Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Feb. 2015 - 3 OLG 6 Ss 10/15

bei uns veröffentlicht am18.02.2015

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

Das AG hat den Angekl. wegen Nötigung in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, gebildet aus Einzelstrafen von jeweils 1 Jahr, verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Angekl. hat das LG das Urteil des AG aufgehoben, den Angekl. wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt der Angekl. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Gründe

I.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision hat bereits mit der materiellen Rüge Erfolg, so dass es auf die formelle Rüge nicht mehr ankommt.

[2 ] 1. Die Beweiswürdigung des LG ist lückenhaft.

[3 ] a) Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist allein dessen Aufgabe, den Sachverhalt festzustellen und die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu würdigen. Er hat insoweit ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu überprüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Tathergang überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Allein in seinen Verantwortungsbereich fällt es, mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus Tatsachen zu ziehen und festzulegen, unter welchen Voraussetzungen er zur Überzeugung kommt. Die Beweiswürdigung ist der Überprüfung durch das Revisionsgericht allerdings dann zugänglich, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist sowie wenn sie gegen Denkgesetze oder allgemein gültige zwingende Regeln der Lebenserfahrung verstößt.

[4 ] b) Das Urteil leidet an einem Erörterungsmangel, weil es nicht darlegt, aus welchen Gründen das Gericht die Aussage des Zeugen K., soweit der Angekl. verurteilt wurde, für glaubhaft hielt, obwohl es sich bei gleicher Beweissituation nicht von der Richtigkeit des Tatvorwurfs überzeugen konnte, soweit der Angekl. freigesprochen wurde. Kann sich das Gericht trotz der Aussage des Belastungszeugen nicht von der Richtigkeit des Tatvorwurfs überzeugen, hat es zu erläutern, warum dieser Umstand keinen Einfluss auf die Glaubhaftigkeit der weitergehenden Aussage des Zeugen zu einem gleichartigen Tatgeschehen hat. Ansonsten leidet das Urteil an einem Erörterungsmangel (BGH, Urt. v. 10.10.2013 - 4 StR 135/13 = NStZ-RR 2014, 15 = StraFo 2014, 25).

[5 ] c) Das angefochtene Urteil beruht maßgeblich auf den Angaben des Verletzten K. Nach den Urteilsgründen waren die weiteren Beweismittel lediglich geeignet, die Richtigkeit seiner Aussage indiziell zu untermauern. Feststellungen zur Tathandlung selbst konnte das Gericht jedoch nur aus der Aussage des Tatopfers gewinnen. Dabei stellte sich die Beweissituation in den beiden dem Angekl. zur Last liegenden Anklagepunkten jeweils gleich dar. Im Hinblick darauf hätte das LG nachvollziehbar darlegen müssen, warum es der Aussage des Zeugen Glauben schenke, obwohl gleichzeitig dessen Aussage zu einem identischen Tatkomplex nicht zur Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichte. Die schlichte Feststellung, dass der Angekl. von einem Tatvorwurf „aus tatsächlichen Gründen freizusprechen“ gewesen sei, genügt zwar formell den Urteilsanforderungen an den Teilfreispruch (§ 267 V 2 StPO), war jedoch im Hinblick auf die Verurteilung nicht ausreichend.

[6 ] 2. Ungeachtet des aufgezeigten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das LG in zweifacher Weise § 331 I StPO nicht beachtet hat. Zum einen hat die Berufungskammer dadurch gegen das Verschlechterungsverbot aus § 331 I StPO verstoßen, dass es die vom AG zugebilligte Strafaussetzung zur Bewährung versagt hat. Zum anderen hat sie den Angekl. wegen eines Delikts zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, obwohl das AG für jede der beiden Taten lediglich eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr verhängt hatte. Da das Verbot der ‚reformatio in peius‘ nicht nur eine Erhöhung der Gesamtstrafe, sondern auch eine solche der Einzelstrafen ausschließt (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 19.11.2014 - 3 OLG 8 Ss 152/14 und v. 16.10.2014 - 3 OLG 7 Ss 132/14 [bei juris]; vgl. ferner Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 331 Rn. 18, jeweils m. w. N.), hätte das Berufungsurteil trotz der zulässigen Änderung des Schuldspruchs nicht auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten erkennen dürfen.

II.

[7 ] Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil auf die Revision des Angekl. aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen (§§ 349 IV, 353 I, 354 II 1 StPO).

