Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 Ws 38/15

bei uns veröffentlicht am08.12.2015

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

Oberlandesgericht Bamberg

3 Ws 38/15

Beschluss

vom 8. 12. 2015

Zum Sachverhalt:

Der GStA hat mit Bescheid vom 01.09.2015 der Beschwerde der Ast. gegen die Einstellung des Verfahrens vom 29.06.2015 keine Folge gegeben, mit welcher die StA von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach § 152 II StPO abgesehen hat. Gegen den Bescheid vom 01.09.2015 wendet sich die Ast. mit ihrem am 02.10.2015 nebst Anlagen eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom selben Tag. Das OLG hat den Antrag als unzulässig verworfen.

Aus den Gründen:

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

1. Gem. § 172 III 1 StPO muss der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen und Beweismittel angeben, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen. Erforderlich ist eine aus sich selbst heraus verständliche und geschlossene Schilderung eines Sachverhalts, der - seine Richtigkeit unterstellt - zum einen die Zulässigkeit des Antrags selbst, zum anderen bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigen würde. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (st.Rspr.; vgl. zuletzt BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 [bei juris] und BayVerfGH vom 17.11.2015 - Vf. 12-VI-15 [bei juris], jeweils m. w. N.). Aus der gebotenen Sachdarstellung muss sich deshalb neben der Verletzteneigenschaft und damit der Antragsbefugnis des Antragstellers und den tatsächlichen Grundlagen etwaiger Verfahrenshindernisse auch - wenigstens in groben Zügen - der Gang des Ermittlungsverfahrens ergeben. Hierzu zählen neben den Inhalten der angegriffenen Bescheide und den tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, die für ihre Unrichtigkeit sprechen, nicht zuletzt auch Angaben, die es dem Strafsenat des OLG ermöglichen, die Einhaltung der Beschwerdefrist des § 172 I 1 StPO und der Antragsfrist des § 172 II 1 StPO zuverlässig zu überprüfen (KK/Moldenhauer StPO 7. Aufl. § 172 Rn. 38; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. 72 Rn. 27 ff., jeweils m. w. N.). Das OLG soll durch die Erfüllung dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Anforderungen in die Lage versetzt werden, allein aufgrund des Antragsvorbringens, d. h. ohne Blick in die Ermittlungsakten eine Zulässigkeitsprüfung und eine Prüfung der Schlüssigkeit hinsichtlich jedes einzelnen Tatbestandsmerkmals der in Betracht kommenden Strafvorschriften in objektiver und subjektiver Hinsicht vorzunehmen. Die hierfür erforderliche Sachverhaltsschilderung kann deshalb weder ganz noch teilweise durch eine Bezugnahme auf den Akteninhalt oder auf dem Antrag oder der Beschwerdeschrift beigefügte Anlagen oder frühere Stellungnahmen oder Anträge ersetzt werden (OLG Koblenz, Beschl. v. 05.03.2007 - 1 Ws 107/06; OLG Celle NJW 2008, 2202 und 1463 sowie st.Rspr. des Senats, vgl. u. a. OLG Bamberg OLGSt StPO § 172 Nr. 47 und wistra 2012, 279).

2. Diesen Anforderungen genügt die anwaltlich verfasste Antragsschrift nicht.

a) Zwar werden in ihr durchaus alle für die Überprüfung der Einhaltung von Vorschaltbeschwerde- und Antragsfrist relevanten Daten des anhängigen Verfahrens ausdrücklich mitgeteilt. Aus der Antragsbegründung geht indes nicht hervor, weshalb die StA mit Verfügung vom 29.06.2015 bereits von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 152 II StPO abgesehen hat. Die Antragsschrift verschweigt insoweit nämlich, dass von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens „insbesondere“ deswegen abgesehen wurde, weil gegen den Besch. „auf Strafanzeige der Anzeigeerstatterin [...] bereits unter dem Az. 112 Js 123456/15 ein Verfahren geführt [wurde], welches gemäß § 170 II StPO eingestellt wurde, da das zur Anzeige gebrachte Verhalten keinen Straftatbestand erfüllte“.

