs. auch 35 km/h nicht ausreichend langsam; r+s 2001, 60: 20 - 25 km/h).

Deswegen ist unter Würdigung aller Gesamtumstände das Absehen von einem umfassenden, auf alle zivilrechtlichen Fragestellungen - insbesondere die Anscheinsbeweislage des § 3 IIa StVO - bezogenen unfallanalytischen Sachverständigengutachten (Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 [juris, dort Rz. 5-7]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris, dort Rz. 45, 60]) verfahrensfehlerhaft, und schließt aus, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht (OLG München, Urt. v. 21.02.2014 - 25 U 2798/13 [juris]).

Somit ist die gesamte Beweisaufnahme unter Erholung eines unfallanalytischen Gutachtens eines anderen Sachverständigen zu wiederholen, § 538 II 1 Nr. 1 ZPO, und hierbei zu klären, ob die Beklagte zu 1) sich von dem zu vermutendem Verschulden als Fahrzeugführerin (§ 18 I 2 StVG) und von anscheinsbeweislich belegten Verstößen gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht, das allgemeine Rücksichtnahmegebot und die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern entlasten kann.

b) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nach Auffassung des Senats nicht beanstandungsfrei.

aa) Das Ersturteil ist schon wegen der lückenhaften Beweiserhebung verfahrensfehlerhaft mit der Folge, dass eine vollständige Prüfung und Bewertung des Beweisergebnisses fehlt, und deswegen das Ersturteil nicht auf einer ordnungsgemäßen Tatsachenfeststellung fußen kann.

bb) Auch im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts unzureichend, denn der Tatrichter muss erkennen lassen, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert der Beweismittel erfolgt ist (Zöller/Greger a. a. O. § 286 Rz. 21). Diese Auseinandersetzung muss auch individuell und argumentativ sein (BGH NJW 1988, 566; OLG Oldenburg OLGR 1997, 206 [207 für die Würdigung eines Sachverständigengutachtens]), und „… wenigstens in groben Zügen sichtbar machen, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind“ (insoweit in BGHZ 126, 217, 219 nicht abgedruckt]; BAGE 5, 221 [224]; NZA 2003, 483 [484]; Senat, Beschl. v. 25.11.2005 - 10 U 2378/05 und v. 23.10.2006 - 10 U 3590/06; KG zfs 2007, 202 [204]).

- Das Ersturteil versagt sich eine vollständige Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Angaben der Beklagten zu 1) und den Gutachtensergebnissen (BGH NJW 2015, 411: „entsprechend dem Gebot des § ZPO § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt“; MDR 1982, 212), indem die Annahmen des Sachverständigen ungeprüft übernommen und floskelhaft für zutreffend erklärt werden (EU 6 = Bl. 76 d. A.), ohne die erleichterte Beweisführung nach dem Anscheinsbeweis und die gebotene Anwendung der für die Klägerin günstigsten Anknüpfungstatsachen zu beachten.

- Deswegen und darüber hinaus wird übersehen (EU 7 = Bl. 77 d. A.), dass zum Ersten die Beklagte zu 1) schon nach eigenen Angaben die Klägerin und ihre Schwester auf dem Gehweg nicht sorgfältig und durchgängig beobachtet hat.

Zum Zweiten geht das Ersturteil nicht darauf ein, dass bereits die als Überquerungshilfe gedachte Verkehrsinsel, in Verbindung mit der abgesenkten Bordsteinkante, deutliche Hinweise auf einen beabsichtigten Wechsel der Straßenseite schafft, insbesondere wenn über das vorangegangene Fahrverhalten der Klägerin und ihrer Schwester keinerlei Feststellungen getroffen werden.

Zuletzt fehlt eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten zu 1) zu fordernden Bremsbereitschaft und dem gegenseitigen Annäherungsverhalten der Parteien: Wenn die Beklagte zu 1) eine Reaktionsaufforderung erhalten hat, als sie - zugunsten der Klägerin nicht ausschließbar - noch 10,8 Meter von der Unfallstelle entfernt war (EU 6 = Bl. 76 d. A.; Gutachten v. 04.07.2014, S. 13, Bl. 56 ff. d. A.), kann sie die Kinder nicht etwa 10 Meter vor ihrem Fahrzeug wahrgenommen haben, und bewusst ohne zu bremsen weitergefahren sein (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 06.02.2014, S. 3 = Bl. 47 d. A.). Dies gilt umso mehr, als unstreitig hinter der Klägerin deren Schwester fuhr (EU 2 = Bl. 72 d. A.), somit die Wahrnehmungsentfernung zu beiden Kindern unterschiedlich gewesen sein muss.

