Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 17. März 2016 - 3 Ss OWi 360/16

bei uns veröffentlicht am17.03.2016

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

Zum Sachverhalt:

Mit Bußgeldbescheid vom 21.08.2015 wurde gegen den Betr. wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 60 km/h eine Geldbuße in Höhe von 480 € festgesetzt sowie ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 IIa StVG verhängt. Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung regte die Verteidigerin des Betr. mit Schriftsatz vom 29.12.2015 an, im Beschlusswege gemäß § 72 OWiG dahin zu entscheiden, dass von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen eine angemessene Erhöhung der Geldbuße abgesehen werde; mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer Hauptverhandlung bestehe Einverständnis. Schließlich wurde der Einspruch ausdrücklich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das AG hat mit Beschluss vom 05.01.2016 gegen den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 60 km/h eine Geldbuße von 240 € festgesetzt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 IIa StVG verhängt. Mit seiner gegen diesen Beschluss gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Sein Rechtsmittel erwies sich als erfolglos.

Aus den Gründen:

I. Die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. ergeben.

1. Die formelle Rüge, mit der beanstandet wird, dass das AG nicht im Beschlusswege nach § 72 OWiG habe entscheiden dürfen, weil kein unbedingtes Einverständnis des Betr. hierzu vorgelegen habe, ist unbegründet. Die Entscheidung im Beschlusswege nach § 72 OWiG ist nicht zu beanstanden, weil der Betr. sein unbedingtes Einverständnis hierzu erklärt hat. Die mit Schriftsatz der Verteidigung vom 29.12.2015 erklärte Zustimmung kann nur dahingehend interpretiert werden, dass sie nicht von einer Bedingung abhängig gemacht wurde.

a) In Fällen der vorliegenden Art ist im Einzelfall zu entscheiden, ob Erklärungen des Betr., die seinem Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren hinzugefügt werden, als wirkliche Bedingungen oder lediglich Anregungen anzusehen sind (Göhler/Seitz OWiG 16. Aufl. § 72 Rn. 22; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 03.09.2015 - 3 Ss OWi 1062/15 = ZfS 2016, 170).

b) Indessen belegt bereits der klare Wortlaut der schriftsätzlichen Erklärung eindeutig ein unbedingtes Einverständnis des Betr. Eingangs des Schriftsatzes vom 29.12.2015 wird explizit „angeregt“, im Beschlusswege zu entscheiden, dass von der Verhängung eines Fahrverbotes gegen eine angemessene Erhöhung der Geldbuße abgesehen werde. Schon diese Ausdrucksweise spricht dafür, dass es sich bei dem angestrebten Wegfall des Fahrverbots um eine bloße Wunschvorstellung im Sinne einer Anregung, nicht aber um eine Bedingung für die Entscheidung im Beschlusswege handelte. Hinzu kommt, dass im folgenden Satz - ohne jede Einschränkung und ohne jede Bezugnahme auf die vorhergehende Anregung - das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer Hauptverhandlung erklärt wird. Bei dieser Sachlage hätte es sich geradezu aufgedrängt, durch die sprachliche Darstellung zu erkennen zu geben, dass nur für den Fall der Verhängung der gewünschten Rechtsfolgen das Einverständnis erklärt werden soll, zumal die Erklärung von der rechtskundigen Verteidigerin und nicht vom Betr. selbst übermittelt wurde. Nachdem dies gerade nicht geschehen ist und stattdessen das Einverständnis in einem gesondert abgesetzten Satz erklärt wurde, kann der Inhalt des Schriftsatzes nur so verstanden werden, dass das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gerade nicht unter einer Bedingung stand.

c) Ferner spricht zweifelsfrei gegen eine Bedingung, dass die gewünschte Rechtsfolge teilweise gar nicht konkret bezeichnet wird. Zwar wird die Zielvorstellung in Bezug auf das Fahrverbot hinreichend präzise benannt. Allerdings wird auch zu erkennen gegeben, dass (lediglich) eine „angemessene“ Erhöhung der Geldbuße angeregt werde. Nachdem die Höhe der zu verhängenden Geldbuße gerade nicht konkret beziffert wird, ergäbe die Auslegung der Erklärung als echte Bedingung gerade keinen Sinn, weil die Frage des Bedingungseintritts offenbliebe.

d) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, weshalb aus der Sicht des Betr., der den für ihn relevanten Sachvortrag in Bezug auf das Fahrverbot und die zugehörigen Unterlagen dem Gericht schriftsätzlich übermittelt hat, die Durchführung einer Hauptverhandlung geeignet gewesen sein soll, die Entscheidung des Gerichts in seinem Sinne beeinflussen zu können.

e) Bei der gebotenen Gesamtschau hat das AG mithin zu Recht den Schluss gezogen, dass das Einverständnis des Betr. mit einer Entscheidung im Beschlussverfahren nicht daran gebunden war, dass das Fahrverbot entfällt.

