Landgericht München I Beschluss, 21. Sept. 2017 - 7 O 15820/16

bei uns veröffentlicht am21.09.2017

Gericht

Landgericht München I

Tenor

I. Der Rechtsstreit wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den am 30.08.2016 erhobenen Einspruch gegen das Klagepatent EP 2 708 258 B1 ausgesetzt.

II. Der Streitwert wird auf EUR 1.300.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich im Anschluss an ein letztendlich erfolgloses Verfügungsverfahren aus einem Patent für ein Maskensystem für die Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen gegen von den Beklagten vertriebene Atemmasken.

Die Klägerin stellt medizinische Atemgeräte her, speziell Produkte zur Diagnose und Therapie schlafbezogener Atemstörungen. Die Beklagte zu 1) ist das deutsche Tochterunternehmen einer neuseeländischen Unternehmensgruppe, die im Bereich der Medizintechnik tätig ist und sich unter anderem mit dem Vertrieb von Produkten zur Behandlung von Schlafapnoe beschäftigt. Die Beklagte zu 2) ist die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1), sie stellt die angegriffene Ausführungsform her.

Die Klägerin ist Inhaberin des auf Englisch erteilten europäischen Patents EP 2 708 258 B1 (nachfolgend: Klage- oder Streitpatent; Patentschrift vorgelegt als Anlage VP1), das ein Maskensystem für die Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen betrifft. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 22.06.2016 veröffentlicht. Das Klagepatent ist mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt und steht in Kraft. Die Beklagte hat am 30.08.2016 gegen das Klagepatent Einspruch vor dem Europäischen Patentamt erhoben (Einspruchsschrift einschließlich Anlagen vorgelegt als Anlagenkonvolut B1)

Die durch das Klagepatent gelehrten Masken dienen der Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen, wie beispielsweise der sogenannten obstruktiven Schlafapnoe (OSA, zum besseren Verständnis der Krankheit und des technischen Gebiets vgl. Informationsbroschüre des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, vorgelegt als Anlage VP3).

Die wichtigste Behandlung der Schlafapnoe ist die PAP-Therapie (PAP = positive airway pressure), bei der der Patient während des Schlafs bzw. der Ruhephasen mit Überdruck beatmet wird. Die PAP-Behandlung erfordert weder Medikamente noch Operationen und ist sofort wirksam.

Für diese Therapie wird ein Gerät verwendet, das mit Überdruck über eine kleine Maske, die auf die Nase oder auf Mund und Nase des Patienten gesetzt wird, Luft abgibt. Der Druck wirkt wie eine „Luftschiene“ und hält so die oberen Luftwege frei, wodurch obstruktive Apnoen (nahezu) vollständig verhindert werden. Da es für eine erfolgreiche Therapie besonders wichtig ist, dass der Patient die Therapie regelmäßig anwendet, ist die Patientenakzeptanz sehr bedeutend. Einflussfaktoren auf diese sind Hygiene und Komfort. Dabei ist zu beachten, dass die Atemmaske gewöhnlich über eine Kopfbedeckung bzw. ein Kopfband mit einem gewissen Druck auf dem Gesicht des Patienten gehalten werden muss, um die Maske abzudichten und dem Therapiebeatmungsdruck entgegenzuwirken. Gleichermaßen ist es von Bedeutung, dass die Masken leicht und gut zu reinigen sind. Werden diese Faktoren nicht oder nur unzureichend erfüllt, besteht das Risiko, dass der Patient die Therapie ablehnt.

Die Klägerin macht im hiesigen Hauptsacheverfahren primär die Verletzung einer gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 eingeschränkten Anspruchskombination geltend (vgl. zu der hilfsweise geltend gemachten weiteren, eingeschränkten Anspruchskombination S. 7/8 der Replik). Mit dieser Anspruchskombination möchte sie das Klagepatent im Einspruchsverfahren aufrechterhalten. Dieser von der Klägerin hauptsächlich als verletzt geltend gemachte Anspruch schützt ein Maskensystem (x10), mit einem Rahmen (x40), der eine Beatmungskammer definiert; einem Polster (x44, 1060), das am Rahmen (x40) vorgesehen und eingerichtet ist, eine Dichtung mit dem Gesicht des Patienten zu bilden; einem Abdeckelement (x20), das am Rahmen (x40) vorgesehen und eingerichtet ist, eine Kopfhalterungsanordnung (x90) zu befestigen; und einem Winkelstück, das am Rahmen (x40) vorgesehen ist und das eingerichtet ist, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführt; wobei der Rahmen (x40) einen Kragen (x49) aufweist, der eine Öffnung (x46) umgibt, die eingerichtet ist, mit einem dem Winkelstück (x70) in Verbindung zu stehen, wobei das Abdeckelement (x20) dadurch gekennzeichnet ist, dass es einen Haltemechanismus aufweist, der strukturiert ist, eine positive Verbindung zwischen dem Abdeckelement (x20) und dem Rahmen (x40) herzustellen, der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger (x45) aufweist, die strukturiert sind, den Kragen (x49) mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen, wobei das Abdeckelement (x20) mit einer Stirnhalterung versehen ist, und wobei der Kragen (x49) einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern (x45) in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement (x20) vorgesehen sind. Die im Fettdruck hervorgehobenen Merkmale wurden zur Einschränkung neu hinzugefügt.

Die Beklagten bewarben und vertrieben zumindest bis zur Zustellung zweier von der Klägerin erwirkter einstweiliger Verfügungen – die inzwischen zumindest durch Antragsrücknahme hinfällig sind – in Deutschland Masken unter anderem unter der Bezeichnung „Simplus“, „Eson“ und „Eson 2“ (vorgelegt als Anlagen VP9 (Simplus), Gebrauchsanweisung gemäß Anlage VP9a; VP10 (Eson), Gebrauchsanweisung gemäß Anlage VP10a; und VP11 (Eson 2), Gebrauchsanweisung gemäß Anlage VP11a; nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen), gegen die sich der Verfügungsantrag richtet.

Die angegriffenen Ausführungsformen weisen ein Maskensystem mit einem Rahmen auf, der gewölbt ist und so eine Beatmungskammer definiert. Des Weiteren weisen die angegriffenen Ausführungsformen ein Polster auf, das am Rahmen vorgesehen und dafür eingerichtet ist, eine Dichtung mit dem Gesicht des Patienten zu bilden. Schließlich umfasst die angegriffene Ausführungsform ein Element, das am Rahmen vorgesehen und dafür eingerichtet ist, eine Kopfhalterungsanordnung zu befestigen. Jedoch ist dieses Element transparent ausgestaltet. Auch sind die Verbindungsteile der Kopfhalterungsanordnung so am oberen Ende dieses transparenten Elements angeordnet, dass sich die Kopfhalterungsanordnungen über den Nasenrücken des Patienten hinweg auf die Stirn erstreckt. Es werden also die Riemen der Kopfhalterungsanordnung über die Stirn des Patienten geführt:

(oberstes Bild S. 12 der Klageerwiderung, hier in schwarz-weiß)

Der Rahmen der angegriffenen Ausführungsformen weist eine Öffnung auf, die von einem Kragen des Rahmens umgeben ist. Weiterhin ist das Winkelstück zu sehen, das mit der Öffnung verbunden werden kann. Jedoch haben das Winkelstück und der Rahmen keinen unmittelbaren Kontakt:

(unteres Bild S. 19 der Klageerwiderung, hier in schwarz-weiß)

Zudem weisen die angegriffenen Ausführungsformen weder einen oberen noch einen unteren Haltemechanismus auf und pfercht das Winkelstück das transparente Element nicht auf den Rahmen ein. Auch umschließt bei den angegriffenen Ausführungsformen der im transparenten Element vorhandene Haltemechanismus nicht den Kragen des Rahmens und ist der Kragen des Rahmens nicht kleiner als die Öffnung des transparenten Elements. Zudem ist der auf dem Kragen des Rahmens befindliche Haltemechanismus nicht auf der Außenseite des Kragens angebracht.

