Die Parteien streiten um Ersatzansprüche der Klägerin, die darauf zurückzuführen sein sollen, dass der Beklagte als sog. Unfallgutachter sein Gutachten fehlerhaft erstattet habe.
Ein Versicherungsnehmer der Klägerin verursachte am 21.01.2013 einen Verkehrsunfall, bei dem das Auto des Unfallgeschädigten ... beschädigt wurde. Der Beklagte wurde durch den Unfallgeschädigten oder dessen Beauftragte mit der Erstattung eines Gutachtens zu den Kosten der Reparatur, Wiederbeschaffungswert und Restwert beauftragt. Er kam dabei (Anlage K 1) zu dem Ergebnis, dass bei einem Wiederbeschaffungswert von 4.350,00 Euro (für ein dem Unfallauto vor dem Unfall gleichwertiges Fahrzeug) und einem Restwert von 500,- Euro (nach dem Unfall) Reparaturkosten von 5.446,08 Euro inkl. Mehrwertsteuer entstehen würden. Damit lagen die Reparaturkosten bei 125% des Wiederbeschaffungswertes, so dass die Klägerin zum Ersatz der Reparaturkosten nach der sog. 130%-Rechtsprechung verpflichtet war. Die Klägerin erteilte daher eine Reparaturkostenübernahmezusage. Der Unfallgeschädigte ... hatte die Durchführung der Reparatur bereits vor der Zusage der Klägerin und vor der Vortage des Gutachtens des Beklagten in Auftrag gegeben. Diese kostete tatsächlich 6.675,08 Euro (Anlage - K 3), die die Klägerin, nebst weiteren Kosten, auch bezahlte.
Die Klägerin behauptete erstinstanzlich, der Beklagte habe sein Gutachten fehlerhaft erstattet, weil er einen Schaden am rechten vorderen Frontscheinwerfer und einen höheren Schadensaufwand bei der Reparatur des Fahrersitzes nicht berücksichtigt habe. Dort sei nämlich auch der Sitzbezug zu ersetzen gewesen, da der entsprechende Seitenairbag beim Unfall den Sitzbezug zerrissen habe. Unter Ansatz schon der höheren Reparaturkosten für den Sitzbezug, jedenfalls aber bei Ansatz sowohl für Frontscheinwerfer und Sitzbezug wäre die 130%-Schwelle überschritten gewesen, so dass sie - die Klägerin - nicht mehr die Reparatur, sondern nur den wirtschaftlichen Totalschaden zu ersetzen gehabt hätte.
Die Klägerin begehrte daher erstinstanzlich den Ersatz folgender Schadenspositionen:
-) 2.825,08 Euro für Mehrreparaturkosten (6.675,08 Euro abzüglich Wiederbeschaffungswert von 4.350,00 Euro, dieser verringert um Restwert von 500,- Euro)
-) Kosten des Sachverständigengutachtens des Beklagten von 687,77 Euro
-) Mehrkosten des vom Unfallgeschädigten eingeschalteten Rechtsanwalts durch Streitwerterhöhung, insoweit 171,71 Euro
Summe: 3.684,56 Euro, nebst zugehöriger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.05.2013 und vorgerichtlicher Anwaltskosten von 413,64 Euro.
Die Klägerin erklärte insoweit, sie würde diesen Schaden aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten ...geltend machen und behauptete eine entsprechende Abtretung. Vorsorglich erklärte sie in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts vom 22.10.2014 (Bl. 93/95 d.A.) die Annahme des Abtretungsangebots des Geschädigten ... vom 11.04.2013 (Anlage K 6)
Der Beklagte, der erstinstanzlich Klageabweisung beantragte, war der Meinung, er habe keinen Fehler bei der Bewertung des Schadens am Sitzbezug begangen. Er habe sich insoweit auf das von ihm verwendete Schadensbewertungssystem der ... GmbH verlassen können und dürfen. Den Schaden am rechten Frontscheinwerfer bestritt er. Weiter war der Beklagte der Meinung, der Wiederbeschaffungswert sei mit 19% Mehrwertsteuer zu versehen, so dass auch bei Ansatz eines entsprechend erhöhten Schadensaufwands die 130%-Grenze im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert nicht überschritten werde. Das Risiko der gegenüber den im Begutachtungswege angesetzten erhöhten tatsächlichen Reparaturkosten trage alleine die Klägerin als Versicherer. Der Beklagte wies ferner darauf hin, dass der Unfallgeschädigte ... den Reparaturauftrag bereits vor Erstellung seines Gutachtens erteilt habe, er behauptete daher eine fehlende Kausalität zwischen Gutachten und Eintreten der Klägerin.
