Landgericht München I Endurteil, 09. Mai 2016 - 1 S 13988/15 WEG

bei uns veröffentlicht am09.05.2016
vorgehend
Amtsgericht München, 82 C 7542/14 WEG, 17.06.2015

Gericht

Landgericht München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17.06.2015, Az. 482 C 7542/14 WEG, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung des Amtsgerichts im Kostenpunkt abgeändert wird.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf den Tatbestand des Amtsgerichtsurteils Bezug genommen.

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin verfügt über einen Miteigentumsanteil von 39,32/11.600stel.

Die Klägerin begehrt von den beklagten übrigen Eigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft, die an die Vermietergesellschaft im Jahr 2011 ausbezahlten Beträge von 110.000 € und 350.000 € wieder der Instandhaltungsrücklage zuzuführen bzw. eine Entscheidung des Gerichts anstelle der Beklagten gem. § 21 VIII WEG.

Im Jahr 2011 entnahm die Hausverwaltung zunächst im September einen Betrag von 110.000 € aus dem Rücklagenkonto, was mit Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 12.10.2011 genehmigt wurde. Zudem entnahm sie am Ende des Jahres 2011 einen weiteren Betrag von 350.000 € aus der Instandhaltungsrücklage, was sie sich zuvor durch Beschluss zu TOP 8 vom 22.12.2011 genehmigen hatte lassen. Beide Genehmigungsbeschlüsse wurden auf Anfechtung hin inzwischen rechtskräftig für ungültig erklärt.

Mit der Einladung zur Eigentümerversammlung vom 6.6.2013 wurden den Eigentümern beide Urteile des Amtsgerichts vom 14.11.2012 zugesandt. Nach der Einladung lauteten TOP 14 und TOP 15 der Tagesordnung wie folgt:

14. Berichtigungsbeschluss zu TOP 08 der WEG-Versammlung vom 22.12.2011, der nach Be-schluss-Anfechtung durch den Gesellschafter Arnold S. vom Amtsgericht München, WEG-Gericht, Az 482 C 1729/12 WEG, wegen nicht ausreichender Bestimmtheit für unwirksam erklärt wurde.

Beschlussvorlage: Die Wohnungseigentümer berichtigen den vom Amtsgericht München wegen Unbestimmtheit aufgehobenen WEG-Beschluss unter TOP 08 der Versammlung vom 22.12.2011 und entscheiden hiermit wie folgt: Die Wohnungseigentümer beschließen, an die VMG zulasten der WEG-Instandhaltungsrücklage einen Pauschalbetrag i. H. v. € 350.000 auszuzahlen. Dieser Betrag soll Kosten für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen decken, die die Mieterin SRM GmbH gemäß § 14, Ziff. 2. Bis 7. Des Mietvertrags vom 21.6.2001 auf ihre Kosten durchführt hat, aber nur bis zur Höhe von jährlich € 51.129,18 (= DM 100.000) selbst zu tragen hatte. Die hierzu vorliegenden Rechnungen und Aufstellungen sind vorgeprüft, aber noch nicht endgültig vom Beirat abgezeichnet, da derzeit kein Beirat vorhanden ist. Die von SRM abgerechnete Summe beläuft sich dabei auf € 473,4 T€. Die Abrechnung kann bei der Geschäftsführung VMG von jedem Gesellschafter jederzeit nach Terminabsprache eingesehen werden (Siehe zur rechtlichen Grundlage auch Notarurkunde URNr. 2976 Oe/2002 vom 20.08.2002, V., VI. Ziff. 1, Ziff. 5 a), Ziffl. 6,X, Ziff. 1 b) sowie dortige Anlage 2, § 3 (29 a), c), (3), § 8 (4).).

15. Beschluss zum weiteren Vorgehen der Wohnungseigentümer angesichts der vom Wohnungseigentümer Hr. Arnold S. aufgrund Anfechtung erreichten Aufhebung des Beschlusses unter TOP 03, Pkt 2 in der WEG-Versammlung vom 12.10.2011 durch Urteil des Amtsgerichts München vom 14.11.2012, Az 482 C 28980/11 WEG.

