Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Juli 2015 - 10 U 3313/13

bei uns veröffentlicht am24.07.2015
vorgehend
Landgericht München I, 17 O 23601/08, 12.07.2013

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 10 U 3313/13

Im Namen des Volkes

Verkündet am 24.07.2015

17 O 23601/08 LG München I

Die Urkundsbeamtin …

In dem Rechtsstreit

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

gegen

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

wegen Schadensersatzes

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2015 folgendes

Endurteil

I.

Auf die Berufung der Klägerin vom 19.08.2013 wird das Endurteil des LG München I vom 12.07.2013 (Az. 17 O 23601/08) in Nr. 1 abgeändert, in Nr. 2 berichtigt und insoweit wie folgt neu gefasst:

1. a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von noch 52.000,- € zu bezahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.763,20 € zu bezahlen, als Zinsen aus dem vorstehenden Betrag für den Zeitraum von 03.02.2009 bis 31.07.2015.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jegliche materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen, die ihr in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 22.03.2004 gegen 14.10 Uhr auf der L.er Str. in G. entstehen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

II.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.

III.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zwei Drittel, die Beklagte ein Drittel.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die (Kosten-)Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend.

Am 22.03.2004 gegen 14.10 Uhr ereignete sich auf der L.er Straße in G. ein Frontalzusammenstoß zwischen dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Ford Fiesta, amtliches Kennzeichen FFB …, und dem von der Klägerin gesteuerten Pkw Seat Ibiza, amtliches Kennzeichen WUN …. Die Klägerin wurde schwer verletzt, die Haftung der Beklagten für die Unfallschäden ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin verlangt (noch), gestützt auf weiterhin und sogar verschärft bestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen, Ausgleich für weitere Unfallfolgen:

- Zum ersten ein weiteres, verzinstes angemessenes Schmerzensgeld, beziffert mit mindestens 40.000,- €,

- Zum zweiten eine - für die Vergangenheit verzinste - Schadensersatzrente für vermehrte Bedürfnisse von monatlich 300,- € seit 01.01.2009,

- Zum dritten die Feststellung, dass die Beklagte nicht nur jedweden künftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen habe, sondern insbesondere Verdienstausfall- und Altersrentenschaden auf der Grundlage des Nettoverdienstes eines Verkaufsleiters eines Möbelhauses zu berechnen seien.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 12.07.2013 (Bl. 193/202 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beweisaufnahme

- ein Schmerzensgeld von 110.000,- € für angemessen erachtet. Da die Beklagte vorprozessual 60.000,- € auf das Schmerzensgeld geleistet hatte, wurde sie zu einer weiteren Zahlung von 50.000,- € verurteilt,

- den Anspruch auf eine Rente wegen vermehrter Bedürfnisse abgewiesen, weil für deren Unfallbedingtheit kein Beweisangebot vorgelegt worden sei,

- den Anspruch auf Feststellung künftiger Schadensersatzpflicht im Grundsatz zuerkannt, jedoch die zusätzlich begehrte Feststellung erheblicher Einkommenssteigerungen aufgrund eines Karrieresprungs als nicht nachgewiesen abgelehnt.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 198/202 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 17.07.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem beim Oberlandesgericht München am 19.08.2013 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 205/206 d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 15.10.2013 eingegangenen Schriftsatz vom 26.09.2013 (Bl. 211/230 d. A.) begründet

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung oder Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

- an die Klägerin ein über 60.000,- € hinausgehendes, angemessenes weiteres Schmerzensgeld von mindestens 90.000,- € zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2009,

- festzustellen, dass zur Berechnung künftigen Verdienstausfall- und Rentenschadens der Nettoverdienst eines Verkaufsleiters eines Möbelhauses zugrunde zu legen sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (BB 1/2 = Bl. 211/212 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien einen Teilvergleich über die laufende Rente und rückständige Zahlungen für vermehrte Bedürfnisse geschlossen, der den Rechtsstreit insoweit erledigt hat. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2015 (Bl. 374 d. A.). Damit wurde der in der mündlichen Verhandlung zunächst gestellte Berufungsantrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine monatliche Rente für vermehrte Bedürfnisse von 300,- zu bezahlen, beginnend ab 01.10.2013, sowie einen verzinsten Betrag von 17.100,- € aus dem gleichen Rechtsgrund für den Zeitraum von 01.01.2009 bis 30.09.2013, nicht mehr aufrecht erhalten.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze der Klägerin vom 11.11.2013 (Bl. 232/234 d. A.), vom 10.11.2014 (Bl. 236/237 d. A.), vom 10.03.2015 (Bl. 240/241 d. A.) und vom 15.06.2015 (Bl. 266/268 d. A.), sowie die Berufungserwiderung vom 08.07.2015 (Bl. 269/271 d. A.) Bezug genommen. Weiterhin wird auf die Terminshinweise des Senatsvorsitzenden vom 24.03.2015 (Bl. 252/265 d. A.) und die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2015 (Bl. 272/275 d. A.) verwiesen.

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache nur geringen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat zu Recht einerseits einen Anspruch der Klägerin auf angemessenes Schmerzensgeld dem Grunde nach bejaht und dieses im Wesentlichen sachgerecht und zutreffend bemessen, andererseits einen Anspruch auf Feststellung, dass die Klägerin ohne den Unfall die Stelle eines Verkaufsleiters eines Möbelhauses erreicht hätte, abgelehnt. Soweit das Erstgericht zu Unrecht einen Anspruch auf eine Rente wegen vermehrter Bedürfnisse vollständig abgewiesen hatte, wurde der Rechtsstreit durch Teilvergleich erledigt. Im Übrigen war - aufgrund neuer tatsächlicher Umstände - lediglich eine geringfügige Ergänzung und Berichtigung der Schmerzensgeldbemessung durch den Senat geboten.

1. Schmerzensgeld:

a) Der Senat hält die Ausführungen des Landgerichts zu den Grundlagen, Bemessungsgesichtspunkten und Aufgaben des Schmerzensgeldes (EU 7/8 = Bl. 199/200 d. A.) für uneingeschränkt zutreffend. Im Übrigen ist zu bemerken:

aa) Tatbestandliche Darstellung, Beweiserhebung und -würdigung des Ersturteils sind - unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren vorgenommenen geringfügigen Ergänzung - nicht zu beanstanden. Deswegen ist der Senat nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden, weil konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit nicht vorgetragen oder ersichtlich wurden. Insbesondere vermag die Klägerin ein sogenanntes Heranziehungsdefizit (Senat, Terminhinweise v. 16.02.2015 - 10 U 1319/14: es sind nicht alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und Gesichtspunkte in die Ermessensausübung einbezogen worden) nicht aufzuzeigen, denn sie setzt durchgängig eine eigene Beurteilung und insbesondere Gewichtung des erwünschten Ergebnisses der Beweisaufnahme an die Stelle der Beweiswürdigung des Gerichts.

bb) Der Senat hat in mündlicher Verhandlung ergänzend festgestellt, dass die Beklagte den vom Erstgericht am 12.07.2013 ausgeurteilten Betrag von 50.000,- € (EU 1 = Bl. 193 d. A.) bis heute nicht an die Klägerin bezahlt hat. Zur Begründung konnte lediglich ein Versehen angeführt werden (Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 10.07.2015, S. 2 = Bl. 273 d. A.). Die Parteien wurden darauf hingewiesen, dass eine grundlose Nichtzahlung des von der Beklagten nicht angefochtenen Schmerzensgeldes unter dem Gesichtspunkt zögerlichen und kleinlichen Regulierungsverhaltens entscheidungserheblich sein kann (Terminshinweise v. 24.03.2015, S. 10 = Bl. 261 d. A.). Dem entsprechenden Vorbringen der Klägerin (Schriftsatz v. 15.06.2015, S. 1 = Bl. 266 d. A.) hat die Beklagte nicht widersprochen (BE 1 = Bl. 269 d. A.).

cc) Im Übrigen gehen die Berufungsangriffe der Klägerin fehl. Soweit sie beanstandet, wesentliche Umstände für die Schmerzensgeldbemessung seien nicht ermittelt oder nicht sachgerecht gewürdigt worden, hat sich dies als unzutreffend erwiesen.