2. Im Übrigen hat das Landgericht auch entscheidende sachlich-rechtliche Fragen, nämlich die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeugführers gegenüber Fußgängern und Kindern, nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO) beurteilt und voreilig jegliches Verschulden der Beklagten zu 1), sowie jegliche mögliche Mitverursachungsanteile der Beklagten einschließlich der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, ausgeschlossen.

a) Nach den bisherigen Feststellungen sind Körper und Gesundheit der Klägerin verletzt und deren Vermögen beeinträchtigt worden. Diese Rechtsgüterverletzung geschah unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so dass ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB grundsätzlich in Betracht kommt, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Einen jegliche Haftung der Beklagten ausschließenden Fall höherer Gewalt gemäß § 7 II StVG hat das Erstgericht ebenso zutreffend ausgeschlossen.

Klarzustellen ist, dass ein Fall der Gefährdungshaftung (§ 7 I StVG) ausscheidet, weil der Fahrzeughalter nicht verklagt worden ist, und aus 18 I 2 StVG eine Beweislastumkehr zum Nachteil des Fahrzeugführers folgt.

b) Nicht zu beanstanden ist weiterhin die Annahme, dass diese Haftung anspruchsmindernd durch ein Mitverschulden der Klägerin verringert werde (EU 5, 8 = 75, 78 d. A.), das unter Würdigung aller Gesamtumstände als erheblich einzustufen sei. Die Klägerin räumt eine gewichtige Missachtung wesentlicher Verkehrsvorschriften ein (BB 2 = Bl. 94 d. A.), wer als Fußgängerin (oder Tretrollerfahrerin) Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 III 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (BGH NJW 2000, 3069: „besondere Vorsicht“; NJW 1984, 50), weil das Achten auf bevorrechtigte Fahrzeuge eine elementare Grundregel des Straßenverkehrs darstellt, die jedem Fußgänger, der eine Straße überschreiten will, einleuchten muss (OLG Hamm NZV 1993, 314; NZV 2001, 41; OLG Koblenz NZV 2012, 177; KG VersR 1981, 332; NZV 2004 579; OLG Celle MDR 2004, 994; OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Dies gilt auch für Kinder unter der Voraussetzung ihrer - im Streitfall nicht zweifelhaften - zur Erkenntnis der Verantwortung erforderlichen Reife (OLG Hamm NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151; OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596). Ein Fußgänger müsste sich sogar auf einem Fußgängerüberweg (§ 26 StVO) oder bei Grünlicht einer für ihn geschalteten Lichtzeichenanlage vergewissern, dass er die Fahrbahn gefahrlos überschreiten kann, ein Erzwingen des Vorrechts kann zu einem Mitverschulden führen (BGH VersR 1983, 667; NJW 1966, 1211).

c) Unzutreffend sind dagegen die Annahmen des Erstgerichts, erstens treffe die Beklagte zu 1) lediglich die Pflicht, die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu beachten (EU 6/7 = Bl. 76/77 d. A.), zweitens könnten Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) ausgeschlossen oder als nicht erweislich angesehen werden (EU 7 = Bl. 77 d. A.), weil sie Vorfahrt gehabt habe und keinerlei äußerlich sichtbaren Umstände darauf hingedeutet haben, dass die Klägerin die Fahrbahn überqueren wolle oder als Kind wegen drohenden verkehrswidrigen Verhaltens besonders schutzwürdig gewesen sei. Überdies kann ein selbst die Betriebsgefahr vollständig aufzehrendes Mitverschulden der Klägerin nicht ohne Würdigung aller Gesamtumstände, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen … § 25 … § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“) und des Verhaltens der Fahrzeugführerin, begründet und bewertet werden (EU 7/8 = Bl. 77/78 d. A.).

aa) Vielmehr bestimmen sich die straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrers gegenüber Fußgängern, die die Fahrbahn überqueren wollen, nach folgenden Grundsätzen, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 12.05.2015, S. 1/5 = Bl. 100/105 d. A.) verwiesen:

- Der Kraftfahrzeugverkehr ist gegenüber Fußgängern bevorrechtigt (§ 25 III StVO), sofern nicht ein Fußgängerüberweg (§§ 25 III 1, 41 I StVO, Anlage 2, Zeichen 293) vorliegt (§ 26 I StVO). Eine in der Straßenverkehrsordnung nicht geregelte Überquerungs- oder Querungshilfe (BGH NZV 1998, 369), wie die unstreitig von der Klägerin genutzte Verkehrsinsel in der A.-Straße in F., stellt keinen Fußgängerüberweg im Rechtssinne dar und beeinflusst das Vorrangverhältnis nicht (König, NZV 2008, 492 ff, [494 unter IV.]; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 26, Rn. 10).

