Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2012 - L 7 R 74/10

ECLI: ECLI:DE:LSGSH:2012:0911.L7R74.10.0A
published on 11/09/2012 00:00
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2012 - L 7 R 74/10
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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 4. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) darüber, ob dem Kläger Altersrente zu gewähren ist.

2

Der 1921 in Deutschland geborene Kläger wanderte Anfang des Jahres 1938 in die Vereinigten Staaten von Amerika aus. Seit 1943 ist er nach eigenen Angaben Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit dem 19. September 1988 ist er außerdem israelischer Staatsangehöriger.

3

Am 11. August 1989 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt der Freien und Hansestadt Hamburg (LVA Hamburg) die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei gab er an, im Jahr 1935 in der „Bahnhofsgarage N...“ und vom 5. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker-Volontär eine Berufsausbildung in Deutschland absolviert zu haben. Diese habe er aus Verfolgungsgründen abgebrochen. Der LVA Hamburg lag eine Mitgliedsbescheinigung der AOK Mittelfranken vor, aus der hervorgeht, dass der Kläger vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 sowie vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar 1938 als Volontär bei J.H... in N... tätig war. Nach dem Inhalt der Mitgliedsbescheinigung war der Kläger vom 9. Juni 1937 bis zum 30. August 1937 arbeitsunfähig. Der Beklagten lag ein Zeugnis des J.H... vor, in dem dem Kläger bescheinigt wird, dass er vom 6. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 „als Mechaniker-Volontär beschäftigt“ gewesen war. Ferner lag der Beklagten eine Lehrgangsbescheinigung vor, nach der der Kläger in der Zeit vom 17. Januar bis zum 4. Februar 1938 in Berlin-Charlottenburg an einem Schweißlehrgang teilgenommen hat. In einem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Versicherungsamts der Stadt F... vom 21. August 1989 wird mitgeteilt, dass in der dort vorliegenden Kartei, die infolge Kriegsereignissen nicht vollständig erhalten sei, Aufzeichnungen über die Ausstellung oder den Umtausch einer Versicherungskarte für den Kläger nicht habe ermittelt werden können. Nachforschungen bei der AOK Mittelfranken in F... seien ebenfalls ohne Erfolg geblieben. Die AOK in N... habe eine Beitragszeit vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 und vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar 1938 als Volontär bei der Firma J.H... bestätigt.

4

Mit Bescheid vom 22. Februar 1990 lehnte die LVA Hamburg den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, dass eine Beitragsentrichtung zur deutschen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch hinreichend glaubhaft gemacht sei. In der Zeit vom 6. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 sei der Kläger als „Mechaniker-Volontär“ bei J.H... in N... zur Erlernung des Mechanikerhandwerks tätig gewesen. Volontärzeiten seien jedoch grundsätzlich keine Lehrzeiten, sondern Zeiten einer unentgeltlichen Beschäftigung mit dem Ziel einer Ausbildung ohne Begründung eines Lehrverhältnisses. Während der Volontärzeit habe der Kläger nicht der Versicherungspflicht zur deutschen Rentenversicherung unterlegen, so dass Beitragszeiten nicht anrechenbar seien. Da kein anrechenbarer Beitrag in der deutschen Rentenversicherung vorhanden sei, könne auch keine Verfolgungszeit als Ersatzzeit anerkannt werden.

5

Am 23. Dezember 1993 beantragte der Kläger bei der LVA Hamburg die Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 gemäß § 44 SGB X. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1998 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass sich an der Sach- und Rechtslage, die zur damaligen Beurteilung geführt habe, nichts geändert habe. Eine dagegen vor dem Sozialgericht Hamburg erhobene Klage (Aktenzeichen S 15 RJ 900/98) nahm der Kläger am 11. April 2002 zurück.

