A.
Der Kläger hatte außergerichtlich gegen die Beklagte, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Schadensersatz aus der Beschädigung seines Fahrzeugs geltend gemacht, wobei er in der Hauptsache den Ausgleich von Sach- und Vermögensschäden in Höhe von 8.215,82 € verlangt hatte. Die Beklagte hatte - ebenfalls vorgerichtlich - diesen Betrag mit Ausnahme der um 5,- € überhöhten Unkostenpauschale durch Zahlung an den Widerkläger, den Bevollmächtigten des Klägers, ausgeglichen.
Nachdem die Beklagte von diesem Betrag 5.672,71 € zurückgefordert hatte, beantragte der Kläger die Feststellung, dass ein solcher Rückzahlungsanspruch nicht bestehe. Auf die entsprechende Widerklage der Beklagten, mit welcher weitere 494,49 € überhöhte Reparaturkosten, also in der Hauptsache 6.167,20 €, zurückgefordert wurden, erklärte der Kläger den Feststellungsantrag in der Hauptsache für erledigt.
I.
Zugrunde liegt ein streitiger Zusammenstoß am Donnerstag, den 18.11.2010, auf dem Geschäftsparkplatz des R.-Marktes in R., K. Str. ..., zwischen dem damals vom Kläger gehaltenen Pkw Porsche Cayenne S, amtliches Kennzeichen M …, und dem damals von einem Bulgaren namens Tihomir P. gefahrenen Pkw Ford Transit, amtliches bulgarisches Kennzeichen BP… Die Beklagte bestritt, dass überhaupt ein Unfall durch das bei ihr als Auslandsregulierer versicherte Fahrzeug stattgefunden und die behaupteten Schäden bewirkt habe. Weiterhin wird eine Verabredung des Unfalls vorgebracht, mit dem Ziel, sie selbst betrügerisch zu schädigen.
a) Nachdem die Beklagte ihre Widerklage gegen den Kläger und dessen Prozessbevollmächtigten als Gesamtschuldner gerichtet hatte (Schriftsatz v. 31.12.2013, S. 1, 3 = Bl. 26, 28 d. A.), hatte letzterer zunächst vorgetragen und eingeräumt, den bezeichneten Geldbetrag für den Kläger entgegengenommen und einbehalten zu haben; zu keinem Zeitpunkt bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auch des Berufungsverfahrens wurde behauptet, diesen Betrag an den Kläger ausgekehrt oder nicht mehr im Besitz zu haben (Schrifsatz v. 19.05.2014, Bl. 57/58 d. A.; Schriftsatz v. 30.06.2014, Bl. 69/71 d. A.; Schriftsatz v. 07.07.2014, B. 73 d. A.; Schriftsatz v. 29.07.2014, Bl. 74/75; EU 9 = Bl. 92 d. A.). Anschlussberufung v. 18.12.2014, Bl. 118/120 d. A.; Schriftsatz v. 26.02.2015, Bl. 136/137 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 3 = Bl. 261 d. A.)
b) Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 07.08.2014 (Bl. 84/93 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
c) Der Kläger hatte beantragt,
festzustellen, dass der Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 6.074,93 € nicht zustehe (EU 4 = Bl. 87 d. A.),
festzustellen, dass insoweit die Hauptsache erledigt sei (Bl. 55/56 d. A.), und die Widerklage abzuweisen (EU 4 = Bl. 87 d. A.),
Der Drittwiderbeklagte hatte beantragt,
die Drittwiderklage abzuweisen (Bl. 57/58 d. A.)
Die Beklagte hatte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Widerbeklagten und Drittwiderbeklagten samtverbindlich zu verurteilen, an das Deutsche Büro Gründe Karte e.V. 6.612,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2011 zu bezahlen (EU 4 = Bl. 87 d. A.).
II.
Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme die klägerischen Ansprüche im Wesentlichen zuerkannt, weil der vom Kläger behauptete Kraftfahrzeugunfall tatsächlich stattgefunden und im Wesentlichen die streitgegenständlichen Schäden verursacht habe. Dabei wurde ein Abzug von etwa 5 Prozent wegen zu hoch kalkulierter Reparaturkosten vorgenommen. Dagegen habe die Beklagte nicht beweisen können, dass der geltend gemachte Schaden vorsätzlich einverständlich herbeigeführt und somit in die Rechtsgutsverletzung eingewilligt worden sei. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 88/92 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.