In der nachfolgenden Fotografie des transparenten Elements ist der Haltemechanismus durch eine obere gestrichelte Linie hervorgehoben:

(Foto S. 23 der Klageschrift, hier in schwarz-weiß)

Es handelt sich dabei um zwei seitlich der Öffnung einander gegenüberliegende Vorsprünge. Diese beiden Vorsprünge stehen vom transparenten Element nach innen vor und weisen eine gewisse Elastizität auf, so dass sie elastisch weggelenkt werden können. Die Vorsprünge weisen zudem jeweils an ihrer Außenseite eine Vertiefung auf (durch ein gestricheltes Oval umrandet).

(Foto S. 24 der Klageschrift, hier in schwarz-weiß)

Diese Vertiefung stellt nach dem Zurückschnappen den Schluss mit entsprechenden Vorsprüngen im Rahmen her. Dabei treten die im Rahmen des Kragens vorgesehenen Vorsprünge mit einem entsprechenden Hinterschnitt der Vorsprünge so in Eingriff, dass das transparente Element am Rahmen gehalten wird.

Bei der Maske „Simplus“ sind zudem Winkelstück und Rahmen wie folgt angeordnet

(Bild S. 9 der Replik, hier in schwarz-weiß)

Sie werden mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden, der dem Patienten Atemgas zuführt:

(Bild S. 10 der Replik, hier in schwarz-weiß)

Im Übrigen wird zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen auf die eingereichten Asservate VP9, VP10, VP11 verwiesen.

Die Klägerin trägt vor,

die angegriffenen Ausführungsformen verletzten Anspruch 1 des Klagepatents in seiner nunmehr primär geltend gemachten eingeschränkten Fassung unmittelbar wortsinngemäß.

So enthielten die angegriffenen Ausführungsformen ein patentgemäßes Abdeckelement. Dabei liege ein Abdecken nicht nur dann vor, wenn das Dahinterliegende visuell nicht mehr wahrnehmbar sei. Weiter sei zu bedenken, dass der geltend gemachte Patentanspruch eine Kopfhalterungsanordnung nicht lehre, sondern nur, dass das Abdeckelement vorgesehen sei, eine Kopfhalterungsanordnung zu befestigen. Auch ergebe sich aus dem Wortlaut des geltend gemachten Patentanspruchs nicht, dass das Winkelstück mit dem Rahmen in Verbindung stehen müsse. Grammatikalisch müsse allein die Öffnung mit dem Winkelstück in Verbindung stehen. Bei der Auslegung des Merkmals der positiven Verbindung zwischen dem Abdeckelement und dem Rahmen sei die Definition in Abs. [0013] (nachfolgend bezieht sich die Angabe „Abs. [Ziffern]“ auf Abschnitte der Klagepatentschrift gemäß Anlage VP1) zu beachten, wonach eine positive Verbindung bedeute, dass die Elemente so angepasst seien, dass sie miteinander in Eingriff stehen könnten. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.

Soweit das Klagepatent lehre, dass der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger aufweist, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen, sei der Begriff „In Eingriff nehmen“ so zu verstehen, dass irrelevant sei, ob ein „Eingreifen“ von außen oder von innen stattfinde. Maßgeblich sei vielmehr die technische Funktion.

Weiter macht die Klägerin geltend, bei der Maske „Simplus“ sei das Winkelstück am Rahmen vorgesehen und dazu eingerichtet, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführe. Denn nach der gebotenen funktionsorientierten Auslegung komme es hierfür alleine darauf an, dass die durch den Luftzufuhrschlauch und das Winkelstück einströmende Luft zum Patienten gelange. Nach der patentgemäßen Lehre müsse keine unmittelbare Berührung zwischen Winkelstück und Rahmen gegeben sein.

Die Klagepartei beantragt,

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000.-, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,

a) Maskensysteme mit einem Rahmen, der eine Beatmungskammer definiert; einem Polster, das am Rahmen vorgesehen und eingerichtet ist, eine Dichtung mit dem Gesicht des Patienten zu bilden; einem Abdeckelement, das am Rahmen vorgesehen und eingerichtet ist, eine Kopfhalterungsanordnung zu befestigen; und einem Winkelstück, das am Rahmen vorgesehen ist und das eingerichtet ist, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführt; wobei der Rahmen einen Kragen aufweist, der eine Öffnung umgibt, die eingerichtet ist, mit dem Winkelstück in Verbindung zu stehen, wobei das Abdeckelement dadurch gekennzeichnet ist, dass es einen Haltemechanismus aufweist, der strukturiert ist, eine positive Verbindung zwischen dem Abdeckelement und dem Rahmen herzustellen, der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger aufweist, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen, wobei das Abdeckelement mit einer Stirnhalterung versehen ist, und wobei der Kragen einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement vorgesehen sind;

hilfsweise,

b) Maskensysteme mit einem Rahmen, der eine Beatmungskammer definiert; einem Polster, das am Rahmen vorgesehen und eingerichtet ist, eine Dichtung mit dem Gesicht des Patienten zu bilden; einem Abdeckelement, das am Rahmen vorgesehen und eingerichtet ist, eine Kopfhalterungsanordnung zu befestigen; und einem Winkelstück, das eingerichtet ist, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführt; wobei der Rahmen einen Kragen aufweist, der eine Öffnung umgibt, die eingerichtet ist, mit dem Winkelstück in Verbindung zu stehen, wobei das Abdeckelement dadurch gekennzeichnet ist, dass es einen Haltemechanismus aufweist, der strukturiert ist, eine positive Verbindung zwischen dem Abdeckelement und dem Rahmen herzustellen, der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger aufweist, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen, wobei das Abdeckelement mit einer Stirnhalterung versehen ist, und wobei der Kragen einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement vorgesehen sind;

(Hilfsantrag 1) hilfsweise,

c) Maskensysteme mit einem Rahmen, der eine Beatmungskammer definiert; einem Polster, das am Rahmen vorgesehen und eingerichtet ist, eine Dichtung mit dem Gesicht des Patienten zu bilden, und einem Abdeckelement, das am Rahmen vorgesehen und eingerichtet ist, eine Kopfhalterungsanordnung zu befestigen; wobei der Rahmen einen Kragen aufweist, der eine Öffnung umgibt, die eingerichtet ist, mit einem Winkelstück in Verbindung zu stehen, wobei das Abdeckelement dadurch gekennzeichnet ist, dass es einen Haltemechanismus aufweist, der strukturiert ist, eine positive Verbindung zwischen dem Abdeckelement und dem Rahmen herzustellen, und der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger aufweist, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen,

(Hilfsantrag 2)

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu geben und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die unter I. 1. a), hilfsweise I. 1. b), hilfsweise I. 1. c) beschriebenen Handlungen seit dem 22. Juli 2016 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege, insbesondere unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die zugehörigen Lieferbelege (Rechnungen) mit der Maßgabe vorzulegen sind, dass Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können, und wobei den Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind;

3. der Klägerin über Herkunft und Vertriebsweg der unter Ziffer I. 1. a), hilfsweise I. 1. b), hilfsweise I. 1. c) bezeichneten, benutzten Erzeugnisse seit dem 22. Juni 2016 Auskunft zu erteilen durch Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer der Erzeugnisse sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;

4. die unter Ziffer I. 1. a), hilfsweise I. 1. b), hilfsweise I. 1. c) bezeichneten, seit dem 22. Juni 2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

5. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. a), hilfsweise I. 1. b), hilfsweise I. 1. c) bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. a), hilfsweise I. 1. b), hilfsweise I. 1. c) bezeichneten, seit dem 22. Juli 2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Hilfsweise beantragen die Beklagten,

den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den am 30.08.2016 erhobenen Einspruch gegen das Klagepatent EP 2 708 258 B1 auszusetzen.