b) Da sich die Antragsbegründung auch sonst mit keinem Wort mit dem in der Einstellungsverfügung vom 29.06.2015 ausdrücklich in Bezug genommenen (früheren) Ermittlungsverfahren auseinandersetzt, bleibt für den Senat völlig ungewiss, ob sich die Ast. bereits gegen die dort erfolgte Einstellung des Verfahren mit der Beschwerde und einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt oder aber von der Möglichkeit der (fristgerechten) Beschwerde und eines (fristgerecht anzubringenden) Antrags auf gerichtliche Entscheidung bewusst keinen Gebrauch gemacht hat. Aufgrund des unvollständigen Antragsvorbringens kann der Senat deshalb nicht ausschließen, dass es sich bei der neuerlichen Antragstellung entweder um die unzulässige Wiederholung eines bereits gestellten Klageerzwingungsantrags handelt (vgl. u. a. OLG Bamberg, Beschl. v. 28.01.2015 - 3 Ws 61/14; OLG Celle, Beschl. v. 25.10.2011 - 2 Ws 289/11 [bei juris]; OLG Rostock, Beschl. v. 13.05.2004 - I Ws 46/04 [bei juris]; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 268; OLG Köln NStZ 2003, 682 f.; Meyer-Goßner/Schmitt § 172 Rn. 37, jeweils m. w. N.) oder aber mit Hilfe der ‚neuen‘ Anzeigeerstattung die Monatsfrist nach § 172 II 1 StPO umgangen worden ist (OLG Stuttgart NStZ-RR 1997, 177 = Justiz 1997, 144; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.1999 - 1 Ws 624/99 = NStZ-RR 2000, 146 [Ls]; vgl. auch OLG Düsseldorf wistra 1991, 40 und schon OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.02.1989 - 1 Ws 998/88 [bei juris]).

aa) § 172 II 1 StPO macht die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung von der Wahrung der Monatsfrist ab Bekanntgabe des Beschwerdebescheids abhängig. Die Frist soll gerade verhindern, dass der Verletzte - ohne an zeitliche Schranken gebunden zu sein - wiederholt durch neue Strafanzeigen in derselben Sache das Klageerzwingungsverfahren gegen den Beschuldigten betreiben und dessen Rechtsfrieden dadurch stören kann. Der Rechtsbehelf ist deshalb nach Ablauf der Monatsfrist als ‚verbraucht‘ anzusehen, sofern der Anzeigeerstatter nicht neue Tatsachen oder Beweismittel benennt und die StA sowie der GStA die Wiederaufnahme der Ermittlungen abgelehnt haben. In diesem Fall ergeht keine ‚neue‘ staatsanwaltschaftliche Entscheidung in der Sache; vielmehr wird auf die früheren Bescheide Bezug genommen. Eine solche Formalentscheidung kann jedoch den Weg ins Klageerzwingungsverfahren nicht erneut eröffnen.

bb) Nichts anderes kann mit Blick auf den mit der Monatsfrist bezweckten Vertrauensschutz des Beschuldigten und den Gedanken der Rechtssicherheit gelten, wenn der Anzeigeerstatter in dem früheren Ermittlungsverfahren den ihm dort aufgezeigten Weg des Klageerzwingungsverfahrens nicht beschritten hat und die Monatsfrist des § 172 II 1 StPO hat ungenutzt verstreichen lassen (treffend OLG Stuttgart a. a. O.; vgl. auch KG, Beschl. v. 14.11.2001 - 3 Ws 562/01 [bei juris], jeweils m. w. N.).

II. Nachdem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bereits aus formellen Gründen keinen Erfolg hat, ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 172 Beschwerde des Verletzten; Klageerzwingungsverfahren


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(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu. Durch die Einlegung der Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft wird die Frist gewahrt. Sie läuft nicht, wenn die Belehrung nach § 171 Satz 2 unterblieben ist.

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen. Hierüber und über die dafür vorgesehene Form ist er zu belehren; die Frist läuft nicht, wenn die Belehrung unterblieben ist. Der Antrag ist nicht zulässig, wenn das Verfahren ausschließlich eine Straftat zum Gegenstand hat, die vom Verletzten im Wege der Privatklage verfolgt werden kann, oder wenn die Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 Satz 1, 7 oder § 153b Abs. 1 von der Verfolgung der Tat abgesehen hat; dasselbe gilt in den Fällen der §§ 153c bis 154 Abs. 1 sowie der §§ 154b und 154c.

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; für die Prozeßkostenhilfe gelten dieselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gericht einzureichen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig. Die §§ 120 und 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes sind sinngemäß anzuwenden.