6

Einen erneuten Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 lehnte die LVA Hamburg mit Bescheid vom 27. Mai 2005 und Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006 ab und führte zur Begründung aus, dass eine Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Auch die Anerkennung als Hachscharah-Zeit komme nicht in Betracht. Sei der Auszubildende ausnahmsweise im Rahmen der Hachscharah wie ein Lehrling im Betrieb eingegliedert und habe er im Rahmen dieser Lehrlingsausbildung Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichtet, stellten die Sach- und Barleistungen Entgelt für geleistete Arbeit dar. In einem solchen atypischen Fall führten die Barbezüge, wenn sie die Taschengeldgrenze überschritten, zur Versicherungspflicht. In diesem Ausnahmefall komme eine Beitragsfiktion nach § 12 WGSVG in Betracht. § 12 WGSVG finde hier jedoch keine Anwendung. Die Hachscharah-Zeiten könnten nur nach Maßgabe der Nr. 10 Schlussprotokoll zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen vom 17. Dezember 1973 berücksichtigt werden. Der Nachweis, dass es sich bei den Beschäftigungen des Klägers um Hachscharah-Zeiten handele, sei nicht erbracht.

7

Am 28. August 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Rücknahme des Bescheides vom 22. Februar 1990 sowie aller nachfolgend ergangener ablehnender Überprüfungsbescheide. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. September 2006 ab und führte zur Begründung wiederum aus, dass eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht eingetreten sei und es bei den vorher getroffenen Entscheidungen verbleibe.

8

Zur Begründung des dagegen am 12. Dezember 2006 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger im Wesentlichen geltend, dass er von Sommer 1936 bis Ende des Jahres 1936 als Automechaniker und danach bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker tätig gewesen sei. Vom 17. Januar 1938 bis zum 4. Februar 1938 habe er einen Schweißerlehrgang absolviert. Die Bezeichnung Volontär sei damals für Juden, die zur Vorbereitung der Auswanderung hätten „umschichten“ müssen, auch für Lehre und für Hachscharah verwendet worden. Hachscharah und Lehre seien damals ungefähr dasselbe gewesen. Die Zeit müsse entweder als Lehre und Arbeit mit Entgelt und damit als Beitragszeit oder als Hachscharah-Zeit mit Verfolgungsersatzzeit in der Rentenversicherung berücksichtigt werden. Eine dritte Möglichkeit existiere nicht. Darüber hinaus sei die Zeit des Auslandaufenthalts bis 1949 sowie die Studienzeit in den Vereinigten Staaten von Amerika als Verfolgungsersatzzeit in der Rentenversicherung zu berücksichtigen.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und bezog sich zur Begründung auf den vorangegangenen Widerspruchsbescheid vom 18. April 2006. Da keine neuen Sachverhalte oder Unterlagen, die zu einer Änderung der rechtlichen Beurteilung hätten veranlassen können, vorgebracht worden seien, bestehe keine Veranlassung, von dem damaligen Rechtsstandpunkt abzuweichen. Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage werde festgestellt, dass bei Erlass des Bescheides weder das Recht falsch angewendet noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.

10

Dagegen hat sich der Kläger mit der am 31. August 2007 beim Sozialgericht Lübeck eingegangenen Klage gewandt und zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Bereits aus seiner Mitgliedschaft bei der AOK folge, dass er in Deutschland als Arbeitnehmer eingestuft worden und damit versicherungspflichtig gewesen sei.

11

Der Kläger hat (sinngemäß) beantragt,

12

den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Februar 1990, den Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1998 sowie den Bescheid vom 27. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente zu gewähren.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie hat sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen. Volontärszeiten hätten nicht der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung unterlegen.

16

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, dass eine Anrechnung von Hachscharah-Zeiten nach Nr. 10 des Schlussprotokolls zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen vom 17. Dezember 1973 u. a. voraussetze, dass der Verfolgte vor dem 1. Januar 1950 nach Palästina bzw. Israel ausgewandert sei und sich am 1. Januar 1982 als israelischer Staatsangehöriger nicht nur vorübergehend im Gebiet des Staates Israel aufgehalten habe. Dass der Kläger diese Voraussetzungen erfülle, sei nicht belegt. Im Übrigen gehöre der vom Kläger benannte Arbeitgeber J.H..., N..., nicht zu den handwerklichen Lehrwerkstätten nach Nr. 10 des Schlussprotokolls zum Deutsch-Israelischen Sozialversicherungsabkommen.

17

Mit Gerichtsbescheid vom 4. Juni 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie auf das Vorbringen der Beigeladenen Bezug genommen.