III.
Gegen dieses ihr am 13.08.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit beim Oberlandesgericht München am 15.09.2014 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 102/103 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 12.11.2014, eingegangen am 13.11.2014, - nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 13.10.2014 (Bl. 108 d. A.) fristgerecht - begründet (Bl. 109/117 d. A.).
Die Beklagte beantragt (BB 1 = Bl. 109 d. A.), unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, und die Widerbeklagten und Drittwiderbeklagten samtverbindlich zu verurteilen, an die Beklagten zu Händen des Deutschen Büro Grüne Karte e. V. 6.612,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz heraus seit 20.12.2011 zu bezahlen, sowie die Anschlussberufungen zurückzuweisen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.)
Der Kläger und der Drittwiderbeklagte erhoben jeweils, mit Schriftsatz v. 18.12.2014 (Bl. 118/120 d. A.) und mit Schriftsatz v. 02.02.2015, Anschlussberufung (Bl. 130/132 d. A.) und beantragen jeweils,
die Berufung der Beklagten und Widerklägerin zurückzuweisen, und das Ersturteil insoweit aufzuheben und die Widerklage und Drittwiderklage abzuweisen, als der Widerbeklagter und Drittwiderbeklagter zur Zahlung von 338,43 € an die Beklagte und Widerklägerin verurteilt wurden (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.).
Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
IV.
Der Senat hat eine mündliche Verhandlung ohne Beweiserhebungen durchgeführt, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.02.2016 (Bl. 198/201 d. A.) und vom 02.06.2017 (Bl. 2597261 d. A.) verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senats vom 25.06.2015 (Bl. 144/154 d. A.) Bezug genommen. Die Beklagte hat hilfsweise beantragt, das Verfahren an das Landgericht München I zurückzuverweisen (Bl. 155 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.).
B.
Die statthafte Berufung (§§ 511 I, II Nr. 1 ZPO) der Beklagten erweist sich als uneingeschränkt zulässig und erzielt in der Sache einen umfassenden, allerdings lediglich vorläufigen Erfolg. Die Anschlussberufungen des Klägers, gleichzeitig der Widerbeklagte, und des Drittwiderbeklagten sind zwar zulässig (§ 524 II 2 ZPO), bleiben jedoch in der Sache - natürlich ebenfalls vorerst - erfolglos.
Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen für begründet gehalten (EU 5/8 = Bl. 88/91 d. A.), weil die Beweisaufnahme ergeben habe, dass der streitgegenständliche Unfallschaden von dem Fahrer des bulgarischen Ford Transit, für welchen die Beklagte als Auslandsversicherer haften müsse, verursacht und verschuldet worden sei. Dagegen hätten die Beklagten einen verabredeten, vorsätzlich herbeigeführten Zusammenstoß angesichts der glaubhaften Angaben der glaubwürdigen beteiligten Personen (des Klägers und seines Sohnes als Zeugen) und des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nicht beweisen können. Die auf zu Unrecht geleistete Zahlungen gerichtete Widerklage sah das Erstgericht zu einem (geringen) Teil als begründet an, weil geringfügig überhöhte Reparaturkosten geltend gemacht und aufgedeckt wurden (EU 4, 9 = Bl. 87, 92 d. A.).
Diese Ergebnisse entbehren angesichts unvollständiger tatsächlicher Feststellungen und Beweiserhebung, sowie unrichtiger Beweiswürdigung einer überzeugenden Grundlage.
I. Die Beklagte hat ihre Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
a) Der Senat hatte dies bisher unter dem Gesichtspunkt einer dem Schriftformerfordernis widersprechenden Unterschrift unter fremdem Namen bezweifelt (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.12.2016, Bl. 198/201 d. A.), während Kläger und Drittwiderbeklagter weiterhin verfechten, dass die Berufung unzulässig sei (Schriftsätze jeweils v. 20.01.2017, Bl. 230/234 d. A. und 235/237 d. A., sowie v. 10.03.2017, Bl. 246/249 d. A.). Diese Rechtsfrage ist einerseits zwischenzeitlich im Sinne der Beklagten höchstrichterlich geklärt (BGH Beschluss vom 14.03.2017 - XI ZB 16/16 [juris]), andererseits wegen der Entscheidung des Senats (§§ 233 I 1, 237, 238 III ZPO), dass wegen einer unverschuldeten Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werde (Bl. 252/256 d. A.), nicht mehr entscheidungserheblich: Die Berufung der Beklagten könnte nicht mehr als verfristet verworfen werden, was im Übrigen auch für eine weitere Rechtsmittelinstanz gelten würde (Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 238 Rn. 13).