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2013 - 4 StR 135/13

bei uns veröffentlicht am 10.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 135/13 vom 10. Oktober 2013 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober 2013, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am B

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 135/13
vom
10. Oktober 2013
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Oktober
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Dezember 2012 wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, den Beschuldigten im Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Ihm war vorgeworfen worden, im Zustand der Schuldunfähigkeit eine gefährliche Körperverletzung und eine versuchte schwere Brandstiftung begangen zu haben. Der Beschuldigte soll unter dem Einfluss einer exazerbierten paranoiden Schizophrenie eine 82-jährige demenzkranke Frau zu Boden gestoßen, sie mit den beschuhten Füßen getreten und in seiner Wohnung einen Vorhang in Brand gesetzt haben. Aufgrund der Erkrankung seien in Zukunft von ihm weitere schwerwiegende Aggressionshandlungen und Brandstiftungen zu erwarten. Gegen die Ablehnung der Unterbringung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revision. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen leidet der zur Tatzeit 47 Jahre alte Beschuldigte seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie. Im Jahr 1988 hielt er sich erstmals freiwillig für mehrere Monate in einem psychiatrischen Krankenhaus auf. Anfang des Jahres 1999 wurde für ihn eine gesetzliche Betreuung eingerichtet. In der Folgezeit kam es bei dem Beschuldigten bis August 2007 immer wieder zu freiwilligen Klinikaufenthalten und Einweisungen nach Betreuungsrecht. Teilweise gingen den Einweisungen auch Polizeieinsätze voraus. Zwei gegen den Beschuldigten in den Jahren Jahr 2001 und 2002 wegen Sachbeschädigung , Bedrohung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Beleidigung, Körperverletzung und Volksverhetzung eingeleitete Ermittlungsverfahren wurden jeweils wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Aus dem gleichen Grund stellte die Staatsanwaltschaft im April 2004 ein gegen ihn wegen des Verdachts des Diebstahls geführtes Ermittlungsverfahren ein.
3
Am 1. Dezember 2008 bezog der Beschuldigte eine eigene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit Anbindung an eine Betreuungseinrichtung. Die erforderlichen Medikamente bekam er durch eine Klinikambulanz verabreicht. Zu stationären Behandlungen kam es in der Folgezeit nicht mehr. Ab Anfang des Jahres 2010 nahm er an einer ABM-Maßnahme teil. Obgleich der Beschuldigte Anfang 2011 seinen Arbeitsplatz gekündigt, den Kontakt zu der Betreuungseinrichtung abgebrochen und die Medikation abgesetzt hatte, kam es zunächst nicht zu Auffälligkeiten.
4
Der Beschuldigte wohnt seit Ende des Jahres 2008 auf der gleichen Etage mit der jetzt 82 Jahre alten Rentnerin R. W. . Er ging mit FrauW.
des Öfteren spazieren, übernahm für sie das Wäschewaschen und die Einkäufe. Hierfür erhielt er von ihr deren Bankkarte und die zugehörige Geheimzahl. R. W. litt spätestens seit Ende des Jahres 2010 an seniler Demenz und stand deshalb seit Anfang des Jahres 2011 unter gesetzlicher Betreuung. Der Beschuldigte erkannte die Erkrankung nicht und empfand ihre sich häufenden Bitten um Gefälligkeiten als aufdringlich. Nachdem R. W. Ende 2011 im Auftrag ihrer Betreuerin die Bankkarte zurückgefordert hatte, kam es am 15. Januar 2012 in ihrer Wohnung zu einem Streit zwischen dem Beschuldigten und ihrer Tochter M. W. . In dessen Verlauf forderte der sich zu Unrecht verdächtigt fühlende Beschuldigte in aggressivem Ton Geld für seine Tätigkeiten und riss ein Telefon aus der Wand.
5
Am 17. Januar 2012 stritt der Beschuldigte aus einem nicht mehr aufklärbaren Grund mit R. W. in ihrer Wohnung. Dabei versetzte er ihr – Verletzungenbilligend in Kauf nehmend – einen Stoß, durch den sie zu Boden fiel. Anschließend kehrte er in seine Wohnung zurück. Frau W. erlitt durch den Sturz ein Hämatom im Bereich des linken Ellenbogens mit einer offenen Schürfung, multiple Hämatome im Bereich des linken Ober- und Unterarms , ein deutliches Monokelhämatom am linken Auge sowie Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule.
6