Die Abtretung von Ansprüchen des Unfallgeschädigten ... an die Klägerin bestritt der Beklagte.
Der ... GmbH verkündete der Beklagte den Streit. Diese trat dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten bei und erklärte, ihr Schadenskalkulationssystem sehe für solche Fälle die optionale Angabe vor, dass der Sitzbezug ebenfalls zu ersetzen sei. Diese Option müsse durch den jeweiligen Anwender gesetzt werden.
Das Amtsgericht hat nach Vernehmungen der Zeugen ... und ... sowie einer Begutachtung (Bl. 124/161 d.A.) u.a. zur Frage, ob der Beklagte eine Prüfung der Angaben des DM-Systems zum Sitzbezug hätte vornehmen müssen, der Klage weitgehend entsprochen. Es hat den Beklagten zur Zahlung von 2.789,36 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.05.2014 verurteilt (Bl. 221/235 d.A.). Dabei setzte es als ersatzfähige Positionen einen Reparaturmehraufwand von 2.617,65 Euro und einen Mehraufwand von Anwaltskosten von 171,71 Euro an. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründüng führte es aus, dass der Beklagte pflichtwidrig die Richtigkeit der Schadensersatzkalkulation für den Sitzbezug nicht überprüft habe. Bereits dadurch wäre bei richtiger Berechnung die 130%-Grenze zum richtig besteuerten Wiederbeschaffungswert überschritten worden, so dass die Klägerin stattdessen nur auf der Basis eines wirtschaftlichen Totalschadens Ersatz hätte leisten müssen. Ein Ersatz der Gutachterkosten sei nicht geschuldet, da diese auch bei richtiger Begutachtung angefallen wären, die vorprozessuale Einschaltung eines Anwalts durch die Klägerin samt der dadurch entstehenden Kosten sei nicht zweckmäßig gewesen.
Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen die dargelegte Verurteilung. Zur Begründung wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Frage der Kausalität seines Gutachtens für den Reparaturaufwand, seine Berechnung zur Besteuerung des Wiederbeschaffungswertes und die Berufung auf die Kalkulation des DM-Systems, die ein eigenes Verschulden ausschließe. Ferner hält er die Klägerin für weiterhin nicht durch eine Abtretung von Ansprüchen des Zeugen ... legitimiert. Ergänzend meint der Beklagte zuletzt, die Klägerin habe die Reparaturkosten nicht vollständig ersetzen dürfen, da der Unfallgeschädigte den Reparaturauftrag bereits vor ihrer - der Klägerin - Entscheidung über die Ersatzpflicht erteilt habe.
Der Beklagte stellt daher den Antrag das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise das Ersturteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurück zu verweisen.
Die Nebenintervenientin schließt sich den Ausführungen des Beklagten im Kern an - mit der Ausnahme des von ihr dargelegten Optionsschalters für den Sitzbezug - und beantragt das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Die Kammer hat Hinweise erteilt durch die Verfügung vom 07.04.2017 (Bl. 278/279 d.A.). Zur weiteren Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß § 540 ZPO auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2017 (Bl. 292/294 d.A.) verwiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das sorgfältig begründete Urteil des Amtsgerichts ist zurückzuweisen, da das Amtsgericht zu Recht den Beklagten zum Ersatz der bei der Klägerin eingetretenen Schäden verurteilt hat.
1. Der Ersatzanspruch der Klägerin besteht allerdings nicht, wie diese noch mit der Klageschrift behauptete, aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten ..., sondern aus eigenem Recht. Bereits das Amtsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin wegen Verletzung eines Vertrags - nämlich des zwischen dem Unfallgeschädigten ... und dem Beklagten geschlossen Vertrag auf Begutachtung des Unfallschadens - mit Schutzwirkung zugunsten Dritter - hier der Klägerin - ein eigener Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Darauf hat das Amtsgericht zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2014 (Bl. 93/95 d.A., hier: Bl. 94 d.A.) hingewiesen. Die Klägerin hat sich dieser für sie günstigen Rechtsauffassung konkludent angeschlossen und gleichfalls konkludent die Klage entsprechend umgestellt, von der Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht auf die Geltendmachung eines eigenen Ersatzanspruchs. Diese konkludente Klageänderung war ersichtlich sachdienlich, so dass es einer Zustimmung des Beklagten hierzu nicht bedurfte, § 263 ZPO. Auf die Frage der von der Klägerin behaupteten und vom Beklagten bekämpften Abtretung von Ansprüchen des Unfallgeschädigten ... kommt es daher nicht an.