- Eine Beweiserhebung und -würdigung hinsichtlich einer verschärften seelischen Erkrankung (BB 5/6 = Bl. 215/216 d. A.) und insbesondere doch vorliegender posttraumatischen Belastungsstörung war nicht erforderlich. Zum ersten legt die Klägerin selbst dar, das Landgericht habe ihre aufgrund des Unfallgeschehens erlittenen Verletzungen richtig festgestellt (BB 2/6 = Bl. 213/216 d. A.), zum zweiten haben die Sachverständigen eine solche posttraumatische Belastungsstörung gerade nicht festgestellt. Soweit die Klägerin das bestreitet (BB 5, 6 = Bl. 215/216 d. A.), und weiterhin behauptet, jedenfalls jetzt liege eine solche Erkrankung vor und erfordere therapeutische Behandlung (BB 8, 18 = Bl. 218, 228 d. A.; EU 4 = Bl. 196 d. A.), zeigen ihre Bedenken und Einwände durchgreifende Mängel nicht auf, sondern versucht lediglich, ihrer Meinung Geltung zu verschaffen. Dies kann jedoch im Berufungsverfahren nicht erfolgreich sein, denn nahezu immer können Aussagen und Tatsachen auch anders verstanden und Beweismittel abweichend gewürdigt werden. Entscheidend ist jedoch die Bewertung des hierzu vorrangig berufenen Tatrichters, zumal die Einschätzung der Klägerin wegen ihrer offensichtlichen Eigeninteressen an einem gegenteiligen Ausgang des Rechtsstreits kein geeignetes Maß an Unvoreingenommenheit und Objektivität bieten kann. Zudem hat das Erstgericht die seelischen Belastungen und Beeinträchtigungen der Klägerin zur Kenntnis genommen und sachgerecht bewertet (EU 8 = Bl. 200 d. A.). Daran ändert nichts, dass die Klägerin auf ihrer Einschätzung beharrt (Schriftsatz v. 15.06.2015, S. 2 = Bl. 267 d. A.).

- Hinsichtlich des in der Berufung geschilderten Friedhofsbesuchs vom 09.08.2013 (BB 6/7 = Bl. 216/217 d. A.), waren weder eine Beweiserhebung, noch eine gesonderte Beweiswürdigung erforderlich. Die Klägerin zieht den genannten Vorfall lediglich zur Begründung heran, dass sie stark gehbehindert und auf Gehilfen angewiesen sei, deswegen unter deutlichen Behinderungen auch im Arm-, Ellenbogen und Schulterbereich leide, erhebliche seelische Belastungen erlitten habe und sich auf die Notwendigkeit eines Rollstuhls einstellen müsse. All dies war jedoch bereits in erster Instanz vorgetragen (Schriftsatz v. 07.03.2012, S. 3 = Bl. 162 d. A.; v. 05.11.2012, S. 2/3 = Bl. 180/181 d. A.) worden und somit Prozessstoff erster Instanz. Insbesondere weist der unstreitige Tatbestand des Ersturteils aus, dass die Klägerin aufgrund des Unfalls dauerhaft an einer mittelgradigen Gehbehinderung leide und einen Gehstock nutzen müsse, sowie insgesamt eine Erwerbsminderung von 70 Prozent vorliege (EU 3/4 = Bl. 195/196 d. A.).Deswegen ist nichts dafür ersichtlich, und auch - bis auf die persönliche Einschätzung der Klägerin - nicht vorgetragen, dass das Erstgericht diese - unveränderten - Umstände nicht erkannt und nicht angemessen bewertet hätte. Die Entscheidungsgründe stellen eine dauerhaft starke körperliche Einschränkung und eingeschränkte Beweglichkeit der Klägerin ausdrücklich fest (EU 8 = Bl. 200 d. A.),

- Das von der Klägerin behauptete „kleinliche und zögerliche“ Regulierungsverhalten der Beklagten war - bis auf die vorstehende Ergänzung unter bb) - nicht beweisbedürftig, weil nach den Präklusionsvorschriften (§§ 531 II 1 Nr. 3, 529 I Nr. 2, 520 III 2 Nr. 4 ZPO) nicht mehr zu berücksichtigen.

Die dem Vorwurf zugrunde liegenden Tatsachen hat die Klägerin während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nicht vortragen, sondern erstmals mit der Berufungsbegründung geltend gemacht, die Beklagte habe einerseits mit Schreiben vom 22.01.2013 die bisher geleistete Fahrtkostenerstattung abgelehnt, dies und der daraus folgende Rechtsstreit belaste die Gesundheit der Klägerin (BB 7/9 = Bl. 217/219 d. A.; Schriftsatz v. 10.11.2014, Bl. 236/237 d. A.; Schriftsatz v. 15.06.2015, S. 1/2 = Bl. 266/267 d. A.). Ebenso sei auch neun Jahre nach dem Verkehrsunfall noch nicht einmal die Hälfte des Schmerzensgelds bezahlt worden (BB 7 = Bl. 217). Jedoch waren der Klägerin diese entscheidungserheblichen Umstände, insbesondere das beanstandete Schreiben der Beklagten (vom 22.01.2013, Anlage K48) und die Notwendigkeit damit im Zusammenhang stehender Rechtsstreitigkeiten (Schriftsatz v. 10.11.2014, Bl. 236/237) vor dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung (01.03.2013 = Bl. 189/190 d. A.) und lange vor dem festgesetzten Entscheidungsverkündungstermin (12.07.2013, Bl. 190/191 d. A.) bekannt. Bei dieser Sachlage ist mangels jeglichen Vorbringens und mangels jeglicher Anhaltspunkte unabweisbar, dass die unterlassene Geltendmachung auf grober Nachlässigkeit beruht und wegen Verspätung nicht mehr zugelassen werden kann. Zudem ist der Vorwurf verzögerter Schadensregulierung nicht mit den Erwägungen des Schriftsatzes vom 10.11.2014 (Bl. 236/237 d. A.) zu begründen, weil das streitgegenständliche Feststellungsurteil der Beklagten nicht die Einreden abschneiden kann, Behandlungskosten seien nicht unfallbedingt, oder der Ersatzanspruch auf den Versorgungsträger übergegangen. Darüber hinaus übersieht die Klägerin, dass die Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Klageeinreichung deutlich mehr als die Hälfte des letztlich vom Erstgericht für angemessen erachteten Schmerzensgelds bezahlt hatte. Deswegen hat das Erstgericht zu Recht tatsächliche Umstände eines vorwerfbar fehlerhaften Regulierungsverhaltens nicht als erwiesen in die Beweiswürdigung eingestellt. Nach Auffassung des Senats ergibt sich ein solcher Vorwurf erst aus der grundlosen Nichtleistung des erstinstanzlich festgesetzten Zahlbetrags.

- Zuletzt hält der Senat die Schuldform (Vorsatz, gröbste Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit) des Unfallgegners bei seinem Fahrfehler nicht für beweisbedürftig. Die Klägerin hat für die zugrunde liegenden Umstände im gesamten erstinstanzlichen Verfahren und selbst in der Berufungsbegründung keinerlei Tatsachen vorgetragen, sondern sich entweder darauf beschränkt, eine rechtliche Bewertung abzugeben (Schriftsatz v. 31.03.2009, S. 2 = Bl. 31 d. A.; BB 9 = Bl. 219 d. A.), oder von vorneherein nur den objektiven Tatbestand des Fehlverhaltens zu beschreiben (Schriftsatz v. 07.03.2012, S. 3 = Bl. 162 d. A.). Deswegen hat sich das Erstgericht zutreffend darauf beschränkt, ein schwerwiegendes fahrerisches Fehlverhalten festzustellen (EU 2, 8 = Bl. 194, 200 d. A.), und dieses ordnungsgemäß in die Beweiswürdigung eingestellt. Soweit die Klägerin offenbar eine andere Gewichtung wünscht, übersieht sie, dass dies für sich allein im Berufungsverfahren nicht erfolgreich sein kann.

b) Auch zur Höhe des angemessenen Schmerzensgelds hält der Senat die Überlegungen des Erstgerichts für ausreichend begründet und im Ergebnis nahezu vollständig zutreffend. Die Bewertung der festgestellten entscheidungserheblichen Umstände weist keine Mängel auf, so dass eine sogenannte Ermessensdisproportionalität (Senat, Terminhinweise v. 16.02.2015 - 10 U 1319/14: einzelne oder mehrere Gesichtspunkte wurden nicht mit dem ihnen gebührenden Gewicht in die Ermessensausübung eingestellt) nicht angenommen werden kann.

aa) Das Landgericht stellt die Grundsätze der Schmerzensgeldbemessung zutreffend dar und wendet diese folgerichtig an (EU 7/8 = Bl. 199/200 d. A.), insbesondere sind die durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen der Klägerin, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss (BGH VersR 1976, 440; 1980, 975; 1988, 299; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]), die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen (grdl. RG, Urt. v. 17.11.1882 - RGZ 8, 117 [118] und BGH - GSZ - BGHZ 18, 149 ff. = NJW 1955, 1675 ff.; ferner BGH NJW 2006, 1068 [1069]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]) und etwaige Dauerfolgen der Verletzungen (OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]); OLG Brandenburg, Urt. v. 08.03.2007 - 12 U 154/06 [juris]; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]) angemessen bewertet. Insbesondere werden eine endgültige (und nicht nur vorläufige) Erwerbsminderung der Klägerin auf 70 Prozent, sowie ein schwerwiegend fehlerhaftes Verhalten des Unfallverursachers berücksichtigt (EU 8 = 200 d. A.).

bb) Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe vermag der Senat nicht anzuerkennen:

- Mutmaßungen des Deutschen Verkehrsgerichtstags im Jahre 2001, Mitteilungen eines Fernsehsenders aus dem gleichen Jahr und vereinzelt gebliebenen Entscheidungen aus dem Jahre 1991, die bei kleineren Verletzungen kein Schmerzensgeld zugunsten höherer Beträge bei schweren Verletzungen festsetzen wollen (BB 3 = Bl. 213 d. A.), sind im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