18

Gegen den ihm am 15. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 15. Juli 2010 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung, zu deren Begründung er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend macht er im Wesentlichen geltend, dass gerade in N... damals jeder versicherungspflichtige Jude als Volontär bezeichnet worden sei. Durch die im Berufungsverfahren eingeholte Auskunft der AOK werde seine versicherungspflichtige Beschäftigung bestätigt. Nach seiner Kenntnis seien außer ihm alle jüdischen AOK-Versicherten in der Rentenversicherung als Versicherte anerkannt worden.

19

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 4. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2007 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 22. Februar 1990, den Bescheid vom 13. August 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1998, den Bescheid vom 27. Mai 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Altersrente zu gewähren.

21

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

23

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts und trägt ergänzend vor: Nach der in den Jahren 1937 und 1938 geltenden Rechtslage habe die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nur bestanden, wenn eine Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt worden sei. Dies habe auch für Lehrlinge gegolten. Eine Ausnahme habe lediglich für Hausgewerbetreibende bestanden. Im Gegensatz dazu hätten Lehrlinge der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung auch dann unterlegen, wenn sie kein Entgelt erhalten hätten. Nach der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte der AOK Bayern sei der Kläger bei der Firma J.H... als Volontär beschäftigt gewesen. Bei Volontären handele es sich um Personen, die – ohne als Lehrling oder Anlernling angenommen worden zu sein – zum Zwecke ihrer Ausbildung unentgeltlich beschäftigt würden. Aufgrund der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte der AOK Bayern sei anzunehmen, dass der Kläger dort versicherungstechnisch als Lehrling angesehen worden sei, so dass er der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung unterlegen habe. Eine Entgeltzahlung sei der Mitglieder- und Leistungskarte aber nicht zu entnehmen. Soweit schon Lehrlinge ohne Entgelt nicht rentenversicherungspflichtig gewesen seien, könne für unentgeltlich beschäftigte Volontäre nichts anderes gelten. Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung seien daher nicht anzuerkennen. Da der Kläger kein Versicherter im Sinne der Rentenversicherung sei, seien auch keine Anrechnungszeiten wegen Schul-, Fachschul- und/oder Hochschulausbildung anzuerkennen.

24

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an, wonach die Beschäftigung als Volontär keine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung auslöst.

25

Der Senat hat Auskünfte der AOK Bayern vom 16. Februar 2011, vom 15. Juni 2011 und vom 6. Februar 2012 eingeholt. Wegen des Inhalts der Auskünfte wird auf Blatt 118 bis Blatt 120, Blatt 131 und Blatt 160, 161 der Gerichtsakte verwiesen.

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Die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte haben dem Senat vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

27

Die zulässige und insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Bescheide, mit denen die Beklagte die Gewährung einer Altersrente abgelehnt hat, aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente.

28

Der Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bindenden Bescheide über die Ablehnung von Altersrente richtet sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb u. a. Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die genannten Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der die Altersrente ablehnende Bescheid vom 22. Februar 1990 sowie die nachfolgend ergangenen, die Rücknahme dieses Bescheides ablehnenden Bescheide rechtmäßig sind.

29

Die Rechtmäßigkeit des die Rente ablehnenden Bescheides vom 22. Februar 1990 beurteilt sich nach der zum Zeitpunkt seines Erlasses bestehenden Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSG Urteil vom 25. Oktober 1984 – 11 RAz 3/83, BSGE 57, 209). Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Altersruhegeld ist danach § 1248 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 7 Satz 3 Rechtsversicherungsordnung (RVO) i. d. F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1983, BGBl. I, 1532. Danach erhält ein Versicherter, der das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat, Altersruhegeld. Als anrechnungsfähige Versicherungszeiten kommen Beitrags- und Ersatzzeiten nach §§ 1250, 1251 RVO in Betracht, wobei die Anrechnung von Ersatzzeiten gemäß § 1251 Abs. 2 RVO das vorherige Bestehen einer Versicherung oder die spätere Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung innerhalb der dort genannten Fristen voraussetzt. Die Anerkennung als Beitragszeit im Sinne von § 1250 Abs. 1 Buchstabe a RVO setzt voraus, dass nach Bundesrecht oder früheren Vorschriften der deutschen Invalidenversicherung Beiträge wirksam entrichtet worden sind oder als entrichtet gelten.