Die Klägerin wendet sich gegen eine Verfahrensaussetzung.

Die beklagte Partei trägt vor,

die angegriffenen Ausführungsformen verletzten den neu gefassten Anspruch 1 des Klagepatents nicht. So fehle es an einem patentgemäßen Abdeckelement. Denn unter einem „Abdeckelement“ sei ein Element zu verstehen, das etwas abdecke, sodass dahinterliegende, weitere Elemente oder Baugruppen nicht mehr visuell wahrnehmbar seien. Das vermeintliche Abdeckelement der angegriffenen Ausführungsformen sei hingegen transparent und könne nichts verdecken oder optisch abdecken.

Auch fehle es an einer patentgemäßen Kopfhalterungsanordnung. Nachdem diese im Anspruch nicht näher gelehrt werde, sei hierfür auf die Patentschrift zurückgreifen. Die Kopfhalterungsanordnung enthalte danach obere und untere Riemen, wobei die oberen Riemen lösbar an den oberen Kopfhalterungsanordnung-Verbindungsteilen befestigt seien und die unteren Riemen lösbar an den Verbindungsteilen der unteren Kopfhalterungsanordnung befestigt seien. Eine Entlangführung der oberen Kopfhalterungsriemen über die Stirn sei dem Klagepatent nicht zu entnehmen. Gerade so liege es aber bei den hier angegriffenen Ausführungsformen.

Auch stehe bei den angegriffenen Ausführungsformen das Winkelstück nicht, wie vom Klagepatent vorausgesetzt, mit dem Rahmen in Verbindung. Der Wortlaut dieses Merkmals verlange, dass die Öffnung des Rahmens dazu eingerichtet sei, mit einem Winkelstück in Verbindung zu stehen. Eine solche patentgemäße „Verbindung“ setze voraus, dass Rahmen und Winkelstück einen Verbund bildeten, sodass zwischen diesen Bestandteilen ein Zusammenhalt geschaffen werde.

Außerdem fehle es an einer positiven Verbindung zwischen dem vermeintlichen Abdeckelement und dem Rahmen. Der Begriff „positive Verbindung“ sei zwar in Abs. [0013] definiert, diese Definition sei für den Fachmann jedoch zur exakten Bestimmung des Merkmals nicht geeignet. Insbesondere sei die Definition mit Blick auf die Figuren der patentgemäßen Ausführungsformen zweideutig und missverständlich. Die angegriffenen Ausführungsformen wiesen weder einen oberen noch einen unteren Haltemechanismus im Sinne der Figuren 1-8B und 10-23 des Klagepatents auf.

Ferner wiesen die angegriffenen Ausführungsformen am Haltemechanismus nicht einen oder mehrere Schnappfinger auf, die strukturiert seien, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen. Die Formulierung des Anspruchswortlauts „in Eingriff nehmen“ bzw. „engage“ zeige schon, dass die Öffnung des Abdeckelements den Kragen des Rahmens umschließen müsse. Der Kragen des Rahmens müsse also kleiner als die Öffnung des Abdeckelements sein, damit die Öffnung des Abdeckelements ihn in Eingriff nehmen könne. Demnach müsse sich der auf dem Kragen des Rahmens befindliche Haltemechanismus („Schnappfinger“) bei einer patentgemäßen Ausführungsform auf der Außenseite des Kragens befinden. Bei den angegriffenen Ausführungsformen nehme der Haltemechanismus den Kragen des Rahmens aber nicht in diesem Sinne in Eingriff.

Außerdem sei bei der angegriffenen Ausführungsform das Winkelstück nicht, wie von der neuen Kombination des Patentanspruchs 1 gelehrt, am Rahmen vorgesehen und eingerichtet, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführt. Denn das Winkelstück einer patentgemäßen Ausführungsform müsse gerade an dem Rahmen festgemacht werden. Für eine patentgemäße Ausgestaltung bedürfe es also zwingend einer direkten Verbindung eines Winkelstücks mit einem Rahmen. Eine solche unmittelbare Verbindung wiesen die angegriffenen Ausführungsformen jedoch nicht auf.

Hilfsweise sei der Rechtstreit auszusetzen, weil die nun hauptsächlich als verletzt geltend gemachte Anspruchskombination nicht erteilungsfähig sei. Es fehle ihr an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit.

So sei die Entgegenhaltung US-A-2006/0042629 (nachfolgend: D1) neuheitsschädlich. Diese offenbare insbesondere ein Abdeckelement, das mit einer Stirnhalterung versehen sei. So zeige die Druckschrift D1 in Figur 17 ein Kopfband („head strap 79“), welches am Abdeckelement befestigt sei. Dieses Kopfband trete im oberen Stirnbereich – zusammen mit dem Gaszuführschlauch („gas supply hose 90“) – in Kontakt mit der Stirn und diene somit als Stirnhalterung. Auch zeige diese Druckschrift einen anspruchsgemäßen Kragen mit mehreren Vorsprüngen, die mit Schnappfingern am Abdeckelement in Eingriff träten. Wie beispielsweise der Figur 18 der D1 zu entnehmen sei, weise der Kragen einen Vorsprung 39 auf, der mit den Schnapphaken am Abdeckelement in Eingriff trete. Dabei müsse der Vorsprung nicht anspruchsgemäß mit dem beweglichen Teil des Schnappfingers in Eingriff treten. Vielmehr gehörten auch die Aussparungen zu den Schnappfingern.

Neuheitsschädlich seien zudem die Entgegenhaltungen US 6,530,373 (nachfolgend: D3) und DE 696 33 023 T 2 (nachfolgend: B 13) bzw. WO 97/20597 (nachfolgend: B 13a).

Hierauf erwidert die Klägerin,

der nun hauptsächlich als verletzt geltend gemachte Patentanspruch sei durchaus patentierbar.

Er sei insbesondere neu gegenüber der Entgegenhaltung D1. Denn diese offenbare keine Stirnhalterung im Sinne der neuen Anspruchsfassung. Zutreffend lehre die neue Anspruchsfassung schließlich, dass das Abdeckelement eine Komponente oder einen Abschnitt aufweise die bzw. der strukturiert sei, um das Abdeckelement an der Stirn des Patienten abzustützen. Insbesondere könne so eine Rotation des Maskensystems begrenzt werden. Vor diesem Hintergrund stelle das flexible Kopfband ggf. zusammen mit dem Gaszufuhrschlauch gemäß Figur 17 der D1 keine Stirnhalterung dar.

Auch zeige diese Druckschrift keinen Kragen, der einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement vorgesehen sind. Denn selbst wenn die in der D1 gezeigten halbrunden Wände 74 Schnappfinger darstellten, trete das Bauteil mit der Bezugsziffer 39 gerade nicht mit den Schnappfingern in Eingriff, sondern mit der Aussparung 73, die zwischen den halbrunden Wänden 74, also zwischen den angeblichen Schnappfingern, angeordnet sei.

Auch sei die neue Anspruchskombination neu gegenüber den Entgegenhaltungen D3 und B13, diese offenbarten ebenfalls keine Stirnhalterung sowie keinen anspruchsgemäßen Kragen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 21.08.2017 hat die Klägerin ergänzend dazu ausgeführt, dass die Entgegenhaltung D1 die Merkmale „Stirnhalterung“ und „Schnappfinger“ nicht offenbare. Sie hat vorgetragen, zu diesem Ergebnis gelange auch der von den Beklagten im englischen Parallelverfahren beauftragte Gutachter. Dem haben die Beklagten entgegnet, selbst wenn diese beiden Merkmale in der Entgegenhaltung D1 nicht gezeigt würden, seien beide Merkmale derart nahegelegt, dass es im Hinblick auf die D1 in Verbindung mit dem Wissen des Fachmannes an einer erfinderischen Tätigkeit fehle.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2017 Bezug genommen.