- Soweit die Klägerin ihr Erhöhungsverlangen auf zwei vorgeblich vergleichbare Fälle stützt, ist dies nicht zielführend (etwa Senat, Urt. v. 21.03.2014 - 10 U 1750/13 [juris]; v. 11.04.2014 - 10 U 4757/13 [juris]): §§ 253 II BGB, 11 S. 2 StVG sprechen von „billiger Entschädigung in Geld“. Da es eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile nicht gibt, weil diese nicht in Geld messbar sind (BGH - GSZ- BGHZ 18, 149 [156, 164]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [123]; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]), unterliegt der Tatrichter bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen (BGH VersR 1976, 967 [968 unter II 1]; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 29.10.2010 - 10 U 3249/10 [juris]). Die in Schmerzensgeldtabellen erfassten „Vergleichsfälle“ bilden nur „in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung“ (BGH VersR 1970, 134; 1970, 281), sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen (BGH VersR 1961, 460 [461]; 1964, 842 (843); 1967, 256 [257]; OLG Köln VersR 1978, 650 [„nur geringer Erkenntniswert“]; OLG München [1. ZS], Beschl. v. 26.08.2005 - 1 W 2282/05 [juris]; OLGR 2006, 92; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 29.06.2007 - 10 U 4379/01 [juris), nur ein „Mittel zur Überprüfung des gefundenen Ergebnisses“ (OLG Naumburg NZV 2015, 141 [142]). Sie stellen keine verbindlichen Präjudizien dar (BGH VersR 1970, 134; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 13.08.2010 - 10 U 3928/09 [juris]), deshalb können aus der Existenz bestimmter ausgeurteilter Schmerzensgeldbeträge keine unmittelbaren Folgerungen abgeleitet werden (Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 13.08.2010 - 10 U 3928/09 [juris]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [124]).

- Zögerliches Regulierungsverhalten durfte, unabhängig vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen, aus Rechtsgründen nicht schmerzensgelderhöhend berücksichtigt werden. Nach ständiger Rechtsprechung auch des Senats (zuletzt etwa Urt. v. 09.10.2009 - 10 U 2309/09 [juris]; v. 13.08.2010 - 10 U 3928/09 [SP 2011, 107]) wäre ein über die bloße Verweigerung der geforderten Zahlung hinaus vorwerfbares oder jedenfalls nicht nachvollziehbares Verhalten erforderlich, das im Streitfall nicht ersichtlich und von der Klägerin nicht substantiiert behauptet wird. Vielmehr ist lediglich erkennbar, dass die Beklagte von Anfang an ein Schmerzensgeld von 60.000,- € für angemessen gehalten, dies vorprozessual geleistet und sich während des gesamten Rechtsstreits damit verteidigt hat, dass unter Würdigung aller Gesamtumstände ein höheres Schmerzensgeld nicht anerkannt werde. Hinsichtlich - nur dem Grunde nach - festgestellter materieller Ersatzansprüche hat sich die Beklagte - offenbar zulässig und in verständlicher Rechtsverteidigung - darauf beschränkt die Unfallbedingtheit zu bestreiten und den Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger zu behaupten. Diese Erwägungen gelten nicht, soweit auch der erstinstanzlich ausgeurteilte weitere Betrag von 50.000,- € bis heute nicht geleistet worden ist (BB 7 = Bl. 217 d. A.; Schriftsatz v. 15.06.2015, S. 1/2 = Bl. 566/567 d. A.; BE v. 08.07.2015, S. 1 = Bl. 269 d. A.; Protokoll d. mdl. Verhandlung v. 10.07.2015, S. 2 = Bl. 273 d. A.).

- Das fahrerische Fehlverhalten des Unfallgegners ist angemessen berücksichtigt (EU 8 = Bl. 200 d. A.). Dagegen wurde die Schuldform erstens nicht festgestellt, ist zweitens - erst recht nach dem langen Zeitablauf - nicht mehr feststellbar, und drittens aus Rechtsgründen im Rahmen der Gesamtbewertung auch aus Sicht des Senats nicht entscheidend.

cc) Der Senat hält nach eigenständiger Überprüfung und Bewertung (BGH NJW 2006, 1589; Senat, Urt. v. 30.07.2010 - 10 U 2930/10 [juris]) unter Würdigung aller Gesamtumstände und unter Beachtung seiner Rechtsprechungspraxis, wonach bei der Schmerzensgeldbemessung eine Kleinlichkeit ebenso zu vermeiden ist wie die letztlich nicht begründbare Abänderung erstinstanzlicher Entscheidungen um Kleinbeträge (eine Abänderung erfordert vielmehr eine „greifbare“ Fehlbewertung) das erstinstanzlich ausgeurteilte Schmerzensgeld von insgesamt 110.000,- € grundsätzlich für angemessen. Jedoch ist angesichts des unverständlichen Verhaltens der Beklagten, die über zwei Jahre etwa die Hälfte des insgesamt angemessenen Schmerzensgeldes ohne Begründung nicht geleistet hat, eine Erhöhung unter dem Gesichtspunkt zögerlichen und kleinlichen Regulierungsverhaltens geboten. Dabei ist berücksichtigt, dass einerseits Ursache dieser Nichtleistung ein Versehen gewesen sein mag und die Klägerin diesen Betrag nicht ausdrücklich eingefordert hatte, andererseits die Beklagte sich äußerst nachlässig auf die Berufungsverhandlung vorbereitet, die ihr am 30.03.2015 zugestellten Terminshinweise des Senats missachtet und auch den Tatsachenvortrag der Klägerin (Schriftsatz v. 15.06.2015 = Bl. 266/268 d. A.) nicht zum Anlass genommen hatte, wenigstens bis zum Termin der mündlichen Verhandlung eine Klärung herbeizuführen. Deswegen ist eine Erhöhung um 2.000,- € sachgerecht.

2. Feststellung von Gehaltssteigerungen

a) Das Landgericht hat, auch nach Auffassung des Senats, im Ergebnis zu Recht eine Beweiserhebung und -würdigung abgelehnt, soweit die Klägerin die Feststellung beantragt hatte, Verdienstausfall- und Rentenschaden „auf der Basis des Nettoverdienstes eines Verkaufsleiters eines Möbelhauses“ zu bestimmen (EU 2, 9 = Bl. 194, 201 d. A.).

aa) Die Klägerin rügt, das Erstgericht habe zu Unrecht einerseits das besondere Feststellungsinteresse eines Bestandteils künftigen Verdienstausfallschadens verkannt, andererseits - mit der Wirkung der Tatsachenpräklusion - abgelehnt, dass eine deutlich einkommensverbesserte Arbeitsstelle erreicht worden wäre und dem künftigen Verdienstausfall und der künftigen Rentenentwicklung hätte zugrunde gelegt werden können (BB 2, 13/20 = Bl. 212, 223/230). Insofern ist zutreffend, dass das Erstgericht zum ersten nur dürftige tatbestandliche Feststellungen trifft, nämlich dass die Klägerin meint, ohne den Unfall habe sie ab 01.01.2005 eine Stelle als Verkaufsleiterin mit einem Durchschnittsgehalt von 4.838,- € (statt bisher 1.774,18 €) erlangen können (EU 4 = Bl. 196 d. A.). Zum zweiten ist die erstinstanzliche Beweiserhebung und -würdigung erheblich fehlerhaft, denn das Erstgericht meint, die Klägerin habe „nicht treffend unter Beweis gestellt“, dass sie ab 01.01.2005 eine vergleichbare Stelle gefunden hätte, zudem fehle „substantiierter Sachvortrag hinsichtlich Name und Anschrift des damaligen potentiellen Arbeitgebers“, sowie „substantiierterer Sachvortrag, dass sie plötzlich eine Stelle als Verkaufsleitern (mit etwa doppeltem Gehalt) gefunden hätte“ (EU 6/7 = Bl. 198/199 d. A.). Zuletzt hält das Erstgericht den Antrag aus nicht nachvollziehbaren Gründen für unzulässig und „zu unbestimmt“ (EU 9 = Bl. 201 d. A.).

bb) Der Senat hat deswegen ergänzende Feststellungen getroffen, diese erweisen das Ergebnis des Ersturteils als zutreffend:

- Die Klägerin hat am 30.12.2008, also mehr als viereinhalb Jahre nach dem Unfall (22.03.2004), Klage eingereicht (Bl. 1/10 d. A.), und dabei auch Schadensersatz für Verdienstausfall geltend gemacht. Jedoch fehlt jegliches Vorbringen, dass sie (wohl ab dem 01.01.2005) ein etwa doppeltes Einkommen erzielt hätte (Klageschrift v. 29.12.2008, S. 6/7, 9/10 = Bl. 6/7, 9/10 d. A.).

