Landgericht Münster Grund- und Teilurteil, 07. Mai 2014 - 010 O 313/13
Tenor
Es wird festgestellt, dass der klageweise geltend gemachte Anspruch des Klägers in Höhe von 6.944,77 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 04.07.2013 sowie einen Betrag von 7.607,93 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten ab Klageerhebung dem Grunde nach besteht.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
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T a t b e s t a n d :
2Der Kläger ist Betreiber einer Photovoltaikanlage an der C. Straße 169 in C.. Die Beklagte ist der öffentliche Netzbetreiber des örtlichen Stromnetzes. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche geltend, weil – wie er behauptet – die Beklagte nicht den gesamten Strom seiner Photovoltaikanlage in ihr Netz aufnimmt.
3Mit Schreiben vom 08.02.2012 beantragte der Kläger die Einspeisung seines erzeugten Stroms bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 16.02.2012 teilte die Beklagte mit, dass der Antrag bei ihr eingegangen sei und wies darauf hin, dass aufgrund von Netzengpässen keine permanente Einspeisung möglich sein wird. Zwischen dem 16.02. und 31.05.2012 kam es zu Telefonaten zwischen den Parteien und einem Besprechungstermin. Der Inhalt ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.
4Mit Schreiben vom 30.05.2012 benannte die Beklagte dem Kläger gegenüber einen Netzverknüpfungspunkt an einem „neu zu errichtenden 10 kV-Anschluss in der Nähe der Ortsnetzstation X“. Der Kläger erhielt in diesem Schreiben erneut einen Hinweis darauf, dass die Anlage wohl nur mit Einschränkung arbeiten können wird. Unter dem 06.06.2012 gab die Beklagte eine Einverständniserklärung zur Einspeisung in das Elektrizitäts-Verteilnetz ab „unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Überspannungsabschaltung“. Am 19.06.2012 wurde die Anlage in Betrieb genommen. Am 19.11.2012 wurde das erste Mal Strom in das öffentliche Netz eingespeist. Unter dem 21./24.01.2013 schlossen die Parteien einen Strom-Einspeisevertrag ab. In Hinblick auf die Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 zur Klageschrift verwiesen. Ab den Wintermonaten 2012/2013 kam es zu regelmäßigen Überspannungsabschaltungen durch den „QU-Schutzschalter“, der beim Überschreiten eines zulässigen Spannungswertes im Netz die klägerische Anlage ausschaltet. Mit Schreiben vom 18.02.2013 stellte der Kläger einen Antrag auf Netzausbau. Wegen der automatischen Abschaltungen ließ der Kläger darüber hinaus im März 2013 ein Gerät in die Trafostation einbauen, damit die Photovoltaikanlage nach Unterschreiten der zulässigen Netzspannung wieder automatisch eingeschaltet wird.
5Der Kläger behauptet, bei den Gesprächen zwischen dem 16.02. und 31.05.2012 sei die Möglichkeit eines Anschlusses seiner Photovoltaikanlage am Netzverknüpfungspunkt „C1“ nie Gegenstand der Gespräche gewesen. Sämtliche Abschaltungen seiner Photovoltaikanlage beruhten ausschließlich darauf, dass die zulässige Netzspannung überschritten worden sei und die automatische Abschaltung gegriffen habe. Des Weiteren behauptet er, er habe durch die Abschaltungen im Zeitraum Dezember 2012 bis August 2013 einen Ertragsverlust in Höhe von 15.318,63 € erlitten. Die Berechnung des Ertragsverlustes nimmt er durch eine Vergleichsrechnung mit dem regionalen Durchschnitt vor abzüglich einer Kappung von 5 % gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 EEG 2012, was den eingeklagten Betrag von 14.552,70 € ergibt.
6Des Weiteren ist der Kläger der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Netzdaten gegenüber der Beklagten, da Tatsachen die Annahme begründen, dass die Beklagte als Netzbetreiberin ihre Pflicht aus § 9 Abs. 1 EEG 2012 auf Erweiterung der Netzkapazität nicht nachgekommen sei.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 6.944,77 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 04.07.2013 sowie einen Betrag von 7.607,93 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten ab Klageerhebung zu zahlen.