Beschlussvorlage: Die Wohnungseigentümer beschließen, dass die seitens des Wohnungseigentümers Hr. S. wegen der vom Amtsgericht verfügten Beschlussaufhebung nunmehr bei der Hausverwaltung beantragte Rückforderung der im September 2011 den Wohnungseigentümern seitens der Hausverwaltung aus der Instandhaltungsrücklage zur Verfügung gestellten Liquiditätshilfe zur Begleichung von Wohngeldzahlungen bei ausgefallenen Mietzahlungen von der Hausverwaltung nicht durchgeführt werden soll, da die derzeitige Instandhaltungsrücklage für ausreichend erachtet wird.

Auf die Einladung (Anlage K9) und das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 6.6.2013 (Anlage K10) wird für diese Beschlussvorlagen Bezug genommen. In der Versammlung am 6.6.2013 erfolgte darüber keine Beschlussfassung.

Die Klägerin schloss sich dann dem Verlangen der Beklagten zu 2 vom 21.8.2013 an, dass eine Eigentümerversammlung einberufen werde, auf welcher darüber diskutiert und Beschluss gefasst werden sollte, ob die 350.000 € zurückgefordert werden sollen, weil der Zahlungsabfluss rechtswidrig gewesen sei. Das gemeinsame Einberufungsverlangen stellt die Beklagte zu 2 mit Email vom 16.10.2013 „ruhend“. Auf Anlage K12 wird Bezug genommen.

Die Klägerin wies die Verwaltung mit Schreiben vom 18.2.2014 (Anlage K6) darauf hin, dass die Beträge infolge der Urteile zurückgefordert werden müssten.

Nach Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils im vorliegenden Verfahren forderte die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.9.2015 auf, die TOP 14 und 15 vom 6.6.2013 auf die Tagesordnung der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung aufzunehmen. „Die Wohnungseigentümerversammlung soll sich nochmals damit befassen könne, wie angesichts der Aufhebung der am 12.10.2011 unter TOP 3 gefassten und des am 22.12.2011 unter TOP 8 gefassten Beschlüsse durch die Urteile des Amtsgericht München vom 14.11.2012 (...) weiter vorgegangen werden soll.“ Auf Anlage KB1 (nach Bl. 161 dA) wird Bezug genommen. Die Tagesordnungspunkte 14 und 15 vom 6.6.2013 wurden auf die Tagesordnung der Eigentümerversammlung vom 26.10.2015 gebracht. Auch dort fand keine Beschlussfassung darüber statt. Hierzu wird Bezug genommen auf den Schriftsatz Bl. 160/161 dA mit Anlagen.

Mit Schriftsatz vom 25.4.2016 trägt die Klägerin weiter vor, mit Schreiben vom 24.4.2016 habe sie die Verwaltung nochmals gebeten, die Tagesordnungspunkte auf die Einladung zur nächsten ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung zu setzen und konkrete Anträge dazu gestellt, wie die Folgen der für ungültig erklärten Beschlüsse beseitigt werden könnten (Anlage Bk4). Die Klägerin regt an, das Verfahren bis zur Beschlussfassung über diese Anträge auszusetzen.

Die Klägerin meint, der geltend gemachte Anspruch stehe ihr als Folgenbeseitigung der ordnungswidrigen Entnahmen und Beschlüsse zu. Sie hat klargestellt, dass sie keine Zahlung begehre, sondern die Rückführung der Beträge in die Instandhaltungsrücklage, wobei der WEG dorthin der Entscheidung der Eigentümer vorbehalten bleibe.