30

Der Kläger hat geltend gemacht, dass er in Deutschland in den Jahren von 1935 bzw. 1936 bis 1938 tätig gewesen sei und dass diese Zeiten entweder als Lehre mit Entgelt oder als Hachscharah ohne Entgelt zu bewerten seien. Im Einzelnen hat der Kläger in seinem Antrag im Jahre 1989 zunächst angegeben, dass er im Jahre 1935 in der „Bahnhofsgarage N...“ tätig gewesen sei. Später hat er eine Tätigkeit in der „Bahnhofs-Garage N...“ für die Zeit von Sommer 1936 bis Ende 1936 angegeben. Er habe in diesem Privatunternehmen als Automechaniker gearbeitet. Es habe sich dabei mit Sicherheit um Lehre mit Entgelt oder Hachscharah ohne Entgelt gehandelt. Versicherungskarten zu dieser Tätigkeit konnten nicht ermittelt werden und auch Nachforschungen bei der AOK Bayern sind insoweit erfolglos geblieben. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Angaben des Klägers zum Zeitpunkt der Tätigkeit und unter weiterer Berücksichtigung der Tatsache, dass die AOK Bayern über Unterlagen zur Tätigkeit des Klägers in der Zeit ab dem 7. Juni 1937 verfügt, ist das Vorliegen einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers bei der „Bahnhofs-Garage N...“ und eine Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung nach Auffassung des Senats nicht glaubhaft und erst recht nicht nachgewiesen.

31

Soweit der Kläger mit Schreiben vom 28. Februar 2005 angegeben hat, von etwa Mitte bis Ende des Jahres 1937 Büroarbeit bei der Firma S. O., S. Straße in F., verrichtet zu haben, steht dies im Widerspruch zu dem vorliegenden Zeugnis des J.H... vom 11. Januar 1938, nach der der Kläger in der Zeit von 7. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker-Volontär beschäftigt worden ist. Die Angabe in dem Rentenantrag des Klägers vom 11. August 1989, nach der er in der Zeit vom 5. Juni 1937 bis zum 10. Januar 1938 als Mechaniker-Volontär beschäftigt worden sei, wird im Wesentlichen durch den Inhalt der bereits im Verwaltungsverfahren vorliegenden und noch einmal in Kopie durch den Senat beigezogenen „Mitglieder- und Leistungskarte“ der AOK Bayern, Direktion Mittelfranken, bestätigt. Danach war der Kläger in der Zeit vom 7. Juni 1937 bis zum 15. Juni 1937 sowie vom 1. September 1937 bis zum 7. Januar 1938 als Volontär bei J.H... in N... tätig. In der Zeit vom 9. Juni 1937 bis zum 30. August 1937 war er nach dem Inhalt der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte arbeitsunfähig. Außerdem wird durch eine Lehrgangsbescheinigung vom 4. Februar 1938 bestätigt, dass der Kläger in der Zeit vom 17. Januar bis 4. Februar 1938 als Mechaniker-Praktikant an einem Schweißlehrgang teilgenommen hat.

32

Der Senat hat aufgrund der durch die genannten Unterlagen bestätigten Angaben des Klägers keine Zweifel daran, dass dieser in den genannten Zeiträumen als Volontär bei J.H... bzw. Mechaniker-Praktikant (Schweißlehrgang) tätig war. Es ist jedoch nicht glaubhaft und erst recht nicht bewiesen, dass für den Kläger in dieser Zeit Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt worden sind oder dass er rentenversicherungspflichtig war. Zwar geht aus der vorliegenden Mitglieder- und Leistungskarte der AOK hervor, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Volontär krankenversichert war. Daraus kann jedoch nicht auf die Zahlung von Beiträgen zur Rentenversicherung geschlossen werden, weil gerade für Ausbildungszeiten die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Rentenversicherung in den Jahren 1937, 1938 nicht einheitlich geregelt war. Nach der damals maßgeblichen Fassung des § 165 RVO war die Versicherungspflicht von Lehrlingen zur gesetzliche Krankenversicherung nicht davon abhängig, dass diese gegen Entgelt beschäftigt waren. Im Gegensatz dazu galt in der Rentenversicherung, dass auch Gehilfen und Lehrlinge nur versicherungspflichtig waren, soweit sie gegen Entgelt beschäftigt waren (§ 1226 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 RVO).

