Oberlandesgericht München Endurteil, 20. Nov. 2015 - 10 U 1426/15

published on 20/11/2015 00:00
Oberlandesgericht München Endurteil, 20. Nov. 2015 - 10 U 1426/15
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Landgericht München I, 17 O 4292/10, 05/03/2015

Gericht

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Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 10 U 1426/15

Im Namen des Volkes

Verkündet am 20.11.2015

17 O 4292/10 LG München I

Die Urkundsbeamtin …

In dem Rechtsstreit

1) …

- Kläger, Widerbeklagter und Berufungsbeklagter -

2) …

- Drittwiderbeklagter und Berufungsbeklagter -

3) …

- Drittwiderbeklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigter zu 1 - 3: Rechtsanwalt …

gegen

1) …

- Beklagter, Widerkläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …

2) …

- Beklagte, im Berufungsverfahren nicht beteiligt -

wegen Schadensersatz

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2015 folgendes

Endurteil

I.

Die Berufung des Beklagten zu 1) und Widerklägers gegen das Endurteil des LG München I vom 05.03.2015 (Az. 17 O 4292/10) wird verworfen, soweit damit die Feststellung begehrt wird, dass die Widerbeklagten samtverbindlich verpflichtet sind, dem Widerkläger den aus den beim Unfall erlittenen Verletzungen zukünftig erwachsenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen und soweit begehrt wird, die Beklagten zu verurteilen, an den Widerkläger einen Kleiderschaden in Höhe von 53,43 € nebst Zinsen zu zahlen.

II.

Auf die Berufung des Beklagten zu 1) und Widerklägers wird das Endurteil des LG München I vom 05.03.2015 (Az. 17 O 4292/10) in Nr. 2. und 3. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

2. Die Widerbeklagten werden verurteilt, an den Beklagten zu 1) und Widerkläger samtverbindlich 4.721,70 € sowie weitere 513,45 € jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.03.2010 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 59% alleine, der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagten samtverbindlich 26% und der Beklagte zu 1) und Widerkläger 15% alleine.

Die außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz tragen die Parteien wie folgt:

- die des Klägers der Beklagte zu 1) und Widerkläger zu 15%,

- die der Drittwiderbeklagten der Beklagte zu 1) und Widerkläger zu 35%,

- die des Beklagten zu 1) und Widerklägers der Kläger alleine zu 59% sowie der Kläger und die Drittwiderbeklagten samtverbindlich zu weiteren 26%,

- die der Beklagten zu 2) der Kläger.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 1) und Widerkläger 57% und der Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagten samtverbindlich 43%.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.134,63 festgesetzt.

Gründe

A. Gegenstand des Rechtsstreits sind wechselseitige Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 01.09.2009 gegen 13.35 Uhr in U. auf der Kreuzung der M.-allee mit der G.-straße. Der Drittwiderbeklagte zu 2) kollidierte mit seinem Mercedes Sprinter beim Linksabbiegen mit dem die Kreuzung geradeaus überquerenden VW Crafter des Beklagten zu 1). Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 05.03.2015 (Bl. 249/260 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München 1) gab nach Beweisaufnahme der Widerklage auf der Grundlage einer alleinigen Haftung des Klägers und der Drittwiderbeklagten teilweise statt. Ausgehend vom Gutachten des Sachverständigen Dr. med. M. ging es davon aus, dass der Beklagte zu 1) u. a. eine schwere Kontusion des rechten Kniegelenks mit Knorpelschädigung erlitt, verneinte aber einen Dauerschaden und wies das Feststellungsbegehren hinsichtlich des Zukunftsschadens ab.

Hinsichtlich der weiteren Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Widerkläger am 20.03.2015 zugestellte Urteil hat der Widerkläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 19.04.2015 eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt (Bl. 269/270 d. A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht München am 11.05.2015 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 275/276 d. A.) begründet. Der Widerkläger rügt, dass angesichts der Dauer der Genesung, der durch den Unfall verursachten Einschränkungen und erlittenen Schmerzen das bestimmte Schmerzensgeld zu gering bemessen sei, während der Krankschreibung Einkommenseinbußen entstanden und auszugleichen und die Kosten für die Erholung der Deckungszusage bei der Rechtschutzversicherung zu erstatten seien.

Der Widerkläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

die Widerbeklagten über den ausgeurteilten Betrag hinaus zu verurteilen, weitere 2.275,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2010 sowie weitere 747,80 € an den Widerkläger zu zahlen

sowie festzustellen, dass die Widerbeklagten als Gesamtschuldner auch verpflichtet sind, die dem Widerkläger aus den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen zukünftig erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat nach Erteilung von Hinweisen (Verfügung vom 27.07.2015, Bl. 277/278 d. A. sowie vom 03.09.2015, Bl. 282 d. A.) im Termin vom 30.10.2015 den Sachverständigen Dr. med. M. ergänzend und den Widerkläger informatorisch angehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 30.10.2015 (Bl. 289/292 d. A.) wird verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift und die Berufungserwiderung vom 29.08.2015 (Bl. 279/281 d. A.) Bezug genommen.