Im Übrigen meint die Klägerin, die Folgen der Urteile vom 14.11.2014 könnten ohnehin nicht anders als durch Zuführung der Beträge in die Instandhaltungsrücklage beseitigt werden. Insoweit bedürfe es keiner weiteren Befassung durch die Eigentümerversammlung. Auch wäre eine weitere Vorbefassung reine Förmelei gewesen, weil klar gewesen sei, dass die Beklagten nicht für die Rückführung gestimmt hätten. Die Klage habe erhoben werden müssen, weil Verjährung drohte und die Klägerin auch als Notgeschäftsführerin klagebefugt gewesen sei.

In der Berufung beantragt die Klägerin:

Das Amtsgerichtsurteil wird aufgehoben.

Die Beklagten werden verurteilt, die an die Vermietergesellschaft G.er Str 14a-d im Jahr 2011 ausbezahlten Pauschalbeträge iHv 110.000 € und 350.000 € wieder der Instandhaltungszulage zurückzuführen.

Hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung der Sache und

Weiter hilfsweise: Das Gericht möge anstelle der Beklagten gem. § 21 VIII WEG nach billigem Ermessen entscheiden, soweit es der Auffassung ist, dass sich die von den Beklagten zu treffenden Maßnahmen nicht schon aus den früheren Urteilen ergeben.

Die Beklagten beantragen

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagten meinen, das Amtsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen, weil ihr mangels hinreichender Vorbefassung das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 14.3.2016 auf Antrag der Klägerin das Verfahren nach § 239, § 246 ZPO eingestellt, nachdem der Beklagte zu 2 am 15.1.2016 verstorben war. Die Beklagte zu 3 hat die Aufnahme des Verfahrens nach § 239 ZPO beantragt und vorgetragen, Alleinerbin des Beklagten zu 2 zu sein. Die Kammer hat am 2.5.2016 über die Rechtsnachfolge verhandelt. Der Klägervertreter hat dabei anerkannt, dass die Beklagte zu 2 Rechtsnachfolgerin des Beklagten zu 3 sei. Auf das Protokoll vom 2.5.2016 wird auch insofern Bezug genommen. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat die Kammer am 2.5.2016 abschließend über die Sache verhandelt.

Die Klägerin hat ferner die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2 und des früheren Beklagten zu 3 gerügt. Eine von beiden handschriftlich unterzeichnete Vollmacht befindet sich nach Blatt 12 der Akte.

Mit Schriftsatz vom 27.4.2016, bei Gericht eingegangen am 29.4.2016, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1 mitgeteilt, dass auch der beklagte Miteigentümer Dr. Günther Stet-ter am 5.2.2016 verstorben sei. Der Kammer ist dieser Schriftsatz erst am 3.5.2016 vorgelegt worden. Der Schriftsatz wurde den übrigen Prozessbevollmächtigten zugeleitet. Bis zum Verkündungstermin ist ein Aussetzungsantrag nach § 246 ZPO nicht gestellt worden.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften vom 14.3.2016 und vom 2.5.2016 Bezug genommen.

II.