b) Der Kläger scheint der Auffassung zu sein, die Berufung der Beklagten sei mangels einer ausreichenden Begründung (§§ 513 I, 520 I, III 2 Nr. 2, 3 ZPO) unzulässig (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2 = Bl. 260 d. A.; Schriftsatz v. 02.02.2015, S. 2 = Bl. 131 d. A., Schriftsätze jeweils v. 13.08.2015, S. 5/6 = Bl. 162/163 d. A. und S. 5/9 = Bl. 169/173 d. A.), weil die Beklagte sich nur auf einzelne Aktenteile des gegen den ursprünglichen Gutachter geführten Strafverfahrens bezogen und konkrete weitere Angriffe gegen die Beweiserhebung und -würdigung des Erstgerichts, wie etwa im Hinweis des Senatsvorsitzenden (Bl. 144/153 d. A.) erwähnt, nicht erhoben habe.
aa) Der Kläger übersieht dabei, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung insoweit stets keine erheblichen Anforderungen an die Berufungsbegründung gestellt (BGH NJW-RR 2017, 365; NZV 2015, 377) und eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt, für ausreichend gehalten hat. Insbesondere bestehen besondere formale Anforderungen nicht; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar (BGH NJW 2013, 174), oder auch nur hinreichend substantiiert sind (BGH NJW-RR 2016, 1269). Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus Sicht des Berufungsklägers in Frage stellen (BGH NJW-RR 2016, 1125), die Begründung muss also (lediglich) - ihre Richtigkeit unterstellt - geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen (BGH NJW-RR 2016, 1267; NZV 2015, 289: „Die Kl. hat in der Berufungsbegründung klar zu erkennen gegeben, dass sie die - für die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge erhebliche - Würdigung des LG angreifen möchte, sie habe einen Verstoß des Bekl. gegen die Anzeigepflicht beim Abbiegen nicht bewiesen. Mit dem Vorbringen, das LG habe die Zeugenaussage ihres Ehemanns als „leicht verarmt“ und damit nicht überzeugend gewürdigt …“; NJW-RR 2014, 760: “… hat geltend gemacht, das LG sei unkritisch den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen gefolgt, ohne sich mit den Einwendungen aus den vorgelegten Privatgutachten … auseinanderzusetzen … Darin liegt die Rüge des Verfahrensfehlers einer unvollständigen Beweiswürdigung (Verstoß gegen § 286 ZPO). … Mit dieser Rüge hat die Kl. hinreichend konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten können“).
bb) Diesen Ansprüchen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten offensichtlich, wenngleich der Senat dem Kläger und Drittwiderbeklagten insoweit zustimmt, dass diese durchaus sorgfältiger, genauer und durchdachter hätte ausfallen können. Die Beklagte beanstandet die erstinstanzliche Beweiserhebung und -würdigung mit dem Hinweis auf einen nicht vernommenen Zeugen, auf fehlende Begründungen zur Glaubhaftigkeit von Aussagen und auf unzureichendes Eingehen auf Widersprüche oder Ungereimtheiten in den Unfallschilderungen (BB 3/8 = Bl. 111/116 d. A.). Ebenso wurde ein „Zusammenhang mit umfassenden Betrügereien“ behauptet, der eine kritische Würdigung der Aussagen und aussagenden Personen erfordert habe (BB 5 = Bl. 113 d. A.). Diese Umstände wurden als Grundlage für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen angeführt.
Im Übrigen ist der Senat angesichts dieser einzelnen Rügen nicht an das Berufungsvorbringen gebunden (BGH NJW 2005, 1583; WM 2015, 1562), vielmehr sind die gesamten erstinstanzlichen Feststellungen von Amts wegen (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797 ohne nähere Begründung) zu überprüfen. Deswegen ist unerheblich, ob die Beklagte sich die Hinweise des Senatsvorsitzenden „zu Eigen“ gemacht hat, und die Anwendung der Verspätungsvorschriften schon denkgesetzlich ausgeschlossen.