Als kurze Zeit später von einem Nachbarn alarmierte Polizeibeamte an der Tür zur Wohnung des Beschuldigten klopften und ihn lautstark baten, die Tür zu öffnen, lehnte er dies ab. Daraufhin wurde seine Wohnung umstellt. Nachdem in der Wohnung ein Feuerschein sichtbar geworden war, traten die Polizeibeamten die Wohnungstür ein. Zeitgleich sprang der Beschuldigte aus dem Fenster und wurde festgenommen. In der Wohnung brannte ein zweiteiliger Vorhang vor dem Fenster des Wohn-/Schlafbereichs. Der Brand konnte von einem Polizeibeamten mit dem Wasser aus einem zuvor von dem Beschuldigten im Badezimmer befüllten Wassereimer gelöscht werden. Durch das Feuer war der linke Teil des Vorhangs nahezu vollständig abgebrannt. Außerdem kam es zu Brandspuren auf einem Tisch, Einbrandspuren auf dem mit dem Estrich nicht fest verbundenen PVC-Boden und Rußanhaftungen an einem Heizkörper. Die Wohnung blieb zu Wohnzwecken nutzbar. Das Landgericht hat einen technischen Defekt als Brandursache ausgeschlossen. Ob der Brand von dem Beschuldigten fahrlässig oder vorsätzlich verursacht worden ist, hat es nicht sicher festzustellen vermocht. Es hat deshalb zu seinen Gunsten eine fahrlässige Brandverursachung angenommen.
7
Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil von Frau W. als Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewertet. Die Annahme einer vollendeten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB hat es mit der Begründung verneint, dass ein selbstständiges Weiterbrennen wesentlicher Gebäudeteile nicht festzustellen gewesen sei. Für eine versuchte schwere Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 StGB) fehle es an dem erforderlichen Vorsatz. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB lägen nicht vor. Zwar sei davon auszugehen, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei der Begehung der Anlasstat aufgrund einer akuten Exazerbation der bei ihm seit vielen Jahren bestehenden und zuletzt medikamentös unbehandelten paranoiden Schizophrenie aufgehoben gewesen sei, doch könne ihm die für eine Unterbringung erforderliche Gefahrenprognose nicht gestellt werden.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
9
1. Die geltend gemachten Verfahrensrügen sind nicht zulässig erhoben.
10
a) Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, weil es bedeutsame, zum Inbegriff der Hauptverhandlung gewordene Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Zeugen KHK D. unerörtert gelassen hat, ist nicht mit einem dem Bestimmtheitserfordernis des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Tatsachenvortrag unterlegt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1974 – 1 StR 586/73, BGHSt 25, 272, 274; Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 344 Rn. 85 mwN). Die Revision führt dazu lediglich aus, es sei „da- von auszugehen“, dass der Zeuge KHK D. auch dazu gehört wurde,was der Beschuldigte ihm gegenüber berichtet hat. Dieser Wendung kann schon nicht die bestimmte Behauptung entnommen werden, der Zeuge habe in der Hauptverhandlung auch tatsächlich ausgesagt, dass sich der Beschuldigte ihm gegenüber in der von der Revision für beweiserheblich erachteten Weise geäußert hat.
11
Dessen ungeachtet scheitert die Rüge auch deshalb, weil eine Aussage des Zeugen KHK D. mit dem von der Revision für erörterungspflichtig erachteten Inhalt verfahrensrechtlich nicht bewiesen ist. Weder dem Protokoll noch dem Urteil kann etwas dazu entnommen werden. Einem anderweitigen Nachweis stünde das vom Revisionsgericht zu beachtende Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme entgegen (BGH, Beschluss vom 11. März 2009 – 5 StR 40/09, NStZ-RR 2009, 180; Beschluss vom 3. September 1997 – 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 213 f.).
12
b) Die Beschwerde, das Landgericht habe sich nicht ausreichend mit den seiner Bewertung entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. zur Gefahrenprognose auseinandergesetzt und dadurch gegen seine Erörterungspflicht aus § 261 StPO verstoßen, dringt nicht durch, weil die zu ihrer Rechtfertigung vorgebrachten Tatsachen verfahrensrechtlich nicht bewiesen werden können.
13
Das Landgericht hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen nicht auszuschließen vermocht, dass der Beschuldigte bei Absetzen der erforderlichen Medikation wieder in einen Zustand geraten kann, in welchem er aufgrund einer erneuten Exazerbation seiner paranoiden Psychose seine Reaktionen nicht angemessen zu kontrollieren vermag. Soweit die Revision behauptet, der Sachverständige habe in der Hauptverhandlung weitere – inhaltlich abweichende – beweiserhebliche Ausführungen zur Gefahrenprognose des Beschuldigten gemacht, findet sich dafür weder in den Urteilsgründen noch im Protokoll eine Bestätigung. Einem anderweitigen Nachweis steht auch hier – wie der Generalbundesanwalt zu Recht ausgeführt hat – das Verbot der Rekonstruktion der Beweisaufnahme entgegen.