33

Der Senat geht davon aus, dass der Kläger in der Zeit seiner Tätigkeit als Volontär bei der Firma J.H... und auch als Mechaniker-Praktikant während des Schweißlehrgangs kein Entgelt bezogen hat. Konkrete Anhaltspunkte für eine Entgeltlichkeit der Tätigkeit sind dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen. Dieser macht lediglich geltend, dass es sich entweder um eine Lehre mit Entgelt oder um Hachscharah ohne Entgelt gehandelt haben müsse. Damit lässt er zumindest die Möglichkeit offen, dass kein Entgelt gezahlt worden ist. Die Bezeichnung „Volontär“ spricht für eine Ausbildung ohne Zahlung eines Entgelts. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Bezeichnung „Volontär“ jedenfalls in den hier maßgebenden Zusammenhängen gerade gebraucht worden ist, wenn eine Person zum Zwecke der Ausbildung unentgeltlich beschäftigt werden sollte. Diese Begrifflichkeit wurde auch in Arbeitsbüchern verwendet (BSG Urteil vom 27. September 1979 – 4 RJ 77/78, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund spricht die Bezeichnung „Volontär“ in der Mitgliederkarte der AOK für die Unentgeltlichkeit der Tätigkeit. Damit übereinstimmend finden sich in der Mitgliederkarte der AOK keine Einträge zum Entgelt des Klägers. Der Senat geht vor diesem Hintergrund – abweichend von den Angaben des Klägers – auch nicht davon aus, dass der Begriff des Volontärs gerade in N... in einer speziellen Weise verwandt worden ist. Vielmehr sind im gesamten damaligen Reichsgebiet gerade die von den Nationalsozialisten verfolgten Juden nicht selten ohne Entgelt in Volontärverhältnissen anstelle von Lehrverhältnissen ausgebildet worden. Hintergrund war die Tatsache, dass die Nationalsozialisten in zunehmendem Maße Lehrverträge nicht mehr genehmigten (vgl. V. Schmiedinger, Die Sozialversicherung 1976, 69, 70 f.). Daher wurden einerseits von den jüdischen Verbänden Ausbildungsmöglichkeiten zur Vorbereitung auf die Auswanderung (Hachscharah) geschaffen und zum anderen wurde anstelle der Lehre auf andere Ausbildungsformen wie unentgeltliche Volontärverhältnisse und Praktika ausgewichen. Vor diesem Hintergrund spricht aus Sicht des Senats sehr viel mehr dagegen als dafür, dass Beiträge zur Rentenversicherung für die Tätigkeit des Klägers bei der Firma J.H... oder während Schweißerlehrgangs entrichtet wurden. Eine Beitragszahlung ist daher nicht glaubhaft gemacht.