II.
Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats „fehlerfreie und überzeugende“ und damit „richtige“ (BGH NJW 2016, 793) Tatsachenfeststellungen (s. Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [BeckRS 2015, 13736]) nicht getroffen, deswegen ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO nicht gebunden. Aufgrund konkreter Anhaltspunkte erweisen sich die Feststellungen als lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend (BGH NJW 2005, 1583, 1585; r + s 2003, 522), wobei der Senat bei seiner Rechtsauffassung verbleibt, dass einerseits die Beklagte die Entscheidung maßgeblich beeinflussende Anhaltspunkte aufgezeigt hat, die erneute, erweiterte oder ergänzende Feststellungen gebieten könnten, andererseits Mängel aufgrund der - angesichts wenigstens allgemeiner Angriffe gegen die erstinstanzlichen Feststellungen im Berufungsvorbringen - auch von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung (so BGH [V. ZS] NJW 2004, 1876; [VI. ZS] NJW 2014, 2797) festzustellen sind.
a) Der Tatbestand des Ersturteils ist einerseits unklar, andererseits unvollständig. Ein „Verkehrsunfall“ war zwischen den Parteien niemals unstreitig, weil die Beklagte von Anfang an bestritten hat, dass überhaupt ein Unfall stattgefunden habe. Dass die Beklagte - denkgesetzlich zwingend hilfsweise - behaupten will, es habe ein verabredeter Unfall, also mit vorheriger Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung, stattgefunden, ergibt sich jedoch erst aus den Entscheidungsgründen. Ergänzend wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 1/2 = Bl. 144/145 d. A.) Bezug genommen. Insoweit wird das Erstgericht erst noch zu klären haben, was insbesondere die Beklagte nun behaupten will; nach Auffassung des Senats erweist es sich regelmäßig als sinnlos, gleichzeitig sowohl die Tatsache eines Fahrzeugzusammenstoßes als solches zu bestreiten, als auch die Unfreiwilligkeit dieses Geschehens (Senat, Urt. v. 19.05.2017 - 10 U 1209/15 [BeckRS 2017, 112370], Rn 42).
b) Die Beweiserhebung des Erstgerichts ist ebenfalls zu beanstanden, weil eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des behaupteten Unfallgeschehens (BGH NJW-RR 2011, 428; NZV 2000, 504; Senat, Urt. v. 14.03.2014 - 10 U 2996/13 []: Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel) unterlassen und somit gegen die Verpflichtung verstoßen wurde, den zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtlichen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen.
aa) Auf die Zeugeneinvernahme des Unfallfahrers (Tihomir Petrov) durfte nicht verzichtet werden, weil insoweit ein notwendiger Hinweis nach § 139 I, II, IV ZPO (BGH NJW-RR 1990, 130; BAG NZA-RR 2012, 290; BAG NJW 1964, 1435; BAG NJOZ 2010, 1828) nicht erteilt und deswegen eine Überraschungsentscheidung (BGH NZBau 2011, 161;; NJW-RR 1993, 569; NJW 1987, 781) getroffen wurde. Zwar ist zutreffend, dass die Beklagte insoweit einen tauglicher Beweisantritt (§ 373 ZPO) unterlassen und sich auf das Zeugnis des Unfallfahrers nicht berufen (§ 273 II Nr. 4 ZPO) hat, ergänzend wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 2/3 = Bl. 145/146 d. A.) verwiesen. Jedoch hatte der Kläger einen Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen P. gestellt (Schriftsatz v. 30.06.2014, S. 2 = Bl. 70 d. A.), eindeutig nachdem das Erstgericht in mündlicher Verhandlung den Zeugen S. vernommen und den unfallanalytischen Sachverständigen angehört, sowie im Rahmen der Beweisverhandlung mitgeteilt hatte, „dass noch zu würdigen sein (werde), wie es tatsächlich zu dem Anstoß zwischen den beiden Fahrzeugen gekommen ist und inwiefern hierdurch die … geltend gemachten Schäden entstanden sein können“ (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 27.05.2014, S. 4 = Bl. 63 d. A.).