9Hilfsweise wird beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über
11- Netzdaten der einzelnen Netzkabel und Freileitungen, insbesondere Spannungsebene, Kapazität, Querschnitt und Material der Leitungen im Netzgebiet;
12- Nachweise anhand einer nachvollziehbaren Berechnung über Netzauslastung, Entnahmeprofile und eingespeiste regenerative Energien in Netzkabel und Freileitungen im Netzgebiet;
13- Vorlage der Netzverträglichkeitsprüfung zur Festlegung des Spannungsschwellwertes (Abschaltwertes) der PV-Anlage des Beklagten und der weiteren PV-Anlagen, die miteinander unmittelbar an der Station X. angeschlossen sind;
14- Mitteilung weiterer geplanter und/oder im Bau befindlicher Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung und deren voraussichtliche Inbetriebnahme;
15- Mitteilung darüber, in welchem Zeitraum und bis zu welchem Zeitpunkt welche technischen Maßnahmen (z. B. Verlegung neuer Leitungen, Austausch von Trafostationen, Ausstattung des Netzes zur Ansteuerung der Fundrundsteuerempfänger) durchgeführt werden, um die durch EEG- und KWKG-Anlagen erzeugten Strommengen vollständig abzunehmen bzw. die Einspeisung durch die PV-Anlage am Standort C. Straße 169 in 46325 C. im Rahmen eines Einspeisemanagement zu regeln.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Die Beklagte behauptet, bei den Telefonaten und dem Besprechungstermin zwischen dem 16.02. und 31.05.2012 sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass der gesetzliche Netzverknüpfungspunkt die Trafostation „C2“ sei. Den dortigen Anschluss habe der Kläger aber aus Kostengründen abgelehnt, da er dort die höheren Anschlusskosten hätte übernehmen müssen.
19Des Weiteren bestreitet die Beklagte, dass sämtliche Abschaltungen auf Gründe zurückzuführen seien, die sich aus einer spannungsmäßigen Überlastung des Netzes beruhen.
20Den geltend gemachten Schaden bestreitet die Beklagte. Im Übrigen ist sie der Ansicht, der Schaden hätte nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur berechnet werden müssen.
21In Hinblick auf die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu Protokoll gegebenen Erklärungen verwiesen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
23Die Klage ist dem Grunde nach begründet. Eine Entscheidung zur Höhe war zurzeit noch nicht möglich, da noch entsprechender Vortrag auf Klägerseite zu den genauen Abschaltzeiten fehlt und die Tatsache, ob die Abschaltungen (vollständig) auf Netzüberlastungen zurückzuführen sind, die Einholung eines aufwändigen Sachverständigengutachtens erforderlich machen wird. Da zu erwarten ist, dass die Parteien sich in Hinblick auf die Höhe vergleichen können und weitere Prozesskosten vermeiden werden, wenn die zwischen ihnen streitigen Rechtsfragen dem Grunde nach rechtskräftig entschieden sind, hat sich das Gericht aus prozessökonomischen Gründen zur Entscheidung über die Anspruchshöhe dem Grunde nach entschlossen.
24Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens zu, der ihm dadurch entstanden ist, dass die Beklagte als Netzbetreiber nicht sämtlichen Strom der klägerischen Photovoltaikanlage abgenommen hat, der von der klägerischen Anlage hätte produziert werden können. Dabei kann dahinstehen, ob es einen solchen Anspruch aus § 12 EEG für den Kläger gibt. Denn der entsprechende Anspruch ergibt sich bereits aus Schlechterfüllung im Sinne des § 280 BGB des zwischen den Parteien abgeschlossenen Stromeinspeisungsvertrages vom 21./24.01.2013. Im Stromeinspeisevertrag hat sich die Beklagte verpflichtet unter Punkt 1.3, die eingespeisten Mengen abzunehmen und nach den Mindestvergütungssätzen des EEG zu vergüten. Zugleich ist der Kläger als Einspeiser gemäß der Regelung unter 1.4 berechtigt gewesen, die gesamte elektrische Energie, die in seiner Stromerzeugungsanlage erzeugt wird, in das Mittelspannungsnetz des Netzbetreibers einzuspeisen. Die Regelungen unter Punkt 1.3 und 1.4, wonach der Einspeiser berechtigt ist, einerseits die gesamte elektrische Energie einzuspeisen und zum anderen sie auch vergütet zu bekommen, kann man im Zusammenhang nur so verstehen, dass die gesamte elektrische Energie, die von der Photovoltaikanlage des Vertragspartners erzeugt werden kann, sowohl abgenommen, als auch vergütet werden wird. Soweit die Beklagtenseite meint, den Vertrag könne man nur so verstehen, dass ausschließlich der Strom vergütet werden soll, der unter den technischen Netzvoraussetzungen auch tatsächlich abgenommen werden kann oder zu deren Vergütung sie nach den gesetzlichen Regelungen des EEG verpflichtet sei, kann dem Vertrag eine solche Einschränkung nicht entnommen werden. Hätte die Beklagte als professioneller Netzbetreiber eine solche Einschränkung machen wollen, wäre aus Sicht eines verständigen Vertragspartners zu erwarten gewesen, dass diese Einschränkungen auch in dem Vertragstext irgendeinen Niederschlag finden. Eine Bezugnahme auf das EEG findet sich nur in Höhe auf die Vergütung in der Regelung 1.3 und in Hinblick auf die Laufzeit des EEG unter 5.1.