34

In Betracht käme danach allenfalls eine fiktive Beitragszahlung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung (a. F.; entspricht § 12 WGSVG in der seit dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung). Danach gilt Folgendes: Hat der Verfolgte eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt und sind aus Verfolgungsgründen für die Beschäftigung oder Tätigkeit keine Beiträge entrichtet worden, so gelten für diese Zeiten Beiträge als entrichtet. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut, dass eine Beschäftigung verrichtet wurde, die nach dem seinerzeit geltenden deutschen Recht konkret Versicherungspflicht begründet hat (ständige Rechtsprechung, BSG Urteil vom 23. August 2001 – B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17; BSG Urteil vom 14. Juli 1999 – B 13 RJ 75/98 R; BSG Urteil vom 9. November 1982 – 11 RA 7/82, SozR 5070 § 14 Nr. 16; BSG Urteil vom 28. November 1980 – 5 RJ 76/79; BSG Urteil vom 13. März 1979 – 1 RJ 24/78, SozR 5070, § 14 Nr. 8; BSG Urteil vom 27. September 1979 – 4 RJ 77/78; BSG Urteil vom 26. Mai 1976 – 4 RJ 359/74, SozR 5070 § 14 Nr. 4; BSG Urteil vom 14. Mai 1981 – 4 RJ 149/80). Daher setzt eine fiktive Beitragszeit im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 WGSVG die Entgeltlichkeit einer Beschäftigung voraus. Für einen unentgeltlich beschäftigten Praktikanten oder Volontär kann eine entsprechende Beitragszeit dagegen nicht angerechnet werden (BSG Urteil vom 14. Mai 1981, a.a.O.; BSG Urteil vom 27. September 1979, a.a.O.). Auch kann § 14 Abs. 2 WGSVG nicht auf den Fall angewandt werden, dass der Versicherte gehindert war, eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen und deswegen in eine versicherungsfreie oder nicht versicherungspflichtige Beschäftigung ausgewichen ist (BSG Urteil vom 9. November 1982, a.a.O., m.w.N.). Gegen die fiktive Annahme einer tatsächlich nicht ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung spricht der insoweit eindeutige Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 1 BGSVG. Im Übrigen spricht zwar aufgrund der bekannten historischen Zusammenhänge viel dafür, dass der Kläger nicht als Volontär oder Praktikant tätig geworden wäre, wenn er nicht der Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger ohne die Verfolgung eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hätte. Ebenso ist denkbar, dass der Kläger, der im Oktober des Jahres 1937 16 Jahre alt geworden ist und der nach seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika ein Hochschulstudium angeschlossen hat, in dieser Zeit noch die Schule besucht hätte. Auch wenn der Kläger in dieser Zeit eine Lehre absolviert hätte, wäre diese aus den oben genannten Gründen nur versicherungspflichtig, wenn er Bezüge in einer Mindesthöhe erhalten hätte. Dies war seinerzeit bei Lehrlingen insbesondere in den ersten beiden Lehrjahren häufig nicht der Fall (vgl. BSG Urteil vom 27. September 1979, a.a.O., m.w.N.).

35

Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 WGSVG nach ständiger Rechtsprechung (BSG Urteil vom 27. September 1979, a.a.O.; BSG Urteil vom 27. April 1982 – 1 RJ 114/80) neben dem Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses voraussetzt, dass die Unterlassung der Beitragszahlung auf eine gegen eine bestimmte Person, nämlich den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer gerichtete Verfolgungsmaßnahme zurückzuführen ist. Die Beiträge müssen „aus Verfolgungsgründen“ nicht entrichtet worden sein. Dafür bestehen hier jedenfalls bezogen auf die Tätigkeit des Klägers als Volontär bei der Firma Höflich keine Anhaltspunkte, da Beiträge zur Krankenversicherung entrichtet wurden.

36

Der Kläger hat eine Versicherungszeit in Deutschland auch nicht dadurch zurückgelegt, dass er an einer Hachscharah teilgenommen hat. Bei der Hachscharah (wörtlich: Tauglichmachung) handelt es sich um Zeiten der beruflichen Ausbildung und Umschulung (damals als „Umschichtung“ bezeichnet), die von jüdischen Verbänden in der Zeit des Nationalsozialismus organisiert wurden, um die Auswanderung vorzubereiten (vgl. dazu V. Schmiedinger, Die Sozialversicherung 1976, 69 ff.; H. Schmiedinger, Die Sozialversicherung 1984, 201 ff.; Költzsch, DAngVers 1986, 315 ff.). Nach Nr. 10 Schlussprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit (vom 17. Dezember 1973, BGBl. 1975 II, S. 246, in der Fassung des Änderungsabkommens vom 7. Januar 1986, BGBl. 1986 II, S. 863) gilt die Zeit, in der ein Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 in einer landwirtschaftlichen Kollektivausbildungsstätte oder in einer handwerklichen Lehrwerkstatt der Rechtsvertretung der Juden in Deutschland oder einer anderen jüdischen Organisation durch eine berufliche Ausbildung auf die Auswanderung vorbereitet worden ist, als Zeit einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung, für die Beiträge entrichtet worden sind. Voraussetzung ist, dass

37

1. der Verfolgte vor dem 1. Januar 1950 nach Palästina oder in den Staat Israel ausgewandert ist,

38

2. ein Schaden in der Ausbildung im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes vorliegt,

39

3. keine Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit für eine Zeit vor dem 9. Mai 1945 entrichtet sind oder als entrichtet gelten,

40

4. keine Beiträge nach § 10a WGSVG nachentrichtet sind oder von einer Nachentrichtungsmöglichkeit nach der genannten Vorschrift endgültig kein Gebrauch gemacht worden ist und

41

5. der Berechtigte sich als israelischer Staatsangehöriger am 1. Januar 1982 nicht nur vorübergehend im Gebiet des Staates Israel aufgehalten hat.