Bei dieser Sachlage ist bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar, warum von der Vernehmung eines unmittelbaren Zeugen des Vorfalls abgesehen wurde, zumal die Entscheidungsgründe hierfür keinerlei Begründung enthalten (EU 8 = Bl. 91 d. A.).
bb) Zutreffend und unabweisbar war die Entscheidung des Landgerichts, die Ermittlungs- und Strafverfahrensakten (321 Js 221963/11 d. Staatsanwaltschaft München I) beizuziehen (Vfg. v. 24.10.2013, Bl. 16 d. A.; v. 18.03.2014, Bl. 53 d. A.). Diese hätten jedoch umfassend verwertet, mit den Parteien erörtert und insoweit auf sachgerechten Vortrag und Antragstellung hingewirkt werden müssen (§ 139 I ZPO). Dies hat das Landgericht unterlassen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 21.01.2014, S. 6/7 = Bl. 37/38 d. A., EU 4/5 = Bl. 87/88 d. A.), weshalb auch die Urteilsgründe kursorisch geblieben sind, den gesamten Ablauf der behaupteten Schadensentstehung und Regulierung nicht nachvollziehbar machen und eine Tatsachen- und Beweiswürdigung in einer Gesamtschau vermissen lassen.
(1) Die Strafakten bieten eine Vielzahl von Anhaltspunkten und Hinweisen zur Aufklärung des Unfallgeschehens und zur Überprüfung der von der Beklagten erhobenen Betrugsvorwürfe, die das Landgericht für erheblich halten hätte müssen. Die Beklagte hat, wenigstens in der Berufungsbegründung (BB 5 = Bl. 113 d. A.), nicht nur darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Unfall im Einverständnis zur betrügerischen Geltendmachung von Versicherungsleistungen „gestellt“ worden sei, sondern auch eine Zusammenhang (dieses Fahrzeugschadens) mit „umfangreichen Betrügereien“ behauptet. Hinsichtlich der Einzelheiten der aus den Strafakten möglichen Feststellungen und Aufklärungsansätze wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 3/4 = Bl. 146/147 d. A.) Bezug genommen.
(2) Der Kläger und der Drittwiderbeklagte wollen die vorstehenden Tatsachen offenbar nicht bezweifeln, sind jedoch der Rechtsauffassung, das Gericht dürfe derartige Umstände, auf die sich die Beklagte nicht bezogen habe, nicht verwerten und nicht feststellen; es widerspreche dem Beibringungsgrundsatz, wenn fehlendes Beklagtenvorbringen ergänzt werde (Schriftsätze jeweils v. 13.08.2015, S. 5/6 = Bl. 162/163 d. A. und S. 7, 9/10 = Bl. 171, 173/174 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 2/3 = Bl. 260/261 d. A.).
Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen, weil der VI. Zivilsenat des BGH - jedenfalls für Verkehrsunfallprozesse - den Beibringungsgrundsatz weitreichend zugunsten amtswegiger Feststellungen eingeschränkt hat, mit dem Ziel, den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären und unrichtige Entscheidungen aufgrund lückenhaften Sachvortrags zu vermeiden (etwa BGH r+s 2007, 210: „… leidet es jedenfalls an einem Verfahrensfehler, weil … den sich aus den Strafakten ergebenden Sachverhalt nicht ausgeschöpft hat“, „Soweit die Revisionserwiderung meint, dieser Bericht könne nicht verwertet werden, verkennt sie, dass … die Strafakten auch im Übrigen verwertet hat und deshalb auch diesen Umstand hätte berücksichtigen müssen, zumal sich der Kläger zum Unfallhergang hierauf bezogen hat“; BGH NJW 2000, 132). Hinsichtlich weiterer Entscheidungen zur Ausschöpfung möglicher Beweismittel wird auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2015, S. 2 = Bl. 145 d. A.) Bezug genommen, wobei in allen derartigen Fällen die Darlegungslast verringert ist. Im Übrigen hat sich die Beklagte auf den gesamten vom Senat erörterten Inhalt der Strafakten berufen (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 02.06.2017, S. 3 = Bl. 261 d. A.), wobei Kläger und Drittwiderbeklagte hinsichtlich ihrer Verspätungsrüge jegliche Darlegung und Begründung schuldig bleiben, wie eine Verzögerung des Rechtsstreits entstehen und durch seit zwei Jahren bekannte Hinweise verursacht werden könnte.