- Weitere Schriftsätze (v. 03.02.2009, Bl. 15/16 d. A., v. 31.03.2009, Bl. 30/46 d. A.) enthielten keine fassbaren Hinweise auch nur auf eine Aussicht auf herausgehobene Arbeitsstellen mit gesteigertem Einkommen, obwohl Ausbildungs- und Berufsentwicklung, sowie der Arbeitsalltags dargestellt wurden. Erstmals mit Schriftsatz vom 13.07.2009 behauptete die Klägerin, sie hätte eine „weitergehende Entwicklung genommen (und) wäre sicher nicht ihr Leben lang auf der gleichen Position ohne Fortentwicklung geblieben“. Die „weiterführenden und verantwortungsvollen Tätigkeitsprofile“ wurden einzig mit dem des Einrichtungsfachberaters bezeichnet, und begründungslos das monatliche Bruttoeinkommen eines Verkaufsleiters angesetzt (Schriftsatz v. 13.07.2009, S. 13/14 = Bl. 73/74 d. A.). Nachfolgend versuchte die Klägerin, diese vermutete Entwicklung nicht auf prüfbare Arbeitsplatzbewerbungen, sondern auf eine aus dem beruflichen und familiären Hintergrund abgeleitete Prognose zu stützen (Schriftsatz v. 31.08.2009, S. 2/5 = Bl. 81/87 d. A.). Hierbei wurde lediglich ein einziges Bewerbungsgespräch angegeben, ohne dass Zeitpunkt, Arbeitgeberfirma und Personalverantwortlicher benannt worden wären. Selbst nach dem Vortrag der Klägerin unterblieb eine Zusage, dagegen versagt sie sich jegliches Vorbringen, wie diese Bewerbung weiter verlaufen ist. Insgesamt wurde als einziges Beweismittel ihre eigene Parteieinvernahme angeboten (S. 4 = Bl. 84 d. A.).

- In persönlicher Anhörung in mündlicher Verhandlung (Protokoll v. 05.03.2010, S. 1/5 = Bl. 101/105 d. A.) erwähnte die Klägerin Absichten oder Erwartungen der Einkommenssteigerung nicht, ebenso wenig in den Schriftsätzen vom 10.05.2010 und 02.06.2010 (Bl. 111/113 u. 119/120 d. A.). Erstmals mit Schriftsatz vom 27.12.2010 (Bl. 136/146 d. A.) wurden hinsichtlich des einkommenssteigerungsbedingten Verdienstausfallschadens ein Antrag gestellt und die bisherige Anspruchsbegründung wiederholt, allerdings mit der neuen Behauptung, dass die Klägerin „weitere“ Bewerbungsgespräche geführt und sich nach einem anderen Arbeitsplatz und einer weiteren Entwicklung „umgeschaut“ habe (Schriftsatz v. 27.12.2010, S. 5/6 = Bl. 140/141 d. A.). Während wiederum keinerlei Zeitpunkte und Umstände diese Umschau mitgeteilt wurden, wurde erneut als einziges Beweismittel die Parteivernehmung der Klägerin angeboten.

- Die Klägerin ist der Auffassung (Schriftsatz v. 29.12.2011, S. 2 = Bl. 157 d. A.), als Tochter des Inhabers eines großen Möbelhauses wäre es ihr gelungen, als Möbelfachberaterin eine Stelle in leitender Position eines Möbelhauses zu erhalten. Die Schriftsätze vom 07.03.2012 (Bl. 160/167 d. A.), dessen Anträge in mündlicher Verhandlung vom 01.03.2013 gestellt wurden), und vom 05.11.2012 (Bl. 179/184 d. A.) enthalten hierzu keinerlei weitere Ausführungen und Beweisantritt, sondern nur die Rechtsauffassung, das Bestreiten der Beklagten sei nicht ausreichend mit der Folge, dass das klägerische Vorbringen als zugestanden gelte.

- Zuletzt hat sich die Klägerin in persönlicher Anhörung in mündlicher Verhandlung vor dem Senat geäußert (Protokoll d. mdl. Verhandlung vom 10.07.2015, S. 2/3 = Bl. 273/274 d. A.). Sie hat dabei eingeräumt, sich seit Beginn ihrer Einrichtungsfachberatertätigkeit seit dem Jahre 1993 ein einziges Mal schriftlich beim Möbelhaus Penzberg beworben zu haben, im Übrigen auf eine Stelle als Verkaufsmitarbeiterin. Dies sei im Jahre 1997 gewesen, wobei ihr ein anderer Bewerber vorgezogen worden sei, und kein Bedarf für ihre gegenüber einem Verkäufer herausgehobene Qualifikation bestanden habe. Danach habe sie sich nochmals im Jahre 1998 mündlich auf eine Verkaufsstelle bei der Firma W. in S. beworben, wiederum ohne Ergebnis. Seither habe sie bis zum Unfall unverändert und unter zufrieden stellenden Bedingungen bei ihrem bisherigen Arbeitgeber gearbeitet, ohne weitere Versuche, sich auf andere, gar höherwertige Stellen zu bewerben. Insofern ist die Behauptung, die Klägerin habe sich kurz vor dem Unfall auf Führungspositionen in anderen Möbelhäusern beworben (Schriftsatz v. 15.06.2015, S. 3 = Bl. 268 d. A.), widerlegt.

cc) Bei dieser Sachlage, insbesondere aber des nunmehr eindeutigen Umstands, dass die Klägerin seit vielen Jahren vor dem Unfall keinerlei Versuche unternommen hat, eine besser eingestufte Stellung zu erhalten, sind die Feststellungen des Erstgerichts im Ergebnis bestätigt worden. Soweit das Erstgericht einerseits nicht deutlich zwischen zwei verschiedenen Begründungen für den Verdienstausfall- (und Renten-)Schaden (im Rahmen des Feststellungsbegehrens) unterscheidet, andererseits die nach § 139 I 2, II 1 ZPO notwendigen Hinweise nicht erteilt hat, hat sich dies im Ergebnis nicht zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Soweit die Klägerin vorbringt und als gerichtskundig voraussetzt (Schriftsatz v. 15.06.2015, S. 3 = Bl. 268 d. A.), dass eine Karriere üblicherweise erst ab Anfang 40 beginne, ist dies eine bloße Vermutung, die im Übrigen im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Selbst nach ihrem eigenen Vortrag besteht kein Zweifel daran, dass die der Klägerin vorschwebende Karriere mindestens Versuche vorausgesetzt hätte, in einem anderen Möbelhaus eine Anstellung zu finden.

dd) Die Klägerin hat somit nicht beweisen können, dass sie ohne den Unfall jedenfalls ab dem Jahre 2005 eine Stelle als Verkaufsleiterin mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4.838,- € erlangt hätte.

b) Zuletzt vermag der Senat die entscheidungserheblichen sachlichrechtlichen Fragen nicht anders zu beantworten als das Erstgericht. Der Feststellungsantrag wurde zu Recht abgewiesen (EU 2 = Bl. 194 d. A.).

aa) Das Erstgericht erkennt zutreffend, dass die Klägerin die beweisbedürftige Tatsache (einer Arbeitsstelle, die zum Gehalt eines Verkaufsleiters geführt hätte), nicht auf eine aus dem familiären, persönlichen und beruflichen Hintergrund abgeleiteten Prognose stützen kann. Eine solche als „Schätzbonus“ bezeichnete Beweiserleichterung gilt für junge Personen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, und durch den Unfall die Möglichkeit eingebüßt haben, zu beweisen, dass sie ihre Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hätten (BGH NJW 1997, 937; r+s 1997, 2000, 3287; Senat, Urt. v. 29.12.2006 - 10 U 3815/04 [juris]; OLG Celle zfs 2008, 16 (Offiziersanwärter); Steffen DAR 1984, 1 [4]; Küppersbusch/Höher a. a. O. Rz. 173; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadensersatzrecht, 4. Aufl. 2015, Kap. 6 Rz. 25). Selbst dann jedoch erfordert eine Schätzung des Verdienstausfallschadens nach §§ 252 S. 2 BGB, 287 ZPO ein Mindestmaß an konkreten Anhaltspunkten für die erforderliche Prognose, deren Anforderungen vor allem in - bei der Klägerin nicht vorliegenden - Fällen verringert sind, in denen das haftungsauslösende Ereignis den Geschädigten zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als er noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand und deshalb noch keine Erfolge in der von ihm angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte (BGH MDR 2010, 1381 = VersR 2010, 1607 ff.; VersR 1992, 973; VersR 1993, 1284, 1285; VersR 1995, 422, 424; VersR 1995, 469, 470; VersR 1998, 770, 772; VersR 2000, 233; VersR 2000, 1521, 1522). Nur in solchen Fällen können der Beruf, die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern die überragende Bedeutung gewinnen, die die Klägerin ihnen beimessen möchte (vgl. OLG Frankfurt, VersR 1989, 48; OLG Karlsruhe, VersR 1989, 1101, 1102; OLG Schleswig OLGR 2009, 305, 308).