42

Die genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger bereits deshalb nicht, weil er sich nicht „als israelischer Staatsangehöriger“ am 1. Januar 1982 nicht nur vorübergehend im Gebiet des Staates Israel aufgeholten hat. Nach den durch die Vorlage einer entsprechenden Urkunde belegten Angaben des Klägers ist dieser erst seit dem 19. September 1988 israelischer Staatsbürger. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Voraussetzung nicht erfüllt sein dürfte, nach der der Kläger vor dem 1. Januar 1950 nach Palästina oder in den Staat Israel ausgewandert gewesen sein muss. Der Kläger hat angegeben, in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert zu sein und dort ein Medizinstudium absolviert zu haben. Danach kann auch dahinstehen, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers als Volontär bzw. als Mechaniker-Praktikant um eine Ausbildung gehandelt hat, die durch die Reichsvertretung der Juden in Deutschland oder eine andere jüdische Organisation vorbereitet worden ist.

43

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Kläger keine Beitragsentrichtung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen oder glaubhaft gemacht hat und dass Beiträge zur Rentenversicherung auch nicht als entrichtet gelten. Daher sind auch keine Ersatzzeiten anzurechnen. Ohne Versicherungszeiten hat der Kläger keinen Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

45

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Annotations

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Als Pflichtbeitragszeiten gelten Zeiten, in denen ein Verfolgter eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, für die aus Verfolgungsgründen Beiträge nicht gezahlt sind.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Als Pflichtbeitragszeiten gelten Zeiten, in denen ein Verfolgter eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, für die aus Verfolgungsgründen Beiträge nicht gezahlt sind.

(1) Entgeltpunkte für Zeiten, in denen ein Verfolgter eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, für die aus Verfolgungsgründen Beiträge nicht gezahlt sind, werden aus der Beitragsbemessungsgrundlage ermittelt, nach der Beiträge aufgrund des erzielten Arbeitsentgelts oder Einkommens zu zahlen gewesen wären.

(2) Für Pflichtbeitragszeiten eines Verfolgten, die aus Verfolgungsgründen eine niedrigere Beitragsbemessungsgrundlage aufweisen als bei einem nichtverfolgten Versicherten mit gleichartiger Beschäftigung oder Tätigkeit, werden Entgeltpunkte mindestens aus der Beitragsbemessungsgrundlage ermittelt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in Anlage 1 zum Fremdrentengesetz und nach Zuordnung der Lohn-, Beitrags- oder Gehaltsklasse oder Bruttoarbeitsentgelte der Anlagen 2 bis 16 zum Fremdrentengesetz ergibt. Dabei ist die tatsächlich während der Verfolgung ausgeübte rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zugrunde zu legen, mindestens jedoch die vorher ausgeübte, von Verfolgungsmaßnahmen nicht beeinträchtigte Beschäftigung oder Tätigkeit; § 15 Satz 3 Nr. 2 und § 15 Satz 4 finden Anwendung. Sätze 1 und 2 gelten nicht für nachgezahlte Beiträge, die Pflichtbeiträgen gleichstehen.

Elternteile, die zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind und denen eine Kindererziehungszeit nach § 12a anzurechnen ist, können auf Antrag freiwillige Beiträge für so viele Monate nachzahlen, wie zur Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten noch erforderlich sind, soweit die Wartezeit nicht durch laufende Beitragszahlung vom 1. Januar 1995 an bis zum Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres erfüllt werden kann. Beiträge können nur für Zeiten nach dem 31. Dezember 1980 nachgezahlt werden, die noch nicht mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegt sind. Dies gilt unabhängig vom Alter und von der Staatsangehörigkeit.