- Dennoch hat der Kraftfahrer die allgemeinen Verkehrsregeln zu beachten, insbesondere Geschwindigkeitsvorschriften (§§ 3 III, I StVO; BGH NJW 1992, 1459; OLG Düsseldorf NZV 1994, 70), aber auch das Sichtfahrgebot (BGH NJW 1984, 50 ff. [51 unter 2. c)]), und das Rücksichtnahmegebot (§ 1 II StVO). In diesem Rahmen hat er den gesamten Verkehrsraum, auch bezüglich auf den Gehwegen gehender oder stehender Fußgänger, sorgfältig zu beobachten (OLG Hamm NZV 2000, 371 ff. [372 unter 3. a)]; KG VRS 100, 269 = BeckRS 2001, 00140; BGH VersR 66, 736; OLG Düsseldorf, NZV 2002, 90; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]), sowie rechtzeitig und richtig auf etwaige Fehler anderer Verkehrsteilnehmer zu reagieren (BGH NJW-RR 1991, 347; OLG Hamm NZV 1993, 314; KG VRS 100, 269). Bei unachtsamem Verhalten eines Fußgängers bestehen Brems- und Ausweichpflicht (OLG Koblenz NZV 2012, 177; OLG Hamm r+s 1989, 396 = VRS 78, 5), sowie die Notwendigkeit, die Geschwindigkeit herabsetzen, sobald der Fahrer sieht, dass ein Fußgänger die Straße betritt (OLG Düsseldorf VRS 56, 2). Letztere Verpflichtung besteht sogar bei witterungsbedingten Sichtbeeinträchtigungen (OLG Saarbrücken r+s 2010, 479; OLG Hamm r+s 1989, 396).

- Diese Verpflichtungen bestehen uneingeschränkt auch bei schweren Sorgfaltsverstößen eines Fußgänger, etwa wenn dieser die Fahrbahn trotz für ihn Rotlicht zeigender Lichtzeichenanlage in oder an der Ampelfurt überschreiten will (BGH Urt. v. 29.04.1975 - VI ZR 225/73 [juris] = VersR 1975, 858; NJW 1992, 1459; VersR 1967, 608). Angesichts dieser Verpflichtungen kommt eine Bewertung des Mitverschuldens des Fußgängers, die jegliche Haftung des Kraftfahrers ausschließt, lediglich in besonderen Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn dieser keinerlei Verkehrsverstöße begangen hat (OLG Köln NZV 2002, 369; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.06.2009 - 1 U 79/09 [juris]; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2010 - 10 U 1/10 [juris]; OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.02.2011 - 4 U 200/10 - 60 [juris]; OLG Köln, Beschl. v. 19.03.2012 - I-16 U 169/11, 16 U 169/11 [juris]).

- Eine abweichende Bewertung ist im Streitfall schon deswegen nicht veranlasst, weil Sonderfälle, wie etwa ein Abwarten der Klägerin auf einer Verkehrsinsel, ein Hervortreten hinter einem Verkehrsstau (OLG Hamm NZV 2000, 371) oder eine Vernachlässigung eines naheliegenden Fußgängerüberwegs (BGH NJW 1958, 1630; NZV 1990, 150; KG VRS 100, 269; KG VM 1992, 27; i. Ü auch dort nur hälftige Haftung; OLG Hamm NZV 2000, 371; OLG Dresden NZV 2001, 378), unstreitig nicht vorliegen. Selbst wenn jedoch ein derartiger Vertrauensschutz angenommen würde, beseitigt dieser einerseits nicht die Verpflichtung, die gesamte Fahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auch wegen der in solchen Fällen gegebenen Abstandsverkürzung reagieren zu können (OLG Hamm, a. a. O.; BGH VersR 1966, 736; BGH VersR 1968, 897; OLG Köln VersR 1987, 513; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 1249; KG VersR 1993, 201), und zwar zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Fußgänger die Fahrbahn betritt (OLG Bremen VersR 66, 962; OLG Düsseldorf VersR 1979, 649). Andererseits setzt der genannte Vertrauensgrundsatz jedenfalls ein merkliches Verhalten des Fußgängers voraus, das die Erwartung des Kraftfahrers, ihm werde die Vorbeifahrt gestattet, stützen kann (KG VersR 1968, 259: „Blickkontakt“; OLG Karlsruhe VersR 1971, 1177; OLG Hamm r+s, 2002, 192; BGH VersR 1961, 592).