bb) Dagegen lagen und liegen in der Person der Klägerin diese Voraussetzungen nicht vor: Sie befand sich seit Abschluss der Ausbildung langjährig in angestellter Stellung als Verkäuferin und Fachberaterin, seit vielen Jahren vor dem Unfall wies nichts darauf hin, dass sie eine wesentlich höher bezahlte Anstellung suchen und erreichen würde. Insoweit ist die Ansicht des Erstgerichts, diese behauptete Entwicklung sei „plötzlich“, in diesem Sinne durchaus zutreffend, zumal auch die Klägerin mehr als fünf Jahre nach dem Unfall benötigt hat, um diese Umstände bekannt zu geben. Deswegen kann aus der persönlichen, beruflichen und familiären Entwicklung der Klägerin - auch nach dem Beweismaß des § 287 I ZPO - nicht geschlossen werden, sie hätte eine mit einem Bruttogehalt von 4.838,- € dotierte Stelle als Verkaufsleiterin erhalten. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den zitierten Entscheidungen (BGH v. 20.04.1999 - VI ZR 65/98 = VersR 2000, 233; v. 05.10.2010 - VI ZR 186/08 = NJW 2011, 1148). Im ersten Fall war einer Verletzten, die bereits an einem Schwesternhelferinnen- bzw. Pflegediensthelfer-Lehrgang des Malteser-Hilfsdienstes teilgenommen hatte, zugebilligt worden, dass sie die Ausbildung abgeschlossen und eine Beschäftigung als Schwesternhelferin erreicht hätte, im zweiten Fall betraf die Schadensereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft aufgrund des eigenen Entwicklungsstands zum Schadenszeitpunkt noch keine zuverlässige Aussage möglich war, im Übrigen hat der BGH in diesem Fall nicht beanstandet, dass der Nachweis des beruflichen Erfolgs nicht als geführt angesehen worden war.

cc) Das gesamte Vorbringen der Klägerin zu ihren persönlichen Verhältnissen und ihrem Werdegang konnte und kann lediglich begründen, dass sie die Anforderungen an eine Verkaufsleiterstelle hätte erfüllen können, nicht jedoch, dass sie eine solche auch erreicht hätte. Dies scheint auch die Klägerin anzuerkennen, anderenfalls hätte sie nicht für erforderlich gehalten, Bewerbungsbemühungen vorzutragen und hierzu Unterlagen vorzulegen. Auf die Hinweise des Senats hat die Klägerin nicht mehr erwidert.

dd) Lediglich zur Klarstellung wird angemerkt, dass ein besonderes Feststellungsinteresse an dieser Schadensposition auch ihm Rahmen des allgemeinen Feststellungsantrags (EU 1/2 = Bl. 193/194 d. A., Ziff. 2.) nicht hätte abgelehnt werden können. (BGH NJW 1999, 3774).

Hierauf beruhen Ziff. I 1 und II der Urteilsformel. Der Zinsbetrag errechnet sich wie folgt:

Zeitraum

Tage

Zinssatz

Zinsertrag

03.02.2009 - 30.06.2009:

148

6.62%

1.395,8225 €

01.07.2009 - 31.12.2009:

184

5.12%

1.342,1414 €

01.01.2010 - 30.06.2010:

181

5.12%

1.320,2586 €

01.07.2010 - 31.12.2010:

184

5.12%

1.342,1414 €

01.01.2011 - 30.06.2011:

181

5.12%

1.320,2586 €

01.07.2011 - 31.12.2011:

184

5.37%

1.407,6756 €

01.01.2012 - 30.06.2012:

182

5.12%

1.323,9257 €

01.07.2012 - 31.12.2012:

184

5.12%

1.338,4743 €

01.01.2013 - 30.06.2013:

181

4.87%

1.255,7929 €

01.07.2013 - 31.12.2013:

184

4.62%

1.211,0729 €

01.01.2014 - 30.06.2014:

181

4.37%

1.126,8614 €

01.07.2014 - 28.07.2014:

28

4.27%

170,3321 €

29.07.2014 - 31.12.2014:

156

4.27%

948,9929 €

01.01.2015 - 30.06.2015:

181

4.17%

1.075,2888 €

01.07.2015 - 31.07.2015:

31

4.17%

184,1655 €

Summe:

03.02.2009 - 31.07.2015:

2370

Zinsen:

16.763,20 €

II. Die Entscheidung des Ersturteils zu Feststellungsansprüchen (EU 1/2 = Bl. 193/194 d. A.) ist inhaltlich zutreffend, lediglich die ungewöhnliche Formulierung erforderte eine Berichtung, worauf bereits hingewiesen worden war (Terminshinweise v. 24.03.2015, S. 1 = Bl. 252 d. A.). Hierauf beruht Ziff. 1. II. der Urteilsformel.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I 1 Fall 2 ZPO. Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin ihm Rahmen des Teilvergleichs zu etwa einem Drittel obsiegt hat, und hinsichtlich der Schmerzensgeldforderung der Betrag von einer Festsetzung durch richterliches Ermessen abhängig war. Eine Abänderung der Kostenentscheidung erster Instanz war nicht veranlasst, weil die Änderungen durch das Berufungsverfahrens in Rücksicht auf den erstinstanzlichen hohen Streitwert geringfügig waren.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (BVerfG NJW 2014, 2417 f. [2419, Tz. 26-32]; BGH NJW-RR 2014, 505) noch die Fortbildung des Rechts (BVerfG, a. a. O. [2419, Tz. 33]) oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (BVerfG, a. a. O. [2420, Tz. 34]; BGH NJW 2003, 1943) erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall, der grundlegende Rechtsfragen nicht aufwirft.

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Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Juli 2015 - 10 U 3313/13 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 252 Entgangener Gewinn


Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrschei

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Okt. 2010 - VI ZR 186/08

bei uns veröffentlicht am 05.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 186/08 Verkündet am: 5. Oktober 2010 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Juli 2015 - 10 U 3313/13

bei uns veröffentlicht am 24.07.2015

Gründe OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Aktenzeichen: 10 U 3313/13 Im Namen des Volkes Verkündet am 24.07.2015 17 O 23601/08 LG München I Die Urkundsbeamtin … In dem Rechtsstreit … - Klägerin u
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Oberlandesgericht München Endurteil, 24. Juli 2015 - 10 U 3313/13

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Gründe OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Aktenzeichen: 10 U 3313/13 Im Namen des Volkes Verkündet am 24.07.2015 17 O 23601/08 LG München I Die Urkundsbeamtin … In dem Rechtsstreit … - Klägerin u

Landgericht München II Endurteil, 09. Juni 2016 - 3 O 4791/14

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.932,38 € zu bezahlen. II. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache in Höhe von weiteren 7.272,00 € erledigt ist. III. Die Beklagte wird verurteilt, Zins

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Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 186/08 Verkündet am:
5. Oktober 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Trifft ein Schadensereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft
aufgrund des eigenen Entwicklungsstands zum Schadenszeitpunkt noch keine
zuverlässige Aussage möglich ist, so kann es geboten sein, dass der Tatrichter
bei der für die Ermittlung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose
auch den Beruf sowie die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation
in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische
und berufliche Entwicklungen von Geschwistern berücksichtigt.