14
2. Die auf die Sachrüge vorzunehmende Überprüfung des Urteils hat keine durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
15
a) Die auf den Zweifelsgrundsatz gestützte Verneinung einer vorsätzlichen Brandlegung ist rechtlich bedenkenfrei.
16
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Vermag er – wiehier – Zweifel an einer (vorsätzlichen) Täterschaft des Beschuldigten nicht zu überwinden , ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lücken- haft ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 5 StR 466/12, Rn. 10; Urteil vom 16. August 2012 – 3 StR 180/12, NStZ-RR 2013, 20; Urteil vom 20. Februar 2008 – 5 StR 564/07, NStZ-RR 2008, 180).
17
Daran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlicher Überprüfung stand.
18
aa) Soweit die Revision meint, das Landgericht sei verpflichtet gewesen, das „frühere Einlassungsverhalten des Angeklagten“ im Urteil wiederzugeben, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Das Landgericht hat keine Feststellung getroffen oder Wertung vorgenommen, die ohne eine Kenntnis des Aussageverhaltens des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren nicht nachvollzogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Anhaltspunkte für die von der Revision vorgetragenen Widersprüche im Aussageverhalten des Beschuldigten, die der Darlegung und Erörterung bedurft hätten, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Der Verzicht auf die Wiedergabe der früheren Angaben in den Urteilsgründen verstößt daher nicht gegen die an dem Erfordernis der rationalen Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung zu messende Darstellungspflicht (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 186/07, NStZ-RR 2008, 148, 149 f.).
19
bb) Die Annahme des Landgerichts, die Brandursache sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar, beruht auf möglichen Schlussfolgerungen und einer Gesamtwürdigung aller im Urteil aufgeführten Indizien. Das Landgericht hat auch keine wesentlichen Gesichtspunkte außer Acht gelassen, die eine andere Bewertung des Geschehens nahegelegt hätten. So ergeben die Urteils- gründe nicht, dass die hoch emotionale Auseinandersetzung mit der Zeugin R. W. vor dem Brandgeschehen eine aussagekräftige Indizwirkung für eine vorsätzliche Brandlegung hatte und deshalb in diesem Zusammenhang erörterungsbedürftig war. Soweit die Revision nähere „Feststellungen“ zur Plausibilität der Einlassung des Beschuldigten vermisst (Erforderlichkeit einer Kerzenbeleuchtung, Wegrollen der weiter brennenden Kerze usw.), ist die revisionsrechtliche Überprüfung – mangels erhobener Verfahrensrügen nach § 244 Abs. 2 StPO – auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils beschränkt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2007 – 5 StR 186/07, NStZ-RR 2008, 148, 149; vgl. Beschluss vom 17. März 1988 – 1 StR 361/87, BGHSt 35, 238, 241; Sander in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 186 mwN). Da auch der angehörte Brandsachverständige das Umfallen einer Kerze als Brandursache nicht auszuschließen vermocht hat, kann kein durchgreifender Rechtsfehler darin gesehen werden, dass das Landgericht diese Form der Brandlegung als möglich in Betracht gezogen hat, ohne die Einlassung des Beschuldigten noch einer ins Einzelne gehenden Plausibilitätsüberprüfung zu unterziehen. Zudem durften die rechtsfehlerfrei festgestellten Löschanstrengungen des Beschuldigten als ein zusätzliches und aussagekräftiges Indiz gegen eine vorsätzliche Brandlegung herangezogen werden.
20
cc) Schließlich offenbart auch der Umstand, dass in den Urteilsgründen nicht näher mitgeteilt wird, warum der als Zeuge vernommene Brandermittler der Polizei KHK D. am Morgen nach dem Vorfall „aufgrund des Gesamt- sachverhalts“ von einer vorsätzlichen Brandlegung ausgegangen ist, keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Das Landgericht hat für die Beurteilung der Brandursache sachverständige Hilfe in Anspruch genommen und in Übereinstimmung mit dem Gutachten entschieden. Anders als bei der Abweichung von einem widerstreitenden weiteren Gutachten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2006 – 5 StR 372/05, NStZ 2006, 296 mwN) besteht im Fall der Abweichung von der Beurteilung einer Fachfrage durch einen Zeugen keine über die allgemeinen Grundsätze hinausgehende Darlegungspflicht.