c) Auch die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Sie ist zwar denkgesetzlich möglich (BAG NJW 2015, 651; BGH NJW 2012, 3439; NJW-RR 2011, 270; WM 1967, 367 ff.), jedoch weder widerspruchsfrei (BGH Betrieb 1968, 2270), noch nachvollziehbar begründet (BGH NJOZ 2009, 1690).
aa) Es fehlt eine vollständige und überzeugende Bewertung der entscheidungserheblichen Hilfstatsachen (EU 7/8 = Bl. 90/91 d. A.), die auch in einer Gesamtschau zu würdigen und darzustellen gewesen wären (Senat, Urt. v. 08.03.2013 - 10 U 3241/12 [juris]; Urt. v. 07.03.2008 - 10 U 5394/07 [juris]; OLG Hamm NZV 1993, 68; KG NZV 2006, 429). Vor allem geht das Landgericht von einem (gescheiterten) Betrugsversuch hinsichtlich der Schadenshöhe aus (EU 7 = Bl. 90), ohne zu erörtern, inwieweit dies die Zuverlässigkeit der sonstigen Angaben und die Wahrheitsliebe der Aussagenden beeinflusst haben könnte. Auch die Glaubhaftigkeit jeder Aussage und die Glaubwürdigkeit jeder Aussageperson wäre im Einzelnen zu prüfen, zu bewerten und sachgerecht zu begründen gewesen, das Ersturteil enthält hierzu jedoch nur einzelne Gesichtspunkte und eine allgemeine Versicherung, dass diese Einzelheiten nicht ausreichten, die Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen (EU 8 = Bl. 91 d. A.). Wiederum wird ein misslungener Abrechnungsbetrug angedeutet, ohne zwei wesentliche Gesichtspunkte zu erörtern: Zum einen, wie eine derartige Unehrlichkeit die übrigen Angaben beeinflusst haben könnte, zum anderen wie die gesamte Schadensabwicklung und Ersatzbeschaffung aus einer Hand, von Dritten organisiert, als noch zufällig erscheinen könnte.
bb) Im Übrigen wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die Hinweise des Senatsvorsitzenden (v. 25.06.2017, S. 5/9 = Bl. 148/152 d. A.) verwiesen.
III.
Dagegen ist der sachlich-rechtliche Ansatz des Erstgerichts nicht zu beanstanden (§§ 513 I 1. Alt., 546 ZPO), sodass insbesondere die entscheidenden Fragen der Beweislastverteilung und der Anspruchsgrundlage für die Rückforderung der an den Drittwiderbeklagten geleisteten Zahlung zutreffend und frei von Rechtsfehlern beantwortet wurden.
a) Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen des Nachweises eines verabredeten oder einverständlichen Unfalls (EU 5 = Bl. 88 d. A.) wird auf die ständige Rechtsprechung des Senats verwiesen (zuletzt Urt. v. 19.05.2017 - 10 U 1209/15 [BeckRS 2017, Rz. 17/19).
b) Der Drittwiderbeklagte ist der Meinung, hinsichtlich der Widerklage sei der Rechtsstreit zur Entscheidung reif (Protokoll d. mdl. Verhandlung, S. 3 = Bl. 261 d. A.), weil eine Anspruchsgrundlage für die Forderung der Beklagten nicht bestehe und der Vorrang der Leistungskondiktion eine Inanspruchnahme des Drittwiderbeklagten ausschließe (Schriftsatz v. 18.12.2014, S. 2/3 = Bl. 119/120 d. A.; v. 13.08.2015, S. 8/9 = Bl. 172/173 d. A.).