- Darüber hinaus bestehen besondere Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern (§ 3 IIa StVO), diesen gegenüber muss sich ein Kraftfahrer, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist (BGH NJW 1994, 2829: gegenüber alten Menschen). Diese Fassung des Gesetzestextes begründet zusätzlich eine Anscheinsbeweislage, die für Kinder und gegen den Kraftfahrer streitet. Nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils (EU 2 = Bl. 72 d. A.) fuhr die zum Unfallzeitpunkt elfjährige Klägerin, mit einem Tretroller und gefolgt von ihrer achtjährigen Schwester, fahrbahnparallel auf dem Gehweg, um diesen nach links zu verlassen und die Straße an einer als Überquerungshilfe dienenden Verkehrsinsel zu überfahren. Die Klägerin ist somit wegen ihres erheblich unter dem 14. Lebensjahr liegenden Alters (OLG Hamburg NZV 1990, 71) ersichtlich in den Schutzbereich der Verkehrsvorschrift einbezogen, dagegen finden Erwägungen des Erstgerichts zur Unzumutbarkeit dieser besonderen Vorsicht (EU 8 = Bl. 78 d. A.) eine Stütze weder im Gesetz, noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Meinung, erhebliche, verkehrsbedingte Geschwindigkeitsverringerungen eines Kraftfahrers zum Schutz von Kindern auf dem fahrbahnnahen Gehweg könnten den Stadtverkehr beeinträchtigen und ein erhöhtes Unfallrisiko herbeiführen, ist nicht nur durch keinerlei tatsächliche Feststellungen belegt, sondern auch nicht zu begründen.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand liegt nahe, dass die Beklagte zu 1) den sie treffenden Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Allein die Anwesenheit von Schulkindern auf dem rechten Bürgersteig und die Nähe einer als Überquerungshilfe gedachten Verkehrsinsel zwingen zu besonderer Aufmerksamkeit und Geschwindigkeitsverringerung (OLG Hamm r+s 2001, 60; NZV 1990, 473; NZV 1991, 69; NZV 2006, 151), zumal eine gegenseitige Beeinflussung der Klägerin und ihrer noch jüngeren Schwester (BGH NJW 1991, NJW Jahr 1990 Seite 292; KG NZV 1999, 329; OLG Hamburg NZV 1990, 71) nicht auszuschließen ist und sogar nahe liegt.

- Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Kraftfahrzeugverkehrs folgt schon allgemein keineswegs ein geschütztes Vertrauen darauf, dass Fußgänger sich immer verkehrsgerecht, vorsichtig und der StVO entsprechend verhalten, sondern nur unter besonderen Umständen (BGH VersR 1955, 156; BayObLG VRS 58, 85 = S. 221; BGH NJW 1966, 1211; BayObLG NJW 1978, 1491; OLG Karlsruhe VersR 1982, 450; OLG Hamm r+s 1988, 102; BGH NJW 2000, 3069). Dies gilt verstärkt gegenüber Kindern (OLG Hamburg NJOZ 2008, 2792; OLG Karlsruhe NZV 2012, 596).

- Hieraus folgt, dass eine Bewertung des klägerischen Mitverschuldens als so gewichtig, dass jegliche Haftung der Beklagten entfalle, kaum vertretbar ist (OLG Karlsruhe NZV 2012, 596, OLG Hamm NZV 1991, 69: Haftung des Kraftfahrers zu 1/3 bei leichtem Verschulden oder bloßer Betriebsgefahr; OLG Hamm NZV 2006, 151: zu 40% wegen groben Verschuldens des Kindes; OLG Hamm r+s 2001, 60: Haftung des Kraftfahrers zu 2/3).