Die Kammer hat das Verfahren aufgrund des Ergebnisses der Verhandlung über die Rechtsnachfolge nach § 239 I WEG auf Antrag der Beklagten zu 3 wieder aufgenommen. In der Verhandlung über die Rechtsnachfolge vom 2.5.2016 hat die Beklagte zu 3 zur Überzeugung der Kammer dargelegt und mit der Vorlage von Urkunden nachgewiesen, dass sie die rechtmäßige Alleinerbin des Beklagten zu 2 ist. Sie ist Vorerbin, die von sämtlichen Beschränkungen, welche das Gesetz dem Vorerben auferlegt, im zulässigen Rahmen befreit ist (vgl. §§ 2112 ff. BGB). Das folgt aus dem vorgelegten Ehe- und Erbvertrag vom 12. Juni 1990, geschlossen vor dem Notar Dr. Hans-Rainer Gebhard URNr. G 194/1990 und dem Erbverstragsnachtrag vom 8.3.2007, geschlossen vordem Notar Ludwig Thiede unter URNr. T0612/2007, sowie den Angaben der Beklagten zu 2 in ihrer informatorischen Anhörung vom 2.5.2016. Sie hat erklärt, das Erbe angenommen und nicht ausgeschlagen zu haben. Weitere Verfügungen von Todes wegen sind weder vorgetragen und noch ersichtlich. Sie ist daher Rechtsnachfolgerin nach § 1922 I BGB des Beklagten zu 3. Die Klageseite hat im Zuge der Verhandlung über die Rechtsnachfolge auch erklärt, die Rechtsnachfolge durch die Beklagte zu 3 anzuerkennen. Auf das Protokoll vom 2.5.2016 wird Bezug genommen.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 3 und vormals des Beklagten zu 2 ist wirksam bevollmächtigt. Die Bevollmächtigung ergibt sich bereits aus der vorgelegten Vollmacht vom 3.6.2014, vorgelegt mit Schriftsatz vom 6.6.2014. Die Vollmacht wirkt über den Tod hinaus (§ 86 1. HS ZPO); der Prozessbevollmächtigte hat damit eine Vollmacht der Rechtsnachfolgerin bereits vorgelegt (vgl. § 86 2. HS ZPO).

III.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht mangels hinreichender Vorbefassung als unzulässig abgewiesen.

Die Klageseite weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Eigentümer nach Ungültigerklärung der beiden Beschlüsse, die die Entnahmen und Weiterleitungen von Beträgen über 110.000 € bzw. 350.000 € an die Vermietungsgesellschaft gebilligt hatten, verpflichtet sind, sich mit dem dadurch entstandenen ordnungswidrigen Zustand zu befassen und diesen zu beheben. Denn nach allgemeiner Ansicht steht den Eigentümern nach Aufhebung eines bereits vollzogenen Beschlusses ein Anspruch auf Folgenbeseitigung zu, wenn die Rückgängigmachung nicht unmöglich ist (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 213; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 65; Staudinger/Bub, 2005, § 23 Rn. 315; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl. § 23 WEG, Rn. 19; Staudinger/Joachim Wenzel (2005) WEG § 43, Rn. 43; BayObLGZ 1975, 201; OLG Hamm, NZM 2002, 874 Rn. 25 nach juris). Die Folgenbeseitigung stellt, solange sie möglich ist, ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung nach § 21 IV WEG dar.

Die Verpflichtung zur Folgenbeseitigung hängt aber in ihrer konkreten Ausgestaltung von den Umständen des Einzelfalls, zwischenzeitlichen Entwicklungen und der aktuellen Sachlage der Gemeinschaft ab.

Soweit Ermessensspielräume bestehen, ist es dabei zunächst Sache der Eigentümer innerhalb des Rahmens, den die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung stecken, darüber zu entscheiden, was konkret zu veranlassen ist. Denn über die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entscheiden grundsätzlich nach § 21 I, III, IV, § 23 I WEG die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung. Die subsidiäre Inanspruchnahme des Gerichts, um eine ordnungsmäßige Verwaltung herbeizuführen, indem die Eigentümer zur Entscheidung verpflichtet werden oder das Gericht die Entscheidung der Eigentümer ersetzt, ist nur zulässig, wenn der klagende Eigentümer zuvor vergeblich alles ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um die Eigentümer zur Ausübung ihrer Entscheidungskompetenz und -pflicht zu bewegen (vgl. BGH, Urteil vom 15.1.2010 -V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 14 mzN; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 39 ff.).

Die Klägerin hat klargestellt, dass sie keine Zahlung begehre, sondern die Rückführung der Beträge in die Instandhaltungsrücklage, wobei der WEG dorthin der Entscheidung der Eigentümer vorbehalten bleibe.