II.

In pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens setzt die Kammer den Rechtsstreit aus, weil die hiesige Entscheidung von der Patentfähigkeit des beschränkten Patentanspruchs 1 abhängt (unten Lit. A.) und die Kammer erhebliche Zweifel an der Patentfähigkeit dieses Anspruchs hat (unten Lit. B.).

A. Die hiesige Entscheidung hängt von der Patentfähigkeit des beschränkten Patentanspruchs 1 ab. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von dem von der Klägerin hauptsächlich als verletzt geltend gemachten beschränkten Patentanspruch 1 unmittelbaren wortsinngemäßen Gebrauch.

I. Die durch den deutschen Teil des Klagepatents unter Schutz gestellte technische Lehre ist aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns aus den Merkmalen des hier maßgeblichen neu gefassten Anspruchs 1 im Einzelnen und ihrer Gesamtheit unter Heranziehung der Beschreibung sowie der Zeichnungen zu ermitteln.

1. Maßgeblicher Durchschnittsfachmann ist ein Diplomingenieur des Bereichs Maschinenwesen mit Fachausrichtung Medizintechnik und mehrjähriger Erfahrung im Bereich Entwicklung und Herstellung von Medizinprodukten.

2. Das Klagepatent betrifft ein Maskensystem für die Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen.

Im Stand der Technik waren hierfür diverse Hilfsmittel bekannt (vgl. Absatz [0004] des Klagepatents). Das Klagepatent macht es sich zur Aufgabe, Maskensysteme so zu gestalten, dass die CPAP-Therapie möglichst effizient, den Bedürfnissen des Patienten (Akzeptanz) entsprechend durchgeführt werden kann (siehe Absatz [0004] des Klagepatents). Dies wird erreicht, indem gemäß der patentgemäßen Lehre ein Maskensystem bereitgestellt wird, das neben einem Rahmen und einem Polster ein Abdeckelement aufweist. Das (vordere) Abdeckelement wird dabei durch eine Schnappverbindung mit dem (hinteren) Rahmen der Maske verbunden, so dass die beiden Teile damit jederzeit voneinander getrennt und wieder zusammengefügt werden können. Dies verbessert für den Patienten insbesondere den Komfort und die Handhabbarkeit der Maske.

Der von der Klägerin hauptsächlich als verletzt geltend gemachte und neu gefasste Anspruch 1 des Klagepatents schützt eine Vorrichtung, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Maskensystem (x10), mit einem Rahmen (x40), der eine Beatmungskammer definiert;

2. einem Polster (x44, 1060), das am Rahmen (x40) vorgesehen und eingerichtet ist, eine Dichtung mit dem Gesicht des Patienten zu bilden;

3. einem Abdeckelement (x20), das am Rahmen (x40) vorgesehen und eingerichtet ist, eine Kopfhalterungsanordnung (x90) zu befestigen; und

4. einem Winkelstück, das am Rahmen (x40) vorgesehen ist und das eingerichtet ist, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführt;

3.1 wobei der Rahmen (x40) einen Kragen (x49) aufweist, der eine Öffnung (x46) umgibt, die eingerichtet ist, mit dem Winkelstück (x70) in Verbindung zu stehen,

3.2 wobei das Abdeckelement (x20) dadurch gekennzeichnet ist, dass es einen Haltemechanismus aufweist, der strukturiert ist, eine positive Verbindung zwischen dem Abdeckelement (x20) und dem Rahmen (x40) herzustellen,

3.3 der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger (x45) aufweist, die strukturiert sind, den Kragen (x49) mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen,

  • 5.wobei das Abdeckelement (x20) mit einer Stirnhalterung versehen ist, und

  • 6.wobei der Kragen (x49) einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern (x45) in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement (x20) vorgesehen sind.

Neu gegenüber der erteilten Fassung des Anspruchs 1 sind Merkmale 4, 5 und 6 (oben durch Fettdruck hervorgehoben). Dabei entstammt das Merkmal 4 dem Anspruch 36 der ursprünglichen Anmeldung, das Merkmal 5 wurde dem abhängigen erteilten Anspruch 9 entnommen und Merkmal 6 stammt aus dem abhängen Anspruch 12.

Den zwischen den Parteien vorrangig streitigen Merkmalen legt die Kammer folgendes Verständnis zugrunde:

a) In Bezug auf das Merkmal „Abdeckelement“ teilt die Kammer nicht die Auffassung der Beklagten, wonach „Abdecken“ erfordere, dass das Dahinterliegende nicht mehr zu sehen sei. Vielmehr kann auch ein Element patentgemäß abdecken, das nicht gleichzeitig verdeckt und transparent ist.

Zu „Abdeckelement“ heißt es in Abs. [0012] „The term „shroud“ will be taken to include components that partially or fully cover a second component within the illustrated embodiments.“ Ein teilweises Abdecken reicht also aus. Bei einem teilweisen Abdecken ist aber jedenfalls ein Teil des Abgedeckten weiterhin zu sehen. Soweit sich die Beklagten auf Abs. [0034] stützt, ist zunächst festzustellen, dass hierin lediglich Ausführungsbeispiele aufgeführt sind, die nicht für ein engeres Verständnis des Patentanspruchs herangezogen werden können, schließlich steht am Anfang des Abs. [0034] „e.g.“, also „beispielsweise“. Überdies ist in dem Klammervermerk, auf den sich die Beklagte bezieht, explizit dargelegt, dass die beschriebene Konfiguration lediglich ermöglicht („allows“), dass unterschiedlichste Materialien für den Rahmen und das Abdeckelement verwandt werden können („allows different materials to be used for the frame and shroud“). Zudem wird als besonderer Vorteil des in Abs. [0034] geschilderten Ausführungsbeispiels hervorgehoben, dass das Abdeckelement aus ästhetischen Gründen eine Abdeckung bereitstellen könne („provides visual shroud for aesthetics“). Hier wird also lediglich ein besonderer Vorteil des Ausführungsbeispiels hervorgehoben.

b) Ebenso folgt die Kammer nicht dem Verständnis der Beklagten in Bezug auf das Merkmal „Kopfhalterungsanordnung“. Denn dieses wird, anders als die Beklagte meint, von Anspruch 1 des Klagepatents nicht gelehrt. Das Abdeckelement muss lediglich eingerichtet sein, eine irgendwie geartete Kopfhalterungsanordnung zu befestigen. Die Kopfhalterungsanordnung selbst wird hingegen nicht gelehrt.

c) Das neu hinzugekommene Merkmal 4 lehrt ein Winkelstück, das am Rahmen vorgesehen ist und das eingerichtet ist, mit einem Luftzufuhrschlauch verbunden zu werden, der dem Patienten Atemgas zuführt. Anders als die Beklagten, geht die Kammer nicht davon aus, dass für eine patentgemäße Ausgestaltung Winkelstück und Rahmen zwingend direkten miteinander verbunden sein müssen.