B. I. Hinsichtlich des abgewiesenen Feststellungsbegehrens sowie des Kleiderschadens (53,43 € nebst Zinsen) ist die Berufung unzulässig, da es insoweit an einer Berufungsbegründung fehlt. Eine Berufung, deren Begründung nicht den Anforderungen des § 520 III ZPO genügt, ist unzulässig und nach § 522 I ZPO zu verwerfen. Der Berufungsführer hat seinen Antrag nicht auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel nach § 520 III 2 Nr. 4 ZPO gestützt und auch nicht nach § 520 III 2 Nr. 2 und 3 ZPO konkret angeben, aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil in Ziffer I.5. für unrichtig hält. Die pauschale Bezugnahme auf den Sachvortrag oder die Rechtsausführungen I. Instanz stellt keine ausreichende Berufungsbegründung dar (BGH, Urt. v. 29.09.2003 - II ZR 59/02 Rn. 12 = NJW 2004, 66, 67). Der Berufungskläger muss konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen und deshalb ausnahmsweise eine neue Feststellung gebieten oder, wenn er sich gegen eine ihm nachteilige Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts wendet, deutlich machen, dass und aus welchen Gründen er die Beweiswürdigung für unrichtig hält (BGH Beschl. v. 11.03.2014, Az. VI ZB 22/13 [Juris]). Vorliegend geht das Landgericht erkennbar davon aus, dass es am Knie zu keinem Dauerschaden kam und deshalb auch die bloße Möglichkeit künftiger Folgeschäden nicht besteht. Die Berufungsbegründung setzt sich damit nicht auseinander. Auch zum abgewiesenen Kleiderschaden ermangelt es der Berufung jeglicher Begründung.

II. Die im Übrigen statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und auch begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Widerklägers auf weiteres Schmerzensgeld und Verdienstausfall verneint.

a) Zum Schmerzensgeld: Aufgrund der Anhörung des Widerklägers vor dem Senat ist dieser der Überzeugung, dass der Kläger bei starker Belastung, etwa längerem Stehen auf einer Leiter oder längerer Autofahrt auch heute noch unter leichten Schmerzen im Kniegelenk leidet. Dies hat er bereits bei der Anamnese vor dem medizinischen Sachverständigen so angegeben, was von diesem auch als plausibel erachtet wird, da der Kläger bei dem Unfall einen Knorpelschaden erlitt. Der Sachverständige führte aus, dass bei der klinischen Untersuchung 5 Jahre nach dem Unfall keinerlei funktionelle Einschränkungen bestanden und auch keine arthrotische Entwicklung eingetreten war, die Schmerzen - von deren Vorhandensein der Senat aufgrund der Angaben des Klägers überzeugt ist - aber wahrscheinlich dem Unfall zuzuordnen sind (§ 287 ZPO). Der Senat hält daher ein Schmerzensgeld von insgesamt 4.000 € für angemessen.

b) Zum Verdienstausfall: Der Berufungsführer hat unter Vorlage der Gehaltsabrechnungen erläutert, dass im Oktober noch (teilweise) Entgeltfortzahlung erfolgte und im November das zusätzliche Jahresgehalt ausbezahlt wurde und aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich auch die vorgetragene Krankschreibung, auf die der Arbeitnehmer vertrauen darf und vorliegend vertraut hat. Nach Abzug des Krankengeldes verbleibt ein Verdienstausfallschaden in Höhe von 721,70 €.

2. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergeben sich aus dem berechtigten höheren Streitwert in Höhe von 489,45 €. Hinzu kommen die bereits zugesprochenen 24 € Akteneinsichtskosten.

3. Die Kosten für die Erholung der Deckungszusage sind nur erstattungsfähig, wenn die anwaltliche Einschaltung erforderlich und zweckmäßig war, vgl. BGH NJW 2011, 122; 2011, 296; 2912, 296; OLG Saarbrücken, SP 2015, 49. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Senat ist entgegen seiner in der Hinweisverfügung anlässlich der Terminierung angedeuteten Ansicht der Auffassung, dass es dem Beklagten zu 1) trotz der Geltendmachung seiner Ansprüche im Rahmen einer Widerklage als nach der StVO grundsätzlich gegenüber dem Linksabbieger Bevorrechtigtem zumutbar war, zunächst selbst um Deckungszusage bei seiner Rechtsschutzversicherung nachzufragen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I 1 Fall 2, 97 I, 100 II, IV ZPO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.

VI. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.