b) Ergeben sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen
dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der Schadensermittlung
(weitere) Anhaltspunkte für seine Begabungen und Fähigkeiten und die Art
der möglichen Erwerbstätigkeit ohne den Schadensfall, ist auch dies bei der
Prognose zu berücksichtigen und von einem dem entsprechenden normalen
beruflichen Werdegang auszugehen.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 186/08 - OLG Braunschweig
LG Braunschweig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revisionen gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Juni 2008 werden zurückgewiesen. Von den Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger 45 % und der Beklagte 55 % zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der am 22. April 1977 geborene Kläger nimmt den beklagten Gynäkologen wegen eines geburtshilflichen Behandlungsfehlers, der bei ihm zu einem schweren Hörschaden geführt hat, auf Ersatz von Verdienstausfall in Anspruch. Der seit dem 16. März 2001 arbeitslose Kläger hat den Realschulabschluss erreicht und eine Ausbildung zum Tischler absolviert. Sein Vater ist Maschinenbautechniker mit Weiterqualifikation zum Berufsschullehrer für EDV, sein Bruder , ein ausgebildeter Kommunikationstechniker, ist als Projektentwickler der Betriebssysteme bei der Firma S. tätig.
2
Durch Urteil des Landgerichts vom 23. Dezember 1987, rechtskräftig durch Urteil des Berufungsgerichts vom 29. April 1992, ist festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen dessen bei der Geburt erworbener Hörschädigung alle seit dem 15. Januar 1985 entstandenen und künftig noch entstehenden materiellen Schäden zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist. Auf dieser Grundlage berechnet der Kläger seinen Verdienstausfallschaden nach der Differenz zwischen dem Nettogehalt, das er nach abgeschlossenem Hochschulstudium der Informationstechnologie hätte erzielen können, und dem tatsächlich erzielten Nettoeinkommen als Tischler bzw. dem von ihm nunmehr bezogenen Arbeitslosengeld.
3
Das Landgericht hat die darauf gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers durch Grund- und Teilurteil den Klageanspruch dem Grunde nach insoweit für gerechtfertigt erklärt, als mit ihm der Verdienstausfallschaden geltend gemacht wird, der sich aus 80 % der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Nettoverdienst eines angestellten Tischlergesellen und dem durchschnittlichen Nettoverdienst eines angestellten, nicht akademisch ausgebildeten Kommunikationstechnikers ergibt; die weiter gehende Berufung hat es zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
5
In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang sei die Berufung zur Entscheidung reif und der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach gerecht- fertigt; für eine Endentscheidung fehle bisher mangels Feststellungen zur Höhe des Verdienstausfalls die Entscheidungsreife, so dass durch Grund- und Teilurteil zu entscheiden sei.
6
Die Verpflichtung des Beklagten, den dem Kläger aufgrund der bei seiner Geburt erworbenen Hörschädigung entstandenen Verdienstausfallschaden zu ersetzen, stehe rechtskräftig fest. Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme sei der Senat nach dem Beweismaß des § 287 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund des Hörschadens in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang einen Verdienstausfallschaden erlitten habe. Die Prognose der beruflichen Entwicklung des Klägers ohne das Schadensereignis lasse es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass der Kläger ohne die Hörschädigung einen dem Beruf eines nicht akademisch ausgebildeten Kommunikationstechnikers entsprechenden Beruf mit höherer Bezahlung als in dem tatsächlich ausgeübten Tischlerberuf ergriffen und ausgeübt hätte. Bei dem Kläger sei ein ausreichendes Begabungspotenzial vorhanden gewesen. Insoweit könnten die familiären Umstände, nämlich der berufliche Erfolg der Eltern und Geschwister, herangezogen werden. Dem stünden die vorliegenden Sachverständigengutachten nicht entgegen, soweit ihnen zu entnehmen sei, dass die berufliche und ausbildungsbezogene Fam ilienanamnese allein keinen sicheren Rückschluss auf den einen oder anderen Lebensweg einer Person zulasse. Hier gehe es nicht um eine mit wissenschaftlicher Exaktheit zu beantwortende Frage, sondern um eine Schätzung im Gesamtkontext. Die Sachverständige Dr. W. habe ausgeführt, dass der Lernerfolg sich im Spannungsfeld zwischen natürlicher Begabung und Umweltgegebenheiten abspiele.
7
Das Fehlen so genannter Schlüsselqualifikationen (Motivation, Fleiß, Anpassungsfähigkeit , Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit usw.) bei dem Kläger führe nicht zu der Annahme, er hätte auch ohne die Hörschädigung keinen besseren Schulerfolg erzielt, weil bei ihm seit der Geburt eine Halbseitenstörung (motorische Steuerungsbeeinträchtigung der linken Körperhälfte) vorliege, aufgrund derer er in der Entwicklung der Schlüsselqualifikationen erheblich eingeschränkt gewesen sei. Die von dem Beklagten zu vertretende Hörschädigung bleibe mitursächlich für den eingetretenen Schaden, da ihm die Halbseitenstörung in den entscheidenden Jahren die Möglichkeit genommen habe, wie andere Gehörlose oder schwer Hörgeschädigte die Außenkontakte zu intensivieren und auf diese Weise Schlüsselqualifikationen auszuprägen.
8
Ein Mitverschulden des Klägers und seiner Eltern bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung sei, soweit vom Beklagten ausreichend dargelegt, nicht festzustellen.
9
Die Klage sei unbegründet, soweit der Kläger auf den höheren Verdienst eines Hochschulinformatikers abstelle und Einnahmeausfälle infolge seiner Arbeitslosigkeit verlange.

II.