bb) Darlegungs- und beweisbelastet für eine schuldhafte Unfallverursachung durch die Klägerin und ein dieser anspruchsmindernd zuzurechnendes Mitverschulden, aber auch für deren Ausmaß, sind die Beklagten. Dies hat zur Folge, dass Sachverständiger und Gericht zu allen Bewegungen der Klägerin in die und auf der Fahrbahn bei nicht eindeutig feststellbaren Umständen die für die Klägerin (nicht die Beklagten) günstigsten technisch möglichen Werte anzusetzen haben. Gleiches gilt für den Nachweis der Einhaltung der an einen Idealfahrer zu stellenden Anforderungen (unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 III StVG), was eine vollständige und genaue Prüfung und Darlegung des Fahrverhaltens, insbesondere der Wahrnehmung und Beurteilung des Verhaltens der Klägerin erfordert. Soweit grundsätzlich die Klägerin die Beweisführungs- und Feststellungslast für Sorgfaltspflichtverstöße und Verursachungsbeiträge der Beklagten trifft, ist die aus dem Gesetzeswortlaut (§ 3 IIa StVO) abgeleitete Beweiserleichterung durch den Anscheinsbeweis zu beachten.

Bei dieser Sachlage ist bisher nicht vertretbar, Sorgfaltspflichtverletzung und Verschulden der Beklagten zu 1) für ausgeschlossen oder nicht erwiesen zu halten, vielmehr wird das Erstgericht hierfür maßgebliche und geeignete Umstände erst noch verfahrensfehlerfrei zu ermitteln und sachgerecht zu würdigen haben. Sollte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangen, dass das Mitverschulden der Klägerin jegliche Haftung der Beklagten, selbst diejenige für Betriebsgefahr, aufzehre, wäre folgendes zu berücksichtigen: In die Abwägung sind alle Faktoren, soweit unstreitig oder erwiesen, einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH NJW 1995, 1029; 2007, 506 [207]; NJW-RR 1988, 1177; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.08.2014 - 1 U 151/13 [juris, Rz. 64]), insbesondere auch Fahrverhalten und festgestellte Sorgfaltsverstöße des Unfallgegners (BGH NJW-RR 1993, 480: Mitverschulden im Verhältnis zur Betriebsgefahr bei der Bahn). Eine Gewichtung der Mitverursachung oder des Mitverschuldens kann nur aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, insbesondere der genauen Klärung des Unfallhergangs (BGH NJW 2014, 217, [8]: „Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese … unter Verstoß gegen § 25 § 25 III StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten“).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Eine derartig mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729 und v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass das Erstgericht die Pflicht zu umfassender Sachverhaltsaufklärung, insbesondere durch vollständige Parteianhörungen und geeignete sachverständige Begutachtung, verletzt hat. Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ein vollständiges Sachverständigengutachten zu erholen. Vielmehr wären zusätzlich beide Parteien anzuhören und auch die aus der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ersichtlichen Zeugen zu vernehmen, sobald sich eine Partei darauf bezieht (§§ 525 S. 1, 273 II Nr. 4 ZPO). Denn eine Beurteilung sowohl der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung, als auch der Glaubwürdigkeit der Zeugen und Parteien anhand früherer Aussagen wäre rechtsfehlerhaft, wenn der Senat auf einen eigenen persönlichen Eindruck verzichten wollte (s. etwa BGH r + s 1985, 200; NJW 1997, 466; NZV 1993, 266; VersR 2006, 949). Durch die gebotene Beweisaufnahme würde der Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der gesamten Beweisaufnahme (Senat VersR 2011, 549 ff.) gezwungen. Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den genauen Hergang des Unfalls auch zur Höhe des Schmerzensgelds erstmals entschieden werden müsste (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Auch die aus unzureichender Beweiserhebung und fehlerhafter Rechtsauffassung folgende, erheblich fehlerhafte Beweiswürdigung stellt einen Verfahrensverstoß dar, welcher zur Zurückverweisung gemäß § 538 II 1 Nr. 1 ZPO berechtigt (Senat, Urt. v. 14.07.2006 - 10 U 5624/05 [juris]; v. 01.12.2006 - 10 U 4328/06; v. 04.09.2009 - 10 U 3291/09; v. 06.11.2009 - 10 U 3254/09; v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 23]; v. 25.06.2010 - 10 U 1847/10 [juris, dort Rz. 13]; VersR 2011, 549 ff.; v. 22.07.2011 - 10 U 1481/11 [juris, dort Rz. 8]).

3. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gemäß § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel - nur ein solcher kann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen (§ 538 II 1 Nr. 1 ZPO) -, denknotwendig eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 21 I 1 GKG darstellt.

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Brandenburg OLGR 2004, 277; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08, st. Rspr., zuletzt Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 93] und v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 12]).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.). Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.

Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a. a. O. [2418/2420, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.