21
b) Die Erwägungen mit denen das Landgericht eine die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigende Gefährlichkeitsprognose verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung stand.
22
aa) Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Sind die zu erwartenden Delikte nicht wenigstens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, ist die Annahme einer schweren Störung des Rechtsfriedens nur in Ausnahmefällen begründbar (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, Rn. 43). Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, Rn. 44; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10 mwN).
23
bb) Das sachverständig beratene Landgericht hat nicht auszuschließen vermocht, dass es bei dem Beschuldigten zu erneuten Exazerbationen seiner paranoiden Schizophrenie kommt und er seine Reaktionen deshalb auch künftig nicht angemessen zu kontrollieren vermag. Es konnte aber nicht feststellen, dass von ihm deswegen in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Die Anlasstat sei aufgrund der geringen Intensität der Körperverletzungshandlung und des durch die beiderseitige Erkrankung geprägten schwierigen Verhältnisses zwischen dem Beschuldigten und der Zeugin nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Eine während der vorläufigen Unterbringung gegenüber Klinikmitarbeitern ausgesprochene Todesdrohung erfülle diese Voraussetzungen ebenfalls nicht, weil diese Äußerung von der besonderen Unterbringungssituation abhängig gewesen sei. Hinsichtlich der eingestellten Ermittlungsverfahren lasse sich nicht sicher sagen, ob der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Taten überhaupt begangen habe. Als prognosegünstig sei zu bewerten, dass der Beschuldigte trotz sich wiederholender Exazerbationen seiner Erkrankung seit 2001 nicht mehr straffällig und die Anlasstat maßgeblich von dem speziellen Verhältnis zu der Geschädigten mitbestimmt worden sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte in Zukunft Taten begehen werde , die den bisher begangenen Taten entsprechen, sei deshalb als gering zu bewerten. Schließlich bestehe auch kein Anlass zu der Annahme, dass der Beschuldigte in Zukunft Brandstiftungstaten begehen werde.
24
cc) Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Landgericht bei der Beurteilung des Zustands des Beschuldigten und der zu erwartenden Entwicklung seiner Erkrankung dem Sachverständigen gefolgt, dann aber aufgrund der allein ihm obliegenden rechtlichen Bewertung der Ergebnisse des Gutachtens (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 3 StR 52/06, NStZ-RR 2007, 74; Urteil vom 24. Juni 2004 – 5 StR 306/03, NJW 2004, 3051, 3055; Urteil vom 26. April 1955 – 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 117 f. jeweils zu §§ 20, 21 StGB) zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Beschuldigten nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit defektbedingte Taten von Gewicht zu erwarten sind. Dabei hat es hinsichtlich der Bedrohung zu Recht auf die durch die vorläufige Unterbringung begründete Ausnahmesituation abgehoben (BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, 170; MüKoStGB/ van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 63 mwN) und der länger währenden Straffreiheit des Beschuldigten trotz bestehenden Defekts eine erhebliche prognosegünstige Bedeutung beigemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 143; Schöch in: LK-StGB, 12. Aufl., § 63 Rn. 74 mwN). Entgegen der Meinung der Revision hat es auch nicht verkannt , dass schon die erste Straftat eine Gefährlichkeit des Täters begründen kann. Eines Eingehens auf die Frage, ob auch die Gefahr fahrlässiger Brandstiftungen eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen vermag, bedurfte es nicht, weil das Landgericht dafür keine Anhaltspunkte gesehen hat. Angesichts der nur geringen Wahrscheinlichkeit für zukünftige mit der Anlasstat vergleichbare Taten, kann es dahinstehen, ob die Bewertung des Landgerichts, bei der Körperverletzung zum Nachteil der über 80 Jahre alten, als klein und gebrechlich beschriebenen Zeugin R. W. handele es sichnicht um eine der mittleren Kriminalität zuzuordnende Straftat, vertretbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; MüKoStGB/ van Gemmeren, 2. Aufl., § 63 Rn. 54 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Quentin