Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 10. März 2016 - 3 Ss OWi 88/16

bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Zum Sachverhalt:

Wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h setzte die Zentrale Bußgeldstelle gegen den Betr. mit Bußgeldbescheid vom 08.04.2015 gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 120 Euro fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das AG mit Urteil vom 07.09.2015 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Hiergegen richtet sich die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, deren Zulassung er beantragt. Das Rechtsmittel erwies sich als erfolglos.

Gründe

Der nach § 80 I OWiG statthafte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Da gegen den Betr. lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 250 Euro festgesetzt worden ist, darf die Rechtsbeschwerde nach § 80 I OWiG nur zugelassen werden, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

1. Die Verfahrensrüge dringt nicht durch. Mit ihr beanstandet der Betr., dass das AG seinen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen nicht verbeschieden, seinen Einspruch zu Unrecht nach § 74 II OWiG verworfen und dadurch den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Ihr liegt folgendes, durch den Akteninhalt bestätigtes Verfahrensgeschehen zugrunde:

a) Im Rahmen seiner Anhörung durch die Zentrale Bußgeldstelle wegen des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs gab der Verteidiger dieser gegenüber mit Schriftsatz vom 13.03.2015, eingegangen am 20.03.2015, eine Stellungnahme für den Betr. ab. Gleichzeitig gab er eine Erklärung des Betr. weiter, in welcher dieser seine Fahrereigenschaft einräumte und die Richtigkeit der Messung bezweifelte. Die Erklärung des Betr. endete mit folgenden Worten: „Weitere Äußerungen gebe ich nicht ab. Ich würde auch in einer Hauptverhandlung nichts sagen, wenn es zum Erlass eines Bußgeldbescheids käme, gegen den mein Verteidiger Einspruch einlegen wird. Dass ich einen Hauptverhandlungstermin bei einem Gericht nicht wahrnehmen möchte, bei dem es sich wahrscheinlich um das für den Tatort zuständige AG handelt, dürfte selbstverständlich sein. Die Kosten für eine Fahrt dorthin einschließlich Rückfahrt sind viel zu hoch.“ Am 08.04.2015 erließ die Zentrale Bußgeldstelle gegen den Betr. einen Bußgeldbescheid, der am 10.04.2015 zugestellt wurde. Der Verteidiger des Betr. legte namens und in Vollmacht des Betr. am 21.04.2015 gegen diesen Einspruch ein. Nach Eingang der Akten beim AG bestimmte dieses mit Verfügung vom 16.07.2015 Termin zur Hauptverhandlung auf den 07.09.2015. Bis zur Urteilsfällung durch das AG gaben weder der Betr. noch sein Verteidiger weitere Erklärungen ab. Nachdem zum Hauptverhandlungstermin weder der Betr. noch sein Verteidiger erschienen waren, verwarf das AG den Einspruch des Betr. nach § 74 II OWiG ohne Verhandlung zur Sache.

b) Die zulässig erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet. Die Entscheidung des AG entsprach der Rechtslage. Der Betr. hatte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens einen wirksamen Entbindungsantrag gestellt mit der Folge, dass das Gericht ihn auch nicht nach § 73 II OWiG von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbinden durfte. Die im Verwaltungsverfahren am 20.03.2015 vor der Verwaltungsbehörde abgegebene und später nicht mehr wiederholte Erklärung des Betr. war unwirksam, soweit mit ihr ein Entbindungsantrag gestellt werden sollte.

aa) Auch wenn das Gesetz einen Zeitpunkt für die Antragstellung nicht ausdrücklich bestimmt, folgt aus dem Zweck der Regelung des § 73 II OWiG und der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung im Ordnungswidrigkeitenverfahren, dass ein Entbindungsantrag frühestens mit der Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid wirksam gestellt werden kann (vgl. Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 73 Rn. 4; BeckOK-Hettenbach OWiG [Edit. 11] § 73 Rn. 4; Bohnert/Krenberger/Krumm OWiG 4. Aufl. § 73 Rn. 13; im Ergebnis ebenso für das Strafverfahren: Müko/Arnoldi StPO [2016] § 233 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 233 Rn. 4; LR/Becker StPO 26. Aufl. § 233 Rn. 9 [frühestens mit Eröffnung des Hauptverfahrens]; SK/Deiters StPO 5. Aufl. § 233 Rn. 7 [ab Rechtshängigkeit]).

bb) Für die Zentrale Bußgeldstelle, an die der Entbindungsantrag noch im Vorverfahren adressiert war, bestand keine Zuständigkeit zur Verbescheidung des Antrags. Dieser war auch nicht auf die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gerichtet. Eine Weiterleitung des Antrags kam ebenfalls nicht in Betracht, da es auch anderen öffentlichen Stellen an einer Zuständigkeit zur Verbescheidung des Antrags fehlte und - anders als bei Antragstellung zeitgleich mit Einspruchseinlegung - nicht absehbar war, ob eine Hauptverhandlung überhaupt stattfinden und eine solche Zuständigkeit jemals eintreten würde. Es liegt auf der Hand, dass ein Antrag, der aus Rechtsgründen nicht verbeschieden werden kann, auch keine Wirksamkeit entfalten kann. Da die schwebende Unwirksamkeit eines gestellten Antrags dem Gesetz fremd ist, lebte dieser auch mit Übersendung der Akten an das Gericht nach Erlass des Bußgeldbescheids und Einspruchseinlegung nicht etwa automatisch wieder auf.

2. Die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 I OWiG) bestehen offensichtlich nicht und werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht. [wird ausgeführt]

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 10. März 2016 - 3 Ss OWi 88/16 zitiert 3 §§.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 74 Verfahren bei Abwesenheit


(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen

Referenzen

(1) Die Hauptverhandlung wird in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt, wenn er nicht erschienen ist und von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war. Frühere Vernehmungen des Betroffenen und seine protokollierten und sonstigen Erklärungen sind durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen. Es genügt, wenn die nach § 265 Abs. 1 und 2 der Strafprozeßordnung erforderlichen Hinweise dem Verteidiger gegeben werden.

(2) Bleibt der Betroffene ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war, hat das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen.

(3) Der Betroffene ist in der Ladung über die Absätze 1 und 2 und die §§ 73 und 77b Abs. 1 Satz 1 und 3 zu belehren.

(4) Hat die Hauptverhandlung nach Absatz 1 oder Absatz 2 ohne den Betroffenen stattgefunden, so kann er gegen das Urteil binnen einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist nachsuchen. Hierüber ist er bei der Zustellung des Urteils zu belehren.