Dies zeigt schon die unterschiedliche Formulierung im Vergleich zu Merkmal 3.2, wo eine „positive Verbindung“ gefordert wird, was gemäß der Definition in Abs. [0013] erfordert, dass die Komponenten ineinandergreifen („engage each other respectively“). Gemäß Merkmal 3.3 müssen die Komponenten sich gegenseitig in Eingriff nehmen („to engage“). Im Klagepatent finden sich folglich entsprechende Begriffe wie „to engage“, sofern eine direkte Verbindung gelehrt wird. Allein aus dem Wort „vorgesehen“ (bzw. in der maßgeblichen englischen Fassung „provided to“) folgt mithin nicht, dass eine direkte Verbindung zwischen Winkelstück und Rahmen gefordert ist. Dies wird gerade auch im Vergleich mit der beanspruchten direkten Verbindung des eben genannten Abdeckelements mit dem Rahmen deutlich: So ist gemäß Merkmal 3 des Klagepatents auch das Abdeckelement (nur) am Rahmen vorgesehen („provided to“). Eine direkte Verbindung des Abdeckelements mit dem Rahmen lehrt das Klagepatent erst in Merkmal 3.2 („positive Verbindung“), da eine positive Verbindung eine direkte Verbindung darstellt. Würde bereits das Merkmal 3 mit „vorgesehen“ bzw. “provided to“ eine direkte Verbindung erfordern, so wäre das Merkmal 3.2 redundant.

Bestätigt wird dieses Verständnis durch den weiteren Aufbau des Anspruchs. Merkmal 4 betrifft die Atemgaszuführung zum Patienten über einen Luftzufuhrschlauch, der mit dem Winkelstück verbunden wird. Beim Winkelstück handelt es sich somit um die funktionelle Schnittstelle zwischen Atemgasschlauch und Maskenrahmen. Die konkrete Art der Verbindung zwischen Winkelstück und Rahmen hat an dieser Stelle keine weitere Bedeutung, das Winkelstück muss nur am Rahmen vorgesehen sein, damit ein funktional betriebsfähiges Maskensystem gegeben ist.

Erst im darauffolgenden Merkmal 3.1 wird konkretisiert, wie genau das Winkelstück am Rahmen gemäß Merkmal 4 vorgesehen ist, nämlich indem eine Öffnung des Rahmens eingerichtet ist, um mit dem Winkelstück in Verbindung zu stehen und den Luftdurchfluss zu ermöglichen.

Zudem belegt Abs. [0120], dass das Klagepatent auch Ausgestaltungen umfasst, nach denen sowohl das Winkelstück als auch der Rahmen direkt mit dem Abdeckelement verbunden sind. Eine direkte Verbindung zwischen Rahmen und Winkelstück erfolgt dabei nicht. Denn in Abs. [0120] heißt es, the shroud 20 includes an open construction that provides an annular or part annular retaining portion 22 structured to retain the frame and the elbow 70.

d) Auch in Bezug auf das Merkmal 3.1, wonach der Rahmen einen Kragen aufweist, der eine Öffnung umgibt, die eingerichtet ist, mit einem Winkelstück in Verbindung zu stehen, folgt die Kammer der Auslegung der Beklagten nicht.

In der englischen Orginalfassung lautet dieses Merkmal „wherein the frame includes a collar surrounding an opening adapted to communicate with an elbow“. Grammatikalisch muss damit allein die Öffnung mit dem Winkelstück in Verbindung stehen. Auch folgt aus „Verbindung“ – anders als die Beklagte meint – nicht, dass kein Element zwischengeschaltet sein und damit kein Abstand bestehen darf. Technisch maßgeblich ist allein, dass das Winkelstück, durch das die Luft geleitet wird, mit der Öffnung in Verbindung steht im Sinne von kommuniziert, sodass die Luft weiter zum Patienten geleitet werden kann. Hierbei kommt es nicht darauf an, wie genau diese Verbindung gestaltet ist und ob ein Abstand zwischen der Öffnung und dem Winkelstück besteht. Entscheidend ist allein, dass diese beiden Elemente so in Verbindung stehen, dass die Luftzufuhr und die Aufrerchterhaltung des Überdrucks funktionieren.

e) Was die vom Klagepatent gelehrte positive Verbindung zwischen dem Abdeckelement und dem Rahmen gemäß Merkmal 3.2 angeht, entnimmt der Fachmann dessen Bedeutung dem Abs. [0013]: „The term „positive connection“ will be taken to include connections between components of the illustrated embodiments wherein connectors mounted on respective components are adapted to engage each other respectively.“ Soweit sich die Beklagte darüber hinaus für das Verständnis dieses Merkmals auf Figuren des Klagepatents bezieht, geben diese lediglich Ausführungsbeispiele wieder, die zeigen, wie eine positive Verbindung im Sinne des Klagepatents ausgestaltet sein kann. Es liegt für den Fachmann ohnehin nicht nahe, dass er, wenn das Klagepatent eine ausdrückliche Definition eines Begriffs enthält, sich für das Verständnis stattdessen auf Beispiele des Patents stützt.

f) Weiter bestimmt Merkmal 3.3, dass der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger aufweist, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen.

Dieses Merkmal ist funktional so zu verstehen, dass ein oder mehrere Schnappfinger vorgesehen sind, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen. Die Schnappfinger stellen demnach ein funktionales Mittel dar, um eine Schnappverbindung zu realisieren. Gemäß dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns wird eine Schnappverbindung durch Funktionselemente zum lösbaren oder auch zum unlösbaren, einfachen formschlüssigen Fügen von Bauteilen dargestellt. Bei einer Schnappverbindung verformt sich ein Flügelteil elastisch und verhakt anschließend lösbar oder unlösbar mit einem Gegenstück. Bei der hergestellten Verbindung liegt also ein Formschluss vor, wobei für die Verbindung die Elastizität der eingesetzten Werkstoffe zumindest eines der Verbindungsteile genutzt wird.

Kennzeichnend für eine Schnappverbindung ist das elastische Verformen und elastische Zurückkehren in die Ursprungsposition/-geometrie eines Elements der Schnappverbindung, hier des Schnappfingers. Wie genau dabei der Formschluss – also das Ineinandergreifen oder das Hintereinandergreifen von beispielsweise Vorsprüngen und/oder Vertiefungen – erreicht wird, ist dabei grundsätzlich offen.

Die Schnappverbindung muss beim Eingehen ein haptisches Feedback geben. Weder dem Anspruch, noch der Beschreibung ist zu entnehmen, dass diese Verbindung besonders fest sein muss, bzw. dass sie kein Spiel hat und nicht die Möglichkeit besteht, das eine Element gegen das andere Element ein wenig hin und her zu bewegen. Insbesondere lässt sich dies auch nicht dem Merkmal „positive connection“ entnehmen. Die Funktion der Verbindung erschöpft sich gemäß Abs. [117] vielmehr darin, dass eine „initial retention“ unabhängig vom „elbow“ bereitgestellt wird. Erst die Verbindung des Ganzen mit dem „elbow“ verleiht dann aber der Vorrichtung insgesamt Stabilität (Abs. [117] vorletzter Satz).

Ein solches fachmännisches Verständnis einer Schnappverbindung mittels Schnappfingern steht im Einklang mit der beanspruchten technischen Lehre des Klagepatents. In den Absätzen [0116] und [0117] des Klagepatents ist diese Schnappverbindung zwischen Rahmen und Abdeckelement anhand eines Ausführungsbeispiels wie folgt beschrieben: „Zum Beispiel kann die Öffnung des Abdeckelements, wie in Fig. 14, 15, 17 und 21 gezeigt, eine Struktur umfassen, die angepasst ist, um mit dem die Öffnung des Rahmens umfassenden Kragen mittels einer Schnappverbindung in Eingriff zu treten. Wie dargestellt, umfasst das Abdeckelement Schnappfinger (z.B. drei Schnappfinger) und Sandwich-Tabs (z.B. drei Sandwich-Tabs), die sich von der Öffnung erstrecken. Die Schnappfinger und Sandwich-Tabs sind einander abwechselnd um die Öffnung herum angeordnet.“ (Abs. [0116]). „In Benutzung werden die Schnappfinger elastisch weggelenkt (z.B. Weglenkung von 0,5 mm) und treten mit entsprechenden, am Kragen vorgesehenen, kreissegmentartigen Vorsprüngen (siehe etwa Fig. 22 und 23) in Eingriff, um eine anfängliche Rückhaltekraft des Abdeckelements am Rahmen bereitzustellen (z.B. mit zulässigen Spannungen), um zum Beispiel den Zusammenbau und die Zerlegung zu vereinfachen.“ (Abs. [0117]). Diese in den Absätzen [0116] und [0117] beschriebene technische Lehre entspricht dem oben beschriebenen Verständnis des Fachmanns.