Dies ist indes unrichtig und die Entscheidung des Erstgerichts insoweit - dem Grunde nach - nicht fehlerhaft (EU 9 = Bl. 92 d. A.). Der Vorrang der Leistungskondiktion gilt nicht ausnahmslos, sondern - als neben dem Gesetzeswortlaut (§ 812 I 1 BGB) entwickelte Grundregel - allenfalls in Fällen, in welchen ein Bereicherungsschuldner mehrfach in Anspruch genommen werden könnte, etwa wenn er gleichzeitig einer Leistungskondiktion und - hinsichtlich desselben Gegenstandes - einer Eingriffskondiktion eines anderen Bereicherungsgläubigers ausgesetzt wäre. Dies ist im Streitfall nicht gegeben, denn der Drittwiderbeklagte hat unstreitig den Zahlbetrag nicht an den Kläger ausgekehrt und seinen entsprechenden Vortrag nie geändert. Folglich mag die Beklagte an den Kläger geleistet haben, eine bereicherungsrechtliche Rückforderung würde jedoch schon daran scheitern, dass der Kläger keinen Vermögensvorteil erhalten hat. Der Drittwiderbeklagte hat jedenfalls den Besitz an der Forderung in sonstiger Weise erhalten, weil die Zahlung an ihn als Empfangsbevollmächtigten überwiesen worden war. Insoweit ist er - nach eigenem Vortrag weiterhin - nicht entreichert, als einziger Rechtsgrund für die Zahlung kommt eine berechtigte Schadensersatzforderung des Klägers gegen die Beklagte in Betracht. Diese ist gerade streitig, sollte sich im neuen Verfahren erster Instanz herausstellen, dass der Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte habe, besäße der Drittwiderbeklagte die Schadensersatzsumme rechtsgrundlos.
Hieraus folgt zwingend, dass keineswegs nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, sondern zutreffende und vollständige Tatsachenfeststellungen für deren Entscheidung vorauszusetzen sind. Weiterhin ergibt sich, dass die rechtlichen Erwägungen zu vertraglichen oder deliktischen Haftungsgründen des Drittwiderbeklagten aus Rechtsgründen unerheblich sind.
IV.
Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber aus folgenden Gründen dagegen entschieden:
a) Eine mangelhafte Beweiserhebung und eine darauf beruhende und im Übrigen nicht sachgerechte Beweiswürdigung stellen einen Zurückverweisungsgrund nach § 538 II 1 Nr. 1 ZPO dar (Senat, Urt. v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris]). Als schwerwiegender Verfahrensfehler erweist sich, dass grundlos eine umfassende und sachgerechte Aufklärung des Unfallgeschehens (s. Senat, Urt. v. 11.03.2016 - 10 U 4087/15 [juris]; v. 26.02.2015 - 10 U 153/15 [juris]; v. 31.07.2015 - 10 U 4733/14 [juris]) unterblieben ist.
b) Die erforderliche Beweisaufnahme wäre umfangreich und aufwändig (§ 538 II 1 Nr. 1, 2. Satzhälfte ZPO), weil der Senat sich nicht darauf beschränken dürfte, ergänzend einzelne Beweiserhebungen durchzuführen. Vielmehr müsste die gesamte Beweisaufnahme und das gesamte Verfahren statt der ersten Instanz wiederholt werden (§ 538 II 1 Nr. 4, 2. Alt. ZPO, Senat NJW 1972, 2048 [2049]), was mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbar wäre (Senat VersR 2011, 549 ff.).
c) Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil einer Verzögerung und Verteuerung des Prozesses muss hingenommen werden, wenn ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge erhalten bleiben sollen (Senat NJW 1972, 2048 [2049); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.
V.
Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufung (wie auch der Anschlussberufungen) erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat VersR 2011, 549 ff.; NJW 2011, 3729).
VI.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat VersR 2011, 549; NJW 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis. Letzteres gilt umso mehr, als das vorliegende Urteil nicht einmal hinsichtlich der Kosten einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist.
VII.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben.
Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG a.a.O. Tz. 33) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG a.a.O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung weicht nicht von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung ab und betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft. Soweit der Kläger schriftsätzlich die Zulassung der Revision beantragt hat (Schriftsatz v. 10.03.2017, S. 4 = Bl. 249 d. A.) fehlt jegliche Darlegung und Erörterung der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 543 II 1 ZPO). Zwar wird eine grundsätzliche Bedeutung postuliert und behauptet, die Revisionszulassung diene der Fortbildung des Rechts; jedoch wird eine Aufbereitung (BGH NJW-RR 2014, 505), aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die aufgeworfenen Fragen umstritten seien oder zu Rechtsunsicherheit führen könnten, nicht einmal versucht. Überdies wurde die vorerwähnte, zur Wiedereinsetzung ergangene Entscheidung des BGH offenbar übersehen.