2. Auch deckt die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses auf die Sachrüge hin keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betr. im Rechtsfolgenausspruch auf.

a) Aufgrund der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch stand nur noch dieser zur Überprüfung. Die Höhe der Geldbuße und das verhängte Regelfahrverbot entsprechen der Sach- und Rechtslage bei einem fahrlässigen Verstoß (vgl. 11.3.8 BKat).

b) Dass das AG lediglich die Regelgeldbuße für eine fahrlässige Tatbegehung verhängt hat, beschwert den Betr. nicht. An einer Erhöhung der Geldbuße sieht sich der Senat durch § 358 II 1 StPO i. V. m. § 79 III 1 OWiG gehindert.

c) Anhaltspunkte, die es geboten erscheinen ließen, von der Verhängung des Regelfahrverbots ausnahmsweise abzusehen, hat das AG in rechtsfehlerfreier Weise ausgeschlossen.

II. Allerdings war der Tenor der angefochtenen Entscheidung zum Schuldspruch dahingehend zu berichtigen, dass der Betr. der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig ist. Nachdem der Bußgeldbescheid von vorsätzlicher Begehung ausging und der Einspruch wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, durfte das AG wegen der damit eingetretenen horizontalen Teilrechtskraft die dem Schuldspruch zugrundeliegende Schuldform nicht mehr abändern (OLG Bamberg, Beschl. v. 31.03.2005 - 2 Ss OWi 78/05 = NJW 2006, 627 = DAR 2006, 399 und vom 19.10.2007 - 3 Ss OWi 1344/07 = VRS 113 [2007], 357 = NStZ-RR 2008, 119). [...]

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 17. März 2016 - 3 Ss OWi 360/16 zitiert 4 §§.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 72 Entscheidung durch Beschluß


(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solch

Referenzen

(1) Hält das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich, so kann es durch Beschluß entscheiden, wenn der Betroffene und die Staatsanwaltschaft diesem Verfahren nicht widersprechen. Das Gericht weist sie zuvor auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens und des Widerspruchs hin und gibt ihnen Gelegenheit, sich innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Hinweises zu äußern; § 145a Abs. 1 und 3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Das Gericht kann von einem Hinweis an den Betroffenen absehen und auch gegen seinen Widerspruch durch Beschluß entscheiden, wenn es den Betroffenen freispricht.

(2) Geht der Widerspruch erst nach Ablauf der Frist ein, so ist er unbeachtlich. In diesem Falle kann jedoch gegen den Beschluß innerhalb einer Woche nach Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den gleichen Voraussetzungen wie gegen die Versäumung einer Frist beantragt werden; hierüber ist der Betroffene bei der Zustellung des Beschlusses zu belehren.

(3) Das Gericht entscheidet darüber, ob der Betroffene freigesprochen, gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt, eine Nebenfolge angeordnet oder das Verfahren eingestellt wird. Das Gericht darf von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen abweichen.

(4) Wird eine Geldbuße festgesetzt, so gibt der Beschluß die Ordnungswidrigkeit an; hat der Bußgeldtatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur Bezeichnung der Ordnungswidrigkeit verwendet werden. § 260 Abs. 5 Satz 1 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend. Die Begründung des Beschlusses enthält die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit sieht. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Ferner sind die Umstände anzuführen, die für die Zumessung der Geldbuße und die Anordnung einer Nebenfolge bestimmend sind.

(5) Wird der Betroffene freigesprochen, so muß die Begründung ergeben, ob der Betroffene für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die als erwiesen angenommene Tat nicht als Ordnungswidrigkeit angesehen worden ist. Kann der Beschluß nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist.

(6) Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn die am Verfahren Beteiligten hierauf verzichten. In diesem Fall reicht der Hinweis auf den Inhalt des Bußgeldbescheides; das Gericht kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen zusätzliche Ausführungen machen. Die vollständigen Gründe sind innerhalb von fünf Wochen zu den Akten zu bringen, wenn gegen den Beschluß Rechtsbeschwerde eingelegt wird.