Der begehrten Rückführung der Beträge in die Instandhaltungsrücklage oder auf Veranlassung der Rückführung durch die Beklagten steht aber entgegen, dass die Eigentümer die Zuführung von Geldern in die Instandhaltungsrücklage erst beschließen und bewirken (lassen) können, wenn diese Beträge vorhanden sind. Die Verurteilung, die Beträge in die Rücklage zurückzuführen, ohne vorher zu klären, wo die Beträge herkommen, birgt Vollstreckungsprobleme. Nachdem es sich um eine Beschlussersetzung nach § 21 VIII WEG handelt, wäre der Beschluss vom Verwalter umzusetzen. Eine umsetzbare Regelung lässt dieser Beschluss aber nicht erkennen, weil nicht geregelt ist, wo die Beträge herkommen sollen und es nicht Aufgabe des Verwalters ist, darüber zu befinden, woher er diese Beträge nehmen soll.

Die aufgehobenen Beschlüsse enthielten jeweils zwei Komponenten: die Entnahme der Beträge aus der Instandhaltungsrücklage und deren Weiterleitung an die Vermietergesellschaft. Entnahme und Ausgabe sind wegen Ungültigerklärung der Genehmigungsbeschlüsse unberechtigt erfolgt und grundsätzlich rückgängig zu machen. Dafür kommen allerdings - wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat - verschiedene Möglichkeiten in Betracht, unter denen - nach den maßgeblichen Kriterien des konkreten Einzelfalls und seiner gesamten Umstände - auszuwählen der Entscheidung der Eigentümer vorbehalten ist.

Sie könnten diese Beträge außergerichtlich und/oder ggf. gerichtlich von der Vermietungsgesellschaft zurückfordern. Da dieses Vorgehen mit Kosten- und Ausfallrisiken verbunden ist, steht den Eigentümern hierüber grundsätzlich ein Ermessen zu. In Betracht kommt möglicherweise auch, die entnommenen Beträge von der Verwaltung einzufordern. Ob ein solcher Anspruch besteht, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Auch insofern entstehen Kostenrisiken und steht den Eigentümern ein Ermessen zu. Schließlich kommt in Betracht, die Beträge über eine Sonderumlage von den Eigentümern zu erheben, das insbesondere dann, wenn die Einforderung von der Vermietungsgesellschaft oder der Verwaltung oder sonstigen verantwortlichen Beteiligten nicht hinreichend erfolgversprechend und realisierbar erscheint. Auch hierüber steht den Eigentümern ein Ermessen zu. Denkbar ist dabei auch, dass sich die Eigentümer im Ergebnis dafür entscheiden, den Betrag angesichts mangelnder Erfolgsaussichten einer Rückforderung auch nicht über die Erhebung einer Sonderumlage wieder aufzufüllen, wenn die Auffüllung der Instandhaltungsrücklage über eine Sonderumlage nicht erforderlich erscheint, weil die Instandhaltungsrücklage eine den aktuellen Erfordernissen angemessene Höhe hat und/oder weil die Auffüllung der Instandhaltungsrücklage über eine Sonderumlage mit Blick auf den Wert der Immobilie unwirtschaftlich wäre.

Es ist deshalb auch eine Sachgestaltung denkbar, in der es ermessensfehlerfrei wäre, die Instandhaltungsrücklage nicht wieder aufzufüllen. Es ist daher derzeit nicht ersichtlich, dass das Ermessen der Eigentümer zwingend darauf reduziert wäre, die entnommenen Beträge, so wie hier Klagegegenstand, wieder der Instandhaltungsrücklage zuzuführen. Ob das zwingend erforderlich ist, kann erst beurteilt werden, wenn alle maßgeblichen Umstände der Entscheidung aufgeklärt sind. Der Sachverhalt ist hier sehr komplex. Es ist schon nicht klar, wem genau die Gelder, die die Verwaltung vom Rücklagenkonto entnommen hat, letztlich zugewandt wurden und zu welchem Zweck genau. Ohne nähere Einzelheiten wird man schwerlich entscheiden können, ob Ansprüche gegen die Vermietungs- oder Mietgesellschaft oder sonstige Beteiligte in Betracht kommen. Die Kostenrisiken eines etwaigen Vorgehens müssen abgewogen werden. Angesichts verschiedener wirtschaftlicher Parameter wird zu beurteilen sein, ob Ansprüche auch realisierbar sind. Für die Frage schließlich, ob die Instandhaltungsrücklage möglicherweise nicht wieder aufgefüllt wird, wird man den Instandhaltungsbedarf der Immobilie klären müssen und können auch weitere Fragen der Wirtschaftlichkeit von Bedeutung sein, wie die Zahlungsfähigkeit der Eigentümer und die Wertigkeit der Immobilie selbst.