10
Die dagegen gerichteten Revisionen beider Parteien haben keinen Erfolg.
11
1. Die Parteien rügen nicht, dass das Berufungsgericht durch Grund- und Teilurteil entschieden hat. Das ist auch nicht zu beanstanden.
12
a) Durch das rechtskräftige Urteil des Berufungsgerichts vom 29. April 1992 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts vom 23. Dezember 1987 ist lediglich festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger den Verdienstausfallschaden zu ersetzen hat, der diesem wegen der bei seiner Geburt erlittenen Hörschädigung entstanden ist. Weitere Vorgaben zur Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität ergeben sich daraus nicht.
13
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, ob der Kläger ohne den vom Beklagten zu vertretenden Behandlungsfehler einen höher qualifizierten und dotierten Beruf ergriffen hätte und welcher Erwerbsschadensbetrag sich gegebenenfalls daraus ergibt. Beide Fragen betreffen die haftungsausfüllende Kausalität. Sie bedürfen aber selbstständiger tatsächlicher Feststellungen. Ist die erste Frage zu verneinen, kommt es auf die zweite Frage nicht mehr an. Bei einer derartigen Sachlage, die bei der Geltendmachung von Erwerbsschäden häufig vorkommt, kann der Erlass eines Grundurteils dazu dienen, die vorrangige Frage durch die Instanzen abschließend zu klären, bevor in eine möglicherweise aufwändige Beweisaufnahme zu der nachrangigen Frage eingetreten wird. Die Voraussetzungen des § 304 ZPO stehen einer solchen Verfahrensweise nicht entgegen. Danach kann das Gericht über den Grund vorab entscheiden , wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist. Die Vorschrift entspringt prozesswirtschaftlichen Gründen. Bei ihrer Anwendung und Auslegung ist vor allem den Erfordernissen der Prozessökonomie Rechnung zu tragen. Der Erlass eines Grundurteils ist daher unzulässig, wenn dies nicht zu einer echten Vorentscheidung des Prozesses führt. Dieses Kriterium und nicht dogmatische Erwägungen sind deshalb maßgebend dafür, ob in einem Grundurteil nur der materiell-rechtliche Haftungsgrund oder auch die haftungsausfüllende Kausalität - ganz oder zum Teil - abzuhandeln ist; ob deren Einbeziehung in das Grundurteil prozessökonomisch vertretbar oder gar geboten ist, hängt wesentlich von der Natur des geltend gemachten Anspruchs ab (vgl. Senatsurteile vom 13. Mai 1980 - VI ZR 276/78, VersR 1980, 867, 868 und vom 10. Januar 1989 - VI ZR 43/88, VersR 1989, 603; OLG Köln, VersR 1998, 1247).
14
Sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllendeKausalität - hier die für die Schadenshöhe maßgebende Prognose der hypothetischen Entwicklung ohne das schädigende Ereignis - gehören zum Grund des Anspruchs, auch wenn Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität notwendiger - oder zweckmäßigerweise oft erst im Betragsverfahren geprüft werden. Es spricht deshalb nichts dagegen, ein Grundurteil aus prozessökonomischen Gründen auch dann zu erlassen, wenn zwar über die grundsätzliche Haftungsfrage bereits durch Feststellungsurteil entschieden ist, die Parteien aber in einem weiteren Rechtsstreit im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität darüber streiten, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstanden ist und wenn ja, in welcher Höhe (vgl. auch Senatsurteil vom 7. Juni 1983 - VI ZR 171/81, VersR 1983, 735, 736; BGH, Urteil vom 5. März 1993 - V ZR 87/91, VersR 1993, 1279, 1280; OLG Köln, aaO).
15
b) Dem Berufungsurteil ist auch mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen, inwieweit der Klageanspruch gerechtfertigt und insoweit durch das Grundurteil beschieden und inwieweit die Klage durch das Teilurteil abgewiesen ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens nur in Höhe von 80 % der Differenz zwischen dem ohne den Schadensfall erzielbaren und dem tatsächlich erzielten Verdienst zu. Damit ist der Forderung Genüge getan, dass ein Grund- und Teilurteil nur in der Form ergehen darf, dass jeweils ein quantitativer, zahlenmäßig oder auf sonstige Weise bestimmter Teil des - teilbaren - Streitgegenstandes dem abschließend beschiedenen Teil des Klageanspruchs und der Zwischenentscheidung über den Grund zugeordnet wird (dazu BGH, Urteil vom 12. Juli 1989 - VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, 260; Senatsurteil vom 10. Januar 1989 - VI ZR 43/88, aaO). Eine Bezifferung des abgewiesenen Teils der Klage ist in der gegebenen Verfahrenssituation weder nötig noch möglich. Der durch das Berufungsurteil für gerechtfertigt erklärte Teil der Klage könnte ebenso wie der abgewiesene Teil Gegenstand einer Teil- (Feststellungs-) Klage sein; auf Zahlung einer Geldsumme gerichtete Ansprüche sind, unabhängig davon, ob es sich um einen einheitlichen Anspruch handelt, grundsätzlich teilbar (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2004 - VI ZR 70/03, VersR 2004, 1334, 1335).
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2. Die Revision des Klägers ist unbegründet.
17
Das Berufungsgericht nimmt an, es lägen auch unter dem erleichterten Beweismaßstab des § 287 ZPO keine ausreichenden Indizien dafür vor, dass der Kläger ohne die Hörschädigung einen Ho chschulabschluss erreicht hätte. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Eine vom Tatrichter gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen vorzunehmende Schadensschätzung unterliegt nur der beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht dahin, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 86 f. = VersR 1984, 966; vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330 = VersR 1989, 299, 301; vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93, VersR 1995, 469, 470; vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 173/07, VersR 2009, 408, 409). Derartige Fehler zu Lasten des Klägers liegen hier nicht vor.
18
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht den hier streitigen Verdienstausfallschaden unter Heranziehung von § 252 Satz 2 BGB und § 287 ZPO ermittelt. Ist die voraussichtliche berufliche Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis zu beurteilen, muss der Geschädigte nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zwar soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für die erforderliche Prognose dartun. Doch dürfen insoweit keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (Senatsurteile vom 31. März 1992 - VI ZR 143/91, VersR 1992, 973; vom 6. Juli 1993 - VI ZR 228/92, VersR 1993, 1284, 1285; vom 17. Januar 1995 - VI ZR 62/94, VersR 1995, 422, 424; vom 24. Januar 1995 - VI ZR 354/93, VersR 1995, 469, 470; vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96, VersR 1998, 770, 772; vom 20. April 1999 - VI ZR 65/98, VersR 2000, 233), insbesondere dann, wenn das haftungsauslösende Ereignis den Geschädigten zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als er noch in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung stand und deshalb noch keine Erfolge in der von ihm angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte (Senatsurteil vom 6. Juni 2000 - VI ZR 172/99, VersR 2000, 1521, 1522; vgl. ferner KG, VersR 2006, 794).
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Trifft das Schadensereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft aufgrund des eigenen Entwicklungsstands zum Schadenszeitpunkt noch keine zuverlässige Aussage möglich ist, darf es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Beurteilung des hypothetischen Verlaufs mit nicht zu beseitigenden erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Denn es liegt in der Verantwortlichkeit des Schädigers, dass der Geschädigte in einem sehr frühen Zeitpunkt seiner Entwicklung aus der Bahn geworfen wurde und dass sich daraus die besondere Schwierigkeit ergibt, eine Prognose über deren Verlauf anzustellen. Daher darf sich der Tatrichter in derartigen Fällen seiner Aufgabe, auf der Grundlage von § 252 BGB und § 287 ZPO eine Schadensermittlung vorzunehmen, nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen entziehen (Senatsurteil vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96, aaO).
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Zutreffend werden deshalb in solchen Fällen auch der Beruf, die Vorund Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern herangezogen (vgl. OLG Frankfurt, VersR 1989, 48; OLG Karlsruhe , VersR 1989, 1101, 1102; OLG Schleswig, OLGR 2009, 305, 308). Ergeben sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der Schadensermittlung (weitere) Anhaltspunkte für seine Begabungen und Fähigkeiten und die Art der möglichen Erwerbstätigkeit ohne den Schadensfall, ist auch dies bei der Prognose zu berücksichtigen und von einem dem entsprechenden normalen beruflichen Werdegang auszugehen (vgl. OLG Karlsruhe, aaO). Besteht zwischen den Parteien Streit darüber, welche geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Geschädigten der Prognose zugrunde gelegt werden können, wird in der Regel nicht ohne sachverständigen Rat entschieden werden können.
21
Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, dann liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen; verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden (Senatsurteile vom 17. Februar 1998 - VI ZR 342/96, aaO; vom 20. April 1999 - VI ZR 65/98, aaO; vom 6. Juni 2000 - VI ZR 172/99, aaO).
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b) Nach diesem Maßstab lassen die Ausführungen im Berufungsurteil keinen den Kläger belastenden Rechtsfehler erkennen.
23
Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen J., den Direktor einer Schule für Hörgeschädigte, dazu gehört, ob der Kläger auch ohne die Hörschädigung beruflich nicht mehr erreicht hätte, als er es tatsächlich hat, ob wegen fehlender Schlüsselqualifikationen ein von dem Hörschaden unabhängiger Misserfolg wahrscheinlich war und inwieweit sich das familiäre Umfeld und das Elternhaus auf den Lernerfolg ausgewirkt haben könnten. Dem Sachverständigen haben dabei u.a. die Schulakte des Landesbildungszentrums für Hörge- schädigte in B. sowie der Schülerbogen der Stadt H. betreffend den Kläger vorgelegen. Auch hat der Kläger bereits erstinstanzlich sämtliche vorhandenen Zeugnisse, verschiedene Lohnabrechnungen sowie Zeugnisse seiner Geschwister zur Akte gereicht, die von dem Sachverständigen ausgewertet worden sind. Das Berufungsgericht entnimmt den Ausführungen des Sachverständigen , es sei zwar nicht sicher, aber jedenfalls wahrscheinlicher, dass Kinder einen ähnlichen beruflichen Erfolg wie Eltern und Geschwister erreichten. Es schließt sodann aus den familiären Gegebenheiten und einem beim Kläger als Kind ermittelten IQ von 118, dass ihm ohne die Hörschädigung das Erreichen einer höheren, mit der seines Vaters und Bruders vergleichbaren beruflichen Qualifikation, jedoch nicht eines Hochschulabschlusses möglich gewesen wäre, wobei ein berufliches Fortkommen des Klägers ähnlich demjenigen seines Bruders nicht hinreichend wahrscheinlich sei, weil der Aufstieg des Bruders nicht ausschließbar auch auf individueller Chancennutzung beruhen dürfte. Diese Schlussfolgerung hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Die von der Revision geforderte Schätzung eines höheren Mindestschadens ist bei dieser Sachlage aus Rechtsgründen nicht geboten.
24
c) Die Revision des Klägers bleibt im Ergebnis auch ohne Erfolg, soweit sie meint, es sei rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht eventuelle Arbeitsplatzrisiken mit einem Abschlag von 20 % bewertet und zudem die tatsächliche Arbeitslosigkeit des Klägers nicht als Schadensfolge berücksichtigt habe.
25