Ein Schnappfinger im Sinne des Klagepatents muss aufgebaut sein, „elastisch weggelenkt“ werden zu können, um das Abdeckelement mittels einer Schnappverbindung (d.h. durch formschlüssiges Fügen) mit dem Rahmen in Eingriff zu bringen. Weitere strukturelle Anforderungen ergeben sich aus Anspruch 1 nicht. Insbesondere bestimmt Anspruch 1 nicht, dass es sich nur dann um einen anspruchsgemäßen Schnappfinger handelt, wenn er bestimmte Vorsprünge („protrusions“ 1149(1)) aufweist, die mit bestimmten Aussparungen („recessess“ 1149(2)) in Eingriff treten können. Zwar mag eine Ausführungsform, wie in Absatz [0117] dargestellt, eine derartige technische Lösung beschreiben. Dies erfolgt jedoch lediglich beispielhaft.

Anspruch 1 lässt offen, ob bzw. wo entsprechende Vorsprünge und/oder Aussparungen angeordnet sind. Dies ergibt sich bereits aus der Systematik der Ansprüche selbst. Erst Unteranspruch 12 sieht nämlich weitere Beschränkungen hinsichtlich der Verortung von Vorsprüngen bzw. Aussparungen vor, indem er Maskensysteme nach einem der vorangegangenen Ansprüche beansprucht, „wobei der Kragen (x49) einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern (x45) in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement (x20) vorgesehen sind.“. Anspruch 1 umfasst folglich sowohl diese technische Lösung als auch Lösungen, bei denen beispielsweise der Kragen eine Aussparung aufweist, die mit den jeweiligen Schnappfingern in Eingriff tritt.

Dabei ist das Merkmal „in Eingriff nehmen“ im Klagepatent nicht ausdrücklich definiert. Der Begriff ist aus der Sicht des Fachmanns zu verstehen. Für ihn ist es – anders als die Beklagte meint – nicht maßgeblich, ob ein Eingreifen von außen oder von innen stattfindet. Maßgeblich ist vielmehr die technische Funktion. Auch der maßgebliche englische Begriff „to engage“ stützt nicht die Auffassung der Beklagten. Denn im technischen Sinne heißt „to engage“ „eingreifen“ oder „ineinandergreifen“. Auch die Wortbedeutung „ineinandergreifen“ lässt den von der Beklagten gezogenen Schluss nicht zu, dass der Kragen des Rahmens kleiner sein müsse als die Öffnung des Abdeckelements.

Hätte das Klagepatent tatsächlich allein diese enge technische Lehre beanspruchen wollen, so hätte Merkmal 3.3 auch ausdrücklich dementsprechend einschränkend formuliert werden müssen (z.B. durch Verwendung des Begriffs „von außen“ oder „umfassen“). Dies ist indes nicht der Fall. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang zitierte Abs. [0117] beschreibt lediglich eine Ausführungsform.

In jedem Fall beschreibt Anspruch 12 gerade die auch in den Figuren gezeigte bevorzugte Ausführungsform, bei der der Kragen des Rahmens Vorsprünge 1149(1) aufweist (vgl. bspw. Fig. 11). Damit wird unterstrichen, dass diese in den Figuren dargestellte Ausführungsform lediglich bevorzugt ist und nicht als zwingende Einschränkung des Wortlauts des Anspruchs 1 verstanden werden darf.

g) Nach Merkmal 5 ist das Abdeckelement mit einer Stirnhalterung versehen. Dabei umfasst eine Stirnhalterung im zutreffend breiten Verständnis jede Struktur, die eine Befestigung einer Maske im Stirnbereich des Patienten ermöglicht.

Die enge Auslegung der Klägerin, wonach eine anspruchsgemäße Stirnhalterung eine Komponente oder einen Abschnitt des Abdeckelements ist, die bzw. der dazu dient, das Abdeckelement auf der Stirn des Patienten abzustützen, überzeugt nicht. Vielmehr ist das Klagepatent auf solche Anordnungen ausgerichtet, mit denen die Maske so stabilisiert wird, dass eine Stirnhalterung entbehrlich ist (vgl. etwa Abs. [0014], [0017] und [0063] des Klagepatents). Zudem wird in der Offenbarung einer Stirnhalterung in Abs. [0032] und [0105] ausgeführt, dass das Abdeckelement ein oder mehrere zusätzliche Komponenten aufweisen kann, beispielsweise eine Stirnhalterung. Ebenso kann danach die Maske mit verschiedenen Abdeckelementen versehen sein, zum Beispiel mit einem Abdeckelement samt Stirnhalterung.

Weiter wird in Abs. [0017] erläutert, dass in der klagepatentgemäßen Maskenanordnung die Funktion der Unterbindung einer Rotation bereits durch die übrigen Bestandteile des Maskensystems wahrgenommen wird, so dass in diesem Maskensystem gerade keine Stirnhalterung notwendig ist und sie daher entbehrlich ist. Wenn nunmehr im neuen Hauptantrag dennoch eine Stirnhalterung vorgesehen wird, hat diese zumindest nicht mehr die Funktion einer Unterbindung der Rotation, da diese Funktion bereits durch die übrigen Bestandteile des Maskensystems erfüllt wird. Auch setzt der Anspruch nicht voraus, dass separat eine Kopfhalterungsanordnung und eine Stirnhalterung vorgesehen sind. Denn Merkmal 3 lehrt keine Kopfhalterungsanordnung sondern nur die Ausgestaltung des Abdeckelements in der Form, dass hieran eine Kopfhalterungsanordnung befestigt werden kann.

h) Weiter lehrt der von der Klägerin neu eingeführte Anspruch, dass der Kragen einen oder mehrere Vorsprünge aufweist, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern in Eingriff zu treten, die am Abdeckelement vorgesehen sind (Merkmal 6). Dabei geht die Kammer nicht davon aus, dass der Vorsprung anspruchsgemäß mit dem beweglichen Teil des Schnappfingers in Eingriff treten muss. Ein solches Verständnis folgt nicht aus dem Anspruchswortlaut.

II. Von dieser technischen Lehre machen die angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch. Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagten verletzt den deutschen Teil des Verfügungspatents gemäß §§ 9 S. 2 Nr. 1, 139 Abs. 1, Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale des geltend gemachten abgeänderten Anspruchs unmittelbar wortsinngemäß. Insbesondere sind die von den Beklagten als nicht erfüllt angesehenen Merkmale 3., 3.1, 3.2 und 3.3, 4, 5 und 6 verwirklicht.

1. So handelt es sich bei dem transparenten Element der angegriffenen Ausführungsformen um ein Abdeckelement im Sinne von Merkmal 3. Wie gezeigt, kommt es bei zutreffendem Verständnis dieses Merkmals nicht darauf an, dass durch dieses Element die dahinterliegenden Bauteile nicht mehr zu sehen sind.

2. Auch der Umstand, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen der obere Kopfhalterungsriemen über die Stirn des Patienten geführt wird, führt nicht aus der Verletzung heraus. Denn wie dargelegt wird die Kopfhalterungsanordnung vom Anspruch nicht gelehrt, das Abdeckelement muss gemäß Merkmal 3 lediglich eingerichtet sein, eine irgendwie geartete Kopfhalterungsanordnung zu befestigen. Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.