Eine Ermessensreduzierung darauf, dass die Instandhaltungsrücklage in jedem Fall wieder aufgefüllt werden müsste, ist derzeit nicht ersichtlich. Die Klägerin hat folglich auch keinen Anspruch, die Wiederauffüllung der Instandhaltungsrücklage in einer Art „Grundlagenbeschluss“ wie im Sanierungsrecht ausgesprochen zu erhalten.

Der Anspruch der Klägerin kann derzeit nur dahin gehen, dass eine ordnungsmäßige Entscheidungsfindung der Eigentümer auf hinreichender Tatsachengrundlage, entsprechend vorbereitet durch die hierfür zuständige Verwaltung, darüber stattfindet, wie sie mit dem durch die Beschlussaufhebungen entstandenen ordnungswidrigen Zustand umgehen.

Eine ausreichende Entscheidungsfindung der Eigentümer hat bislang noch nicht stattgefunden. Zwar erkennt das Gericht, dass die Klägerin bereits mehrfach Anstrengungen unternommen hat, das Thema auf die Tagesordnung zu bringen. Die - offenbar von der Verwaltung – formulierten Beschlussvorlagen TOP 14 und TOP 15 vom 6.6.2013 erscheinen wenig geeignet, um die umfassende Problematik abzudecken. Die Verwaltung muss den Sachverhalt und alle für die Entscheidung der Eigentümer maßgeblichen Fakten aufbereiten, die Eigentümer darüber informieren und dann unter Erörterung der denkbaren Entscheidungen in der Versammlung diskutieren und über sinnvolle Beschlussvorlagen abstimmen lassen.

Das hat bislang nicht stattgefunden. Die Klägerin hat insofern auch noch nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan. Sie muss notfalls auch gerichtlich gegen die Verwaltung vorgehen, die dazu verpflichtet ist, die Frage, wie mit der entstandenen ordnungswidrigen Situation nach Aufhebung der beiden Genehmigungsbeschlüsse für Entnahmen umzugehen ist, ordentlich vorbereitet in die Eigentümerversammlung zu bringen, über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren und über sinnvolle Beschlussvorschläge abstimmen zu lassen.

Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, an dieser Stelle des Entscheidungsprozesses die komplexe Gesamtsituation aufzuklären, um darüber zu befinden, ob eine Rückführung der Beträge in die Instandhaltungsrücklage stattfinden muss. Die Voraussetzungen einer Beschlussersetzung durch das Gericht nach § 21 VIII WEG liegen daher nicht vor.

Sollte es weiterhin zu keiner sachgerechten Behandlung der Problematik und Beschlussfassung über den Umgang mit der entstandenen ordnungswidrigen Situation kommen, muss die Klägerin ggfs die Verwaltung verklagen, eine solche Beschlussfassung ordentlich vorzubereiten und durchzuführen. Wenn auch das nicht zu einer sachgerechten Beschlussfassung führt, kann eine Entscheidung nach § 21 VIII WEG in Betracht kommen, für die dann die konkreten Parameter einer Ermessensreduzierung auf die dann begehrte Entscheidung zu prüfen wären.

