Landgericht Rostock Beschluss, 28. Sept. 2012 - 13 Qs 221/12

bei uns veröffentlicht am28.09.2012

Tenor

Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 13.08.2012, Az.: 34 Gs 575/12, aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 19.04.2012 auf die Anordnung einer Maßnahme nach § 81g Abs. 1 S. 1 StPO gegen den Betroffenen als unbegründet abgelehnt.

Die dem Betroffenen durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

2

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde gegen den Beschwerdeführer die zwangsweise Entnahme von Körperzellen durch eine Blutprobe gemäß § 81g Abs. 1 S. 1 StPO angeordnet, obwohl das DNA-Muster des Beschwerdeführers bereits mit acht Merkmalssystemen aufgrund der Abgabe einer früheren Speichelprobe gespeichert ist.

3

Diese Entscheidung hält einer Nachprüfung nicht stand. Wie jede hoheitliche Maßnahme steht auch die Anordnung der Entnahme von Körperzellen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Dagegen verstößt die Anordnung, weil die Wiederholung der Untersuchung zur Speicherung eines DNA-Musters mit 13 oder 14 Merkmalsystemen nach dem neuen EU-Standard (Auftypisierung) nach dem Zweck der DNA-Datei nicht erforderlich ist (vgl. AG Hamburg, Beschl. v. 21.06.2012, Az.: 166 Gs 553/12 unter Verweis auf LG Hamburg, Beschl. v. 12.03.2012, Az.: 616 Qs 2/12). Auch die bisher gespeicherten acht Merkmalssysteme des Betroffenen gewährleisten, dass der Betroffene bei zukünftigen Straftaten als Spurenleger ermittelt oder ausgeschlossen werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem sog. DNA-Treffer selbst bei einer Speicherung nach dem neuen EU-Standard regelmäßig eine Verifizierung nötig wäre.

4

Aus den Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zu § 81g Abs. 1 StPO ergibt sich im Übrigen, dass der ehemals geplante Halbsatz "die Entnahme von Körperzellen ist unzulässig, wenn bereits ein ausreichendes DNA-Identifizierungsmuster auf Grund einer Untersuchung nach § 81e StPO vorliegt" wegen Entbehrlichkeit gestrichen wurde (BT-Drucksache 13/11116, Seite 7), was dafür spricht, dass es der Gesetzgeber abgelehnt hätte, jedem Betroffenen erneut zwangsweise Körperzellen abnehmen zu lassen, wenn er sich mit der Möglichkeit der Einführung eines neuen Standards zur Speicherung der DNA-Muster auseinander gesetzt hätte.

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Landgericht Rostock Beschluss, 28. Sept. 2012 - 13 Qs 221/12 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 81g DNA-Identitätsfeststellung


(1) Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DN

Strafprozeßordnung - StPO | § 81e Molekulargenetische Untersuchung


(1) An dem durch Maßnahmen nach § 81a Absatz 1 oder § 81c erlangten Material dürfen mittels molekulargenetischer Untersuchung das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt und diese Feststellungen mit Vergl

Referenzen

(1) Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen.

(2) Die entnommenen Körperzellen dürfen nur für die in Absatz 1 genannte molekulargenetische Untersuchung verwendet werden; sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind. Bei der Untersuchung dürfen andere Feststellungen als diejenigen, die zur Ermittlung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts erforderlich sind, nicht getroffen werden; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.

(3) Die Entnahme der Körperzellen darf ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die molekulargenetische Untersuchung der Körperzellen darf ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten nur durch das Gericht angeordnet werden. Die einwilligende Person ist darüber zu belehren, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden. § 81f Abs. 2 gilt entsprechend. In der schriftlichen Begründung des Gerichts sind einzelfallbezogen darzulegen

1.
die für die Beurteilung der Erheblichkeit der Straftat bestimmenden Tatsachen,
2.
die Erkenntnisse, auf Grund derer Grund zu der Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten künftig Strafverfahren zu führen sein werden, sowie
3.
die Abwägung der jeweils maßgeblichen Umstände.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn die betroffene Person wegen der Tat rechtskräftig verurteilt oder nur wegen

1.
erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit,
2.
auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder
3.
fehlender oder nicht auszuschließender fehlender Verantwortlichkeit (§ 3 des Jugendgerichtsgesetzes)
nicht verurteilt worden ist und die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister noch nicht getilgt ist.

(5) Die erhobenen Daten dürfen beim Bundeskriminalamt gespeichert und nach Maßgabe des Bundeskriminalamtgesetzes verwendet werden. Das Gleiche gilt

1.
unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen für die nach § 81e Abs. 1 erhobenen Daten eines Beschuldigten sowie
2.
für die nach § 81e Abs. 2 Satz 1 erhobenen Daten.
Die Daten dürfen nur für Zwecke eines Strafverfahrens, der Gefahrenabwehr und der internationalen Rechtshilfe hierfür übermittelt werden. Im Fall des Satzes 2 Nr. 1 ist der Beschuldigte unverzüglich von der Speicherung zu benachrichtigen und darauf hinzuweisen, dass er die gerichtliche Entscheidung beantragen kann.

(1) An dem durch Maßnahmen nach § 81a Absatz 1 oder § 81c erlangten Material dürfen mittels molekulargenetischer Untersuchung das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt und diese Feststellungen mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden, soweit dies zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist. Andere Feststellungen dürfen nicht erfolgen; hierauf gerichtete Untersuchungen sind unzulässig.

(2) Nach Absatz 1 zulässige Untersuchungen dürfen auch an aufgefundenem, sichergestelltem oder beschlagnahmtem Material durchgeführt werden. Ist unbekannt, von welcher Person das Spurenmaterial stammt, dürfen zusätzlich Feststellungen über die Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie das Alter der Person getroffen werden. Absatz 1 Satz 2 und § 81a Abs. 3 erster Halbsatz gelten entsprechend. Ist bekannt, von welcher Person das Material stammt, gilt § 81f Absatz 1 entsprechend.