3. Auch weist der Rahmen der angegriffenen Ausführungsformen im Sinne des Patentanspruchs 1 einen Kragen auf, der eine Öffnung umgibt, die eingerichtet ist, mit einem Winkelstück in Verbindung zu stehen (Merkmal 3.1). Denn dieses Merkmal setzt nach dem grammatikalisch richtigen Verständnis insbesondere der maßgeblichen englischen Fassung der Verfügungspatentschrift voraus, dass allein die Öffnung mit dem Winkelstück in Verbindung steht. Soweit bei den angegriffenen Ausführungsformen das Winkelstück nicht mit dem Rahmen in Verbindung steht, steht dies also nicht der Verwirklichung des Merkmals entgegen.

4. Auch fehlt es bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht, wie die Beklagte meint, an einer positiven Verbindung zwischen dem vermeintlichen Abdeckelement und dem Rahmen (Merkmal 3.2). Ihre diesbezügliche Argumentation kann mit Blick auf das richtige Verständnis des Merkmals „positive Verbindung“ nicht überzeugen. Denn letztlich stützt sie sich darauf, dass die angegriffenen Ausführungsformen nicht die in den Figuren 1-8B und 10-23 für die positive Verbindung gezeigten oberen beziehungsweise oberen und unteren Haltemechanismen aufwiesen, weil sie keinen Haltemechanismus zeigten. Das Winkelstück pferche das transparente Element nämlich nicht auf den Rahmen ein.

Hierauf kommt es jedoch nicht an. Die positive Verbindung im Sinne der Definition gemäß Abs. [0013] ist vielmehr so zu verstehen, dass Verbindungen zwischen Bestandteilen der abgebildeten Ausführungsformen erfasst werden, wobei die auf den entsprechenden Bauteilen angebrachten Verbindungsteile dazu eingerichtet sind, miteinander in Eingriff zu treten. Eine solche Verbindung liegt bei den angegriffenen Ausführungsformen aber vor. Denn das Abdeckelement und der Rahmen können so miteinander verbunden werden, dass beim Verbinden die obere Öffnung des Abdeckelements die Lüftungsanordnung des Rahmens aufnimmt und die untere Öffnung des Abdeckelements, in der sich das Winkelstück befindet, eine Verbindung mit dem Rahmen herstellt.

5. Auch verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen Merkmal 3.3, wonach der Haltemechanismus einen oder mehrere Schnappfinger aufweist, die strukturiert sind, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen. Die Beklagte stellt die Verwirklichung dieses Merkmals im Wesentlichen mit Blick auf das „in Eingriff nehmen“ in Abrede. Dabei folgt die Kammer ihrer Meinung nicht, es sei gefordert, dass der Haltemechanismus den Kragen des Rahmens derart in Eingriff nehme, dass die Öffnung des Abdeckelements den Kragen des Rahmens umschließe, der Kragen des Rahmens also kleiner sei als die Öffnung des Abdeckelements, damit die Öffnung des Abdeckelements ihn in Eingriff nehmen könne. Selbst wenn der Kragen des Rahmens bei den angegriffenen Ausführungsformen kleiner ist als die Öffnung des Abdeckelements, führt dies daher nicht aus der Verletzung heraus.

6. Merkmal 4 lehrt ein Winkelstück, das am Rahmen vorgesehen ist. Zutreffend erfordert ein Vorsehen nicht zwingend, dass Winkelstück und Rahmen direkten miteinander verbunden sind. Somit ist auch dieses Merkmal zumindest bei der angegriffenen Ausführungsform „Simplus“ erfüllt.

7. Auch zeigt die angegriffene Ausführungsform Merkmal 5, das lehrt, dass das Abdeckelement mit einer Stirnhalterung versehen ist. Dabei ist der Begriff der Stirnhalterung breit auszulegen und umfasst jede Struktur, die eine Befestigung einer Maske im Stirnbereich des Patienten ermöglicht. Wie auf folgender Abbildung

(S. 10 der Replik, hier in schwarz-weiß) zu sehen ist, ist das Abdeckelement der angegriffenen Ausführungsform mit einer Stirnhalterung versehen. Die Verwirklichung dieses Merkmals stellt die Beklagte auch nur insoweit in Abrede, als sie meint, dieses Merkmal sei nicht erfüllt, wenn man dem engen Verständnis dieses Merkmals der Klägerin folge.

8. Darüber hinaus weist der Kragen der angegriffenen Ausführungsform mehrere Vorsprünge auf, die eingerichtet sind, mit jeweiligen Schnappfingern, die am Abdeckelement vorgesehen sind, in Eingriff zu treten. Die Verwirklichung dieses Merkmals stellen die Beklagten zu Recht nicht in Abrede.

B. Die Kammer hat erhebliche Zweifel an der Patentfähigkeit des von der Klägerin primär als verletzt geltend gemachten beschränkten Patentanspruchs 1. So lässt sich die Neuheit gemäß Art. 54, 100 (a) EPÜ zumindest mit Blick auf die Entgegenhaltung D1 nicht vertretbar begründen.

I. Grundsätzlich (vgl. die Zusammenfassung bei Mes, PatG, 4. Auflage, Rz. 354 ff. zu § 139) ist eine Aussetzung eines Patentverletzungsprozesses nur dann geboten, wenn die Nichtigkeitsklage bzw. der Einspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (BGH GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf GRUR 2009, 53 (LS) – Brandschutzvorrichtung; GRUR-RR 2007, 259 – Thermocycler; GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; 1979, 636 – Ventilanbohrvorrichtung; OLG München InstGE 6, 57, Rdn. 15 – Kassieranlage; OLG München GRUR 1990, 352, 353 li.Sp. – Regal-Ordnungssysteme). Wegen der nur beschränkten Geltungsdauer eines Patentes (ebenso: eines Gebrauchsmusters) ist bei der Aussetzung eines Patentverletzungsprozesses wegen eines gegen das Klagepatent ergriffenen Rechtsbehelfs Zurückhaltung erforderlich (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 262 re.Sp. – Thermocycler). Regelmäßig kommt eine Aussetzung nur dann in Betracht, wenn neuheitsschädlicher Stand der Technik geltend gemacht wird, der im Prüfungsverfahren bisher noch nicht beurteilt wurde (LG München I, InstGE 9, 27 – Antibakterielle Versiegelung).

Von dieser Regel können Ausnahmen denkbar sein, z.B. wenn die Erteilungsbehörde (erkennbar) Entgegenhaltungen unzutreffend gewürdigt hat oder sonstigen Fehleinschätzungen unterlegen war (LG München I, InstGE 9, 27 – Antibakterielle Versiegelung). Allerdings muss das Verletzungsgericht unter Berücksichtigung seiner regelmäßig begrenzten technischen und naturwissenschaftlichen Sachkunde die Vorwegnahme im entgegengehaltenen Stand der Technik deshalb für wahrscheinlich halten, weil es selber imstande ist, diese Vorwegnahme bejahen zu können, ohne dass erhebliche Zweifel entgegenstehen (LG Düsseldorf, GRUR-RR 2010, 369 (LS) – Rotor-Drehsensor).

Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für das europäische Patent mit Schutzerstreckung für Deutschland (vgl. LG Hamburg, GRUR-RR 2002, 45, 47 re.Sp. – Felodipin).

Nichtigkeitsklage und Einspruchsverfahren sind grundsätzlich im Zusammenhang mit der Beurteilung der Aussetzung des Verletzungsprozesses gleich zu behandeln. Allerdings ist die Aussetzung bei einem erfolgversprechenden Einspruchsverfahren eher geboten als bei einer Nichtigkeitsklage. Das ergibt sich aus der unterschiedlichen Regelung der Darlegungs- und Beweislast in den Verfahren. Im Einspruchsverfahren ist es der Patentanmelder, der darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass der Gegenstand der Anmeldung die Patentierungsvoraussetzungen erfüllt. Im Nichtigkeitsverfahren ist dies umgekehrt; dort trägt der Nichtigkeitskläger die Beweislast (BGH GRUR 1991, 522, 523 – Feuerschutzabschluss).