25Es gibt auch im Übrigen keinen Anlass, den Vertrag nur so zu verstehen, dass er eine Vergütung nur nach den gesetzlichen Regelungen des EEG geben will. Hätten die Parteien lediglich Regelungen im Sinne des EEG treffen wollen, so hätte es eines Vertragsschlusses überhaupt nicht bedurft. Der Vergütungsanspruch nach § 12 EEG des Einspeisers ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Wenn die Parteien über die gesetzlichen Regelungen hinaus einen zivilrechtlichen Vertrag abschließen, sind seine Regelungen als eigenständige Vereinbarungen zu verstehen.
26Im vorliegenden Fall kann auch dahinstehen, was bei den Verhandlungen zwischen dem 16.02. und 31.05.2012 besprochen worden ist und ob der Kläger darauf hingewiesen worden ist, dass es Kapazitätsengpässe im Netz geben könnte. Denn eine Beschränkung der Vergütungspflicht aufgrund von eventuellen Kapazitätsengpässen findet sich in der vertraglichen Regelung nicht mehr.
27Soweit die Beklagtenseite sich darauf beruft, eine Vergütungspflicht könne schon deshalb nicht bestehen, weil der Kläger selbst den Anschluss seiner Photovoltaikanlage an einem anderen als dem gesetzlichen Netzverknüpfungspunkt (die Trafostation „Burlo“) gewünscht habe, ist dies unerheblich. Der Vertrag vom 21./24.01.2013 wurde zwischen den Parteien nämlich geschlossen, als der Beklagten ganz genau bekannt war, an welchem Netzverknüpfungspunkt die Anlage des Klägers angeschlossen worden war. Im Übrigen hatte die Beklagte bereits zuvor dem Kläger mit Schreiben vom 30.05.2012 den Netzverknüpfungspunkt für seine Anlage eindeutig und ohne jede Einschränkung schriftlich benannt an dem „neu zu errichtenden 10 kV-Anschluss in der Nähe der Ortsnetzstation X“.
28Auch die Einwände der Beklagten, eine vollständige Abnahme des Stromes sei technisch nicht möglich, ist unerheblich. Beiden Parteien waren die technischen Einschränkungen bei Abschluss des Vertrages bekannt. Die Beklagtenseite hatte im Schreiben vor dem Abschluss des Vertrages auch mehrmals schriftlich darauf hingewiesen. Wenn sie sich dennoch zur Abnahme und Vergütung des erzeugbaren Stromes verpflichtet, muss sie entsprechend Schadensersatz zahlen, wenn sie der Erfüllung ihrer Verpflichtung nicht nachkommt. Die Erfüllung dieser Abnahmeverpflichtung ist auch technisch ohne Weiteres möglich durch entsprechenden Netzausbau. Diesen hält die Beklagte lediglich für wirtschaftlich unzumutbar.
29Im Ergebnis ist dieses vom Gericht vertretene Verständnis vom Vertrag entsprechend seines Wortlautes auch mit den gesetzlichen Regelungen des EEG vereinbar. Das Gesetz über den Vorrang erneuerbarer Energien sieht nämlich eine vergleichbare Regelung vor, nach der der Netzbetreiber grundsätzlich verpflichtet ist, den Strom aus erneuerbaren Energien abzunehmen und – jedenfalls teilweise – auch dann zu vergüten, wenn er nicht abgenommen werden kann, vergleiche § 12 EGG.
30Dem Kläger ist auch unzweifelhaft ein gewisser Mindestschaden entstanden. Zwischen den Parteien war in der mündlichen Verhandlung unstreitig, dass es zumindest auch zu netzbedingten Abschaltungen gekommen ist, so dass der Kläger jedenfalls zeitweilig keinen Strom in das Netz der Beklagten einspeisen konnte.
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Referenzen - Gesetze
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.