2. Wie das Amtsgericht nach sachkundiger Beratung überzeugend festgestellt hat, hat der Beklagte dadurch, dass er den Optionsschalter für den Ersatz auch des Sitzbezuges nicht gesetzt hat, gegen seine Pflichten zur sorgfältigen Gutachtenserstattung verstoßen. Auf die Begründung des Amtsgerichts, die nicht ergänzungsbedürftig ist, kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden. Die Auffassung des Beklagten, er habe keine eigenen Prüfpflichten für die vom System der Nebenintervenientin erstellte Reparaturliste samt zugehöriger Reparaturkosten, würde ihn zum bloßen Systemeingeber ohne eigene Sachkompetenz degradieren. Das System der Nebenintervenientin ist nach zutreffender Bewertung allerdings nur ein Hilfsmittel für die Tätigkeit des Beklagten als Sachverständigen, dem es auch ohne dieses System möglich sein muss, seine Tätigkeit auszuführen. Sonst dürfte er sich kaum als Sachverständigen bezeichnen und als solcher tätig werden.
3. Dieser Fehler ist auch kausal für die Regulierungsentscheidung der Klägerin geworden. Zwar hatte der Unfallgeschädigte ... den Reparaturauftrag bereits vor der Erstellung des Gutachtens erteilt. Das war allerdings nur die Vermögensdisposition des Geschädigten, dem es selbstverständlich zusteht, seinen Pkw-reparieren zu lassen, auch ohne dass er Kostenersatz durch Dritte in Anspruch nehmen kann oder will. Diese Entscheidung des Unfallgeschädigten hat keinerlei Auswirkung auf die Prüfung der Haftpflichtversicherung, ob und in welchem Umfang sie zum Ersatz verpflichtet ist oder nicht. Die Klägerin hat ihre Vermögensdisposition, nämlich die Abgabe einer Erklärung zur
2. Reparaturkostenübernahme, erst nach Vorlage des Gutachtens des Beklagten getroffen.
4. Im Ansatz richtig ist die Auffassung des Beklagten, dass das Risiko einer Steigerung des Reparaturaufwandes den ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherer trifft. In der streitgegenständlichen Konstellation geht es aber, erst nachrangig um die Frage, der Steigerung der Reparaturkosten gegenüber dem Kostenvoranschlag. Dem vorgeschaltet war die vom Beklagten durch das falsche Gutachten verursachte Entscheidung, ob überhaupt eine Reparaturkostenübernahme erklärt wird, oder nicht vielmehr von vorne herein nur auf der Basis des wirtschaftlichen Totalschadens abzurechnen ist. Bei der letztgenannten Abrechnung kann es nicht zur Steigerung von Reparaturkosten kommen, weswegen der Beklagte im Umfang der Differenz ersatzpflichtig ist.
.5. Schließlich hat das Amtsgericht zutreffend auch die Differenzbesteuerung des Wiederbeschaffungswertes bei der Beurteilung, ob hier die 130%-Grenze überschritten worden wäre, angesetzt. Auch insoweit ist auf die Ausführungen des Amtsgerichts zu verweisen.
7. Zutreffend hat das Amtsgericht ferner erkannt, dass die Mehrkosten an Anwaltsgebühren, die durch den höheren Streitwert ausgelöst wurden, zum ersatzfähigen Umfang gehören. Dabei handelt es sich, entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsbegründung, nicht um vorprozessuale Rechtsanwaltskosten der Klägerin, sondern um Rechtsanwaltskosten, die die Klägerin dem Unfallgeschädigten ... in einem Umfang erstattet hat, der ohne den Fehler der Begutachtung des Beklagten nicht veranlasst gewesen wäre. Gutachterkosten hat bereits das Amtsgericht zutreffend nicht als Schaden der Klägerin anerkannt, so dass es auf die Ausführungen des Beklagten hierzu nicht ankommt.
Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1,101 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Kammer nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht. Der Streitwert folgt gemäß §§ 3, 4 Abs. 1. ZPO aus der Beschwer des Beklagten in der Hauptsache durch die erstinstanzliche Verurteilung.