Landgericht München I Hinweisbeschluss, 07. Apr. 2016 - 31 S 3878/16

published on 07.04.2016 00:00
Landgericht München I Hinweisbeschluss, 07. Apr. 2016 - 31 S 3878/16
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Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 03.02.2016, Az. 452 C 755/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Entscheidung des Amtsgerichts ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend. Denn die streitgegenständliche Klausel § 5 Ziff. 4 des Mietvertrages ist gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Der BGH hat seine Entscheidung vom 18.03.2015 - VIII ZR 242/13 - insbesondere damit begründet, dass die der Entscheidung zugrundeliegende Quotenabgeltungsklausel vom Mieter verlangt, zur Ermittlung der auf ihn bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen. Folge davon sei es, dass solche Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalten. Sie benachteiligen den Mieter unangemessen, weil sie dem Mieter bei Vertragsschluss keine realistische Einschätzung der auf ihn zukommenden Kostenbelastung ermöglichen.

Denn es sei für den durchschnittlichen und verständigen Mieter bei dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkennbar, welcher tatsächliche Abnutzungsgrad der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses, dessen Zeitpunkt bei Vertragsschluss noch nicht feststeht, unter Zugrundelegung seines (möglicherweise Veränderungen unterworfenen) individuellen Nutzungsverhaltens erreicht sein wird. Aber nicht nur der tatsächliche Zustand der Wohnung bei Vertragsende sei für den Mieter bei Vertragsschluss nicht einschätzbar. Um eine Kostenquote ermitteln zu können, ist darüber hinaus die empirische Prognose notwendig, zu welchem Zeitpunkt bei unterstellter gleicher Nutzungsart und gleicher Nutzungsintensität voraussichtlich Renovierungsbedarf eintreten wird. Quotenabgeltungsklauseln verlangen vom Mieter daher bei Vertragsschluss seine bei Beendigung des Mietverhältnisses bestehende Zahlungspflicht aufgrund eines in der Zukunft liegenden, auf mehreren Variablen beruhenden hypothetischen und damit fiktiven Sachverhalts einzuschätzen. Derartige Bestimmungen benachteiligten den Mieter nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und seien unwirksam.

Im Ergebnis gilt dies auch für die hier streitgegenständliche Klausel. Letztlich handelt es sich hierbei auch um eine solche Quotenabgeltungsklausel, auch wenn nur von „Kostenbeitrag“ die Rede ist. Auf die Formulierung kann es nicht entscheidend ankommen, sondern auf den tatsächlichen Gehalt der Verpflichtung des Mieters, hier der Beklagten. Dass diese zu Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet sind, ändert daran nichts. Vielmehr liegt ohne eine solche Verpflichtung erst recht eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor. Insbesondere auch, da es dem Mieter nicht gestattet ist, seiner anteiligen Zahlungsverpflichtung dadurch zuvorzukommen, dass er vor dem Ende des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen in kostensparender Eigenarbeit ausführt (vgl. BGH Urteil vom 18. Oktober 2006 - VIII ZR 52/06 m. w. N.).

Die Formularklausel benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben auch deshalb unangemessen, da sie eine „starre“ Berechnungsgrundlage hat, die eine Berücksichtigung des tatsächlichen Erhaltungszustands der Wohnung nicht zulässt.

Denn dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Mieter - gemessen am Abnutzungsgrad der Wohnung und der Zeitspanne bis zur Fälligkeit der Zahlung - eine übermäßig hohe Abgeltungsquote zu tragen hat. Sind etwa Wände und Decken der Wohnung mit besonders „langlebigen“ Materialien dekoriert oder hat der Mieter die Wohnung oder einzelne Räume wenig genutzt, kann es an einem Renovierungsbedarf bei Beendigung des Mietvertrages

fehlen (vgl. BGH a. a. O..). Dies ist mit dem Grundgedanken des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenso wenig zu vereinbaren wie die Auferlegung von Renovierungspflichten nach einem feststehenden Fristenplan ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Renovierungsbedarf.

Hinzu kommt noch, dass der Mieter Kosten zu tragen hätte für Arbeiten, welche grundsätzlich Angelegenheit des Vermieters sind, nämlich der Anstrich der Fenster von außen und die Versiegelung des Parkettbodens. Diese rechnen nicht zu den Schönheitsreparaturen und es würde damit dem Mieter ein Übermaß an Renovierungspflichten auferlegt werden (vgl. BGH v. 13.01.2010 - VIII ZR 48/09). Wenn diese Arbeiten aber nicht wirksam formularmäßig auf den Mieter umgelegt werden können, kann er ebenso wenig bzw. erst recht nicht an den Kosten hierfür beteiligt werden.

Im Übrigen ist aber auch die Begründung des Amtsgerichts zutreffend. Nach dem Wortlaut der Klausel ist eine tatsächlich durchführte Erneuerung Voraussetzung für die (unwirksame) Zahlungsverpflichtung. So ist jeweils von „Erneuerung“ und „erfolgt“ im Zusammenhang mit der Fälligkeit des Kostenbeitrages die Rede. Im Übrigen würden Zweifel zulasten der Klägerin gehen (§ 305c Abs. 2 BGB). Dabei liegen Zweifel in jedem Falle vor, da die Formulierung keinesfalls eindeutig im Sinne der Klägerin verstanden werden kann.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht
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published on 13.01.2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 48/09 Verkündet am: 13. Januar 2010 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 18.10.2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 52/06 Verkündet am: 18. Oktober 2006 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.