Beschränkt der Patentinhaber im Einspruchsverfahren sein Patent selbst oder verteidigt er es im Nichtigkeitsverfahren nur noch in beschränktem Umfang, und macht er diese eingeschränkte Anspruchskombination im Verletzungsprozess geltend, so ist dies zwar zulässig (BGH GRUR 2003, 867 – Momentanpol I; GRUR 2010, 904 – Maschinensatz), kann aber dazu führen, dass eine Aussetzung als eher geboten erscheint (OLG München GRUR 1990, 352 – Regal-Ordnungssysteme).

II. Vorliegend ist eine Aussetzung geboten. Der Aussetzungsmaßstab ist herabgesetzt, weil nur eine eingeschränkte Merkmalskombination geltend gemacht wird und ein Einspruch anhängig ist. Die Neuheit gemäß Art. 54, 100 (a) EPÜ lässt sich zumindest mit Blick auf die Entgegenhaltung D1 nicht vertretbar begründen. Zu dieser Entgegenhaltung meint die Klägerin, diese offenbare keinen Haltemechanismus, der einen oder mehrere Schnappfinger aufweise, die strukturiert seien, den Kragen mit einer Schnappverbindung in Eingriff zu nehmen (Merkmal 3.3). Weder die Halteklammer (20) noch das Maskengehäuse (12) der D1 wiesen Schnappfinger auf:

(Figur 16 der Entgegenhaltung D1)

(Figur 18 der Entgegenhaltung D1)

Dem folgt die Kammer nicht. Vielmehr handelt es sich bei den Bauteilen mit den Bezugsziffern 74 und 75 gemäß Figuren 16 und 18 der Entgegenhaltung D1 um Schnappfinger im Sinne des Merkmals 3.3.

Nach dem oben gefundenen richtigen Verständnis sind Schnappfinger im Sinne des Klagepatents funktionale Mittel, um eine Schnappverbindung zu realisieren. Gemäß dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns wird eine Schnappverbindung durch Funktionselemente zum lösbaren oder auch zum unlösbaren, einfachen formschlüssigen Fügen von Bauteilen dargestellt. Bei einer Schnappverbindung verformt sich ein Flügelteil elastisch und verhakt anschließend lösbar oder unlösbar mit einem Gegenstück. Bei der hergestellten Verbindung liegt also ein Formschluss vor, wobei für die Verbindung die Elastizität der eingesetzten Werkstoffe zumindest eines der Verbindungsteile genutzt wird.

Das ist bei den Bauteilen mit den Bezugsziffern 74 und 75 gemäß Figuren 16 und 18 der Entgegenhaltung D1 der Fall. Denn in Abs. [0042] der D1 heißt es “The wall 74 is complementary in shape to and for receiving portions of the shell hollow cylindrical wall 38 in a wedged or friction engagement with the radial ridge being received in the radial recess 73A.“.

Weiter heißt es in Abs. [0044] “…is forced downwardly, with manual force applied by the person to wear the mask, to force the generally semi-circular wall 74 of the headstrap retention bracket 20 into wedged or interference friction engagement…” Durch die vorgelegten Kopien aus „Malloy“ (Anlage D5) aus dem Jahre 1994 hat die Beklagte belegt, dass das in D1 gezeigte „wedge/friction engagement“ [D1: 42] bzw.die „wedge/interference friction“ [D1: 44] dem patentgemäßen „snap fit“ entspricht und dass die z.B. in Figur 16 gezeigten Bauteile mit den Bezugszeichen 74 und 72 die snap finger sind. In „Malloy“ wird z.B. auf Seite 341 die Bezeichnung „interference fit“ als Synonym für „snap fit“ verwendet („snap or interference fit assembly“). Die von der Klägerin vorgelegten deutschsprachigen Auszüge aus Wikipedia (Anlage VP 20) haben die Kammer vor diesem Hintergrund hingegen nicht überzeugt.

III. Weiter folgt die Kammer der Klägerin nicht, soweit sie einwendet, die Druckschrift D1 zeige kein Winkelstück im Sinne des Merkmals 4. Denn die Entgegenhaltung D1 offenbart in Figur 2a einen dual swivel 22:

(Figur 2 A der D1)

Wie Abs. [0035] der D1 belegt, handelt es sich dabei um ein Winkelstück im Sinne des Merkmals 4.

IV. Auch meint die Klägerin, die Entgegenhaltung D1 zeige Merkmal 5 (wobei das Abdeckelement (x20) mit einer Stirnhalterung versehen ist) nicht. Der Druckschrift sei eine Stirnstütze im Sinne der abgeänderten Ansprüche des Klagepatents nicht zu entnehmen. Im Gegenteil, werde ein Teil des flexiblen Kopfbandes direkt durch die obere Öffnung der Halteklammer geführt, ohne dass eine Stirnstütze vorgesehen sei.

Nach zutreffendem Verständnis ist aber unter einer Stirnhalterung jede Struktur zu verstehen, die eine Befestigung einer Maske im Stirnbereich des Patienten ermöglicht. Die Entgegenhaltung D1 offenbart in Figur 17 ein Kopfband („head strap 79“), das am Abdeckelement befestigt ist. Dieses Kopfband tritt im oberen Stirnbereich – zusammen mit dem Gaszuführschlauch („gas supply hose 90“) – in Kontakt mit der Stirn und dient somit als Stirnhalterung.

V. Zudem ist die Klägerin der Auffassung, die Entgegenhaltung D1 zeige Merkmal 6 nicht. Schließlich trete das Bauteil 39 in obige Figur 18 mit der Aussparung 73 in Eingriff, die zwischen den halbrunden Wänden 74, also zwischen den Schnappfingern angeordnet sei. Das Bauteil 39 trete dagegen nicht mit den Schnappfingern selbst in Eingriff, die die Beklagten in den halbrunden Wänden 74 sehe.

Zutreffend muss der Vorsprung anspruchsgemäß nicht zwingend mit dem beweglichen Teil des Schnappfingers in Eingriff treten. Daher zeigt die Entgegenhaltung D1 auch diese Merkmal hinreichend eindeutig. Denn wie Figur 18 der D1 zu entnehmen ist, weist der Kragen einen Vorsprung 39 auf, der mit den Schnapphaken am Abdeckelement in Eingriff tritt:

Figur 18 der Entgegenhaltung D1

C. Der Rechtstreit war mit Blick auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klagepartei vom 21.08.2017 nicht wieder zu eröffnen. Die Klägerin hält darin keinen neuen Tatsachenvortrag, sondern macht nur Rechtsausführungen, die sie durch Vorlage von Gutachten aus dem parallelen englischen Verfahren (Anlagen VP 23 und VP 24) untermauert.

Im Rahmen einer Abhilfeentscheidung gegen eine eventuelle sofortige Beschwerde gegen den hiesigen Beschluss wäre dieser Schriftsatz jedoch ebenso zu berücksichtigen wie die Antwort der beklagten Partei mit Schriftsatz vom 01.09.2017 hierauf. Zweifel an der Erteilbarkeit des als verletzt geltend gemachten Patentanspruchs dürften auch vor dem Hintergrund dieser letzten Schriftsätze bestehen bleiben.

D. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3, 45 Abs. 1 S. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 2, 3 ZPO.

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 45 Klage und Widerklage, Hilfsanspruch, wechselseitige Rechtsmittel, Aufrechnung


(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine

Patentgesetz - PatG | § 9


Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung 1. ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzust

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Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung

1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;
3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.

(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.

(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.

(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.