Dabei kann dahin stehen, inwieweit dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , es sei eine reine Differenzbetrachtung ohne Berücksichtigung des Arbeitsplatzrisikos sowohl für den fiktiven als auch für den tatsächlich erlernten Beruf anzustellen, gefolgt werden kann. Im Rahmen der Prognoseentscheidung kann durchaus danach zu fragen sein, inwieweit der Geschädigte den von ihm mit Wahrscheinlichkeit ohne die Schädigung ergriffenen Beruf auch tatsächlich hätte ausüben und somit ein entsprechendes Einkommen erzielen können (vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 1997 - VI ZR 366/95, VersR 1997, 366, 367; vom 20. April 1999 - VI ZR 65/98, aaO). Der Revision des Klägers sind jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen ausreichenden Vortrag dazu zu entnehmen , dass der Kläger in der Kommunikationsbranche auf keinen Fall von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen wäre. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher von seinem Schätzungsermessen gedeckt.
26
Die hiervon zu trennende Frage, ob die Arbeitslosigkeit des Klägers in seinem erlernten Beruf auf der Hörschädigung beruht und der Beklagte dem Kläger deshalb die Differenz zwischen dem derzeit bezogenen Arbeitslosengeld und seinem früheren Lohn als Tischler zu ersetzen hat, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Denn weder ist ersichtlich, dass der Kläger mit Wahrscheinlichkeit seinen Arbeitsplatz wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung verloren hätte, noch ergibt sich aus den von dem Kläger vorgelegten , auf seine Bewerbungen hin erhaltenen Absageschreiben, dass er gerade wegen seiner Hörschädigung keinen neuen Arbeitsplatz gefunden hat.
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3. Auch die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die vom Berufungsgericht unter Beachtung von § 287 ZPO, § 252 BGB vorgenommene Prognose, für die die oben (unter 2) dargestellten Grundsätze gelten, lässt auch keinen den Beklagten belastenden Rechtsfehler erkennen.
28
a) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei seiner Vergleichsbetrachtung auf einen Beruf abgestellt, von dem der Kläger selbst nicht behauptet habe, er hätte ihn ohne das Schadensereignis ergriffen. Selbst wenn - was zweifelhaft ist - der Kläger stets nur auf die Ergreifung eines akademischen Berufes abgestellt hat, war es dem Berufungsgericht nicht aus Rechtsgründen verwehrt, im Rahmen seiner Prognose - gleichsam als Minus zu dem von dem Kläger angestrebten Klageziel - davon auszugehen, dass der Kläger ohne die Schädigung einen Beruf der gleichen Fachrichtung mit niedrigerem Ausbildungs- und Gehaltsniveau, aber höherer Entlohnung als im Tischlerberuf ergriffen hätte. Dem entsprechend bezeichnet es das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen auch lediglich als wahrscheinlich, dass der Kläger einen dem Beruf eines nicht akademisch ausgebildeten Kommunikationstechnikers "entsprechenden" Beruf mit "entsprechend" höherer Bezahlung ergriffen und ausgeübt hätte.
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b) Ohne Erfolg bleiben auch die Ausführungen, mit denen sich die Revision des Beklagten dagegen wendet, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung eine beim Kläger vorliegende Halbseitensymptomatik berücksichtigt hat.
30
aa) Keinen Bedenken begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht der Umstand , dass das Berufungsgericht die Problematik der Halbseitenstörung überhaupt in seine Prognoseentscheidung mit einbezogen hat. Liegt bei dem Kläger nämlich neben dem streitgegenständlichen Hörschaden eine weitere gesundheitliche Beeinträchtigung in Form der Halbseitenstörung vor, die für seine berufliche Entwicklung und einen damit verbundenen Erwerbsschaden von Relevanz ist, kann dies bei der Prognoseentscheidung nicht unbeachtet bleiben. Insbesondere steht dem nicht die Einrede der Verjährung entgegen, denn es handelt sich nicht um einen der Verjährung unterliegenden Anspruch (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) und entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht um einen (zusätzlichen) Klagegrund, sondern lediglich um ein einzelnes Element der Kausalitätsbetrachtung.
31
bb) Auch die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts zur Kausalität der Halbseitenstörung für die Erwerbsmöglichkeiten des Klägers ist frei von Rechtsfehlern.
32
(1) Das Berufungsgericht stellt zur Kausalität der Halbseitenstörung für das berufliche Fortkommen des Klägers auf den Umstand ab, dass bei ihm seit der Geburt eine solche Störung vorliege. Davon hat sich das Berufungsgericht - sachverständig beraten durch die Sachverständigen Prof. Dr. M. und Dr. S. - in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise selbst überzeugt. Ob es mangels entsprechender Rechtskraftwirkung des vorausgegangenen Feststellungsurteils aus dem Vorprozess folgern durfte, der Kläger sei unter Asphyxie geboren worden und die Behandlung sei grob fehlerhaft gewesen, kann dahin stehen, da die Entscheidung darauf nicht beruht.
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(2) Die Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Auswirkungen der Halbseitenstörung auf den Erwerb so genannter Schlüsselqualifikationen durch den Kläger sind nicht rechtsfehlerhaft.
34
Das Berufungsgericht stellt fest, nach den Ausführungen des Sachverständigen J. sei davon auszugehen, dass durchschnittliche Gehörlose die Möglichkeit hätten, ihre im Vergleich zu Hörenden geringeren Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten zum Erwerb der Schlüsselqualifikationen (Fähigkeiten wie Fleiß, Anpassungsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und Arbeitsplatzmanagement) zumindest im schulischen Umfeld zu kompensieren. Eine solche Möglichkeit habe beim Kläger aber in der entscheidenden Phase der Entwicklung aufgrund der bei ihm bestehenden Halbseitensymptomatik nicht bestanden. Das Berufungsgericht verkennt nicht, dass der Sachverständige Prof. Dr. M. ausgeführt hat, aus einer Halbseitensymptomatik sei eine wesentliche Beeinträchtigung des Erlernens des Lippenlesens oder der Gebärden- sprache nicht ableitbar, Auswirkungen der Halbseitenproblematik auf etwaige Schlüsselqualifikationen seien nicht gegeben. Es meint aber, auf diese Fragestellung komme es nicht an. Entscheidend für die Erschwerung des Erlernens der Lautsprache und des Lippenlesens durch das gehörlose Kind sei nicht das Vorliegen der Halbseitensymptomatik als solche, sondern die aus dieser im entscheidenden Alter hervorgehende fein- und grobmotorische Beeinträchtigung. Die Entwicklungsmöglichkeit von Schlüsselqualifikationen sei bei dem Kläger infolge der durch die Hörschädigung reduzierten Kontakte und Anregungen herabgesetzt gewesen. Wegen der durch die Halbseitensymptomatik eingeschränkten Möglichkeit des Erlernens der Lautsprache und des Lippenablesens habe der Kläger dies nicht mit der Folge verbesserter und vermehrter Außenkontakte kompensieren können. Dabei stützt sich das Berufungsgericht auf die Ausführungen des HNO-Sachverständigen Prof. Dr. L. und des hörpädagogischen Sachverständigen J.. Die Sachverständige Dr. S. habe mit Zustimmung des anwesenden Sachverständigen Prof. Dr. M. dessen Antwort auf die Frage nach den Auswirkungen der Halbseitensymptomatik dahin ergänzt, dass es auf Hinweise für motorische Defizite ankomme. Diese hätten aber nach dem Bericht des Jugendärztlichen Dienstes der Stadt B. vom 9. Juni 1989 vor Januar 1988 sowie nach dem Bericht des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte vom 22. September 1983, wonach der Kläger durch Koordinationsstörungen im fein- und grobmotorischen Bereich aufgefallen sei und Artikulationserfolge sich trotz intensiven Trainings infolge der Beeinträchtigung der motorischen Leistungsfähigkeit nur sehr schwer erzielen bzw. stabilisieren ließen, vorgelegen.
35
Das Berufungsgericht konnte seine Überzeugung danach auf eine ausreichende sachverständige Bewertung der Sachlage stützen. Es hat ersichtlich die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. im Hinblick auf die Ausführungen der anderen Sachverständigen und die vorliegenden Unterlagen als für die Beurteilung nicht einschlägig betrachtet. Unter diesen Umständen war es nicht verfahrensfehlerhaft, den Sachverständigen Prof. Dr. M., der die Befragung der Sachverständigen Dr. S. zustimmend begleitet hat, nicht noch einmal erneut zu befragen.
36
c) Schließlich erweisen sich auch die Angriffe des Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, soweit sie ein Mitverschulden des Klägers an seiner gegebenen beruflichen Situation betrifft, als unbegründet.
37
Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beklagte konkrete Versäumnisse, die kausal zu einer Beeinträchtigung des Lernerfolgs geführt haben, nicht substantiiert dargelegt habe. Den Vortrag zur verspäteten Einschulung hat das Berufungsgericht angesichts des konkreten Gegenvortrags des Klägers mit Recht nicht für ausreichend gehalten. Für die Behauptung des Beklagten, die Eltern des Klägers hätten schuldhaft Fördermöglichkeiten nicht ausgeschöpft, hat das Berufungsgericht in möglicher tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen J. keine Anhaltspunkte gesehen. Den Vorwurf, der Kläger bzw. seine Eltern hätten schuldhaft den Einsatz eines Cochlear-Implantats versäumt, hat das Berufungsgericht aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen Dr. L. und J. ohne Rechtsfehler als widerlegt angesehen.
38
Auch soweit der Beklagte dem Kläger vorwirft, nicht das Berufsbildungszentrum für Hörgeschädigte in E. besucht zu haben, was ihm eine akademische Ausbildung ermöglicht hätte, sowie keine Fortbildung zum Tischlermeister absolviert zu haben, sind seine Einwendungen ohne hinreichende Substanz.
39
d) Die Revision des Beklagten ist auch unbegründet, soweit das Grundurteil keine zeitliche Beschränkung des Anspruchs des Klägers ausspricht. Richtig ist allerdings, dass der Anspruch eines abhängig Beschäftigten auf Ersatz des Erwerbsschadens auf die voraussichtliche Lebensarbeitszeit zu be- grenzen ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 1995 - VI ZR 165/94, VersR 1995, 1321; vom 26. September 1995 - VI ZR 245/94, VersR 1995, 1447, 1448; vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02, VersR 2004, 653 = r+s 2004, 342 m. Anm. Lemcke). Der Antrag des 1977 geborenen Klägers, ihm eine Verdienstausfall- rente "zunächst einmal bis zum Jahre 2054" zuzuerkennen, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Ohne Erfolg verweist die Revisionserwiderung des Klägers darauf, mit dieser Antragstellung werde einem zu erwartenden Rentenschaden des Klägers Rechnung getragen. Ein Rentenverkürzungsschaden ist nicht Gegenstand der vorliegenden Klage. Seine Ersatzfähigkeit und Berechnung richtet sich auch nicht nach den für den Erwerbsschaden geltenden Maßstäben. Auch wenn der Kläger aktivlegitimiert sein sollte, weil das Schadensereignis vor dem 1. Juli 1983 lag (vgl. §§ 119, 120 Abs. 1 SGB X), kommt der Ersatz eines Rentenverkürzungsschadens nur unter den vom erkennenden Senat entwickelten Voraussetzungen in Betracht (vgl. etwa Urteile vom 12. April 1983 - VI ZR 126/81, BGHZ 87, 181 = VersR 1983, 663 und vom 19. Oktober 1993 - VI ZR 56/93, VersR 1994, 186 f. m.w.N.).
40
Der erkennende Senat entnimmt dem Berufungsurteil indes nicht, dass es eine Entscheidung über die Laufzeit der noch zu berechnenden Verdienstausfallrente enthält. Das Berufungsgericht hat ausweislich des Berufungsurteils ein Grund- und Teilurteil erlassen, weil "mangels Feststellungen zur Höhe des Verdienstausfalls" insoweit die Entscheidungsreife fehle. Da das Grund- und Teilurteil ausschließlich die Frage betrifft, welcher Beruf, den der Kläger hypothetisch hätte ergreifen können, der Schadensberechnung zugrunde zu legen ist, ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Laufzeit der Schadensrente dem Betragsverfahren vorbehalten hat. Dies ist nicht zu beanstanden. Denn die Laufzeit bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schadens.

III.

41
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Braunschweig, Entscheidung vom 27.07.2006 - 4 O 2501/01 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.06.2008 - 1 U 63/06 -

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.