IV.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO, § 91 I ZPO. Die Entscheidung des Amtsgerichts war insofern zu korrigieren, dass die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 und zu 3 nicht nach § 49 II WEG vom Verwalter zu tragen sind. Nach § 49 II WEG können dem Verwalter Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft, auch wenn er nicht Partei des Rechtsstreits ist. Hier geht es aber nicht darum, dass die Tätigkeit des Gerichts durch grobes Verschulden des Verwalters veranlasst ist. Diese gesetzliche Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Umstand, dass der Verwalter möglicherweise einen Anlass dafür gesetzt hat, dass die Beklagten zu 2 und zu 3 sich einen eigenen Prozessbevollmächtigten genommen haben, erfüllt den Tatbestand des § 49 II WEG nicht. Dem Verwalter können insofern die Kosten nicht im Rahmen der Kostengrundentscheidung nach § 49 II WEG auferlegt werden.

2. Die Revision ist gemäß § 543 I Nr. 1, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich ist. Es geht lediglich um die Auslegung des Gesetzes anhand von im Wohnungseigentumsrecht allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen auf einen Einzelfall.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht München I Endurteil, 09. Mai 2016 - 1 S 13988/15 WEG

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht München I Endurteil, 09. Mai 2016 - 1 S 13988/15 WEG

Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Endurteil, 09. Mai 2016 - 1 S 13988/15 WEG zitiert 6 §§.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 246 Aussetzung bei Vertretung durch Prozessbevollmächtigten


(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmäc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 239 Unterbrechung durch Tod der Partei


(1) Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. (2) Wird die Aufnahme verzögert, so sind auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht München I Endurteil, 09. Mai 2016 - 1 S 13988/15 WEG zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landgericht München I Endurteil, 09. Mai 2016 - 1 S 13988/15 WEG zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2010 - V ZR 114/09

bei uns veröffentlicht am 15.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 114/09 Verkündet am: 15. Januar 2010 Lesniak Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja WEG §§ 10 Abs. 2 Satz

Referenzen

(1) Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein.

(2) Wird die Aufnahme verzögert, so sind auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden.

(3) Die Ladung ist mit dem den Antrag enthaltenden Schriftsatz den Rechtsnachfolgern selbst zuzustellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsitzenden bestimmt.

(4) Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termin nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache zu verhandeln.

(5) Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet.

(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.

(2) Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen.

(1) Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein.

(2) Wird die Aufnahme verzögert, so sind auf Antrag des Gegners die Rechtsnachfolger zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden.

(3) Die Ladung ist mit dem den Antrag enthaltenden Schriftsatz den Rechtsnachfolgern selbst zuzustellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsitzenden bestimmt.

(4) Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termin nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden anzunehmen und zur Hauptsache zu verhandeln.

(5) Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft zur Fortsetzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet.

(1) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten statt, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nicht ein; das Prozessgericht hat jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.

(2) Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241 bis 243; in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

14
b) Das mit dem zweiten Teil des Hauptantrags verfolgte Klageziel betrifft dagegen nicht den abgelehnten Antrag. Vielmehr will die Klägerin eine Regelung erreichen, die bisher nicht zur Abstimmung stand. Die vorherige Befassung der Eigentümerversammlung mit dem Antrag, den der Wohnungseigentümer gerichtlich durchsetzen will, ist jedoch Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Leistungsklage. Denn primär zuständig für die Beschlussfassung ist die Versammlung der Wohnungseigentümer (§§ 21 Abs. 1 und 3, 23 Abs. 1 WEG). Soweit es - wie hier - um die Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung geht, muss sich der Kläger vor der Anru- fung des Gerichts um die Beschlussfassung der Versammlung bemühen, weil seiner Klage sonst das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (OLG Hamm ZMR 2008, 156, 159 m.w.N.; Merle in Bärmann, WEG, 10. Aufl., § 21 Rdn. 56; Wenzel in Bärmann, aaO, § 43 Rdn. 188; Heinemann in Jennißen, WEG, § 21 Rdn. 46; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 21 Rdn. 12).